Pfingsten, Leipzig, endlich wieder unterwegs – ich reise mit meinem Auto schon donnerstags an (extra zwei Tage Urlaub genommen, Freitag und Dienstag).
[12.06.22 / 16:01]✎ Pfingsten, Leipzig, endlich wieder unterwegs – ich reise mit meinem Auto schon donnerstags an (extra zwei Tage Urlaub genommen, Freitag und Dienstag). Den Kofferraum und den Beifahrersitz voller Klamotten, Koffer und Tragetaschen. Welche Schuhe ziehe ich denn zu den Kleidern an? Jeden der fünf Tage ein anderes Outfit – egal, ich nehme einfach alle Schuhe mit! Dieses Mal habe ich es übertrieben und packe die vier Paar Stiefeletten und die neuen Plateau-Pumps in einen aufklappbaren, großen Einkaufskorb neben mir auf den Beifahrersitz … Kofferraum war schon voll. Auf der Autobahn die Harzroute Richtung Leipzig … ich fahre von meiner Zweitwohnung aus und musste ja unbedingt noch einen halben Tag arbeiten (nachträglich gesehen, doch zu viel Stress).
Nach einem Zwischenstopp mit einer Tasse Kaffee an der Raststätte kurz vor Halle, Ankunft in Leipzig den Donnerstag Nachmittag, das Hotel im Norden, genau das in der Nähe der alten Wohnung von meinem Ex-Freund. „Ich hatte hier vor ein paar Jahren schon mal ein Zimmer, wegen einer Affäre mit einem Mann aus einem anderen Kulturkreis.“ Das Hotel hat sich nicht sehr verändert, alles wie gewohnt, zum Schlafen reicht es. Es dauert eine Weile, bis ich nach dem Check-in alles aus dem Auto vom Hotelparkplatz in mein Zimmer bringe. Die Schränke einräumen, eine Dusche nehmen, Make-up und Chanel auftragen. Das Outfit für die Nacht? Die schwarze Designer-Leggings und das Top mit den langen Ärmeln in Spitze – und die Pikes in Kombination mit der schwarzen Lederjacke und dem Nietengürtel. Punk Girl geht aus.
Der Fußmarsch zur Straßenbahnhaltestelle geht an dem Hauseingang, den Fenstern und der Wohnung im Erdgeschoss von ihm vorbei, ich habe ihm tatsächlich wieder eine Nachricht geschrieben, ob wir uns nicht mal auf einen Kaffee treffen können … ob er hier noch wohnt? Weiter zur Haltestelle, hier gibt es keinen Automaten, das von der Regierung zur Energiekrise aufgelegte 9-Euro-Ticket – mit dem ich das ganze erste Juniwochenende Straßenbahn fahren will, finde ich erst am Hauptbahnhof, mit der Tram weiter Richtung Connewitzer Kreuz.
Da bin ich wieder, wie sehr habe ich es vermisst! Zwei Jahre aussetzen und nur Online-Streams, das „Gothic Pogo Festival“ zu Pfingsten – die Veranstalter dieses kleinen Festivals haben sogar ein Testzelt organisiert, ich selbst habe genug Selbsttests für alle Tage eingepackt (= auf Arbeit geschnorrt), dieses nette Extra nach den langen zwei Jahren Viruspandemie nutze ich gerne, kann nicht schaden, noch einen zweiten professionellen Test vor Ort zu machen. Die Registrierung, der Abstrich, kurz warten … alles negativ und weiter in die kleine Halle mit der Disconacht. Einlass 22 Uhr, ich bin überpünktlich (und esse vorher noch etwas Israelisches).
Diesen Abend nur eine angekündigte Band – aber die muss ich unbedingt sehen! Die letzten zwei Jahre nur am Bildschirm bewundert, geht mir der Song mit „der Tasse Kaffee“ nicht mehr aus dem Kopf und ich muss ihn jeden Morgen die paar Schritte zur Küche und meinem Kaffeeautomaten vor mich hinsingen: „Eine Tasse Kaffee, das wär' aber fein …“ (Danke, dass ihr mein zuletzt tristes Leben so bereichert habt.)
Die Band lockert meine Stimmung auf, so ganz euphorisch bin ich dann aber doch nicht, die letzten zwei Jahre Isolation und die geliebten Menschen, die von uns gegangen sind, haben doch mehr seelische Narben hinterlassen, als wir noch gar nicht ahnen können. Tanzen, Getränk an der Bar holen, wieder das Leben von vorher einholen (eigentlich unmöglich). Ich bleibe bis zwei Uhr, bevor ich ein Taxi zurück zum Hotel nehme. (Ende Teil 1/6)
[14.05.22 / 20:10]✎ Zurück die Nacht aus Leipzig. Ein kleines Konzert mit drei Bands, als Probelauf für das kommende Gothic-Wochenende in drei Wochen an Pfingsten. Ich stehe zwischen den Auftritten den dunkel werdenden Abend draußen vor dem kleinen Club, mein Blick schweift auf die andere Straßenseite quer über die Kreuzung mit den alten Fabrikgebäuden im Westen von Leipzig … ich war hier schon einmal? Hier hat alles angefangen, da drüben habe ich mal mein altes Auto geparkt, Pfingsten 2003 – vor 19 Jahren. Ich war noch richtig jung, neu in der schwarzen Szene, unverbraucht … und wurde beim Aussteigen aus meinem Auto von einer vermeintlichen Transfrau angequatscht (die Stimme), ob ich: „Mal 'ne Zigrette habe.“ Ach so? Das geht? Ich kann einfach mit einem schwarzen Röckchen nachts auf die Straße gehen, Ausgehen, in Clubs Tanzen gehen – als Frau? Danke für den Mut, den du mir damit gegeben hast (und leider nein, ich bin Nichtraucher).
Viele, viele Jahre später, in der Jetzt-Zeit – ich stehe den frühen Freitag Abend noch vor dem Spiegel und will mal wieder so richtig dick Kajal auftragen, so dunkel und tiefschwarz, wie schon lange nicht mehr. Outfit für die Nacht: das neue schwarze Oberteil für ein paar Euro mit dem tiefen Ausschnitt, kurz geschnitten und fast bauchfrei, passend zum dem ultrakurzen Leder-Mini, der ebenso oben herum auf Bauchnabelhöhe abschließt. Die Leggings, die Stiefel, die ich auch in Paris anhatte (frisch abgebürstet und vom Kiesstaub des Jardin befreit) … und die dichte Chanel-Wolke um mich herum.
