morgana81 - gothic transgender

Nach und nach ergibt sich aus den mir zugetragenen Puzzleteilen ein Bild und ich kann nachvollziehen, wie es wirklich abgelaufen ist.

[02.04.22 / 17:37] Nach und nach ergibt sich aus den mir zugetragenen Puzzleteilen ein Bild und ich kann nachvollziehen, wie es wirklich abgelaufen ist. Der große Konzern wirft alle externen Kräfte raus, die Projektierungsfirma, an die ich ausgeliehen wurde, hat keine Verwendung mehr für mich und muss – wegen der wegbrechenden Auftragslage – selber ihre eigenen Mitarbeiter verteilen. Der Ingenieurdienstleister als drittes Glied in der Kette (von dem ich mein Gehalt bekam), kündigt mich daraufhin, mit größtem Bedauern, noch vor Ablauf der sechsmonatigen Probezeit. Hire and Fire.
Da bin ich nun, Arbeitslosmeldung bei der Arbeitsagentur, vorher ewig arbeitslos gewesen, kein Anspruch auf Geld. Ein mir von der Sachbearbeiterin in die Hand gedrückter Laufzettel und der Verweis auf die in Krisenzeiten schnell zusammengezimmerte Holzbaracke nebenan, in der der Drachen vom Jobcenter sitzt. „Wollen Sie den Antrag gleich ausfüllen?“ (Nein, danke.) Ohne Tschüss zu sagen, drehe ich mich schnell um und verlasse fluchtartig auf kürzestem Wege diese grausige Behörde. Ich bin komplett aus dem System gefallen, nirgendswo registriert, nirgendswo Ansprüche. Arbeitslos ohne Leistungsbezug.

Die ersten beiden Nächte nach meinem letzten Arbeitstag: Die erste Nacht verbringe ich bis drei Uhr in einem Erotik-Video-Chat, ich hätte Geld dafür nehmen sollen, dass ich ihm anderthalb Stunden fast alles gezeigt habe. Die zweite Nacht sitze ich erneut bis drei Uhr vor dem Computer, eingeloggt auf meinem angemieteten Server mit dem Hidden Service und rüste kräftig meine Linux-Distribution auf. Alles, was ich in letzter Zeit an Sicherheitstipps und Empfehlungen im Internet aufgesogen habe. Intrusion Detection, abgesicherte Zugänge, extra goodies – „How to hack my own server!“ … Vielleicht ein Hinweis, in welche Richtung ich mich jetzt weiterentwickle.

„Taube im Schrank.“

Meine kleine und doch viel zu große Zweitwohnung in Salzgitter am Rande von Braunschweig. Für die Arbeit angemietet, lebt dort jetzt ein Taubenpärchen neben dem Küchenfenster der Dachgeschosswohnung, ich kann das Gurren jeden Morgen hören, wenn ich an meinen Kaffeevollautomaten gehe und die Dose mit dem neapolitanischen Bohnenkaffee aus dem Küchenschrank nehme. Die fast leerstehende Wohnung wird jetzt für die nächsten drei Monate, bis zum Ablauf der Kündigungsfrist, meine Wochenendwohnung (wie in Leipzig). Noch drei Monate die volle Miete zahlen – das geht hart an die Grenze von meinem Kontostand, sollte ich auch weiterhin nicht die nächsten sechs Monate von meinem aggressiven Sparplan absehen.

Die Zeit wäre da, jetzt herumzureisen …?

[19.03.22 / 19:39] Nachtrag: Hat überhaupt irgendjemand das Recht, einen Krieg anzufangen? Auch wenn ich versuche, einen objektiven Standpunkt zu halten und mich nicht von der – von beiden Seiten – ausgestrahlten Propaganda und Gegenpropaganda allzu sehr zu beeinflussen, zwingen mich die Bilder von der Front am Rande Europas eine Seite zu wählen. Schön umschrieben in den Texten der deutschen Regierung:

Im Spannungs- oder Verteidigungsfall werden alle ehemals wehrdienstleistende Soldatinnen (!) und Soldaten eingezogen, Mannschaftsdienstgrade bis zum Alter von 45, Berufs- und Zeitsoldaten (Reservisten sowieso) bis zu einem Alter von 60 oder 65.

Eine Quelle kann ich leider nicht nennen, ich habe mir das auch nur aus Versatzstücken zusammengebastelt … aber ich bin dann in diesem extremen Fall dran (blieb mir auch so aus den politischen und militärischen Schulungen in Erinnerung, als ich als Obergefreite nach zehn Monaten vor mehr als zwanzig Jahren mein reguläres „Dienstzeitende“ erreicht hatte).

Ich war jung und suchte das Abenteuer …

[19.03.22 / 19:38] Gerade von der zweiten Beerdigung zurück, erwartet mich das vorausgeahnte Kündigungsschreiben des Ingenieursdienstleisters im Briefkasten – ein profaner Zweizeiler, das Blatt Papier so gefaltet, das Wort Kündigung in der Betreffzeile „lacht“ mich geradezu an beim Öffnen des Umschlages.

„Wie viel verträgst du noch? Wie viele Schicksalsschläge kannst du noch emotional wegstecken und in dich fressen, bis du zusammenbrichst? Bis alles aus dir herausbricht?“

Was nun? Anspruch auf Arbeitslosengeld habe ich als „Serienlangzeitarbeitslose“ nicht. Für die anderen vierhundert Euro nochwas Almosen vom Jobcenter bin ich knapp „zu reich“ – mein aggressives Investment in Aktien sollte eigentlich noch sechs Monate bis Oktober weitergehen – aber wovon füttere ich die Sparpläne? Da ist kein Einkommen mehr. Da ist nichts bis auf eine eiserne Reserve für die nächsten zwölf Wochen. Die Miete für die noch nicht wieder gekündigte Zweitwohnung und die mir noch gar nicht fassbaren Beiträge für die von mir selbst zu zahlende Krankenversicherung wird sich drastisch auf mein Bankkonto auswirken. Wie viel kostet so ein Dispokredit?

Dass ich schnell wieder Arbeit finde, ist so gut wie ausgeschlossen, nach meinem (wertlosen) Langzeitstudium war ich zweieinhalb Jahre arbeitslos, nach meinem Rauswurf (und Abschiebung in die Psychiatrie) war ich auch wieder zweieinhalb Jahre arbeitslos … warum sollte das jetzt anders sein? Ist mal wieder Krieg und Finanzkrise und ewig lange Viruspandemie und Inflation und gesellschaftlicher Umbruch und Aufspaltung der Bevölkerung in politisch extreme Lager … nicht wirklich optimal.

