Es hätte so ein schöner Tag werden können … Sonnabend früh Vormittag aufstehen, entspannt frühstücken, Motorrad aus der Garage holen und gegen elf Uhr nach Wernigerode fahren, ein Eis essen, Pizza essen, Kuchen essen, auf dem Marktplatz sein, einen Kaffee trinken, Oldtimertreffen beobachten, alte AWOs bewundern und dann … nach einer kurzen Pause an meiner Tankstelle, den Motorradparkplatz daneben, die Toilettenhäuschen, der schattig überdachte Stand mit den Touristenbussen, noch gemächlich eine Flasche Wasser trinken.
[21.07.25 / 00:25]✎ Es hätte so ein schöner Tag werden können … Sonnabend früh Vormittag aufstehen, entspannt frühstücken, Motorrad aus der Garage holen und gegen elf Uhr nach Wernigerode fahren, ein Eis essen, Pizza essen, Kuchen essen, auf dem Marktplatz sein, einen Kaffee trinken, Oldtimertreffen beobachten, alte AWOs bewundern und dann … nach einer kurzen Pause an meiner Tankstelle, den Motorradparkplatz daneben, die Toilettenhäuschen, der schattig überdachte Stand mit den Touristenbussen, noch gemächlich eine Flasche Wasser trinken. Es ist heiß, bestimmt 30 Grad, so weit der Plan, bis siebzehn Uhr warten, dann sind die Touristen-PKWs weg und ich kann für mich alleine die Straßen nach Schierke hochschrauben … 400, 500, 600 Meter über Normalnull – und wieder abwärts ins Tal Richtung Elbingerode. Spätestens hier, fängt es unten im Bauch, ganz unten im Darm, an zu drücken und zu schmerzen. Ich sollte schnellstmöglich eine Toilette suchen.
Nach Wernigerode rein, ich verfahre mich, irre auf den engen, einspurigen Kopfsteinpflastergassen umher, finde den Weg ins Zentrum, der Kreisel mit dem großen Parkplatz und der Toilette auf der Gegenspur. Weiterfahren, wieder raus Richtung Benzingerode … irgendwo hier, noch vor dem Ortsausgangsschild von Wernigerode, war doch mal eine Tankstelle? Die, wo ich 2007 das Fahrschulmoped flach gelegt habe, die 125er. Ich passiere das Ortsausgangsschild, vielleicht die nächste Ortschaft weiter. Verdammt! Bis zur nächsten Tankstelle nach Halberstadt schaffe ich das nicht mehr. Blinker setzen, den nächsten Feldweg suchen, die Schmerzen in meinem Enddarm kommen in immer stärker werdenden, blubbernden Wellen. Ich finde einen Feldweg, steige ab, laufe zu einer mir günstig erscheinenden Stelle mitten auf dem Ackerweg, mit einem hohen Gebüsch und einem kleinen Bewässerungsgraben dahinter. Der Griff zu dem Knopf an meiner Motorradkombi – es ist zu spät! Explosionsartig verteilt sich alles um mein Gesäß und das Bein. „Ach, Scheiße!“ Warum ich? Warum schon wieder? Doch nicht die Motorradhose. „Das ist doch kacke!“ Ich verzweifele.
Ich schäle die Motorradhose nach unten, hinten den Reißverschluss der Kombi öffnen. Die zweite Welle geht wenigstens noch in das Gras am Wegrand … nicht hinein treten. Es stinkt, eine gelbe, bröcklige Brühe. „Da esse ich nie wieder!“ War es das Restaurant in Wernigerode? Der Kuchen? Der Kaffee, das Eis, die Limo? Die gelbe Farbe lässt mehr auf den Kartoffelsalat in der Kantine vom Freitag schließen, oder diese merkwürdigen „Mango-Schnittchen“, die die chinesische Kollegin für alle mitgebracht hat, die Packung mit den chinesischen Zeichen drauf. Den Morgen war ich noch froh, dass der Kantinen-Spinat vom Donnerstag raus ist.
Ich ziehe meine Motorradhose weiter aus, löse die Schnürsenkel von meinen Motorradsneaker und stelle das Paar etwas abseits daneben. Alles was jetzt passiert, mache ich in grünen Socken und nur meine Motorradjacke darüber. Die schwarze Unterhose ist nicht mehr zu retten, ich pfeffere das übel riechende Teil in den kleinen Graben vor mir. Ich habe nur eine Packung Taschentücher in meiner Jacke, die andere Packung ist in der kleinen Tasche im Gepäcknetz auf dem Motorrad. Ich laufe zurück … in Socken, die Motorradhose lasse ich da, den Helm habe ich wahrscheinlich immer noch auf.
Wieder zurück, meine Stelle auf dem Ackerweg, den Helm lege ich neben meine Schuhe, deponiere die zwei Flaschen Wasser darin. Mit den Taschentüchern versuchen, die bekackte Motorradhose sauber zu machen, versuchen, auch mich sauber zu machen. Die Handschuhe habe ich auch abgezogen, die liegen hier irgendwo im Gras.