Nicht wenige Stunden später um 3 Uhr nachts stehe ich schon wieder zurück vor dem Spiegel in meinem Badezimmer, das Make-up entfernen. Die Nacht auf der Autobahn verbracht, Impressionen aus dem kleinen Konzert in Leipzig gesammelt. Eine junge Frau hat mich angesprochen, ob ich auch alleine da bin. Antwort: „Ich bin eigentlich immer alleine.“ Für einen kurzen Moment dringt jemand in meine autistische Blase ein. Schweigen. Weggucken. Den klaren Himmel anstarren … ich habe hier mal vor ein paar Jahren (noch so ein anderes Fabrikgebäude mit Underground-Konzerten) in der Abenddämmerung ein Schwarm Fledermäuse beobachtet. Die einzigen Lebewesen, mit denen ich mich sonst unterhalte, sind Spinnen, die sich unerwartet kurz vor meinem Gesicht abseilen oder irgendwo anders an meinem Körper herumkrabbeln, welche ich dann behutsam auf einen anderen Weg lenke. Mit Menschen kann ich nichts anfangen.
Vielleicht sollte ich mich irgendwie zu erkennen geben? Ein Sticker oder eine Plakette mit dem Hinweis: „Autist Bubble“ an mir anbringen? Um solche Situationen und Missverständnisse zu vermeiden. Bitte nicht ansprechen – und wenn doch, bitte nicht irritiert sein, wenn ich außer ein paar wenige Wörter keine weitere Reaktion zeige und meine Augen überall anders wohin zeigen, nur nicht in die Richtung dieser Konversation. Ich bin so … war schon immer so.
Kurz vor 3 Uhr nachts, schnell noch eine Fotoserie vor dem Abschminken machen … nur authentisch mit den Zahnpastaflecken am Badezimmerspiegel – als künstlerisch wertvoller Bokeh-Effekt!
[12.05.22 / 21:37]✎ Diese Situation hatte ich noch nie, mich (theoretisch) zwischen mehreren Stellenangeboten zu entscheiden. Ich dachte, ich bin wieder jahrelang arbeitslos – und jetzt, gerade mal sechs Wochen später, schon die nächste Unterschrift auf einen Arbeitsvertrag? Die, die ich hingehalten habe, haben sich wieder zurückgezogen (den Bogen überspannt), die eine Firma, bei der ich demnächst anheuere (die, die mich mit Schokolade geködert haben), konnte ich noch zu etwas mehr Gehalt überreden (und es ist immer noch weit unter dem, was als „statistischer Durchschnitt“ gilt). Und die andere Firma, bei der ich zuletzt noch ein ziemlich gutes Bewerbungsgespräch hatte – nachdem ich bei der einen Firma schon unterschrieben habe? Ghosting … (Aber das wäre nicht nett.)
Es bleibt, wie es ist. Die neue Firma sitzt in Braunschweig, ich fahre von meiner Zweitwohnung in SZ-XXX nur zehn Minuten und die Branche ist auch dieselbe (in unmittelbarer Entfernung zu dem anderen, großen, namenlosen, deutschen Konzern, der nicht mehr an mich geglaubt hatte).
Das kommende Monatsgehalt ist schon für die nächsten elf Monate verplant … und geht wieder zur Hälfte in mein aggressives Aktieninvestment! Nächster Meilenstein: „Die oberen 30-Prozent.“
[11.05.22 / 20:14]✎ Shoe Unboxing (und Eintragen) – Kurz vor meiner Paris-Reise angekommen, trage ich jetzt jeden Abend auf der Couch meine neuen italienischen Velourleder-Plateaupumps … um sie auf meine breiten Füße zu weiten. Größe „40,5“ – endlich mal eine Zwischengröße. In meinen anderen schwarzen Pumps in der Größe „41“ (die nie offene Straße gesehen haben) rutsche ich hinten immer raus und in die bisher ungetragenen Leo-Pumps in der Größe „40“ traue ich mich nicht rein, in schmerzhafter Sorge um meine „Problemfüße“.
Diese neuen Pumps sind dazu da, sie jeden möglichen Tag zu tragen, daher das Weiten und das noch kommende Einlaufen. Ob ich damit für Pfingsten schon bereit bin? Ich muss noch die passenden schwarzen Kleider aus meinem großen Schrank dafür heraussuchen … für das „aristokratische“ Outfit zum „Flanieren“ im Park.
[07.05.22 / 18:26]✎ Endlich wieder 'ne Runde „schüsseln“ – 22 Kilometer durch den Wald geradeaus, bis zur nächsten Tanke, und wieder zurück. Ich bin noch ganz tüddelig unterwegs, die ersten Kilometer nach der Tankstelle mit offenen Helm im „GI-Modus“ – Huch, ich habe vergessen, meinen Helm am Kinn zu verschließen. (Nicht das einzige, die Kombi flattert auch mit offenen Reißverschluss rings um die Taille.)
Das Benzin im halbleeren Tank gammelte schon anderthalb Jahre vor sich hin, das Motorrad stand auch anderthalb Jahre in der Garage, die alte Batterie war schon letztes Jahr tot (die neue lag bereits ein halbes Jahr bei mir rum). Eine ganze Saison ausgesetzt … kann ich es noch? Das Selbstvertrauen steigt mit schnurrendem Motor mit dem frischen Benzin und zurückkommender Routine, mit einer guten Figur auf dem Sattel gepflegt geradeauszufahren. Nächste Tour dann mit leichten Kurven (es darf nur nicht regnen, die einseitig abgefahrenen Reifen sollten dringend bei der nächsten Untersuchung gewechselt werden).
In zwei Wochen muss ich wieder topfit sein, da ist das nächste Bikertreffen (das erste nach zwei Jahren).
[28.04.22 / 23:03]✎ Zurück in Deutschland, dem Land des schlechten Geschmacks (zur Verteidigung: nur die eine Hälfte ist so, die andere Hälfte, wie ich, lebt eine modisch schlichte und unauffällige Tristesse). Mit dem Schnellzug den Tag die vielen hundert Kilometer und Stunden zurück über die Landesgrenze. Der Algorithmus für die Sitzplatzreservierung arbeitet gegen mich und hat für die (fast*) gesamte Reise, hin und zurück, die Plätze in den Baby- und Kinderwagons gebucht. Egal wo du sitzt oder fährst, egal welcher Wagon – es ist immer vor, neben oder hinter dir ein Plärrkind an Bord. Notiz an mich: bessere Kopfhörer kaufen, mit Geräuschunterdrückungsfunktion.
Den Abend zu Hause, alles auspacken, die neu gekauften Sachen auf Kleiderbügeln in meinem Zimmer verteilen. Ein Mantel, ein Kleid, ein T-Shirt und eine Flasche sauteure Lavendelhaarwäsche von meiner französischen Naturkosmetik-Hausmarke (ich konnte nicht widerstehen). Und die beiden Kühlschrankmagneten mit impressionistischen Kunstmotiven als Souvenir.
Ich habe immer noch nicht alles von Paris gesehen, ich war immer noch nicht auf dem Champs-Élysées und ich muss da wieder zurück … nicht unbedingt wegen der Sehenswürdigkeiten oder der Einkaufstempel – vielleicht eher wegen dem Flair, sich einfach dort in ein Café zu setzen, ein Buch zu lesen, ein Glas Wein zu trinken, sich einfach treiben zu lassen, die Atmosphäre aufzufangen. Bohème als Lebenskultur. So wie der Entstehungsprozess dieser Texte, gekritzelt auf Papier, spät abends auf dem Bett sitzend in einem winzigen Hotelzimmer irgendwo im 10. Pariser Arrondissement, nur beleuchtet durch den Schein einer direkt vor dem schmalen Fenster draußen angebrachten Straßenlaterne, deren Licht auf das einen halben Meter entfernte Bett zum Schlafen nur durch die schweren Vorhänge konstruktiv abgemildert werden kann.
