morgana81 - gothic transgender

Sternzeit irgendwas, Logbucheintragung des Captains:

[01.01.70 / 00:00] Sternzeit irgendwas, Logbucheintragung des Captains:

[31.03.24 / 19:50] Zurück von einer Kurzreise nach Hamburg (tatsächlich liegt dieser Trip schon eine Woche zurück). Drei Punkte standen auf dem Programm: die Innenstadt sehen, eine Shopping-Tour machen und eine Kunstausstellung besuchen! Im Internet gebucht, hin und zurück erste Klasse Bahnticket und zwei Nächte in einem Hotel gleich gegenüber dem Ausgang vom Hamburger Hauptbahnhof (mit wirklich winzigen Zimmern).
Die Innenstadt innerhalb dem alten Stadtkern ist schnell abgelaufen, den ersten Tag mittags angekommen – ich will zur Alster, von mir bezeichnet als das „Wasserding“ da in der Mitte der Karte. Gar nicht so einfach, die Straßen sind alle so krumm gezogen, was aussieht, wie geradeaus, geht zehn oder zwanzig Minuten später in eine völlig andere Himmelsrichtung, als in meinem „Kopf-Navi“ angenommen. Wir orientieren uns an ein paar Fixpunkten, eine Kirche, ein Rathaus, die vielen Wegweiser, die ich von meiner letzten Reise in diese Stadt schon kenne.
Der erste Tag, ein Donnerstag, das markante Rathaus, die schönen Kanäle durch die Stadt (fast wie in Amsterdam), ein Fischbrötchen an einer Imbissbude (eher für Einheimische, kein Touristen-Nepp). Später den Abend dann schon einmal im Dunkeln den Weg zu der Kunsthalle finden. Aus dem Fernsehen habe ich mitbekommen, welche Ecke vom Hauptbahnhof wir lieber nicht entlang gehen sollten. Bettler quatschen uns ständig an, wir ignorieren.
Der zweite Tag, die Speicherstadt. Im besten Hamburger Wetter – Nieselregen. Für die Abende, wenn es nicht regnet, habe ich meinen leichten Wollmantel – für das nasse Wetter, meine Regenjacke … und meine, halbhohen „City-Gummistiefel“. Guck sie dir an, diese jungen Leute in ihren Turnschühchen!
Auch die Speicherstadt ist gut ausgeschildert, nur bei diesem Regendunst nicht ganz so leicht zu erkennen (die Schilder). Immer das Smartphone herauszukramen, ist zu umständlich – wir benutzen eine Faltkarte aus dem Hotel, vollgestopft mit Werbung und einem winzigen Kartenabschnitt mit allen Sehenswürdigkeiten.
Die Speicherstadt habe ich mir anders vorgestellt – bzw. anders in Erinnerung – ich dachte, das wären so Grachten und in der Mitte tuckert ein Boot mit der „großen Hafenrundfahrt“. Die vielen, manchmal schon mehrspurigen Straßen für die vielen Autos passen da nicht in das erwartete Bild. Wir lassen uns treiben und weichen auch ein paar Mal von den starren Routen ab.
Kleine, schmale Brücken für Fußgänger. Kopfsteinpflaster an der Mole vor den großen, mehrstöckigen Speichern. Ein Gewürzmuseum finden wir (ich erfahre viel neues über Chili) und eine Kaffeerösterei. Speziell hier drin sind mir viel zu viele Touristen, ich will wieder rüber in die Altstadt, dort soll es ein schönes, kleines Kaffee geben, das wie ein Kolonialwarenladen aussieht und in dem wir schön sitzen können, bei Kaffee und Kuchen. Über eine interessante Kirchenruine den Nachmittag wieder zurück zum Hotel. Abendessen beim Italiener gleich unten neben dem Eingang (welcher auch ein Frühstücksbuffet anbietet).