Ich bin vierzig Jahre alt und habe mal gerade sieben Jahre meines Lebens gearbeitet.

[12.03.22 / 18:07] Die Jagd der Glücksritter nach den fallenden Kursen geht weiter, ich bin wie besessen davon und denke Tag und Nacht an nichts anderes. Neu im Portfolio: ein robuster Multi Asset – auf den ich es schon seit geraumer Zeit abgesehen habe, sowie ein zweiter ETF – noch viele Milliarden schwerer als der erste, als solides Fundament meiner Vermögensanlage, welches ich von Beginn an (2004?) doch leicht vernachlässigt hatte. Zusammen mit den Dividenden-starken Mischfonds (die den größten Anteil ausmachen) und den Themenfonds (so gut wie alles „Tech“ und läuft schon Jahre) gebe ich mich der beruhigenden Illusion eines strukturierten und durch alle Krisen manövrierenden Depots hin.

„Du kannst so viele Aktienfonds besitzen, wie Paar Schuhe im Schrank.“

Währenddessen geht der Wert meines kleinen Edelmetall-Subdepots durch die Decke, dank eines „grantigen, alten Mannes im fernen Zarenreich, der sich nicht in den Vorgarten kacken lässt“ und einen mehr oder weniger, von seiner Sicht aus, berechtigten Krieg anfängt. Wir in Europa sind nur der Omega-Wolf im Rudel neben dem weißen Kaninchen – die Ukraine war schon von Anfang an für alle verloren. Schade um die Menschen, schade um den kleinen europäischen und westlichen Teil. Wer weiß, wie weit meine ethnischen Wurzeln bis in diese Richtung gereicht hätten (der von mir erst vor kurzem entdeckte, filigrane Ahnenzweig nach Österreich-Ungarn).

Für den Frieden …

[05.03.22 / 21:27] Wie eine Walküre gleich, fliege ich über mein Aktiendepot und streue überall nach dem Gießkannenprinzip kleinste Beträge in meine unterschiedlichsten Aktienfonds. „Kaufen, wenn die Kanonen knallen“, ein altes Sprichwort aus den noch viel älteren Tagen eines vergangenen Jahrhunderts.

Der Krieg … betrifft mich nicht, passiert irgendwo anders in Europa. Solange die nicht einen Atomkrieg anzetteln? Alle tun so überrascht, wenn ein Kernkraftwerk beschossen wird – war ich die Einzige, die da noch vor über zwanzig Jahren als Rekrut(in) in einem Wald irgendwo in Norddeutschland in einem selbst ausgehobenen Alarmposten hocken musste, um ein ominöses Kernkraftwerk noch viele, viele Kilometer weiter zu beschützen? Die Einsatzpläne der Armeegeneräle für solche Szenarien sind uralt … genauso wie die Taschenkarte mit den sowj… roten Flugzeugen, die Jod-Tablette, der „NATO-BH“ gegen den Atomblitz und die Gasmaske und der Poncho, auch bekannt als „Nässeschutz“ (der nur den echten Strahlenschutzanzug vor Regen schützen sollte) und … ich könnte hier noch viel mehr aufzählen. Willkommen im neuen, kalten Krieg – der in Wahrheit nie zu Ende war, wir haben es nur nicht sehen wollen.

Ich bin die letzten Tage gefangen in den Flashbacks an meine Wehrdienstzeit. Wenn die wieder mobilisieren, ziehen die mich dann auch ein? Könnte interessant werden … ich habe sogar noch meinen alten Feldanzug im Schrank. 18 bis 60 und die Verrückten, die sich irgendwann mal freiwillig gemeldet haben.

(Die letzten Wochen viele Fotos aus alten Familienalben gesichtet, Fotos aus dem zweiten Weltkrieg, Fotos aus dem ersten Weltkrieg, Fotos von längst verstorbenen und gefallenen Familienahnen in Uniform.)

[23.02.22 / 23:25] Ich kann gar nicht so viel Schwarzes tragen, wie ich mich fühle. Kaum von der einen Beerdigung zurück, steht schon die nächste an: „Das Unbeschreibbare ist, wenn nur wenige Wochen später der langjährige Ehe- und Seelenpartner folgt, verstorben an gebrochenen Herzen.“

[19.02.22 / 17:39] Kündigung noch vor Ablauf der sechsmonatigen Probezeit? Mein Vertrag bei dem Dienstleister wird nicht verlängert, Ende März ist Schluss … ich bin denen zu „langsam“. Vor drei Jahren war ich noch wegen akuter Selbstmordgefährdung in der geschlossenen Psychiatrie, diese seelische Narbe reißt sofort wieder auf. Ich suche die Nacht wieder den Moment, tief in meiner Vergangenheit, an dem sich alles verändert hat und mein vorbestimmtes und sicheres Leben nicht mehr selbstverständlich war: Als ich im Dezember 2001 die Diagnose MS bekam, das Informatikstudium schmiss und mich im darauf folgenden Jahr (und zwei Monate) das erste Mal … vor dem tiefsten, seelischen Abgrund befand. Keine Zukunft mehr.

Tag 2: Vollkommen verstört von der Nachricht, laufe ich den Tag über das Werksgelände, gestern gab es wieder leckeren Kuchen in der Kantine, mit viel Sahne, aber das ist nicht wichtig. Gedanken – das Jobcenter trägt mein Gehalt zu fünfzig Prozent bis Ende März, danach läuft die Probezeit aus und es greift mein „besonderer“ Kündigungsschutz als behinderte Arbeitnehmerin. Wenn das wirklich wahr ist, wenn die mich wirklich noch vor Ablauf dieser sechs Monate wieder auf die Straße setzen? So fies kann der Kapitalismus nicht sein … an das Gute der Menschen glauben. Knallhart kalkuliert, es ist für die Firma besser, das Fördergeld zur Hälfte zurückzuzahlen, als das Risiko aufzunehmen, mich nicht mehr loszuwerden. Verbittert wende ich mich auch von dieser Arbeitswelt wieder ab.