(*) Fast die gesamte Zugreise, das letzte Teilstück ein Sitzplatz im Ruhebereich mit konzentriert an ihren Laptops sitzenden Fahrgästen. Ich zücke auch mein Smartphone, tippe E-Mails, beantworte Nachrichten. Die Telefonanrufe der Recruiter der letzten Tage habe ich weggedrückt oder stummgeschaltet oder war komplett offline – ich muss es denen ja nicht gleich unter die Nase binden, bzw. damit angeben: „Ich bin gerade Einkaufen in Paris!“ Im Gegensatz zu meinen anderen langzeitarbeitslosen Zwischenjahren hätte ich schon wieder ein paar Angebote, ich müsste nur noch den Stift für die Vertragsunterzeichnung hervorholen, zögere aber noch und pokere auf Risiko (die Hinhaltetaktik und mehr Gehalt aushandeln). Ich muss und sollte noch ein paar Jahre arbeiten (bevor ich komplett aussteige). Der Luxus will finanziert werden.
[27.04.22 / 23:54]✎Louvre – Teil Zwei. Nach dem Frühstück im Hotel, mit der Metro zu einer der beiden Haltestellen in der Nähe des Museumskomplexes und der markanten Glaspyramide in der Mitte. Ich versuche die Stelle und die Perspektive zu finden, an der ich bei meiner ersten Tour schon stand, um später die Fotos zu vergleichen. „Vorher-Nachher.“
Die Touristenströme sind nicht weniger geworden, eher mehr, und die Absperrlinien für die Warteschlangen draußen auf dem Innenhof vor dem Eingang, gefühlt noch länger. Wir haben Tickets mit dem Einlass um 11:00 Uhr reserviert und stellen uns in die entsprechende Schlange. „Fast Lane.“ (Tatsächlich geht es recht zügig.)
Unten im Eingangsbereich unterhalb der Glaspyramide angekommen. Erstes Orientieren, Garderobe mit Schließfächern suchen, den Übersichtsplan (ein Faltblatt) organisieren, den Rundgang für die nächsten Stunden planen: „Mehr als drei Teilbereiche schaffst du nicht entspannt an einem Tag!“ Aus mir spricht die erfahrene Louvre-Veteranin. Der Bereich mit den alten Gemächern und Interieur der Könige und hier residierten Herrscher deckt sich mit dem Besichtigungswunsch meiner Begleitung, den Teil musste ich bei meinem letzten (und ersten) Besuch auslassen. Doch zuerst der Rundgang durch den historischen Kern und der Ausstellung mit der Historie des Louvre – ich wusste gar nicht, dass das mal eine alte Festung aus dem Mittelalter war.
Weiter zu dem Trakt mit den Gemächern der herrschenden Klasse, dass genau an dem Wochentag einige Säle wegen Umbauten geschlossen sind, fällt gar nicht auf, allein dieser Flügel ist genauso gigantisch und eine Aneinanderreihung unzähliger Zimmer und Räume, wie die anderen Teilbereiche dieses riesigen Bauwerks. Vollgestopft mit haufenweise prunkvollen Luxus-Mobiliar. Der Salon Napoléon des III wirkt besonders beeindruckend. „Ja, der hat Stil.“
Weitere Stunden später, den frühen Nachmittag, der dritte Besichtigungswunsch – die Ausstellung mit der islamischen Kunst aus dem Mittelalter und der weiteren Jahrhunderte. Um in diesen Museumsteil zu kommen, müssen wir die Touristenmassen kreuzen, die nur hier sind, um die „Highlights“ zu sehen (mindestens die „Mona Lisa“). Den Teil hatte ich schon, alle Gemäldegalerien, alle antiken Statuen und der ägyptische Teil mit den Sarkophagen – der komplette Overkill. (Schön, dass meine Begleitung nicht darauf aus ist, das auch erleben zu wollen.)
Genau in dem Moment, in den wir unsere Drei-Stationen-Besichtigungstour abschließen, geht der Feueralarm los und wir werden durch das Sicherheitspersonal in aller Ruhe durch die grün leuchtenden Notausgänge geschleust, bis zu den groß aufgesperrten Klappen auf dem Innenhof in der Nähe der Glaspyramide. Ein einsames Feuerwehrauto steht verloren am Rande der Szenerie, während der Besucherandrang weiter in das Museum strömt, als wäre überhaupt nichts passiert. Wieder Anstehen an der Linie mit dem „Priority Access“, alle unsere Sachen sind noch unten in den Schließfächern der Garderobe.
Der Nachmittag – die verrückte Idee, den Museumsbesuch einfach noch einmal zu wiederholen, wird schnell verworfen. Wir lassen uns in dem alten Stadtteil nördlich des Louvre treiben. Zielloses, scheinbares Umherirren, jede zweite Hausnummer ein Bistro, ein Café oder eine Bar (ein Croque und ein Kakao für mich). Rein „zufällig“ entdecken wir eine alte, große Kirche (… nicht ganz so edel wie Sacré-Cœur und nicht ganz so berühmt, wie Notre-Dame am Seine-Ufer) und wenig später den fotogenen Innenhof des Palais-Royal. (Der Regierungssitz Frankreichs?)
Zum Fortführen der Shopping-Tour vom letzten Tag, hätten wir noch ein Stück weiter zu den anderen großen Kaufhäusern gemusst. Ich blocke ab, ich trage zwar den Tag wieder meine flachen Schuhe, kombiniert mit der Jeans und dem schwarz-grünen Ringelpullover einer Designermarke – aber für noch mehr Einkäufe fehlt mir das Volumen in meinem kleinen Koffer (den neu gekauften Wollmantel muss ich schon für die Rückfahrt in den Einkaufsbeutel als weiteres Gepäckstück auslagern). Mit der U-Bahn den späten Nachmittag zurück ins Hotel.
Abendessen in dem traditionellen französischen Restaurant, an dem wir die letzten Tage immer wieder vorbei gegangen sind. „Ente exquisit“ von der Menükarte, langes Warten auf das Bezahlen danach (wir als Deutsche sind da hilflos und vollkommen verloren in Frankreich) und wieder zurück die paar Schritte zum Hotel, alles für die Abreise den nächsten Tag vorbereiten.
[26.04.22 / 23:08]✎ Mir fehlt noch der Montmartre und Sacré-Cœur. Nur wenige Gehminuten vom Hotel entfernt – und ganz viele Gehminuten die Treppe hoch, ein traumhafter Ausblick auf ganz Paris … wäre das Wetter nicht so trüb-beschissen. Ein zäher Morgendunst verdunkelt alle Fotos jede einzelne Treppenstufe nach oben. Ich halte an meinem Vorsatz fest: Keine Selfies mehr mit ausgestreckten Arm! Ganz oben angekommen, die erwarteten Touristenströme in und an der Kathedrale und sowieso rings um den Berg und das ganze Viertel. Nach um 11 Uhr ist es einfach unmöglich, noch für einen kurzen Moment, scheinbar menschenleere Urlaubsfotos zu zaubern.