Der dritte Tag und auch wieder der letzte. Leider sind am Hauptbahnhof alle Schließfächer belegt und wir müssen unsere Koffer – bzw. ich nur meine Tragetasche – mit uns herumschleppen. Noch einen halben Rundgang um die Binnenalster, bei Sonnenschein und Regen (oder Hagel, oder Graupel, Eisklumpen von oben). Eine Bushaltestelle am Jungfernstieg – ich habe alles dabei, meinen ganzen Kleiderschrank, mein Wollmantel landet eingerollt in meiner Tasche, meine Regenjacke ziehe ich schnell wieder über, die praktischen Wildlederschuhe in Hi-Top Sneaker-Optik müssen so gehen.
Noch eine letzte Runde durch die Innenstadt, so langsam kennen wir uns aus. Ein arabischer Mokka in einem Café an einem Kanal, ein günstiges Mittagessen in einem Food-Court in einer Shopping-Mall und später dann mit dem Nachmittagszug erste Klasse zurück. Punkt Stadtbesichtigung abgeschlossen … das mit der Reeperbahn ging dieses Mal nicht, zu wenig Zeit, zu viele gegenläufige Interessen.
Zweiter Punkt: die Shopping-Tour. Was will ich einkaufen? Ich brauche noch extralange, schwarze, flache Schnürsenkel für meine neuen Hi-Top Vans (Weiß geht gar nicht, total ungruftig). Ich bin schon länger auf der Suche nach einer weiteren, schwarzen Jeans – nachdem ich meine alten zwei mit Boot-Cut-Schnittform in die Altkleidersammlung gegeben habe, in meinem Bestand befinden sich jetzt nur noch zwei im geraden Schnitt, eine gekürzte für den Sommer und die Skinny-Stretch – aber die ist Anthrazit. Vielleicht wieder eine mit weitem Bein?
Den ersten Nachmittag laufen wir schon durch alle Läden, bis Anbruch der Dunkelheit, mehrere Levi's Boutiquen – die schwarze Boot-Cut-Jeans gibt es nicht mehr im Sortiment. Schnelles Abendessen beim Inder am Bahnhof. Wenigstens schwarze Schnürsenkel habe ich bekommen: „180 cm“, viel zu lang? Wenn die tatsächlich viel zu lang sind, dann nehme ich die eben für meine anderen Stiefel.
Der zweite Tag – auch die Speicherstadt-Tour. Ein weiterer Einkaufspunkt auf meiner Liste: Kaffee. Am besten den neapolitanischen – helle Röstung, 70-30-Blend, Arabica und Robusta. In der großen Kaffeerösterei bin ich, umzingelt von den vielen Menschen, vollkommen überfordert. Ich fühle mich wie in einer „Touristenfalle“. Später dann in dem kleinen Kolonialwarenladen / Café habe ich ein viel besseres Einkaufserlebnis und kann die 250g Tüte mit der gewünschten Röstung auch gleich bei einer warmen Tasse mit Blick auf das Wasser genießen, bzw. ausprobieren. Den Nachmittag noch einmal durch alle Einkaufsläden und Warenkaufhäuser, meine Begleitung sucht auch noch etwas für sich, ich kaufe die nächsten Schnürsenkel … so auf Vorrat, 160 cm, falls die anderen dann doch zu lang waren [Anm. der Verfasserin: Waren sie nicht, 180 cm hat für die Hi-Top-Sneaker genau gepasst.]
Der dritte und Abreisetag, den mit dem ganzen Gepäck. Nach dem Mokka in der Innenstadt finden wir die Straße mit den ganz teuren Geschäften. Mein Budget ist streng kalkuliert, für so etwas habe ich kein Geld. Irgendwo hier soll es noch ein Outlet eines nicht näher benannten Online-Händlers für Mode und Bekleidung geben (warum trenne ich diese beiden Wörter).
In dem Outlet, in der zweiten Etage für Damen, entdecke ich einen kleinen Stand mit der Aufschrift „Designer“ – der ganze andere, billige Schrapel ist „Bekleidung“, die Designer-Sachen sind „Mode“. Ich wühle mich durch. Jede Jeans eng dicht an dicht. Den Abend vorher habe ich in einem anderen Laden eine graue Levi's gesehen, leider zum normalen Preis und „cropped“ (nicht das, was ich suche). Hier in dem Outlet entdecke ich eine anthrazitgraue Cargo-Jeans von dem spanischen Mode-Label, von dem ich schon einige, hübsche Sachen habe. Wird sie mir passen? Zur Anprobekammer.