[14.02.22 / 22:12] Die eigene Familie erlebt gerade ein paar schwere Schicksalsschläge, deren Nachwirkungen sich wie ein Beben bis in mein, ansonsten davon hermetisch abgeschirmten, privaten Tagebuch auswirken: „Eine Wohnung, befüllt mit dem Inventar aus dem Leben zweier Menschen, die so nicht mehr zurückkehren werden.“

Ein Jahr ist es her, dass ich aus der Klinik entlassen wurde. Seit einem Jahr bin ich „clean“, keine Tabletten mehr und keine Schlafprobleme. Ich bin gerade dabei, all die Kontakte, Telefonnummern und Chatnachrichten von meinem Ex-Freund auf meinem Smartphone zu löschen. Vier Nummern von wahrscheinlich vier verschiedenen Prepaid-Handys. Eine fünfte Nummer ist seit ein paar Tagen neu dazugekommen. Auf eine Nachricht von mir, endlich Schluss zu machen, nach einem Jahr Funkstille, folgte ein kurzes „Hi“, und eine Antwort meinerseits mit unendlich vielen Fragezeichen. Ich kann mich von ihm nicht trennen, ich wünsche ihm so sehr, dass er auch einen Entzug in einer Klinik macht, wenigstens von dem Alkohol wegkommt. Ob er tatsächlich auch noch in die Drogensucht abgerutscht ist, ist nur eine von meinen schlimmsten Befürchtungen.

Zu einem anderen Thema: Wird es Krieg geben? Die Nachrichten im Internet und im Fernsehen sind nicht gut. Auch wenn ich weiß, dass „die eigene Bevölkerung im permanenten Kriegszustand halten“ ein beliebtes Stilmittel von Autoren düsterster Dystopien ist, so macht mir die aktuelle und reelle Lage doch zusehends Angst. Alles Propaganda? „Stell dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin.“

(Hauptsache ich habe mein Aktiendepot schon seit zwei Wochen sturmsicher umgeschichtet, bzw. erweitert.)

[06.02.22 / 14:44] Tausche „nachts vor dem Computer sitzen und programmieren“ gegen „nachts vor dem Computer sitzen und Aktienkurse beobachten“. Mein Rohstoffdepot ist ein kleines, in sich geschlossenes und für sich selbst existierendes, strukturiertes Unterdepot in meinem großen Gesamtdepot (das schon seit über zehn Jahren existiert). Die neu dazugekommenen Anteile an Gold (und vollkommen überteuert gekauft) sind breit gestreut, die paar Gramm, auf die ich theoretisch Anspruch hätte, liegen verteilt in den Tresoren der europäischen Bankmetropolen diverser Anbieter – von mir blind übersehen: die immensen Lagerkosten und Haltegebühren, das geht von der Rendite ab. Ein Hedgefond sieht vielversprechend aus, dieser investiert selbst wieder in Gold-Zertifikate und ist abgesichert – den nehme ich auch noch mit in mein Portfolio auf. Ich habe die Chartanalyse für mich entdeckt, Gold befindet sich auf einem „sich abschwächenden“ Aufwärtstrend (aber geht noch weiter nach oben).

Mit einem leicht schlechten Gewissen, dass ich die Nächte so viel Geld vor dem Computerbildschirm verpulvere, quetsche ich noch den letzten Rest aus meinem Netto-Monatsgehalt (nach Abzug der Miete) und investiere die paar Cent in einen günstigen ETF – ein Schlachtross, Milliarden Euro schwer. Diesen kleinen, zusätzlichen Sparplan werde ich noch mindestens die nächsten fünf Jahre halten müssen, egal was kommt (damit der sich überhaupt rentiert).

Neulich gelesen, erst ab einem Nettovermögen von über XXX.XXX Euro (ein sechsstelliger Betrag) gelte ich als reich … bis dahin ist es noch ein sehr weiter Weg (sollte ich dieses utopische Ziel jemals erreichen).

[29.01.22 / 01:25] Der Knubbel am Ohr – und es war doch ein Keloid. Ich bin mir nicht sicher, ob ich mich nicht doch mehr gefreut hätte, wenn es ein bösartiger Tumor gewesen wäre. Nie wieder Ohrringe tragen dürfen? Ich musste fast mein ganzes Leben auf diesen Wunsch verzichten, hatte zwei oder drei erfüllende Jahre, mir eine kleine Sammlung an Ohrringen und Ohrhänger zuzulegen, mit meinen 2017 frisch gestochenen Ohrlöchern – und jetzt ist dieser Traum schon wieder vorbei? Ich könnte sie neu aufstechen lassen, mitten über der Narbe, auf eigenes Risiko, gegen jeden ärztlichen Rat, mit einer neuen, wahrscheinlichen Wucherung leben, sie immer wieder wegoperieren lassen, nur um so gerne Ohrschmuck zu tragen, die Magie der Weiblichkeit. Beim Termin zum Fäden ziehen bekomme ich den Zettel mit dem, für mich deprimierenden, pathologischen Befund überreicht.

Eine Seite hätte ich noch, bevor es da auch ausbricht, es gibt so wunderschöne Ohrringe mit Kette und Klammer für die Ohrmuschel …

[18.01.22 / 17:42] Ich kann das immer noch nicht so richtig verarbeiten, als ob ich Sie jederzeit wieder besuchen kommen könnte.

Leben dreht sich weiter, der Knubbel am Ohr ist weg, ich sitze krankgeschrieben zu Hause (ein kleiner Schnitt mit dem Skalpell, ein großer Schritt für mich), Schuhe im Internet bestellen, Serien im Abo auf der Couch vor dem Fernseher ansehen. Mein aktuelles „Experiment“ – wie lange kann ich meine Haare nicht waschen (aufgrund des Verbandes), bis sie wieder von alleine entfetten? Die Dunkelheit des Winters, ich vegetiere so dahin …

[15.01.22 / 14:07] Das Tragische ist, wenn die beiden im selben Krankenhaus liegen und nichts voneinander wissen – plötzlich und für immer auseinandergerissen nach über einem halben Jahrhundert der Ehe.*

Das Traurige ist, wenn die Bestattung frühestens erst in vier Wochen stattfinden kann – wegen der schieren Menge an Gestorbenen.

(* Tatsächlich waren es fast sieben Jahrzehnte.)

[14.01.22 / 11:25] Das Schlimmste ist, wenn die Menschen, die wir lieben, im Krankenhaus sterben – und keiner von den Angehörigen darf rein.