Der Plan für heute: Kathedrale ansehen, irgendwo ein zweites Frühstück und Einkaufen in den vielen, kleinen Läden in diesem (ehemaligen) Künstlerviertel. Für das Frühstück ist es schon zu spät (es wird ein Crêpe mit Schoko-Bananenfüllung am Tisch mit Blick auf den Hügel), das empfohlene Renoir-Museum ganz oben ist Dienstags zu (aber eine malerische Gasse davor) und der Gottesdienst in der Kirche pflegt eine mehr oder weniger friedliche Koexistenz mit den drumherum kreisenden, niemals endenden Touristenstrom, aber die Atmosphäre des Ganzen bleibt gewahrt. Weiter in die obligatorische Shopping-Tour in das angesagte Viertel den frühen Nachmittag – ich trage extra meine flachen Schuhe.
Viele Boutiquen hier und da, nicht alle in einer Straße, mehr versteckt in den Gassen rings um die eine Metrostation – wir gehen in eine nach der anderen. Eine wortgewandte Verkäuferin genügt und die Kreditkarte wird um einige Beträge mehr belastet. Nacheinander wandern den Nachmittag in die Einkaufsbeutel: ein schwarz-grauer Wollmantel (als Ersatz für meinen zerschlissenen Kaban), ein olivgrünes Viskose-Kleid (das in dem Kaufhaus den Tag zuvor hätte das Fünffache gekostet) und ein wirklich schönes, grünes T-Shirt mit unverbrauchtem Motiv und sogar eine kleine Menge an Pailletten als Glitzerelement – als Ersatz / viel bessere Wahl für das nicht erstandene schwarze Paillettenkleid zwei Tage zuvor.
Durch meine Begleitung werde ich in weitere Streifzüge in diverse kleinere Vintage-Läden gezogen, hier und da gibt es wirklich noch etwas zu entdecken, aber nicht für mich (mit meinem Fokus auf alle Lederwaren). Ein Laden hätte sogar noch interessantes Schuhwerk für mich gehabt, die mir als „Eye-Catcher“ zwischen den vielen Kleidern aufgefallen sind (u.a. ultrahohe Glitzerstiefel), hätte ich nicht gerade erst sauteure Schuhe im Internet bestellt (meine schwarzen Plateau-Pumps sind kurz vor der Abreise doch noch per Paketpost gekommen). Von dem eigentlichen Plan, französische Parfüms und Cremes in Frankreich zu kaufen, habe ich ganz schnell wieder Abstand genommen – aus mir unbekannten Gründen sind die in Deutschland als französischer Export um einige Euros günstiger zu haben …?
Weit unten an der Moulin Rouge den späten Nachmittag angekommen, beenden wir unsere Einkaufstour (und ich habe keine Ahnung, wie ich die ganzen prall gefüllten Einkaufsbeutel noch in den kleinen Handgepäckkoffer für die Bahnfahrt zurück nach Deutschland verstauen soll). Zu Fuß den Boulevard im Rotlichtviertel entlang, zurück zum Ausgangspunkt vom Vormittag und weiter in das Hotel. Einkaufsbeutel auf dem Bett ablegen, sortieren … schon wieder ein paar Fehlkäufe bereuen (ich halte mich dagegen unter Kontrolle) und bereit machen, für das Ausgehen zum Abendessen.
Der Stimmung mitfühlend, falle ich den Abend wenig später auf der Straße in dem Pariser Viertel in eine Entscheidungskrise und weiß nicht mehr, in welches Restaurant oder Bistro ich oder wir noch gehen wollen oder möchten. Die Richtung, das Bistro, der Kreis – den wir laufen. Ich bin dran mit Bezahlen – und ich will etwas mit Trüffeln. Es wird ein Bistro um die Ecke mit Gnocchi in Trüffelsauce (zutiefst französisch), aber ohne Dessert – ich hatte den Mittag schon am Montmartre ein leckeres, libanesisches Sahneeis, überzogen mit einer unendlichen Schicht aus Pistazien.
[25.04.22 / 23:18]✎ Tagesprogramm für heute: Die Orangerie mit Monets Seerosenteich irgendwo am westlichen Ende des Louvre und dem großen Park. Wir haben zwei Tickets für den Einlass um 11 Uhr reserviert. Frühstück im Hotel (meine gefüllten Croissants) und mit der Metro zur Haltestelle am Place de la Concorde – wir sind viel zu früh da, Zeit für ein paar Fotos dieses berühmten Pariser Platzes mit dem „verrückten“ Kreisverkehr und dem Obelisken mittendrin. Wirkt recht unspektakulär und sieht in den alten französischen Filmen viel lebhafter aus (ist eigentlich richtig verlassen).
Weiter zum Eingang des großen Parks – so weit westlich des Zentrums war ich noch nie (ich sehe sogar in der Entfernung den Triumphbogen). Etwas entspannen, ein paar Fotos von den Blumenrabatten machen – der Buchsbaum ist auch hier hin, ein eingeschleppter Schädling hat alles zerfressen, nur mit viel Gift kann noch der Rest Bewuchs gerettet werden. Weiter zum Einlass des Musée de l'Orangerie kurz vor 11 Uhr.
Monets großflächiges Werk ist in zwei Ausstellungshallen untergebracht – der Künstler hat sich was dabei gedacht, dieses in Form einer meditativen, unendlichen Acht zu arrangieren, leider kommt die Atmosphäre durch die vielen Besucher nicht richtig zur Geltung. Ein oder zwei Stunden später und es werden noch viel mehr Besucher hineindrängen. Noch kann ich seine Bilder in kompletter Breite bewundern (nur aus einer größeren Entfernung betrachtet, ergibt sich für mich ein Motiv). „Maybe in our world … lives a tree!“
In der unteren Etage und in den Wechselausstellungen finden sich noch weitere Werke bekannter Impressionisten aus dieser Zeit mit Aufbruch in die Moderne, ein Name war mir sogar noch unbekannt und hat mich überrascht. „Ganz große Kunst, dieses trübe Licht eines neblig grauen Tages einzufangen.“ (Verglichen mit den sonnig trockenen Landschaftsbildern, in die ich mich sonst, nach einiger Zeit der Betrachtung, verlieren könnte.) Hoch zum Souvenirshop, noch ein paar Kühlschrankmagneten mit Seerosenmotiv kaufen, damit ich in der eigenen Familie mit der „Kühlschrankkunst“ mithalten kann. 13 Uhr nochwas, weiter in die Gegend nördlich des Louvre und des Place de la Concorde.