Falsch ausgewählt. Ich habe ganz vergessen, ich muss bei spanischen Sachen eine Nummer größer nehmen. Zum Glück sind da noch zwei Exemplare auf der Stange. Zurück vor dem Spiegel in der Anprobe … Cargo. Zwei flache Taschen rechts und links am Bein, die Jeans selber Slim-Fit. Solche Art Hosen (aber viel weiter) habe ich in meiner Militärzeit schon getragen. Diese hier sieht recht schick aus – ich werde sie mit militanten Schnürstiefeln kombinieren! Die mit dem hohen Blockabsatz … gekauft. Wenn ich den Sommer mal wieder auf einen Rave oder auf das nächste Festival gehe …
Auch der Einkaufspunkt ist abgehakt … aber der eigentliche Grund, warum wir hier sind, ist der Besuch der Kunstausstellung mit den Gemälden eines Künstlers um die Jahrhundertwende zwischen 1780 und 1840. Der, der die schönen „gruftigen“ Landschaftsbilder gemalt hat. Der zweite Abend auf unserer Reise, die Ausstellung ist ausverkauft, Wochen zuvor gingen bei der Online-Reservierung die Tickets schon im Minutentakt weg. Wir haben zwei Reservierungen für den Abend.
Angekommen im Foyer des Ausstellungsgebäudes der Hamburger Kunsthalle, ist es viel zu voll. So viele Menschen. Ich schließe meinen Wollmantel und meine kleine Handtasche in dem Schließfach an der Garderobe ein. Der Fluss an Menschen schiebt sich durch die Räume der Ausstellung. Es ist warm und feucht – viel zu viel Stress für die Bilder. Einige Menschen haben Masken auf, einige husten – ich huste nur so zum Spaß, um etwas Platz zu bekommen. [Anm. der Verfasserin: Und werde mich das kommende Wochenende nur so dahinschleppen und elendig infizieren]. So schöne Bilder zu betrachten.
Hier und da können trotz der großen Menschenmenge immer wieder einige gesittet vor den Bildern stehen und die detailreiche Gestaltung des Malers bewundern. In einem Raum sind auch Exponate von Künstlern ausgestellt, die sich von ihm haben beeinflussen lassen. Ich freue mich über die Richtung und erkenne schon die ersten Züge meines geliebten Impressionismus. Der ursprüngliche Maler selbst, dem die Ausstellung gewidmet ist, wird eher der Romantik zugerechnet. Was ich nicht wusste: viele seiner Bilder sind konstruiert und müssen nicht unbedingt die wirkliche Welt abbilden.
Der Gong ertönt, die Besucher werden freundlich gebeten, die Ausstellungsräume gegen Ende zu verlassen. Wir verpassen den Ausgang, biegen falsch ab – und befinden uns wieder in dem kleinen Rundgang durch die Räume. Ein großes Gemälde muss ich noch einmal ungestört bewundern und im Detail erfassen, bevor auch wir uns dem Ausgang zuwenden. An der Kasse für die Souvenirs und Bücher ist alles voll, die Bediensteten haben Mühe, die ganze kunstinteressierte Menschenmenge zum Gehen zu bewegen. Ich nehme noch einen Kühlschrankmagneten mit – praktischerweise befinde ich mich damit gleich an der Kasse zum Bezahlen (ich habe mich ganz bestimmt nicht vorgedrängelt, es ist „einfach so“ passiert). Den Abend wieder zurück zum Hotel.
Gehe ich noch aus? Es ist Freitag Abend … aber ich wüsste nicht, wo ich hin sollte. Der eine „optionale“ Punkt mit dem Ausgehen, ist nicht Teil dieser Reise.