Ein Taschentuch nach dem anderen wird wütend in das Gebüsch vor mir, den Graben runter, geworfen, es hängt wie Lametta zwischen Ästen und Zweigen. Es reicht nicht, die eine Packung ist leer, die zweite Packung Taschentücher wird leer. Was jetzt? In meiner Verzweiflung – oder auch leichter Schockzustand – ich muss zurück zu meinem Motorrad am Straßenrand und irgendwie jemanden anhalten und nach Tüchern fragen. Wieder zurück an die Straße, in Socken und schwarzer Motorradjacke – der ganze Unterkörper, meine Vulva, meine Schamhaare, alles ist frei.
Autos fahren vorbei, ein Transporter wird langsamer, hält er an? Ich winke, ich brauche Hilfe. Er fährt wieder schneller an mir vorbei. Ich muss Motorradfahrer anhalten, vielleicht sollte ich mein Halstuch an meinen Gepäckträger binden. Ein kleines Motorrad fährt heran. „Endlich! Du musst mir helfen!“ Ich springe vor meinem Motorrad hervor. Er blickt mich an, mit seinem Helm. Ihh! Die hat sich eingeschissen! Schnell weg! Kupplung springen lassen. Ich muss furchterregend aussehen, nackter Unterleib, braun verschmiert bis zum Knie, unrasierte Schamhaare, eine verrückt aussehende, wild gestikulierende, alte Schachtel … ich habe mehr ihn traumatisiert, als mich.
Der Transporter kommt zurück und biegt vorwärts auf dem Feldweg ein, es sind ein paar Männer drin in dem Miet-Transporter. „Toilettentücher, Papiertücher, irgendwas?“ Der Mann steigt ohne Worte aus, zieht die Seitentür auf und holt eine Rolle Wischpapier heraus … rollt um die zehn Blatt ab und gibt sie mir und steigt wieder ein. „Vielen, vielen Dank!“ Ich bin so glücklich in diesem Moment … immer noch halbnackt, das Schamgefühl ist das Erste, was verschwindet, in extremen Notsituationen.
Ich knie über meine Motorradhose und wische die schon antrocknende, gelbe Scheiße heraus. Das ganze Innenfutter ist verschmiert. Ich muss zwei oder drei Blätter übrig lassen, die ich mir unten herumwickeln kann, wenn ich die bekackte und engsitzende Motorradhose wieder anziehen will, ich habe noch fünfzig Kilometer vor mir. Der Strauch vor mir, den schattigen Bewässerungsgraben runter, wird immer weiter zugeworfen mit Papiertüchern.
„Meine Unterhose liegt schon irgendwo dahinten unten, das ist Baumwolle.“ Hinter mir auf dem Feldweg fahren schon die ganze Zeit ein paar Autos hin und her, ich bin denen nicht entgangen. Wenn ihr vielleicht noch ein paar Tücher habt? Eine Flasche Wasser ist schon leer, mit der zweiten Flasche versuche ich immer wieder, meine Hände sauber zu machen. Die Menschen, die hier irgendwie zelten, oder den Abend feiern wollen, oder dahinten einen Garten haben, versorgen mich mit ein paar Dingen. Eine Packung Taschentücher, das nächste Auto, ich versuche schon meine Motorradhose wieder anzuziehen, ein Blatt vorn herum, zwei Blätter hinten, der Wind versucht es wegzuwehen. „Hier, das könnte dir vielleicht helfen.“ Ein Mann bringt mir eine schwarze Unterhose und eine Jogginghose. „Die Hose ist zu viel, das passt nicht drunter“, meine Lederkombi sitzt eng, „Aber vielen, lieben Dank für die Unterhose, die nehme ich, das ist sehr nett.“ Nochmal ausziehen und die neue Unterhose drunter … schwarz ist sie auch noch. So nette Menschen, die mir einfach helfen. Sollte ich irgendwann mal in eine Situation kommen, in der ich anderen in einer Notlage Hilfe anbieten kann – einfach machen.
Die Kacke, der Haufen Scheiße, der stinkende Durchfall – kaum mehr zu sehen, ein Schwarm grün-goldgelb schimmernder Fliegen hat ihn schon für sich entdeckt … der Lauf der Natur. Alle meine Sachen zusammensuchen, nichts vergessen, meine Schuhe, mein Helm, meine Handschuhe – das letzte Auto den Feldweg, sie hatten feuchte Reinigungstücher mit dabei, das letzte bisschen Wasser aus meiner Flasche und die hohen Grashalme zum Abtrocknen, sind einfach nicht das Richtige. Meine verschmierten Hände stinken weit weniger, als ich und meine Motorradkombi, als ich wieder zum Straßenrand, an der Einfahrt des Feldweges, zu meinem Motorrad gehe, die kleine olivgrüne Tasche unter dem Gepäcknetz auf dem Soziussitz verstaue, meinen Helm aufsetze, das Bein auf die Sitzbank überschwinge und mein Motorrad starte. Später Nachmittag, schon fast Abend, die Sonne neigt sich dem Horizont, vor mir liegen noch diese fünfzig Kilometer Straße bis nach Hause, durch die goldenen Felder und die ebenso goldene Sonne neben mir.