Wo sind wir hier? Ich will in Richtung des großen Lafayette Kaufhauses, eigentlich hatte ich die Shopping-Tour erst für den nächsten Tag geplant und über meine anthrazitgraue Stretchjeans wieder die hohen Stiefel angezogen, aber da wir gerade in der Gegend sind. Reiner Zufall, wir laufen in der Straße mit den teuersten Designerboutiquen Paris entlang. Der Chanel-Flagship-Store. Ein Besuch dieser Läden ergibt sich für uns nicht, das ist eine andere Welt. Kurzer Stopp in einem Bistro (vegetarische Quiche) und weiter in das Luxus-Kaufhaus Galeries Lafayette.
Ich wollte da hinein, meine Begleitung ist skeptisch. Alle Luxus-Kaufhäuser rund um die Welt, die ich schon besucht habe (New York, Tokio, Rom, Berlin) sind immer gleich aufgebaut: unten Parfüm, darüber die großen Designermarken jenseits der vierstelligen Preise, und darüber meine Preisklasse mit den sauteuren Labels, die ich auch überall sonst finden könnte. Leider fehlen hier die großen Kleiderständer mit den „Sale“ Etiketten – kein günstiges Schnäppchen für mich.
Meine Begleitung verirrt sich auch hier in dem günstigen Vintage-Bereich gebrauchter (Marken-)Kleidung, aber ich kann mit getragenen Textilien nichts anfangen. Erst als ich ein paar Lederbekleidungsstücke entdecke, verliere ich etwas meine Scheu. Dafür ist ein Tier gestorben, das kann man (frau) nicht einfach so auf den Müll werfen (nur habe ich so eine Lederhose schon).
Wieder draußen merken wir, wie die Zeit vergangen ist, waren wir wirklich drei Stunden da drin? Und keiner hat etwas gekauft – nicht mal den schwarzen Fetzen / Fummel für zwei- oder dreihundert Euro (gab es nur in der „36“ und der „40“ – nicht aber in meiner Größe „38“). Kaffee und Eclaire ein paar Schritte weiter in einer Bäckerei. Meine Füße sind von dem vielen Laufen in den hohen Absätzen kaputt – nicht aber mein Gesicht von der langsam gefährlich werdenden Sonnenstrahlung. Punkt für das Kaufhaus.
Mit der Metro den späten Nachmittag zurück zum Hotel. Die U-Bahn bleibt kurz mit Umschaltung auf volle Notbeleuchtung im Tunnel stehen – tief durchatmen, langsames Aufwärtszählen. Die Fahrgäste bleiben ruhig, es ist wahrscheinlich nicht das erste Mal, dass so etwas passiert. (Viele, viele Kilometer weiter in London, ein auf der Strecke liegengebliebener Zug durch einen fehlerbedingten Neustart der bordeigenen Software … ja, das war ich.)
Ausruhen im Hotel, die Schuhe auf das flachere Schuhwerk wechseln (läuft sich ganz ungewohnt, ohne hohe Absätze) und Abendessen in einem Restaurant oder Bistro um die Ecke an der lebhaften Hauptstraße zwischen den beiden großen Bahnhöfen Nord und Ost. Pizza gibt es hier auch, aber ich entscheide mich für Pasta – und ein zutiefst französisches Dessert: Fondant au chocolat! (Zum Dahinschmelzen.)
[24.04.22 / 23:15]✎ Ein Tag mit Auf und Abs. Es fängt noch ganz entspannt an, Frühstück im Hotel, Kaffee, Baguette und Croissants – die ich wieder chirurgisch präzise mit dem Skalpell / Messer auf der Seite öffne und mit Nuss-Nougat-Creme fülle. Nach dem Frühstück zum Gare du Nord und in Richtung historisches Zentrum fahren. Ich trage diesen Tag mein schwarzes Kleid, das ich auch schon in Wien und in Hamburg anhatte, mit Silberkette, den halbhohen Stiefeln mit Absatz und meiner Lederjacke – und dezentes Chanel-Parfüm.
Den Einstieg zu der passenden Metrolinie finde ich nicht, ich plane den Umstieg über eine zweite Linie. Ratloses Stehen vor den Netzplänen mit den U-Bahnlinien. Viele Momente später, der Ausstieg irgendwo in der Nähe der Seine und der Kathedrale Notre-Dame. Ein Foto machen, Vorher-Nachher, mit abgebrannten Dach und ohne (ich habe meine Fotos von vor 10 Jahren wieder hervorgesucht). Zu viele Touristen.
Etwas abseits südlich des Notre-Dame und der Insel in der Seine findet sich ein kleiner Park neben einer alten griechisch-orthodoxen (oder römisch-katholischen?) Kirche. Chorgesänge aus den alten Mauern intensivieren das kurze Gefühl, einen grünen Ruhepol unweit der Touristenströme gefunden zu haben. Reiner Glücksfall, aber das, was ich in Paris wollte: nicht das große „Sight-Seeing“. Lass uns in einem Café die Wartezeit überbrücken, bis unten die Treppe runter zum Seine-Ufer der nächste „Hop-on-Hop-off“ Schiffsbus abfährt. Gemütlich die Seine entlangschippern und mit der Kamera jede einzelne Brücke stylish in Szene setzen.
Zwischenausstieg am frühen Nachmittag am Eiffelturm – wollte ich hier sein? Ich will nur ganz schnell wieder weg. Ein reizvolles Foto des Turmes mit den blühenden Bäumen an der Uferstraße – mehr nicht. Hier will ich nie wieder hin. Massen an Touristen, das Gelände weiträumig abgesperrt mit hohen Zäunen und großen Eintrittsschleusen – so schön und frei, wie vor über 10 Jahren 2011, ist das hier nicht mehr. Dieser Ort hat durch den Massentourismus viel vom Flair verloren. Mit dem Schiffsbus die Tour zurück zum Ausgangspunkt von vor ein paar Stunden den späten Vormittag.
Ein dritter Kaffee in einem Bistro in einer Nebenstraße zum Notre-Dame. Den historischen, alten Stadtkern finde ich nicht mehr. Er muss auf der kleinen Nachbarinsel liegen. Zu Fuß über die Brücke nördlich der Seine.
Hier war ich doch schon mal? Ich erkenne sofort die Ecke mit dem markanten, roten Bistro oder Café, hier bin ich zum ersten Mal von der unterirdischen Metro an die Oberfläche gestoßen und habe das erste Mal das Lebensgefühl von Paris eingeatmet. Ein kurzer Glücksrausch, gefolgt von der Entscheidung: Zurück zum Hotel oder da die Einkaufsstraße entlang? Ein böser Fehler mit meinen hochhackigen Schuhen.
Es sind nur ein paar hundert Meter zu den Vintage-Klamottenläden, aber das gefühlt kilometerlange Abgrasen der Kleiderstangen auf der Suche nach einem schwarzen Glitzerdress für die Disco, strapaziert meine Füße enorm. Ein bodenlanges (an sich hübsches) One-Shoulder-Pailettenkleid probiere ich an, aber ich weiß, wann ich die Grenze ziehe und meine Kreditkarte in der Handtasche behalte – wenn ich das enge Kleid und den Reißverschluss nur noch mit Hilfe der Verkäuferin anziehen kann. Wenn ich das später nicht alleine schaffe, kaufe ich es erst gar nicht. Ich muss mich nicht in jede Größe „S“ zwängen (auch wenn die Verkäuferin sagt, es „wäre“ meine Größe). Zurück den frühen Abend mit der U-Bahn zum Hotel.