[02.03.24 / 21:48] Ich will mal wieder eine ganze Nacht lang ausgehen – so wie früher: mit dem Zug abends hin und morgens wieder zurück, ohne Hotel. Die letzten schlaflosen Nächte haben mir wieder gezeigt, dass das geht – egal, ob ich die Nacht vorher nicht geschlafen habe, ich bin den nächsten Tag hellwach und topfit auf Arbeit (und wieder haarscharf an einer nächsten „über-64-Stunden-wach-Phase“ vorbei). Das Outfit steht für den Sonnabend Abend bereit: es müssen die spitz zulaufenden, schwarzen Stiefeletten mit den kubanischen Absätzen sein, es muss die anthrazitgraue Skinny-Jeans sein, es muss ein schwarzer Rollkragenpullover sein und er muss optimal zu meinem schwarz-weißen, lässig geschnittenen Long-Blazer passen! Endlich ziehe ich ihn an …
Seit ein paar Wochen weiß ich, dass in Leipzig wieder eine queere Disco-Nacht stattfindet, weit im Südosten, ein noch mir unbekanntes Haus in der Nähe von Bahngleisen und einer markanten Autobrücke. Der Veranstalter ist mir vertraut, nicht unweit dieser Venue war ich vor ganz vielen Jahren (2004?) bei einer seiner ersten Partys in einem Disco-Keller irgendwo in Plagwitz (da bin ich noch mit meinem alten Fiat die Nacht von Wernigerode aus hingefahren – und den Morgen wieder zurück). Ein Ticket habe ich nicht, ich verlasse mich auf die Abendkasse und die Bahntickets für den Regionalzug ziehe ich sowieso „ganz spontan“ am Automaten im Zug.
Sonnabend früher Abend, die Dusche mit dem parfümierten Duschbad, einen zweiten, anschließenden Sprühstoß quer über den Nacken mit dem dazugehörigen Parfüm („Rendez-vous nocturne …“) erspare ich mir – bzw. den anderen, späteren Fahrgästen im Zug. Mascara, Kajal, mein neuer, großer Spiegel in meinem neuen Bad (ich muss unbedingt hier mehr Beleuchtung einbauen, in irgendeiner Schublade liegt noch die LED-Leiste aus meiner alten Dachgeschosswohnung in Leipzig). Kein Abendessen für mich – und kein Geld, das ziehe ich mir vor Ort am Hauptbahnhof. 19 Uhr nochwas, ich steige in den Zug nach Leipzig.