„Da musst du jetzt durch!“ Was ein echter Motorradfahrer ist, auch mit der bekackten Kombi, die fehlenden Kilometer abreißen. Ich weiß nicht, warum die Autos hinter mir, mich alle überholen, das ist eine Agrar-Gegend, staubende Mähdrescher rechts und links, der Geruch von Schwein und Dünger auf jedem Feld … meine Geruchswolke, die ich hinter mir her schleppe, dürfte gar nicht auffallen. Die nächsten Ortschaften, wenn ich mal an einer Ampel stehe … das Gulli da neben mir, das mache ich für meine stark nach Fäkalien riechende Geruchswolke verantwortlich.
Mein Zuhause erreiche ich noch vor Sonnenuntergang. Das Motorrad ohne Umparken in die Garage fahren. Garagentor zu, Hoftor auf, weiter zur Haustür … der Hund begrüßt mich, kommt aber nicht näher, ich weiß, da ist eine starke Geruchswolke um mich herum.
Die Motorradkombi erst einmal auf der Treppe ablegen, zuallererst – eine Dusche nehmen! Endlich nackt lasse ich das Wasser über meinen Körper perlen. Gründlich abseifen mit Duschbad, das ganze bekackte Bein mit den Schmierstreifen, mein ganzes Hinterteil, bis in die tiefste Ritze.
Auch mit frisch gewaschenen Haaren und mit frischer Unterhose, stehe ich danach wieder draußen. Die Motorradhose lasse ich nicht im Haus, die lege ich draußen im Garten auf einen Stuhl. Morgen werde ich sehen, was ich damit mache. Die Lederhose in die Waschmaschine? Im Wollwaschgang? Danach trocknen lassen und richtig, richtig viel einfetten? Der ganze Aufwand, den Freitag Abend vor meiner Ausfahrt, nur vierundzwanzig Stunden zuvor – ich hatte schon meine ganze Kombi mit Lederreiniger und Lederpflege, stundenlang, viel zu verspätet, mitten in der Saison, endlich eingerieben, um in den zweiten Teil der Motorradsaison zu starten. Und jetzt kann ich nur hoffen, das meine müffelnde Motorradhose noch irgendwie zu retten ist. Ich mag die Kombi, die ist schön, die sitzt, angenehmes Ziegenleder, mit vielen praktischen Taschen, Reißverschlüssen und netten Design-Elementen. Hoffentlich kann ich sie retten … meine alten Lederhandschuhe habe ich nach einem Vollwaschgang auch wieder hinbekommen.
Der späte Abend, die Nacht, der Sonntag Morgen. Das Schamgefühl ist wieder da. Wie bin ich nur in so eine Situation geraten, warum war ich da auf dem Feldweg die ganze Zeit halbnackt? Ich hatte nichts! Keine zweite Unterhose, keine mitgenommenen Feuchtigkeitstücher – auch nicht diese eine, extra gepolsterte Unterhose mit „Windel-Funktion“. Es ist nicht das erste Mal, dass das passiert ist … ich habe mir schon so oft vorher in die Hose gemacht. Mehrere Male die Jeans, unzählige Male die Unterhose. Harn- und Stuhlinkontinenz.„Bis zu fünfmal im Jahr in die Hose machen, hat keinen Krankheitswert, das ist vollkommen normal!“ Das Mantra meiner Neurologin. Ich versuche, daran zu glauben, aber es ist nicht leicht mit Multipler Sklerose.
Ich bin den Sonntag Morgen deprimiert, ich will einfach nur sterben, ich versuche noch immer, das zu verarbeiten, was den Tag vorher passiert ist. Mein Arrangement mit der MS: sollte ich irgendwann mal nicht mehr in der Lage sein, selbstständig auf die Toilette und selbstständig, ohne Hilfe, essen zu können – dann ist es Zeit für mich, mich von den Lebenden zu verabschieden. Kein Suizid-Quatsch, ich will richtige Sterbehilfe, mit Begleitung, Rechtliches und allem drum und dran. Von meinen zwei Punkten, die dafür erfüllt sein müssen, ist einer vielleicht schon eingetroffen. Und der zweite Punkt, mit selbstständig nicht mehr essen können – sollte der eintreffen, kann ich auch selbstständig nicht mehr alles andere tun. Sterbehilfe vorziehen? So lange ich dafür noch in der Lage bin? Dann ist es doch dieser „Suizid-Quatsch“.
Den Sonntag, ich rotiere, die Motorradhose aus Leder ist noch vor dem Frühstück in der Waschmaschine im Wollprogramm gelandet, die braun-gelbe Kacke ist weg, aber leicht müffeln tut sie immer noch. Hängt draußen unterm Dach zum Trocknen. Die Familie empfiehlt ein Lederöl, das zwar drei Tage lang bestialisch stinkt, aber Wunder hilft. Was soll das sein? „Mink-Öl?“ Das vom Nerz? Angeblich sollen damit Pferdesattel eingerieben werden.