Eine etwas bedrückende Stimmung, jeder der Fahrgäste schaut auf sein Smartphone – diesen Sonntag ist in Frankreich die Präsidentschaftsstichwahl, europafreundlich gegen ultrarechts, mit unklaren Ausgang.
Zurück im Hotel, eine kurze Pause, Umstieg auf die flacheren Schuhe und wieder als Abendessen, eine Pizzeria in der Nähe.
[23.04.22 / 23:11]✎ Paris, Teil 2 – Mir fehlen noch ein paar Sehenswürdigkeiten. Mit dem Zug in acht Stunden (mit Aufenthalt auf dem „Ackerbahnhof WB“ zwei mehr) zum Gare de l'Est im Zentrum / 10. Arrondissement der französischen Hauptstadt. Gefühlt jeder Schnellzug ein Kindergeburtstag – dafür aber ab Straßburg richtig schnell (der Doppelstockzug von Alstom sieht in den Firmennachrichten für die Mitarbeiter viel neuwertiger und unverbrauchter aus).
Kurz nach 18 Uhr Ankunft, ich kenne die Richtung, die ich laufen muss, das Bistro mit der Mikrowellenlasagne im Food Court des Bahnhofs gibt es nicht mehr. Irgendwo da hinten war mal das andere Hotel von vor zehn Jahren. Die Straße mit den Hotels nahe dem großen Ostbahnhof war im Internet ausgebucht, ich laufe noch ein Stück weiter zum Nordbahnhof Gare du Nord zu dem kleinen 2-Sterne-Hotel in der Nebenstraße für diesen Städtetrip. Hauptsache ein kleines Stadthotel, niedliche Zimmer, eine Kirche mit Glockengeläut in der Nähe – Paris Flair. Ich werde nicht enttäuscht, meine Reisebegleitung ist dagegen viel weniger erfreut, es ist nicht das „Taj Mahal“.
„Sieh nur, diese bunte Decke auf den zwei Betten“, die zwei Einzelbetten füllen fast das gesamte Zimmer aus. „Abgesteppte Nähte, bunte, rechteckige Muster“, ich musste auch so eine französische Überdecke für mein Bett zu Hause haben. „Das Fenster mit diesem Metallgitter davor, wie ein Balkon“, das Fenster ist leider zur Straßenseite hin, lässt sich nur ganz öffnen und nicht ankippen. Und die schweren Gardinen schleifen auch nicht bis ganz auf den Boden – genau das musste ich in meinem Schlafzimmer, als Inspiration von meiner letzten Paris-Reise, auch haben. „Das winzige Bad, alles so funktional – und sieh nur, da bröckelt sogar etwas Tapete von der Decke des Zimmers. Das ist so Paris!“ Ich bin begeistert.
Abendessen in einer Pizzeria um die Ecke – wir benehmen uns wie zwei ältere deutsche Damen, die nicht wirklich wissen, wie sie sich verhalten sollen (elefantenmäßig). Schnell noch Wasser kaufen in dem Minimarkt daneben – und wieder zurück ins Hotel (kein Ausgehen für mich den Sonnabend Abend).
[18.04.22 / 03:48]✎ Die ersten zwei Bilder meiner Liveshow aus der Nacht zwei Wochen zuvor, die ersten Minuten, bevor ich ihm alles gegeben habe, was er sehen wollte …
Ungünstiges Licht, ich sollte was mit meinen Augenbrauen machen? Oder das ist jetzt so der Trend. Nach fast zwei Jahren Pandemie, endlich wieder neue Fotos von mir. Die Situation mit ihm war zu spontan, als dass ich mich darauf vorbereiten konnte. (Der Rest bleibt der Phantasie der Leserschaft überlassen.)
Ich lebe nur noch für die Nacht.
[17.04.22 / 15:09]✎ Die längst überfälligen Fotos vom Shoe Unboxing letztes Jahr – meine französischen Gummistiefeletten (mit Absatz) für dunkle Regentage, matschige Wiesen und Exkursionen am Fischteich (mit vorbeischwimmenden Kois).
Ärgerlich … meine vor 10 Tagen bestellten, „ultrahohen“ schwarzen Plateaupumps für das Gothic-Wochenende zu Pfingsten dieses Jahr, sind nie angekommen (bis jetzt). Die waren teuer und auf Vorkasse bezahlt. Der Online-Shop (von dem ich schon ein anderes Paar Stiefel habe) wird demnächst, auf meine Beschwerde hin, ein Nachforschungsauftrag für das verlorengegangene Paket anlegen. Die Fotos, die ich mit den ausgepackten Schuhen gemacht hätte – unter der japanischen Kirschblüte im Garten – muss ich leider verschieben, oder mit anderen Schuhen machen (da ist noch das eine, ungetragene Paar Leo-Pumps vom vorletzten Jahr im Regal in der Ankleidekammer).
[Anm. der Verfasserin: Gar nicht so einfach, wenigstens „eine“ hängende Blüte vom japanischen Kirschbaum mit auf das Bild zu bekommen.]
Welche Schuhe ziehe ich wohl an, wenn ich alsbald den „Champs Élysées“ entlangstiefele …?
[09.04.22 / 11:51]✎ Der dritte Todesfall in der Familie … ich wollte die Sterbeanzeigen schon bewusst überblättern, da ich keine weiteren mehr sehen kann, als ich doch noch darauf hingewiesen wurde. Jetzt lebt aus dieser Generation niemand mehr. Der Teil des prosaischen Schreibens geht damit auf mich über.
[03.04.22 / 00:41]✎ Würde ich eine Kontaktanzeige aufgeben … würde die genau so aussehen!
[02.04.22 / 17:37]✎ Nach und nach ergibt sich aus den mir zugetragenen Puzzleteilen ein Bild und ich kann nachvollziehen, wie es wirklich abgelaufen ist. Der große Konzern wirft alle externen Kräfte raus, die Projektierungsfirma, an die ich ausgeliehen wurde, hat keine Verwendung mehr für mich und muss – wegen der wegbrechenden Auftragslage – selber ihre eigenen Mitarbeiter verteilen. Der Ingenieurdienstleister als drittes Glied in der Kette (von dem ich mein Gehalt bekam), kündigt mich daraufhin, mit größtem Bedauern, noch vor Ablauf der sechsmonatigen Probezeit. Hire and Fire.