Die Nacht unterwegs nach Leipzig / Februar 2024 / Alter 42
Der erste Zug von Wolfsburg kommend ist noch voll, der zweite Anschlusszug ab Magdeburg ist wieder gemütlich leer, ich kann die ganze Fahrt über Solitaire auf meinem Smartphone spielen. Nur der Zwischenstopp mit ungeplanten Umstieg irgendwo bei Dessau weckt mich aus meiner Routine. Je näher ich Leipzig komme, desto mehr erhellt sich mein Gesicht. Ich schaue aus dem Fenster: Da, dahinten. Irgendwo da habe ich mal gewohnt. Einfahrt in den Leipziger Hauptbahnhof. Toilette und Geldautomat, es muss nachher noch für ein Taxi zurück reichen.
Draußen die Straßenbahnhaltestelle vor dem Hauptbahnhof … Leipzig hat sich irgendwie verändert? Zu viele Menschen die zu sehr „asi“ wirken – und ich meine nicht die Obdachlosen, die hier sowieso immer sind. Weiter mit der Straßenbahn den späten Abend in der Dunkelheit nach Plagwitz. Günstig kalkuliert, mein Länderticket für einen Tag beinhaltet auch den öffentlichen Nahverkehr. Wenn ich später nicht mehr an der Abendkasse vorbeikomme, ich könnte noch bis drei Uhr nachts kreuz und quer hin und herfahren und mir etwas Neues suchen. Es gibt für diese Nacht noch einiges mehr an „Plan B“ in Leipzig.
Die Straßenbahnhaltestelle um kurz vor 23 Uhr, einsam und menschenleer. Ich kenne mich hier aus, zu viele Clubs in verlassenen Industrieanlagen, die nicht mehr existieren. Ich laufe die Straße entlang zu der Autobrücke über die Bahngleise. Der neue Club müsste sich schnell finden lassen, so markant wie er auf der Karte liegt. Ich biege auf einer Ecke ein und laufe eine Fußgängertreppe nach unten, die Laternen an den Bahngleisen erleuchten alles. Der neue Club, ein altes Haus, DDR-Stil, Graffiti an den Wänden zu der Brücke. Es wirkt interessant. Nach und nach kommen die ersten Gäste und ich bin nicht mehr alleine.
Die Treppe runter zu dem Kellereingang, vor mir sind vielleicht nur zwei oder vier Personen, der „Thrill“ ohne ein Ticket. „Gibt es noch eine Abendkasse?“ – „Ja, wir haben noch ein paar wenige Resttickets.“ Der Mann öffnet nur kurz die Tür und informiert die wartenden Gäste, dass der Einlass sich noch um ein paar Minuten verzögern könnte. Wenig später, 23 Uhr plus, es geht rein.
Mein Stempel auf meinem Handrücken, ich habe es geschafft. Ein paar Schritte von der Kasse entfernt, eine kleine Treppe hoch, die Garderobe – meinen flauschigen Wollmantel abgeben – eine kleine Sitzecke, wissen, wo die Toilette ist und ich betrete durch einen schmalen, dunklen Gang die kleine Tanzfläche. Ist es das? In den paar Sekunden habe ich den ganzen Club abgelaufen? Neben der Tanzfläche liegt noch eine Bar, sie ist noch im Dunkeln. Ich laufe ein paar mal hin und her, frage den netten Mann an der Garderobe, die Bar macht später noch auf. Er deutet auf die Kasse die Treppe runter, das ist auch eine kleine Bar (ist mir gar nicht aufgefallen). Es kommen weitere Gäste.
Auf der Tanzfläche, die erste DJane legt ein paar Italo-Classics auf – zu schön für mein Outfit. Mein Long-Blazer unterstreicht die Achtziger-Jahre-Note. Ich performe zu der Musik, ich kenne sie in- und auswendig. Die stilvolle Beleuchtung oben an der Decke fällt mir auf … so schön düster und elegant. Noch habe ich viel Platz zum Tanzen.
Mehr Gäste, mehr Leben, mehr tanzen und umherlaufen, meine Flasche Club Mate in der Hand. Transvestiten? Irgend etwas mit trans? Drag Queen Entourage! Ich bin nicht die einzige auf dieser queeren Party. Die Drag Queen bezeichnet sich selbst auch als trans. Ins Gespräch komme ich nicht, sie fallen mir nur auf. Transsexuelle Frauen und Transvestiten begegnen sich nicht, sind grundverschieden, tolerieren sich nur gegenseitig.
Die Temperatur in dem kleinen Club steigt, der schwarze Rollkragenpullover landet eingerollt in meiner Handtasche – diese wiederum für ein paar Cent mehr an der Garderobe. Endlich befreit kann ich noch mehr tanzen. Der zweite DJ, der Veranstalter höchstpersönlich, und wenig später die Nacht, der dritte, gebuchte DJ. Ein Wahnsinns-Set – er legt noch echtes Vinyl auf. Die zweite oder dritte Limonaden-Flasche in meiner Hand, den Blazer leger über meinem Arm, nur noch die Jeans und das schwarze Spaghettiträger-Top, mein Nietengürtel blinkt in dem warmen und dunstig-nebeligen Club. Die Gruppe an Menschen umringt den DJ-Pult und tanzt sich in Trance.