[31.12.21 / 15:54] Das Jahr geht genauso unspektakulär zu Ende, wie es begonnen hat. Die letzte Woche als Spiegelbild des gesamten Jahres: Arbeiten am Computer, arbeiten an meiner eigenen Software, nebenbei Börsenkurse ansehen, abwarten, zögern, doch kein Kauf absetzen. Die eigene Gesundheit beobachten, meinen Körper, die dritte Impfung generalstabsmäßig geplant und in der lokalen Verwaltungsbehörde mit Hilfe der Armeesoldaten in olivgrüner Uniform durchgeführt (sehr effizient). Meinen eigenen Körper pumpe ich mit noch mehr Medikamenten und Hormonen voll (ich will endlich wieder ein volles A-Körbchen erreichen, wie damals vor ein paar Jahren, zur Beginn der Hormontherapie, als ich fast "scheinschwanger" war).

Die vielen Silvesterabende, die ich allein vor dem Computer verbracht habe, mein ganzes Leben, es scheint, als wären die wenigen kurzen Jahre zwischen 2015 und 2019 nur eine Ausnahme gewesen. Eine Packung Tiefkühl-Toast-Hawaii und ein paar Kroketten im Backofen ... vielleicht höre ich später noch einmal in ein Online- und Live-DJ-Set hinein, während ich weiter an meinem Computer programmiere und mich wie immer wegen dem Lärm da draußen vor meinen Dachbodenfenstern aufrege (der bis jetzt noch ziemlich verhalten ist).

Das nächste Jahr: Träume, Wünsche! Das Motorrad nach einer kompletten Saisonpause wieder flottmachen, Reisen planen, all die Ziele mit dem Zug und dem Flugzeug, die noch offen sind, immer um ein Jahr verschoben, aber niemals aufgegeben! Die Bikinifigur für den Strand halten, hatte ich mich so gefreut, daß ich wieder die magische "57 kg" erreicht hatte, kratze ich jetzt, schokoladenbedingt, wieder an der "Neunundfünfzig-Komma-nochwas". Dranbleiben...

(Ein komisches Gefühl, wenn mich der Impfarzt fragt, wie alt ich bin und mir nach einer Momentsekunde ein "Vierzig" über die Lippen läuft ... gleich die vor mir liegende Schokolade aufessen, während ich diese Zeile in mein Tagebuch schreibe.)

[24.12.21 / 22:22] "Jetzt kommt eine ganz neue Gruppe, nicht die der Impfgegner und Impfverweigerer, sondern die der Nichtwähler - die, die für sich aufgegeben haben und einfach nicht mehr Teil des Systems sind."

Geschrieben drei Tage zuvor in mein Notizbüchlein als Idee für einen Tagebucheintrag - und doch habe ich mich dazu überreden lassen, einen dritten Impftermin zu buchen, dabei hatte ich meine sechs Monate noch gar nicht um, es sind erst "fünfeinhalb". (Wie viele Impfungen da noch kommen?)

Zu etwas vollkommen, vollkommen anderem:

"Nach vierzig Jahren ist der Lack ab!"

Nicht mein Zitat - aber ein nicht ganz ernst gemeinter, liebevoller und doch in treffender Weise zynischer Spruch aus dem engsten Personenkreis zur Festtagszeit unterm Tannenbaum. Ist halt so, mußt du so nehmen. Leb damit und schmunzel weiter.

[17.12.21 / 23:42] Wer bin ich noch, im zweiten Jahr des Viruskrieges? Ohne Ausgehen, Konzerte, Festivals, durch die Welt reisen, Menschen treffen und kennenlernen. Ich bin das asexuelle, nonbinäre Etwas, das in seiner autistischen Wesensart nichts anderes kennt, als die tägliche Arbeit am Computer im Softwaretesten. Das auch in diesem Konzern demnächst "die Hütte brennt" (Streiktonnen), bekomme ich nicht mit. Die Menschen, die an mir vorbeigehen, bekomme ich nicht mit. Die Schreckensnachrichten in den Medien, die angeblich radikalen, aufrührerischen und spaltenden Kräfte, die ganze Politik drumherum, bekomme ich nicht mit. Es betrifft mich nicht, berührt mich nicht, ich schaue es mir nur manchmal verwundert an. Die ganzen verwahrlosten, sich gehenlassenden, ziellos umherirrenden Jugendlichen auf der Straße, die von allen Vergessenen ... No Future? Ich hatte wenigstens meine Zeit.
Arbeit, Kohle scheffeln, das Monatsgehalt 1:1 ins Aktiendepot reinvestieren, etwas zu essen kaufe ich mir vom Ersparten, Rücklagen der "Arbeitslosenstütze" der letzten beiden Jahre, Miete für die Wohnung zahlt die Entleihfirma (Ingenieurdienstleister). Alles, was ich darin stehen habe, ist gebraucht, geborgt, war doppelt vorhanden (Leipzig) oder ist improvisiert - so wie mein Fernseher auf einem Pappkarton steht, in einem kahlen Wohnzimmer, in dem sich sonst nichts findet, als ein Bett, ein Klapptisch und meine beiden, leichten Bistrostühle aus Aluminium ... vielleicht noch ein aufgebautes, klappriges Regal mit drei, vier Kleiderbügeln auf der Stange, mitten im Raum. Die Küche macht's mit meinem einzig investierten, neuen Kaffeevollautomaten, jeden Morgen. Direkt gegenüber zur Tür des Wohn- und Schlafzimmers hängt als Deko das Poster von dem Gothic- und Post-Punk-Konzert von vor ein paar Wochen, das einzige Konzert, das es dieses Jahr gab, für mich.

Wie lange halten die Menschen das durch? Werde ich bald auch wieder als ungeimpft gelten? Dreht sich der Kreis? Neues Jahr, neue Mutation, neuer Impfstoffmangel, Kampagne, Floskeln, Phrasen, Slogans, Propaganda und Parolen? Ich verliere das Interesse, ich kapsel mich ein, es betrifft mich nicht mehr, ihr habt mich verloren. Ich schau lieber dabei zu, wie jeden Morgen der Kaffee in meine zwei darunter positionierten, kleinen Espressotassen läuft. Arbeiten gehen, Einkaufen, Wohnung saubermachen, Fernsehen, Bett - Arbeiten gehen, Einkaufen, Wohnung...