Da bin ich nun, Arbeitslosmeldung bei der Arbeitsagentur, vorher ewig arbeitslos gewesen, kein Anspruch auf Geld. Ein mir von der Sachbearbeiterin in die Hand gedrückter Laufzettel und der Verweis auf die in Krisenzeiten schnell zusammengezimmerte Holzbaracke nebenan, in der der Drachen vom Jobcenter sitzt. „Wollen Sie den Antrag gleich ausfüllen?“ (Nein, danke.) Ohne Tschüss zu sagen, drehe ich mich schnell um und verlasse fluchtartig auf kürzestem Wege diese grausige Behörde. Ich bin komplett aus dem System gefallen, nirgendswo registriert, nirgendswo Ansprüche. Arbeitslos ohne Leistungsbezug.
Die ersten beiden Nächte nach meinem letzten Arbeitstag: Die erste Nacht verbringe ich bis drei Uhr in einem Erotik-Video-Chat, ich hätte Geld dafür nehmen sollen, dass ich ihm anderthalb Stunden fast alles gezeigt habe. Die zweite Nacht sitze ich erneut bis drei Uhr vor dem Computer, eingeloggt auf meinem angemieteten Server mit dem Hidden Service und rüste kräftig meine Linux-Distribution auf. Alles, was ich in letzter Zeit an Sicherheitstipps und Empfehlungen im Internet aufgesogen habe. Intrusion Detection, abgesicherte Zugänge, extra goodies – „How to hack my own server!“ … Vielleicht ein Hinweis, in welche Richtung ich mich jetzt weiterentwickle.
„Taube im Schrank.“
Meine kleine und doch viel zu große Zweitwohnung in Salzgitter am Rande von Braunschweig. Für die Arbeit angemietet, lebt dort jetzt ein Taubenpärchen neben dem Küchenfenster der Dachgeschosswohnung, ich kann das Gurren jeden Morgen hören, wenn ich an meinen Kaffeevollautomaten gehe und die Dose mit dem neapolitanischen Bohnenkaffee aus dem Küchenschrank nehme. Die fast leerstehende Wohnung wird jetzt für die nächsten drei Monate, bis zum Ablauf der Kündigungsfrist, meine Wochenendwohnung (wie in Leipzig). Noch drei Monate die volle Miete zahlen – das geht hart an die Grenze von meinem Kontostand, sollte ich auch weiterhin nicht die nächsten sechs Monate von meinem aggressiven Sparplan absehen.
Die Zeit wäre da, jetzt herumzureisen …?
[19.03.22 / 19:39]✎ Nachtrag: Hat überhaupt irgendjemand das Recht, einen Krieg anzufangen? Auch wenn ich versuche, einen objektiven Standpunkt zu halten und mich nicht von der – von beiden Seiten – ausgestrahlten Propaganda und Gegenpropaganda allzu sehr zu beeinflussen, zwingen mich die Bilder von der Front am Rande Europas eine Seite zu wählen. Schön umschrieben in den Texten der deutschen Regierung:
Im Spannungs- oder Verteidigungsfall werden alle ehemals wehrdienstleistende Soldatinnen (!) und Soldaten eingezogen, Mannschaftsdienstgrade bis zum Alter von 45, Berufs- und Zeitsoldaten (Reservisten sowieso) bis zu einem Alter von 60 oder 65.
Eine Quelle kann ich leider nicht nennen, ich habe mir das auch nur aus Versatzstücken zusammengebastelt … aber ich bin dann in diesem extremen Fall dran (blieb mir auch so aus den politischen und militärischen Schulungen in Erinnerung, als ich als Obergefreite nach zehn Monaten vor mehr als zwanzig Jahren mein reguläres „Dienstzeitende“ erreicht hatte).
Ich war jung und suchte das Abenteuer …
[19.03.22 / 19:38]✎ Gerade von der zweiten Beerdigung zurück, erwartet mich das vorausgeahnte Kündigungsschreiben des Ingenieursdienstleisters im Briefkasten – ein profaner Zweizeiler, das Blatt Papier so gefaltet, das Wort Kündigung in der Betreffzeile „lacht“ mich geradezu an beim Öffnen des Umschlages.
„Wie viel verträgst du noch? Wie viele Schicksalsschläge kannst du noch emotional wegstecken und in dich fressen, bis du zusammenbrichst? Bis alles aus dir herausbricht?“
Was nun? Anspruch auf Arbeitslosengeld habe ich als „Serienlangzeitarbeitslose“ nicht. Für die anderen vierhundert Euro nochwas Almosen vom Jobcenter bin ich knapp „zu reich“ – mein aggressives Investment in Aktien sollte eigentlich noch sechs Monate bis Oktober weitergehen – aber wovon füttere ich die Sparpläne? Da ist kein Einkommen mehr. Da ist nichts bis auf eine eiserne Reserve für die nächsten zwölf Wochen. Die Miete für die noch nicht wieder gekündigte Zweitwohnung und die mir noch gar nicht fassbaren Beiträge für die von mir selbst zu zahlende Krankenversicherung wird sich drastisch auf mein Bankkonto auswirken. Wie viel kostet so ein Dispokredit?
Dass ich schnell wieder Arbeit finde, ist so gut wie ausgeschlossen, nach meinem (wertlosen) Langzeitstudium war ich zweieinhalb Jahre arbeitslos, nach meinem Rauswurf (und Abschiebung in die Psychiatrie) war ich auch wieder zweieinhalb Jahre arbeitslos … warum sollte das jetzt anders sein? Ist mal wieder Krieg und Finanzkrise und ewig lange Viruspandemie und Inflation und gesellschaftlicher Umbruch und Aufspaltung der Bevölkerung in politisch extreme Lager … nicht wirklich optimal.
Ich bin vierzig Jahre alt und habe mal gerade sieben Jahre meines Lebens gearbeitet.
[12.03.22 / 18:07]✎ Die Jagd der Glücksritter nach den fallenden Kursen geht weiter, ich bin wie besessen davon und denke Tag und Nacht an nichts anderes. Neu im Portfolio: ein robuster Multi Asset – auf den ich es schon seit geraumer Zeit abgesehen habe, sowie ein zweiter ETF – noch viele Milliarden schwerer als der erste, als solides Fundament meiner Vermögensanlage, welches ich von Beginn an (2004?) doch leicht vernachlässigt hatte. Zusammen mit den Dividenden-starken Mischfonds (die den größten Anteil ausmachen) und den Themenfonds (so gut wie alles „Tech“ und läuft schon Jahre) gebe ich mich der beruhigenden Illusion eines strukturierten und durch alle Krisen manövrierenden Depots hin.
„Du kannst so viele Aktienfonds besitzen, wie Paar Schuhe im Schrank.“
Währenddessen geht der Wert meines kleinen Edelmetall-Subdepots durch die Decke, dank eines „grantigen, alten Mannes im fernen Zarenreich, der sich nicht in den Vorgarten kacken lässt“ und einen mehr oder weniger, von seiner Sicht aus, berechtigten Krieg anfängt. Wir in Europa sind nur der Omega-Wolf im Rudel neben dem weißen Kaninchen – die Ukraine war schon von Anfang an für alle verloren. Schade um die Menschen, schade um den kleinen europäischen und westlichen Teil. Wer weiß, wie weit meine ethnischen Wurzeln bis in diese Richtung gereicht hätten (der von mir erst vor kurzem entdeckte, filigrane Ahnenzweig nach Österreich-Ungarn).