Weiter alle meine anderen Sachen, ich gehe nach und nach durch, was kontaminiert wurde. Die Schnürsenkel von den Motorradsneaker, mit in die Waschmaschine (der dritte Waschgang, in dem ich auch mein schwarz-goldenes Glitzerkleid mitwasche und danach alle anderen schwarzen Sachen „glitzernd“ wieder herauskommen), die Sneaker selbst, werden mit Desinfektionsspray eingesprüht. Die grünen Socken sind nicht mehr zu retten, die landen in der Restmülltonne, die hatten eh ein Loch. Meine Motorradhandschuhe, im Waschbecken, mit Wasser und Seife, umgestülpt, um auch an alle Stellen heranzukommen, die Lederteile werde ich irgendwann später die Woche mit Fettcreme eincremen, die nehme ich auch für mich selbst, für meine Haut. Die Motorradjacke, ich setze mich wieder auf einen Stuhl in der Küche und beginne wieder, alle Seiten, vorne, hinten, die Ärmel, mit Lederreiniger und Lederpflege einzureiben, es gibt nur ein paar kleine Abstreifspuren, als ich den späten Nachmittag zuvor auf dem Feldweg vor meiner Lederhose kniete und versuchte, mit fast schon bloßen Händen, alles herauszuwischen. Jedes Mal, wenn ich irgendwas davon sauber mache, ich wasche mir immer wieder meine Hände. Später Sonntag Nachmittag, nach einer Tasse guttuenden Hanf-Tee für meinen Darm, mein Motorrad und mein Auto in der Garage umparken … der Geruch nach Scheiße ist immer noch in meiner Nase, aber vielleicht rieche ich den nur für mich.
Fahre ich das nächste Wochenende wieder Motorrad? Fahre ich zu einem Treffen? Wieder da irgendwo das Nord-Harz-Gebiet? Ich will momentan nicht mehr raus und niemanden sehen. Es hat einen Grund, warum ich Kontakte ablehne und Menschen meide … ich will das niemanden antun, mir zu begegnen, sich mit mir auseinandersetzen zu müssen, von mir in meinen Abgrund gezogen zu werden. Ich bin nicht gut, ich bin krank, ich bin das Elend. War schon immer so, wird auch immer so bleiben. Ich versinke den Sonntag nach Mitternacht in meinem Selbstmitleid und habe den Punkt überschritten, an dem mein therapeutisches Schreiben mir hätte noch helfen können. Selbstmord, Selbstmord, Suizid! Hallo, da bist du ja schon wieder … kannst du auch wieder gehen?
Nachtrag Nummer eins den Montag Abend: Meine Motorradhose hängt in der Küche, ich habe sie komplett mit der Fettcreme eingerieben, die ich auch jeden Morgen für mich selbst da unten herum verwende, hoffentlich zieht sie in das schwarze Leder ein …
Nachtrag Nummer zwei den Dienstag: Ich wollte vor Scham in den Boden versinken … nächstes Mal – und das wird wieder passieren – behalte ich ein Taschentuch über, um damit mein „Scham-Dreieck“ zu bedecken, damit die anderen sich nicht vor mir erschrecken (und wegrennen), wenn ich sie um Hilfe bitte (oder sie sich für mich schämen).
Nachtrag Nummer drei den Mittwoch Abend: Ist die Fettcreme wirklich eingezogen, oder nur an der Oberfläche oxidiert? Die Lederhose ist fast wieder so fest, wie nach den Tag auf der Wäscheleine (draußen bei Regen, unter dem Dach). Nach der Arbeit im Schuhladen ein paar Leder-Pflegemittel gekauft: den Schaum, mit dem ich auch die raue Innenseite meiner Lederhandtasche wieder hinbekommen habe, als darin mal eine ganze, halber Liter Flasche Wasser ausgelaufen ist. Später den Abend, die Motorradhose noch einmal einreiben mit dem neuen Spray, von innen und von außen … wirkt fast wie neu.
Nachtrag Nummer vier, Tage später: Weich ist sie auch wieder geworden und schimmert seidenmatt.
[16.07.25 / 23:10]✎ Den Flyer hatte ich Pfingsten schon mit eingesteckt, Anfang Juli ist wieder das kleine Festival in dem Club in Plagwitz. Da ich das Wochenende zuvor schon kurzfristig mit dem Auto nach Leipzig gefahren bin, nehme ich für dieses Wochenende den Zug. Ganz entspannt nach Leipzig fahren, zweieinhalb Stunden nur die Landschaft vorbeiziehen lassen, mit der Straßenbahn und dem Kombiticket ohne Stress zum Club, Tanzen bis morgens – und dann wieder zurück. So weit der Plan, ich rechne alles durch, es reicht, wenn ich Sonnabend frühestens Mittag aufstehe, die Beine rasiere und mein Outfit wähle, Dusche, Make-up, die kleine Handtasche packen, bis siebzehn Uhr am Bahnhof.