Wie lange bleibe ich hier? Wie spät ist es? Bargeld ist in der Jeanstasche vorne, das Smartphone hinten am Gesäß. Auf der Toilette spüre ich den Duft von Kondomen, überall wird geraucht, nicht nur Nikotin. Irgendwann ist es nach um drei Uhr und ich suche zwischen den vielen Menschen einen Sitzplatz. Der DJ legt weiter auf, sein Set ist noch nicht vorbei. Ich muss wieder herunterkommen, etwas entspannen, mich auf das Gehen vorbereiten. Stimmen überall, so viele Menschen, Italienisch, Spanisch, mehr.
Kurz vor vier Uhr, die kleine Sitzecke an der Garderobe. Die blinkenden LED-Textlaufbänder faszinieren mich, eine Kunstinstallation? Das Gemälde unten am Eingang ist mir aufgefallen, vielleicht habe ich es schon einmal in einer Galerie hier in Leipzig gesehen. Ich hole meinen Mantel und meine Handtasche an der Garderobe ab. Für das Anziehen aller meiner Schichten lasse ich mir viel Zeit. Auch wenn ich weiß: um fünf Uhr geht der erste Zug.
Draußen, es ist kalt. Mein Mantel eng zusammengeschnürt. Diese Stille, dieser Kontrast. Die Treppe hoch zu der großen Brücke und weiter im Schein der Laternen zu den großen Kreuzungen. Irgendwo hier muss ich ein Taxi anhalten, immer wieder drehe ich mich beim Laufen um, ob eines hinter mir ist. Eine zentrale Straßenbahnhaltestelle, einige Partygäste von irgendwo. Die ersten Straßenbahnen fahren bereits diesen frühen Sonntag Morgen. Ich glaube nicht, dass sie auch bis zum Hauptbahnhof fahren (auch wenn in Leipzig so gut wie alles über den Hauptbahnhof fährt). Mein Budget ist auf eine Taxifahrt ausgerichtet. Ich habe bereits die Nummer auf meinem Telefon gewählt, als ich am Ende der Straßenbahnhaltestelle inmitten der großen Kreuzung ein Taxi anwinken kann. „Zum Hauptbahnhof.“ Jetzt aber schnell, es ist schon nach 4:30 Uhr und der Zug geht in wenigen Minuten (25 bis 30 Minuten).
Der Taxifahrer nimmt eine direkte Route, angekommen am Taxistand am Hauptbahnhof drücke ich ihm meine letzten 25 Euro Bargeld in die Hand, die 25 Euro, die ich ihm auch versprochen habe. Wie erwartet, der Bahnhof ist um diese Uhrzeit den frühen Sonntag Morgen voller Partyvolk. Niemand lebt noch in Leipzig, sie alle kommen aus den umliegenden Gemeinden. Mein Zug geht pünktlich, ich kann mir in dem hell beleuchteten Wagon einen freien Sitzplatz aussuchen. Leer ist es nicht, aber die anderen Partygänger, so wie ich, versuchen auch, etwas zu schlafen. Einzig unterbrochen von der jungen Schaffnerin / Zugbegleiterin, die die Tickets prüft.
Delitzsch, Bitterfeld … der Ort kurz vor Magdeburg? Ich muss eingerollt auf der Sitzbank etwas eingenickt sein, mindestens der Halt in Dessau ist mir entgangen. Es fühlt sich genauso an, wie vor zehn, fünfzehn, zwanzig Jahren, als ich noch in meinem schwarzen Kapuzenpullover und der Leder-Jeans (und genau dem Nietengürtel) und meinen alten Springerstiefeln von einem Festival / Konzert / Clubnacht von irgendwo in Deutschland zurück gekommen bin. Ich fühle mich auch gleich zwanzig Jahre jünger und so jugendlich.
Magdeburg, der Umstieg in den anderen Regionalzug weiter in das Provinzkaff, das wenigstens ein Bahnhof und somit ein Tor zur Welt hat. Ein Nuss-Nougat-Croissant als mein erstes Essen nach zehn Stunden um sieben Uhr morgens. Keinen Kaffee, noch eine Stunde und ich bin zu Hause. Die schwarze Wimperntusche und den rauchigen Lidstrich habe ich mir schon im Zug mit ein paar Tücher zum Make-up-Entfernen weggewischt, in meinem Heimatkaff angekommen, im sonnigsten, frühmorgendlichen Sonnenschein unter blauen Himmel und aufgehender Sonne zu Fuß die paar hundert Meter zum Familien-Wohnhaus. Ich bin froh, dass ich meine Sachen nur auf die Couch werfen brauche und kurz darauf – gegen acht Uhr – mit zugezogenen Vorhängen in mein Bett fallen kann. Ich erwarte nicht, dass ich einschlafe, ich mache nur (wie im Zug) meine Augen zu … und schlafe doch bis Mittag. Sonntag …