Für den Frieden …
[05.03.22 / 21:27]✎ Wie eine Walküre gleich, fliege ich über mein Aktiendepot und streue überall nach dem Gießkannenprinzip kleinste Beträge in meine unterschiedlichsten Aktienfonds. „Kaufen, wenn die Kanonen knallen“, ein altes Sprichwort aus den noch viel älteren Tagen eines vergangenen Jahrhunderts.
Der Krieg … betrifft mich nicht, passiert irgendwo anders in Europa. Solange die nicht einen Atomkrieg anzetteln? Alle tun so überrascht, wenn ein Kernkraftwerk beschossen wird – war ich die Einzige, die da noch vor über zwanzig Jahren als Rekrut(in) in einem Wald irgendwo in Norddeutschland in einem selbst ausgehobenen Alarmposten hocken musste, um ein ominöses Kernkraftwerk noch viele, viele Kilometer weiter zu beschützen? Die Einsatzpläne der Armeegeneräle für solche Szenarien sind uralt … genauso wie die Taschenkarte mit den sowj… roten Flugzeugen, die Jod-Tablette, der „NATO-BH“ gegen den Atomblitz und die Gasmaske und der Poncho, auch bekannt als „Nässeschutz“ (der nur den echten Strahlenschutzanzug vor Regen schützen sollte) und … ich könnte hier noch viel mehr aufzählen. Willkommen im neuen, kalten Krieg – der in Wahrheit nie zu Ende war, wir haben es nur nicht sehen wollen.
Ich bin die letzten Tage gefangen in den Flashbacks an meine Wehrdienstzeit. Wenn die wieder mobilisieren, ziehen die mich dann auch ein? Könnte interessant werden … ich habe sogar noch meinen alten Feldanzug im Schrank. 18 bis 60 und die Verrückten, die sich irgendwann mal freiwillig gemeldet haben.
(Die letzten Wochen viele Fotos aus alten Familienalben gesichtet, Fotos aus dem zweiten Weltkrieg, Fotos aus dem ersten Weltkrieg, Fotos von längst verstorbenen und gefallenen Familienahnen in Uniform.)
das habe ich sehr gerne gemacht. Zum Einen interessiert mich das Thema und zum Anderen hast Du wirklich sehr lebendig und spannend geschrieben. Da wollte ich Alles lesen und wollte Dir schreiben, das mir Dein Blog besonders gut gefallen hat (Die eigentliche Arbeit hattest Du ja mit dem Verfassen des Blogs). Wenn Du magst können wir den Kontakt gerne per Mail halten. Viele Grüße Daniele
Morgana LaGoth: Mail-Adresse steht oben bei "kontakt" - bei weiteren Fragen, gerne.
[30.07.20 / 12:44]Daniele1992: Guten Morgen,
vielen Dank für Deinen tollen Blog. Ich habe ihn in den letzten Wochen komplett gelesen. Meistens konnte ich gar nicht aufhören zu lesen. Fast wie bei einem sehr spannenden Roman. Ich habe dabei Deine genauen Beobachtungen und Beschreibungen sehr genossen. Deine vielen Ausflüge in die Clubs und zu den Festivals oder Deine Streifzüge d durch die Geschäfte beschreibst Du immer aus Deiner Sicht sehr anschaulich und spannend. Ich kann das sehr gut nachvollziehen, das alleine zu erleben, häufig auch mit einer gewissen Distanz. Ich kenne ich von mir sehr gut. Highlights sind Deine Reiseberichte. Deine Erlebnisse an den unterschiedlichsten Orten auf der Welt. Vielen Dank dafür. Vielen Dank auch das Du Deinen Weg zu Deinem waren Geschlecht mit uns Lesern teilst. Deinen Weg Deine Gefühle Deine zeitweisen Zweifel. Das ist sehr wertvoll auch für uns Andere, denn es ist authentisch und sehr selten. Du bist einem dadurch sehr vertraut geworden. Für mich ist eine gefühlte grosse Nähe dadurch entstanden. Umso mehr schmerzt es mich von Deinen Rückschlägen zu lesen. Von Deinem Kampf zu Deinem wahren Ich. Von Deinem Kampf umd Liebe, Zährlichkeit und Akzepzanz und Anerkenung. Von Deiem mitunter verzweifeltem Kampf nach Liebe und Anerkennung durch Deinen Exfreund. Leider vergeblich. Dein Kampf um wirtschaftliche Unabhängigkeit und Deine aktuell missliche Lage. Ich glaube dass Du nicht gescheitert bist. Du hast viel Mumm und Hardnäckigkeit bewiesen Deinen Gang zu Dir selbst zu gehen. Du hast auch einen guten Beruf der immer noch sehr gefragt ist. Vielleicht kann ja nach dieser Auszeit und etwas Abstand ein Neuanfang in einer anderen Firma, wo Du keine Vergangenheit als Mann hattest gelingen. Ich wünsche das Dir ein Neuanfang gelingt und drücke Dir ganz fest die Daumen. Daniele
Morgana LaGoth: Da liest sich tatsächlich jemand alles durch? Das ist mittlerweile schon ein kompletter Roman mit mehreren hundert Seiten! Danke dir, für deinen Kommentar (und die aufgebrachte Zeit).
[05.10.19 / 17:11]Drea Doria: Meine liebe Morgana,
bin 5 T post all-in-one-FzF-OP. Deine guten Wünsche haben geholfen. Der Koch ist immernoch noch super. Alle hier sind herzlich und nehmen sich Zeit.
Herzlich
Drea
Morgana LaGoth: Dann wünsch ich dir jetzt noch viel mehr Glück bei deiner Genesung!
vielen Dank für Deine offenen und kritischen Erlebnisberichte. Ich bin in 3 Monaten in Sanssouci zur FzF-OP. Ich denke auch, was kann schon schief gehen, status quo geht nicht und irgendwas besseres wird wohl resultieren. Wenn es Dich interessiert, halte ich Dich informiert. Drücke mir die Daumen.
Herzlich
Drea
Morgana LaGoth: Ich wünsche dir für deine Operation viel Glück. (Sollte der Koch nicht gewechselt haben, das Essen da in der Klinik ist richtig gut!)
[14.11.17 / 20:13]Morgana LaGoth: Nutzungsbedingungen für die Kommentarfunktion: Die Seitenbetreiberin behält sich das Recht vor, jeden Kommentar, dessen Inhalt rassistisch, sexistisch, homophob, transphob, ausländerfeindlich oder sonstwie gegen eine Minderheit beleidigend und diskriminierend ist, zu zensieren, zu kürzen, zu löschen oder gar nicht erst freizuschalten. Werbung und Spam (sofern die Seitenbetreiberin dafür nicht empfänglich ist) wird nicht toleriert. Personenbezogene Daten (Anschrift, Telefonnummer) werden vor der Veröffentlichung unkenntlich gemacht.