Es regnet den ganzen Tag, ich will das schwarze Spitzenkleid anziehen, das ich Pfingsten zum Gotik-Treffen nicht mitgenommen habe, das Ärmellose. Wetter- und Temperaturabhängig kombiniert … die Nylon-Strumpfhose oder die blickdichte, schwarze Yoga-Hose? Die Mitte, ich wähle die schwarze Baumwollleggings. Schuhe … ich wollte die schwarzen Plateaupumps tragen, aber die sind aus Wildleder, das ist doof im Regen, ich wähle die absatzlosen Doc Martens. Den frühen Nachmittag noch schnell eingecremt.
Das Make-up, nach der Dusche mit dem orientalischen Parfüm und dem obligatorischen Sprühstoß schweres, intensives Parfüm (mit noch extra Patchouli), ich sprenkele den schwarzen Kajal auf das Augenlid, den hinteren Strich ziehe ich vom Lidende mit dem frisch angespitzten Stift zurück zum Auge, den Pinsel ziehe ich an der Stelle in die gleiche Richtung. Leicht aufgetragener, schwarzer Mascara, ich muss unbedingt die feuchten Reinigungstücher für den Morgen danach, zurück im Zug, mit in meine Handtasche packen. Die Brille aufsetzen, es sieht ganz gut aus. Mit dem nächsten Handgriff nehme ich wieder die LED-Leiste von meinem großen Badezimmerspiegel und gehe, fast ausgehbereit, in meinen Flur. Die schwarze Handtasche, die ich immer nehme, die von Coccinelle 2015 in Rom … zur Hälfte gefüllt mit dem schwarzen Kapuzenpullover für später die Nacht. Die Lederjacke anziehen und draußen im Treppenhaus die Stiefel schnüren … freundlicherweise werde ich die letzten Meter durch den Regen von der Familie zum Bahnhof chauffiert. Siebzehn Uhr, der Zug nach Magdeburg und dann der nach Leipzig.
Für das Regionalticket brauche ich noch einen Namen auf dem Papier, in Magdeburg vertrödele ich die Umstiegszeit in einem Krims-Krams-Laden, ich suche so einen Stift mit schwarzer Tinte. Gedankenverloren … meinem Freund, ich habe ihm keine Nachricht geschrieben, ich habe kein Hotel gebucht, er wohnt nicht mehr in Leipzig, wo sollten wir uns treffen? All die letzten Jahre, wo ich immer auf dem kleinen Festival war, die Bands spielen bis weit nach Mitternacht, die Disko geht weiter … irgendwann hatte er mir nicht mehr geantwortet und ich wusste, dass er schon längst eingeschlafen sein muss. Kein Treffen mit ihm, ich versuche es gar nicht erst dieses Jahr.
Der andere Typ da, den ich letztes Pfingsten vor ein paar Wochen in dem Zelt auf dem Mittelaltermarkt getroffen habe, ein neues, potenzielles Casual Date? Er hat dieses Wochenende leider keine Zeit – aber er freut sich riesig, dass ich ihn Wochen später endlich mal eine Nachricht geschrieben habe … vielleicht hätte ich mich doch nicht so kurzfristig melden sollen, ein oder zwei Abende vor meiner Abfahrt nach Leipzig. Ich stehe in der Ecke des Magdeburger Hauptbahnhofes und kritzele mit meinem neu gekauften schwarzen Tintenroller meinen Namen auf das kleine Länderticket auf dem Tresen der Information. Weiter zum Regionalexpress nach Leipzig, der Zug bleibt anfangs leer.
Die schlimmste Toilette, die ich jemals in einem Zug benutzt habe … die Klobrille, die ich herunterklappe, ist vollkommen mit irgendeiner Flüssigkeit bespritzt, ich wische es mit Unmengen Klopapier ab, lege noch mehr Klopapier aus – so ungefähr die Hälfte der Weltbevölkerung ist darauf angewiesen, sich auf eine Klobrille hinsetzen zu müssen! In Gedanken versuche ich mir nur schemenhaft vorzustellen, wie die hochgeklappte Klobrille von der anderen Hälfte der Weltbevölkerung so hinterlassen werden konnte. Ich musste unbedingt auf die Toilette, kurz vor Bitterfeld und Delitzsch … zu geizig und zu eilig, um im Leipziger Hauptbahnhof noch einen Euro in die dortigen Sanitäranlagen zu investieren. 19:50 Uhr kommt der Zug an, Punkt 20:00 Uhr ist Einlass in dem Club – und es gibt nur Abendkasse.
Mit der Straßenbahn weiter die Linie nach Plagwitz, an der Gießerstraße aussteigen … es beginnt heftiger zu regnen. meinen Schirm aus meiner Handtasche holen und aufklappen. 2004 war ich hier den Morgen danach, nach der Gothic-Pogo-Party, in die Straßenbahn zurück zum Hauptbahnhof gestiegen, 2004 war ich das erste Mal in diesem Club, eine Band sehen, die es schon lange nicht mehr gibt.