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Kommentar:

[05.12.22 / 17:34] Daniele1992: Hallo Morgana

Mail ist heute rausgegangen

LG Daniele

[13.11.22 / 09:33] Daniele1992: Hallo Morgana

aktuell keine schöne Situation. Ich schreibe Dir noch eine Mail dazu.

LG Daniele

Morgana LaGoth: Einige Kommentare müssen auch nicht allzu öffentlich sein …

[13.05.22 / 09:15] Daniele1992: Hallo Morgana,

Tolle Reisebericht von Deiner neusten Reise nach Paris. Macht grosse Lust auch wieder dort hinzufahren um sich von der Stadt inspirieren zu lassen.

Tolle Neuigkeiten.NeuerJob. Klasse! Freue mich für Dich.

Liebe Grüße
Daniele

Morgana LaGoth: Danke. Endlich wieder verreisen … lange darauf gewartet. Lebendig bleiben, solange es noch geht.

[24.12.21 / 20:55] Daniele1992: Hallo Morgana,

Ich denke an Dich und wünsche Dir frohe Weihnachten und ein schönes neues Jahr 2022.

Liebe Grüße
Daniele

Morgana LaGoth: Vielen Dank, ich wünsche dir ebenfalls ein schönes, neues Jahr.

[25.09.21 / 14:59] Daniele1992: Hallo,

eine Chance etwas Neues zu machen. Neue Perspektiven. Urlaubsträume, die bald real werden können. Nicht so schlecht. Freue mich für Dich. LG Daniele.

Morgana LaGoth: Danke dir.

[11.11.20 / 09:12] Daniele1992: Hallo Morgana

Ich habe Dir eine Mail geschickt.

Lg
Daniele

Morgana LaGoth: Hey ... vom Lenkrad aus mit der Hand winken, von einem MX-5 zum anderen. *freu*

[30.07.20 / 22:03] Daniele1992: Guten Abend

das habe ich sehr gerne gemacht. Zum Einen interessiert mich das Thema und zum Anderen hast Du wirklich sehr lebendig und spannend geschrieben. Da wollte ich Alles lesen und wollte Dir schreiben, das mir Dein Blog besonders gut gefallen hat (Die eigentliche Arbeit hattest Du ja mit dem Verfassen des Blogs). Wenn Du magst können wir den Kontakt gerne per Mail halten. Viele Grüße Daniele

Morgana LaGoth: Mail-Adresse steht oben bei "kontakt" - bei weiteren Fragen, gerne.