[22.11.21 / 22:33] Da ist er, der 40. Geburtstag, es gibt nichts darüber zu schreiben oder zu sagen, was anderswo schon erwähnt wurde. Altbekannte Weisheiten: Männer werden irgendwie noch ein Stück attraktiver und Frauen irgendwie ... irgend etwas zwischen "deprimiert" und "aufgeben".
Ich stehe den späten Vorabend noch am Badezimmerspiegel in meiner neuen Wohnung und ziehe die kleinen Falten am Augenlid glatt und ... lasse es gleich wieder bleiben, winke mit der Hand meinem Spiegelbild entgegen. "Steh dazu..."
Und jetzt? Immer noch nicht verheiratet, geradezu beziehungsunerfahren - jedenfalls alles, was über kurze Liebschaften hinausgeht. Weiblich, Vierzig, Single. Ich teile meinen Geburtstagskuchen nicht, stopfe alles in mich hinein und hoffe, daß niemand überhaupt etwas bemerkt und wohlmöglich mir noch gratulieren will. "Na, wie alt bist du denn jetzt geworden?" - Hau bloß ab...
So mit "50" könnte ich vielleicht wieder anfangen, zu feiern, das wäre dann ein runder Geburtstag (und erst dann die Hälfte zur "100"). Bis dahin ... ein schönes Geschenk: Ein kleines, buntes, Teeservice, für eine Person, für nette Nachmittage allein.

Angekommen in meiner Dachgeschoßwohnung für "unter der Woche", mein Leben besteht eigentlich nur noch aus dem "Nine-to-Five-Job" im Büro, nach Feierabend im Discounter Einkaufen gehen (aka "Einkaufswagen schubsen"), Nahrung und Reinigungsmittel kaufen, Frühstück und Abendessen und Putzen und die Wohnung sauber halten (mehr oder weniger). Danach Fernsehen (wenn etwas drauf ist). Einen Computer und Internet habe ich hier nicht, wozu auch? (Text geschrieben von meinem Smartphone.)

Neuerdings kitschige Deko-Blumen kaufen und die Wohnung einrichten...

[12.11.21 / 21:34] Nachtrag etwa zwei Wochen später: Abgesagt! Was mache ich denn jetzt? Tieftraurig nehme ich zur Kenntnis, daß auch im zweiten Jahr das kleine Post-Punk-Festival in Leipzig nicht stattfinden wird. Meine Sachen bleiben im Schrank, meine Stiefel, meine schwarze Tunika, mein grau-kariertes Röckchen, für das ich mich zusätzlich entschieden hätte. Wenigstens war ich mal kurz lebendig, das eine Wochenende vor zwei Wochen.
Die Zahl der Infektionen in dieser verdammten Pandemie steigt exponentiell, sie ist höher als jemals zuvor... Wo sind die ganzen Leichen auf den Pflastersteinen und Gehwegen, an jeder Ecke, wie zu tiefsten Pest-Zeiten im ebenso tiefsten Mittelalter? Das alles passiert nur in den Fernsehnachrichten, im echten Leben buchen sich die Menschen abenteuerliche Flugreisen in exotische Länder (ja, ich bin neidisch), feiern Partys, drängeln sich in Kaufhäusern und Supermärkten und Tankstellen und Büros ... und ich sitze hier und kann schon wieder nichts machen.

Konsum.

Ich erfreue mich stattdessen (oder ersatzweise) in meiner neuen Dachgeschoßwohnung im Speckgürtel von Braunschweig (SZ-XXX, halb Dorf, halb City) an meinem neuen, italienischen Kaffeevollautomaten, gab es im Discounter um die Ecke für einen "supergünstigen" Preis.