Ich erreiche den Einlass, den dunklen Weg entlang, die besprühten Mauern, die alten Fabrikanlagen. Draußen steht zwar keiner, aber innen drinnen ist es schon gut gefüllt. Mein erster Weg, nach dem Stempel auf dem Handrücken an der Abendkasse, hoch zu den Toiletten im Obergeschoss – ich habe die Idee, meinen Schirm mit ebenso viel Toilettenpapier trocken zu wischen, bevor ich ihn zusammen zu meinen Pullover mit in die Handtasche legen kann. Wieder runter, die zwei Euro Wechselgeld vom Eingang gleich in eine Flasche Mate-Brause umwandeln.
Mir fallen die zwei gegenüberliegenden Bühnen auf, die große Hauptbühne, wie immer, und die zweite, kleine, die vor dem DJ- und Tontechnik-Pult aufgebaut wird. Prima – wenn ich hier stehenbleibe, brauche ich mich einfach nur umzudrehen und stehe schon vor der nächsten Bühne, bereit für den nächsten Auftritt. Ich mag das neue Konzept, ich hatte mich schon gefragt, wie sie fünf Bands den Abend organisatorisch, mit Umbaupausen, verteilen wollen, ohne dass es wieder bis zwei-Uhr-sonstewas geht. Nur wenige Minuten später, die erste Band fängt schon an.
So ein einzelner Typ, klassisch in schwarzer Lederhose und zerschnittenen, schwarzen T-Shirt mit abgetrennten Ärmeln und ultra viel verschmierter Kajal rund um die Augen. Er performt an seinem Synthesizer und Drum-Computer, oder „Spur-Band-Maschine“ ein paar solide Minimal-Synth-, bereit-für-die-Tanzfläche Musikstücke, der Gesang und das verzerrte Mikro gefällt mir. Ich habe den Flyer mit eingesteckt und hier hängen überall Plakate mit der Running-Order für diesen Abend herum … er kommt aus Norditalien?
Die zweite Band – ich muss mich nur umdrehen und stehe schon direkt davor – dafür bin ich extra hier angereist, die Stimme der Band, die jahrelang schon in meinem Autoradio hoch und runter läuft. Disco Noir … jetzt nur noch die Stimme alleine: Chanson Noir. Ich weiß nicht, welches Pronomen ich für sie oder ihn verwenden soll, der Bandname weist klar auf eine weibliche Adressierung, die Gesangstimme und ihr Wesen auch. Bei ihrer Begleitung, die sie für diesen Abend mit ans Keyboard gestellt hat, ist es einfacher. Chanson ist es nicht, die ersten Stücke gehen ins Post-Rock und Post-Punk … die Zugaben wieder elektronisch, tanzlastig.
Ich sollte mal meine Lederjacke ausziehen, es wird warm in dem Club. Draußen kurz Luft holen, der Regen hat nachgelassen, so kalt ist es nicht geworden. Die zweite Tanzfläche oben war anfangs noch nicht aufgebaut (oder besetzt), für die erste Tanzfläche unten bleibt nicht so viel Zeit zum Tanzen, ich muss mich wieder nur einfach umdrehen und beobachte die nächsten Musiker, ihre Instrumente auf der größeren Bühne vorzubereiten … ein paar große Trommeln, ein Saxophon?
Die dritte Band, aus Polen. Die jungen Musiker spielen das erste Mal in Deutschland. Unerwartete Tempowechsel, ein Schlagzeuger, der seine rohen, Punk-lastigen Texte auf polnisch singt, eine bezaubernde, junge Sängerin und Gitarristin in einem noch viel mehr bezaubernden Schwarz-Bunt-Folklore-Dress-Outfit und zwei oder drei weitere junge Musiker am Bass, Gitarre, Saxophon und Keyboard. Ich bin hingerissen, betitelt als New Wave, könnte das schon in den Jazz-Rock oder Rock-Jazz gehen.
Die vierte Band, der Typ da hinter mir – „Ich muss mich nur umdrehen“ – die runde, schwarze Sonnenbrille, das weiße Hemd, die schwarze Hose, ganz klar franko-belgischer, oldschool Synth-Kram, laut Flyer kommt er aus Frankreich. Seine Titel sind extrem tanzbar, die Menge vor mir bewegt sich weit mehr als ich. „Ich mache ein Schritt zurück!“ Bevor sie mir weiter gefährlich nahe auf meinen Stahlkappenlosen Schnürstiefeln herumspringt. So viel Nebel, so viele LED-Lichter, ein eingestreuter Strobo-Effekt?
Während der Umbaupause, irgendwann muss ich mir eine zweite Flasche Mate-Brause holen, irgendwann muss ich auch mal auf die Toilette. Wieder unten, ich habe die Garderobenhaken an den Wänden entdeckt, Platz für meine Lederjacke und meine Handtasche. Ein extremer Bass föhnt durch meine Haare … ich muss mitten in der Welle stehen, von vorne die PA der nächsten Band, hinter mir die kleine Bühne mit ihren Lautsprechern, dahinter sind erst die Tontechniker. Die letzte Band fängt an, zu spielen, eine Punk-Band aus Deutschland.