[30.07.20 / 12:44] Daniele1992: Guten Morgen,
vielen Dank für Deinen tollen Blog. Ich habe ihn in den letzten Wochen komplett gelesen. Meistens konnte ich gar nicht aufhören zu lesen. Fast wie bei einem sehr spannenden Roman. Ich habe dabei Deine genauen Beobachtungen und Beschreibungen sehr genossen. Deine vielen Ausflüge in die Clubs und zu den Festivals oder Deine Streifzüge d durch die Geschäfte beschreibst Du immer aus Deiner Sicht sehr anschaulich und spannend. Ich kann das sehr gut nachvollziehen, das alleine zu erleben, häufig auch mit einer gewissen Distanz. Ich kenne ich von mir sehr gut. Highlights sind Deine Reiseberichte. Deine Erlebnisse an den unterschiedlichsten Orten auf der Welt. Vielen Dank dafür. Vielen Dank auch das Du Deinen Weg zu Deinem waren Geschlecht mit uns Lesern teilst. Deinen Weg Deine Gefühle Deine zeitweisen Zweifel. Das ist sehr wertvoll auch für uns Andere, denn es ist authentisch und sehr selten. Du bist einem dadurch sehr vertraut geworden. Für mich ist eine gefühlte grosse Nähe dadurch entstanden. Umso mehr schmerzt es mich von Deinen Rückschlägen zu lesen. Von Deinem Kampf zu Deinem wahren Ich. Von Deinem Kampf umd Liebe, Zährlichkeit und Akzepzanz und Anerkenung. Von Deiem mitunter verzweifeltem Kampf nach Liebe und Anerkennung durch Deinen Exfreund. Leider vergeblich. Dein Kampf um wirtschaftliche Unabhängigkeit und Deine aktuell missliche Lage. Ich glaube dass Du nicht gescheitert bist. Du hast viel Mumm und Hardnäckigkeit bewiesen Deinen Gang zu Dir selbst zu gehen. Du hast auch einen guten Beruf der immer noch sehr gefragt ist. Vielleicht kann ja nach dieser Auszeit und etwas Abstand ein Neuanfang in einer anderen Firma, wo Du keine Vergangenheit als Mann hattest gelingen. Ich wünsche das Dir ein Neuanfang gelingt und drücke Dir ganz fest die Daumen. Daniele

Morgana LaGoth: Da liest sich tatsächlich jemand alles durch? Das ist mittlerweile schon ein kompletter Roman mit mehreren hundert Seiten! Danke dir, für deinen Kommentar (und die aufgebrachte Zeit).

[05.10.19 / 17:11] Drea Doria: Meine liebe Morgana,
bin 5 T post all-in-one-FzF-OP. Deine guten Wünsche haben geholfen. Der Koch ist immernoch noch super. Alle hier sind herzlich und nehmen sich Zeit.
Herzlich
Drea

Morgana LaGoth: Dann wünsch ich dir jetzt noch viel mehr Glück bei deiner Genesung!

[14.06.19 / 12:57] Drea Doria: Meine liebe Morgana,

vielen Dank für Deine offenen und kritischen Erlebnisberichte. Ich bin in 3 Monaten in Sanssouci zur FzF-OP. Ich denke auch, was kann schon schief gehen, status quo geht nicht und irgendwas besseres wird wohl resultieren. Wenn es Dich interessiert, halte ich Dich informiert. Drücke mir die Daumen.
Herzlich
Drea

Morgana LaGoth: Ich wünsche dir für deine Operation viel Glück. (Sollte der Koch nicht gewechselt haben, das Essen da in der Klinik ist richtig gut!)

[14.11.17 / 20:13] Morgana LaGoth: Nutzungsbedingungen für die Kommentarfunktion: Die Seitenbetreiberin behält sich das Recht vor, jeden Kommentar, dessen Inhalt rassistisch, sexistisch, homophob, transphob, ausländerfeindlich oder sonstwie gegen eine Minderheit beleidigend und diskriminierend ist, zu zensieren, zu kürzen, zu löschen oder gar nicht erst freizuschalten. Werbung und Spam (sofern die Seitenbetreiberin dafür nicht empfänglich ist) wird nicht toleriert. Personenbezogene Daten (Anschrift, Telefonnummer) werden vor der Veröffentlichung unkenntlich gemacht.

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