[31.10.21 / 16:48] Da bin ich wieder, Sonnabend Abend auf der Autobahn Richtung Connewitz. Mein Outfit für den (vor-)letzten Tag des Oktobers: Vampirella? Witchcraft? Die ganze Woche vorher schon überlegt und ich entscheide mich letztendlich doch dagegen - den schwarzen Dress mit den ultraweiten Tunika-Ärmeln und die attraktive, schwarz-grüne Unterwäsche (BH und Slip) mit floralem Muster behalte ich für die nächsten, kommenden Wochenenden noch im Schrank. Für das Konzert diesen Abend im Süden von Leipzig trage ich standardschwarz. Kapuzenpullover, Lederjacke und die eng sitzende Jeans ... nur die halbhohen, italienischen Lederstiefeletten werde ich dann mit beiden Outfits kombinieren (also auch das für die nächsten Wochenenden).
Make-up: Routiniert, alles paßt wieder. Feuchtigkeitscreme, dann Kajal, Mascara, Wimpern- und Augenbrauenbürste - den Rest des Körpers habe ich schon den frühen Sonnabend Nachmittag von den ganzen Haaren befreit ... außer der Intimbereich (ich stehe darauf) und die langen, blonden Haare auf dem Kopf natürlich. Keine Ohrringe, die schulterlangen und offen getragenen Haare verdecken den "Knubbel" am Ohr. Allgemein meine Schmuckauswahl - zu dem von mir für diesen Abend favorisierten, schwarzen Netztop trage ich den Ganesha-Anhänger an der schwarzen Schnur - wie jeden Tag - und mein indisch anmutender, silberner Armreif, der mit den Zirkoniasteinen - auch wie jeden Tag.
Bereit für die Autobahn, im Gegensatz zu der A2 ist die A14 sehr entspannt - ich lag die Nächte schon wach in dem Hotel in Salzgitter und war mir nicht mehr sicher, ob ich das hunderte Kilometer Hin und Her auch verkrafte, der Freitag Abend zurück zu meiner Wohnung / Erstwohnsitz in der Nähe des Kreuzungspunktes A2 und A14 war schon kritisch. Zu übermüdet. Der Sonnabend geht wieder ... ich höre meine ganze Musiksammlung am Lenkrad meines roten Roadsters durch. Ich habe das Gefühl, die letzten Wochen lebe ich nur noch hinter dem Steuer, rechts und links und vor mir die Autobahn.
Leipzig-Connewitz. Krawall? Die zünden mein Auto nicht an. (Ich gehöre doch dazu.) Das linksalternative Zentrum im Südteil der Stadt ist mir vertraut, kurz nach 19 Uhr parke ich mein Auto in der dunkelsten Ecke und gehe rüber auf das Gelände, viele Besucher sind vor dem offiziellen Einlaß noch nicht da. Erst nach und nach kommen die ersten Gäste für das Konzert ... die schon leicht grauhaarigen "Alt-Grufts", die ganz sicher schon seit dem Sommer ihre beiden Impfungen hatten (die in der Risikogruppe). Mein Impfzertifikat auf meinem Smartphone wird auch irgendwo zwischen dem Café (mit Gnocchi à la carte), der Halle mit dem Indoor-Konzert und dem offenen Freigelände von einer netten Mitarbeiterin überprüft. Über mir die tiefschwarze Nacht und die hell angestrahlten Bäume mit dem Herbstlaub.
Einlaß, QR-Code scannen und einchecken - die bessere App mit dem viel besseren Datenschutz. Ich betrete die Halle mit der Konzertbühne: "Woah..." (All die Lichter...) Breites Grinsen, nicht mein erstes "Event" nach ganz langer Zeit, aber immer noch ein unbeschreibliches Gefühl. Eine Flasche Club Mate bestellen und die alte Ecke mit meinem Lieblingssitzplatz suchen, "Leute schauen", habe ich in Wien gelernt.
Zuerst dachte ich, der Typ an der Garderobe hat heute Abend den entspanntesten Job, so viele Gäste kommen nicht und die die kommen, tragen ihre schwarzen Kapuzenpullover, so wie ich, noch das ganze Konzert lang, herbstlich kalt draußen ... doch nach und nach füllt sich die kleine Halle. Aufgrund der behördlichen Anordnungen und Genehmigungen ist die Anzahl der Personen und der Ticketverkauf begrenzt, bzw. reglementiert - und trotzdem wirkt das Ganze doch wie voll, nur eben jetzt mit mehr Platz zum Bewegen zwischen dem Publikum ... eigentlich ganz angenehm für mich - und niemand tritt mir auf die Füße.
Der erste Auftritt, der erste Solokünstler des Abends an seinem aufgebauten Synthesizer-/Sequencertisch und Mikrofon, sein Soloprojekt (ich habe die Alben des anderen Musikprojektes) - EBM bewegt die Maße. Tanzbar. Und mein erstes Konzert, als Zuschauerin im Publikum, nach mehr als anderthalb Jahren ... ich muß einfach wieder tanzen.
Die Umbaupause zwischen den Auftritten nutze ich für einen Gang zur Bar, das nächste Getränk bestellen, vielleicht einen Weg auf die Toilette - gendergerecht aufgeteilt für "mit" und "ohne" Urinal - und, um ein paar Blicke auf mich zu ziehen, mein Kapuzenpullover verschwindet, fein säuberlich aufgerollt, in meiner großen Handtasche. Jetzt bin nur noch ich mit meiner Punkerkutte, den halbgeschlossenen Reißverschluß, den Buttons und Nieten und dem Ausschnitt meines Netztops sichtbar. Nun zu der traurigen Nachricht: Die Band, die ich unbedingt sehen wollte, die auf deren Auftritt ich jetzt seit Anfang 2020 gewartet hatte, für die ich immer wieder nachgeschaut habe, ob der Konzerttermin endlich stattfindet und nicht mehr weiter verschoben wird, diese Band tritt an diesem Abend nicht auf. Einsam und verlassen steht ihr Name auf den Konzertplakaten unter denen der anderen beiden Bands. Ich weiß, daß sie erst vor kurzem einen Auftritt in Berlin hatten ... sie haben also überlebt.
Gleich überleitend zum Headliner und Nummer Eins auf dem Plakat - ich habe keine einzige ihrer Platten, sie haben so viele Singles und EPs veröffentlicht, daß ich gar nicht den Überblick habe. Vielleicht entdecke ich später eine Live-Aufnahme oder irgendwie ein "Greatest Hits" am Merchandise. Gesehen habe ich die Band schon vor ein paar Jahren irgendwo anders in Leipzig, für sie ist es ihr erstes Konzert im internationalen, europäischen Ausland seit der endlos langen Zeit des Lockdowns und der Isolation. Ich erkenne ein paar ihrer gespielten Songs wieder, sie sind einfach Klassiker ... oder aber irgendwo auf Samplern als Einzelstücke in meiner Plattensammlung tief verkramt. Diese Band ist für ihre aufwendigen Visuals und Multimedia-Performances bekannt. Ich wünschte, ich wäre auch so kreativ und talentgesegnet. (Ich brauche auch so ein Musikvideo für meinen "Klangmatsch".) Beeindruckt von der visuellen Präsenz, staunend im Publikum...
Später, auf der Autobahnfahrt zurück, habe ich schon die nächsten Ideen für meine Musik oder den Remix, den ich schon seit fast zwei Jahren angehen will. Die Band beendet den Konzertabend mit einer Zugabe und - dazwischen - der obligatorischen Feedbackschleife. Am Merchandising-Stand sind nur noch ein paar Vinyl-EPs und eine größere Platte über, vom Cover her eher eine Maxi-Single. Links daneben auf dem Tisch liegt ein Stapel Plakate mit dem Termin für den heutigen Abend, sie waren wohl nicht mehr zum Aufhängen gedacht, nachdem klar wurde, daß eine Band "fehlt". Es steht kein Verkaufspreis da, sie sind kostenlos zum Mitnehmen? Ich bin eine von vielen, die einfach zugreift. Zusammengerollt und mit einem Haargummi fixiert, schaut die Rolle im A2-Format zur Hälfte aus meiner Handtasche heraus, als ich schon wieder auf dem Weg nach draußen bin. Ein DJ spielt zwar noch, aber eine Diskoveranstaltung ist für diese Nacht eher nicht geplant. Gegen Mitternacht am Ausgang, den schwarzen Kapuzenpullover wieder überziehen, den Reißverschluß der Punkerkutte zuziehen, schnell noch einen Flyer einstecken (auch wenn das Datum schon abgelaufen ist) und zu Fuß in die Dunkelheit der Nacht zu meinem geparkten Auto, das unversehrt immer noch da steht. Es ist eine friedliche Gegend.
Die Nacht durch die Straßen von Leipzig ... würde ich hier noch wohnen, wäre ich schon zu Hause. Die Nacht weiter auf der Autobahn ... ein Fuchs wirft einen Schatten im Scheinwerferlicht. In Leipzig habe ich schon einen Igel gefahrlos vor mir die Straße überqueren lassen (so mit Anhalten und egal, wer hinter mir steht).
Die Nacht ist wieder diese Zeitumstellung, eine Stunde mehr für den Sonntag, ich schaffe es innerhalb des Zeitraums von 0:15 Uhr am Parkplatz bis 1:30 Uhr in meiner Wohnung vor dem Badezimmerspiegel mit den Halogenlampen. Make-up entfernen, den schwarzen Lidstrich und die Wimperntusche auf den angefeuchteten Tüchern. Meine Sachen im Zimmer verteilen, keine Gedanken an den nächsten Tag, einfach einschlafen. Zumindest die Stiefel ziehe ich in drei Wochen wieder an, dann bin ich wieder für ein kleines Festival im Süden von Leipzig ... wenn es stattfindet. (Aber ich könnte mein Outfit jetzt auch so die nächste Woche "auf Arbeit" tragen?)