„Die sind Scheiße?“ Ich weiß nicht, liegt es an meiner extrem ungünstigen Position mitten im Raum, im Wellental und Wellenberg der aufgebauten Klanglandschaft, oder ist es das ewige Duett der beiden Sänger, der eine geht für mich schon ganz schön in die „Screamo“ Richtung. Ich kann damit nicht viel anfangen, klatsche auch nicht nach jedem Song. Das Publikum, da vor der Bühne, die ersten Reihen, denen gefällt das, die gehen mit. Ich will der Band eine Chance geben, jetzt den Club zu verlassen und mal kurz rausgehen, ist irgendwie doof. In den hinteren Reihen wird es weniger voll, ich kann meine Position leicht um ein paar Meter zur Seite verändern, hier ist der Klang etwas besser.
Ich weiß nicht, wie spät es ist, es muss weit nach Mitternacht sein, aber zwei Uhr – wie die Jahre zuvor – ist es noch nicht. Die Bands sind durch, die DJs legen auf. Die untere Tanzfläche, ich spüre, dass ich etwas taumele, ich will nicht umfallen, in das aufgebaute Equipment der DJs hinter mir auf den Podesten, der eben noch als kleine Bühne genutzten Fläche. Ich ziehe mich an dem Geländer die Treppe hoch zum Obergeschoss, in den Räumen neben der Toilette, die Räume mit den vielen Wänden voller Plakate der letzten zwanzig Jahre, der Rückzugsort, der Chill-out-Bereich, ein paar Sitzbänke.
Das Telefon aus meiner Handtasche kramen … eine Nachricht, nicht von ihm, nicht von dem anderen – eine Nachricht von dem Marokkaner, den ich viele Jahre zuvor mal in einem Swinger-Club kennengelernt habe, mit dem ich mich noch ein paarmal mehr getroffen habe. Mein nächstes Casual Date? Er hält weiter Kontakt zu mir, meldet sich über eine Nachricht ein paar Male im Jahr … er könnte demnächst, vielleicht wieder in der Nähe sein. Ich gebe mich dem Chat hin, wir tauschen ein paar Nachrichten aus. Ein Foto von mir? Das geht nicht, hier in dem Club sind doch Fotos verboten, du bekommst zwei Bilder von mir aus Thailand, die noch auf meinem Telefon gespeichert sind, das eine, wo ich mit den beiden Grazien den Abend in der Bangla Road posiere und das andere, wo ich auf dem Boot bin, in meinem Bond-Girl-Badeanzug, irgendwo in der Phang-Nga-Bucht. Er ist hin und weg. Vielleicht sollte ich ihn wirklich mal wieder treffen? Ich spiele mit ihm.
Die Treppen nach unten torkeln, ein paar Titel tanzen, die Treppen nach oben schleppen, auf der Tanzfläche oben ein paar Titel tanzen. Das ist die größere Tanzfläche, kahle Wände, weißes Licht, herunterhängende Laken, ultra viel Nebel, der DJ hat vor sich ein Gitter. Songs werden gespielt, Deathrock, ich betrete die Tanzfläche, Gothic-Rock, zwei Schritte vor, zwei Schritte wieder zurück, düsterer Wave, der Two-Step, Kopf tief gesenkt, die Flasche theatralisch in der Hand, noch mehr Post-Punk und Gothic-Kram, Dinge in der Luft greifen, die nicht da sind. Das komplette Repertoire. New-Wave-Klassiker, die Windmühlen-Arme.
Wieder unten, meine zweite Flasche habe ich schon wieder leer zurückgebracht, mit dem Pfand, den Eintritt, die beiden Limos hat mich der Abend nur zwölf Euro gekostet? Punker-Schuppen eben. Es ist kurz vor vier Uhr morgens, ich weiß, um 4:25 Uhr oder so, fährt der letzte Nachtbus draußen vor der Haltestelle Richtung Hauptbahnhof ab. Ich will noch nicht gehen, der DJ legt jetzt die Sachen auf, die mich Ende der Neunziger in die düstere Gothic-Szene gezogen haben. „I hate Berlin!“ Ich kann den ganzen Text mitsingen.