So viele Menschen vor der Bühne und der Gedanke, wenn du "es" einatmest, hat es dich dann erwischt und du bist innerhalb der nächsten 14 Tage tot? Allein dieses Gedankenspiel läßt erahnen, wie die Welt in der Szene in den postapokalyptischen Achtzigern ausgesehen haben muß ... Umweltgifte, Atomkrieg und eine grassierende, das Immunsystem angreifende Virusepidemie. Wir sind keinen Schritt weiter.

[23.10.21 / 19:34] Arbeit ist Scheiße. (Aber ich brauche die Kohle.) Als "Externe" in einem Entwicklungsbüro für "Externe" auf dem Werksgelände - das sogenannte Büro ist ein zwanzig Jahre alter Containerkomplex (leicht heruntergekommen), die Toiletten funktionieren mal ab und zu - und für die Frauentoilette muß ich bei strömenden Regen, quer über den Parkplatz, in das Nachbargebäude laufen und Etage für Etage hochklettern, bis ich eine funktionierende und nicht verschlossene Toilette finde. Gilt alles als Arbeitszeit...
Die Arbeit ... mache ich denselben Kram nicht schon seit fast zehn Jahren? Fahrt bloß nicht mit dem Regionalzug rund um London. Den habe ich (mit) bei meinem alten Arbeitgeber vermurkst (konnte den Fehler nicht finden, nur reproduzieren). Den neuen, nicht weiter näher genannten Arbeitgeber (so viele mit Zügen gibt es ja nicht) versuche ich mit etwas besserer Arbeitsleistung zu beglücken, immerhin will ich auch mit den Zügen fahren (und nicht wegen Softwarefehlern "betriebsbedingt" auf den Gleisen stehen bleiben).
Seit drei Wochen als Leiharbeiterin/Lohnsklavin in einem Hotel wohnen, Freitag Abend auf der Autobahn zurückfahren, den kleinen Koffer auspacken, den Sonnabend vor dem Computer und auf der Fernsehcouch versacken, den Sonntag Nachmittag alles wieder in den Koffer schmeißen, zuklappen und den Sonntag Abend wieder zurück in das Hotel fahren? Wo ist mein Leben geblieben, alle meine Träume... (Ich brauche mindestens einen "Computerfreien" Sonntag.)
Home Office? Ja das geht ... aber nicht stundenlang vor dem Couchtisch. Immerhin bin ich jetzt nicht mehr so sekundengenau mit dem Aufschreiben der Arbeitsstunden - grob plus-minus fünf Minuten ist vollkommen OK. Wenn ich das zwölf Arbeitstage so mache, ist das dann schon eine ganze Minusstunde, die im unregistrierten Nirwana verschwindet? Vertrauensarbeitszeit... (Auf meine 300 alten Minusstunden will ich nicht wieder kommen.)
Arzttermine - die wußten, worauf sie sich bei mir einlassen. Nach den ganzen Internetrecherchen und YouTube-Videos ist das bei mir am Ohr wahrscheinlich (nach Eigendiagnose) ein wuchernder Keloid (tritt interessanterweise vermehrt bei dunkelhäutigen Menschen auf) und ich muß mich wohl von einem Ohrloch langfristig trennen (meine schönen Diamantohrringe!), die schwierige Behandlung könnte ewig dauern ... und noch hat der darauf spezialisierte Chirurg das noch nicht angesehen, der Termin steht noch aus (ein halbes Jahr Wartezeit und drei oder vier Überweisungen später). Die Hoffnung (daß es doch etwas anderes ist) stirbt zuletzt.
Die Wohnungssuche ... eine kleine Ein-, Zwei- oder Dreizimmerwohnung, unter 55m², bezahlbar und mit möblierter Küche im Raum Salzgitter? So viele Angebote sind da jetzt nicht, die erste, die ich mir angesehen habe, war ein "Rattenloch", mit viel Liebe und Aufwand vielleicht noch zu renovieren, aber die Substanz der 60er-Jahre-Blöcke in dem einen Ort mit ganz viel Migranten-Anteil ist doch nicht ganz so ... überzeugend. Und ich dachte, die vielen arabisch- und türkischstämmigen Stadtteilbewohner könnten dem Ganzen ein mediterranes Flair geben, funktioniert aber nicht in dem miefigen (West-)Deutschland. Nur weg von hier...
Eine kleine Dachgeschoßwohnung in einem (ehemaligen) Dorf südlich von Braunschweig (meine zweite von zwei Wohnungsbesichtigungen) ist mein Favorit ... wenn ich nachweisen könnte, daß ich vertrauenswürdig bin und immer pünktlich meine Miete zahle. Als noch vor kurzem langzeitarbeitslose Transfrau mit psychisch instabiler Vergangenheit...
Alles, was ich jetzt noch auf dem Girokonto hab', hau' ich raus, in mein Aktiendepot (bis ich noch im "Dispo" lande), in der Hoffnung und den Träumen, möglichst bald von den ominösen 4% Wachstum (FIRE) auf unterstem Einkommensniveau leben zu können. "Oh, was ist das? Gold-Zertifikate. Das kaufe ich jetzt auch mit ein und mische es mit in mein Depot! Kann ja nicht schaden." Und schon wieder ein paar Hunderter weg, im Onlinebanking. (Von dem Geld hätte ich mir nur auf Reisen sündhaft teuren "Diamant-Tineff" gekauft.)

Ich ändere dann mal wieder meinen Berufsstatus auf meiner Profilseite, neu: "Projektingenieurin / Wochenend-Webmistress" (english: "project engineering / weekend webmistress") - und hier das Backup für davor und danach: "langzeitarbeitslose Ex-Psychiatriepatientin / Webmistress" (english: "long-term unemployed ex-psychiatric patient / webmistress"). Mal sehen, wie lange ich das dieses Mal durchhalte...

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Kommentar:

[05.12.22 / 17:34] Daniele1992: Hallo Morgana

Mail ist heute rausgegangen

LG Daniele

[13.11.22 / 09:33] Daniele1992: Hallo Morgana

aktuell keine schöne Situation. Ich schreibe Dir noch eine Mail dazu.

LG Daniele

Morgana LaGoth: Einige Kommentare müssen auch nicht allzu öffentlich sein …

[13.05.22 / 09:15] Daniele1992: Hallo Morgana,

Tolle Reisebericht von Deiner neusten Reise nach Paris. Macht grosse Lust auch wieder dort hinzufahren um sich von der Stadt inspirieren zu lassen.

Tolle Neuigkeiten.NeuerJob. Klasse! Freue mich für Dich.

Liebe Grüße
Daniele

Morgana LaGoth: Danke. Endlich wieder verreisen … lange darauf gewartet. Lebendig bleiben, solange es noch geht.

[24.12.21 / 20:55] Daniele1992: Hallo Morgana,

Ich denke an Dich und wünsche Dir frohe Weihnachten und ein schönes neues Jahr 2022.

Liebe Grüße
Daniele

Morgana LaGoth: Vielen Dank, ich wünsche dir ebenfalls ein schönes, neues Jahr.

[25.09.21 / 14:59] Daniele1992: Hallo,

eine Chance etwas Neues zu machen. Neue Perspektiven. Urlaubsträume, die bald real werden können. Nicht so schlecht. Freue mich für Dich. LG Daniele.

Morgana LaGoth: Danke dir.

[11.11.20 / 09:12] Daniele1992: Hallo Morgana

Ich habe Dir eine Mail geschickt.

Lg
Daniele

Morgana LaGoth: Hey ... vom Lenkrad aus mit der Hand winken, von einem MX-5 zum anderen. *freu*

[30.07.20 / 22:03] Daniele1992: Guten Abend

das habe ich sehr gerne gemacht. Zum Einen interessiert mich das Thema und zum Anderen hast Du wirklich sehr lebendig und spannend geschrieben. Da wollte ich Alles lesen und wollte Dir schreiben, das mir Dein Blog besonders gut gefallen hat (Die eigentliche Arbeit hattest Du ja mit dem Verfassen des Blogs). Wenn Du magst können wir den Kontakt gerne per Mail halten. Viele Grüße Daniele

Morgana LaGoth: Mail-Adresse steht oben bei "kontakt" - bei weiteren Fragen, gerne.

[30.07.20 / 12:44] Daniele1992: Guten Morgen,
vielen Dank für Deinen tollen Blog. Ich habe ihn in den letzten Wochen komplett gelesen. Meistens konnte ich gar nicht aufhören zu lesen. Fast wie bei einem sehr spannenden Roman. Ich habe dabei Deine genauen Beobachtungen und Beschreibungen sehr genossen. Deine vielen Ausflüge in die Clubs und zu den Festivals oder Deine Streifzüge d durch die Geschäfte beschreibst Du immer aus Deiner Sicht sehr anschaulich und spannend. Ich kann das sehr gut nachvollziehen, das alleine zu erleben, häufig auch mit einer gewissen Distanz. Ich kenne ich von mir sehr gut. Highlights sind Deine Reiseberichte. Deine Erlebnisse an den unterschiedlichsten Orten auf der Welt. Vielen Dank dafür. Vielen Dank auch das Du Deinen Weg zu Deinem waren Geschlecht mit uns Lesern teilst. Deinen Weg Deine Gefühle Deine zeitweisen Zweifel. Das ist sehr wertvoll auch für uns Andere, denn es ist authentisch und sehr selten. Du bist einem dadurch sehr vertraut geworden. Für mich ist eine gefühlte grosse Nähe dadurch entstanden. Umso mehr schmerzt es mich von Deinen Rückschlägen zu lesen. Von Deinem Kampf zu Deinem wahren Ich. Von Deinem Kampf umd Liebe, Zährlichkeit und Akzepzanz und Anerkenung. Von Deiem mitunter verzweifeltem Kampf nach Liebe und Anerkennung durch Deinen Exfreund. Leider vergeblich. Dein Kampf um wirtschaftliche Unabhängigkeit und Deine aktuell missliche Lage. Ich glaube dass Du nicht gescheitert bist. Du hast viel Mumm und Hardnäckigkeit bewiesen Deinen Gang zu Dir selbst zu gehen. Du hast auch einen guten Beruf der immer noch sehr gefragt ist. Vielleicht kann ja nach dieser Auszeit und etwas Abstand ein Neuanfang in einer anderen Firma, wo Du keine Vergangenheit als Mann hattest gelingen. Ich wünsche das Dir ein Neuanfang gelingt und drücke Dir ganz fest die Daumen. Daniele

Morgana LaGoth: Da liest sich tatsächlich jemand alles durch? Das ist mittlerweile schon ein kompletter Roman mit mehreren hundert Seiten! Danke dir, für deinen Kommentar (und die aufgebrachte Zeit).

[05.10.19 / 17:11] Drea Doria: Meine liebe Morgana,
bin 5 T post all-in-one-FzF-OP. Deine guten Wünsche haben geholfen. Der Koch ist immernoch noch super. Alle hier sind herzlich und nehmen sich Zeit.
Herzlich
Drea

Morgana LaGoth: Dann wünsch ich dir jetzt noch viel mehr Glück bei deiner Genesung!

[14.06.19 / 12:57] Drea Doria: Meine liebe Morgana,

vielen Dank für Deine offenen und kritischen Erlebnisberichte. Ich bin in 3 Monaten in Sanssouci zur FzF-OP. Ich denke auch, was kann schon schief gehen, status quo geht nicht und irgendwas besseres wird wohl resultieren. Wenn es Dich interessiert, halte ich Dich informiert. Drücke mir die Daumen.
Herzlich
Drea

Morgana LaGoth: Ich wünsche dir für deine Operation viel Glück. (Sollte der Koch nicht gewechselt haben, das Essen da in der Klinik ist richtig gut!)

[14.11.17 / 20:13] Morgana LaGoth: Nutzungsbedingungen für die Kommentarfunktion: Die Seitenbetreiberin behält sich das Recht vor, jeden Kommentar, dessen Inhalt rassistisch, sexistisch, homophob, transphob, ausländerfeindlich oder sonstwie gegen eine Minderheit beleidigend und diskriminierend ist, zu zensieren, zu kürzen, zu löschen oder gar nicht erst freizuschalten. Werbung und Spam (sofern die Seitenbetreiberin dafür nicht empfänglich ist) wird nicht toleriert. Personenbezogene Daten (Anschrift, Telefonnummer) werden vor der Veröffentlichung unkenntlich gemacht.

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