Draußen an der Straßenbahn- und Bushaltestelle, Vögel zwitschern, tiefdunkelblaue Farbe kommt zwischen den Bäumen, den Häuserdächern und den durch Straßenlaternen angestrahlten Laubblättern hindurch. Es ist schwül-warm, feucht und doch irgendwie kalt genug, meinen Kapuzenpullover aus der Handtasche zu kramen. In Kleid, Hoodie und Lederjacke stehe ich neben der Laterne am Straßenrand und warte auf den Bus … im Lichtkegel, damit mich der Busfahrer auch sieht, komplett in Schwarz. Ein Bus fährt heran, ich halte die Hand auf, der Bus fährt vorbei. „Dienstfahrt“ – nicht einsteigen. Minuten vergehen, an der Kreuzung dahinten fahren ständig Busse herum … stehe ich falsch? Kommt überhaupt ein Bus? Ist es schon kurz vor fünf Uhr den Sonntag Morgen – schaffe ich meinen Zug überhaupt noch? Der Bus kommt mit zehn Minuten Verspätung, „Jetzt aber schnell!“
Busspuren voller Busse, Straßenbahngleise voller Straßenbahnen, alles fährt zum Hauptbahnhof, das Herz von Leipzig. Mein Zug zurück steht schon bereit, es wären noch zehn oder fünfzehn Minuten Zeit gewesen. Ich muss nicht eine Stunde länger warten, hier irgendwo schon frühstücken, eine weitere Stunde in Magdeburg warten, bis dann irgendwann mal den späten Sonntag Vormittag ein Bummelzug in mein Vorstadtkaff fährt. Zeitlich passt es wieder, wie gewohnt, der Fünf-Uhr-Zug zurück. Die Gänge des Regionalexpresses in Doppeltraktion sind hell erleuchtet, die Toilette ist blitzeblank sauber für meine Erstbenutzung. Die Sitzecken mit der Möglichkeit, sich komplett hinzulegen, sind mir zu exponiert, ich bevorzuge wieder die intime Ecke auf den beiden Sitzen am hinteren Ende des Wagon-Abteils, direkt mit der festen Rückwand, ohne eine Sitzreihe dahinter. Hier ist es dunkel und abgeschirmt genug. Auch wenn draußen schon die Sonne aufgegangen sein muss, die tiefdunkelblauen Regenwolken ohne Regen lassen keinen Sonnenstrahl durch. Ich ziehe mir meine Kapuze tief vor die Augen und lege mich mit angezogenen Beinen auf die beiden Sitzplätze … ungünstig, ich trage ein kurzes Kleid. In der Hoffnung, meine Stiefel decken alles ab, versuche ich etwas zu schlafen.
Delitzsch, Bitterfeld … Roßlau – Dessau muss ich verpasst haben. Ich hätte nicht bis zuletzt stark koffeinhaltige Mate-Brause trinken sollen, vielleicht wäre ich etwas mehr eingeschlafen.
Der Magdeburger Hauptbahnhof, ich bin schon ein paar Haltestellen vorher wach. Zu viele merkwürdige Gestalten, die Bahnhofssicherheit umzingelt ein paar Trinker oder Obdachlose, die Bundespolizei ein paar andere ihr verdächtig erscheinenden Wesen der Nacht. Ich laufe daran vorbei … in Schnürstiefel, schwarzer Leggings, kurzes, schwarzes Röckchen, Lederjacke und die Kapuze des schwarzen Baumwollpullovers darunter weit ins Gesicht gezogen, von mir sind nur die langen, blonden Strähnen zu sehen und meine schwarz geschminkten Augen. Zum Bäcker da vorne, ein Schoko-Croissant bestellen, das, was ich hier immer um sieben Uhr Sonntag morgens, die Nacht zurück aus Leipzig, mache.
Draußen am Ausgang verdrücke ich mein Croissant, immer wieder mit dem Finger die Haarsträhnen unter der Kapuze wegschieben.
Wieder zurück in dem Regionalzug in mein Kaff, jetzt kommen die Abschminktücher zum Einsatz, die ich extra mitgenommen habe, diese Minuten vor dem Spiegel zu Hause, kann ich einsparen, bin damit viel schneller im Bett, ich habe die letzten Fahrten mindestens zwei Frauen gesehen, die das auch so machen.
Wieder zu Hause, den Weg vom Bahnhof zurück die zwei verschlafenen Straßenecken, wenigstens regnet es nicht. Routiniert meine Tasche auf die Leopardendecke auf meiner Couch schmeißen, nur das Smartphone und Zahnpasta und Zahnbürste da raus nehmen (ich war doch auf Übernachtung eingestellt), alle Fenster öffnen, ins Bad, und wieder zurück ins Schlafzimmer. Fenster wieder zu und schwere Gardinen davor … hoffentlich lässt das Koffein nach, hoffentlich kann ich einschlafen. Gefühlt 8:30 Uhr, ich blicke nicht auf die Uhr von meinem Smartphone, ich ziehe meine Bettdecke über den Kopf und schlafe ein. Wenigstens drei, vier Stunden bis Sonntag Mittag.
Über zwanzig Jahre solche Partynächte …
[08.07.25 / 23:12]✎ Ein Bikertreffen das erste Juliwochenende, ich habe mein Motorrad den Abend schon wieder zwanzig Kilometer zurück in meine Garage gebracht und bin mit dem Auto wiedergekommen. Ich sitze auf einer der Bänke unter einem großen Partyzelt und schaue mir die Band auf der kleinen Bühne an, die die großen Rocksongs der vergangenen Jahrzehnte covert. Es ist kurz vor Mitternacht und dich trinke vielleicht den fünften Plastebecher Wasser. Eine Frau setzt sich zu mir: „Weißt du, wer ich bin?“ Ich glaube, schon. Es gibt mindestens drei schwarzhaarige Frauen hier in Rocker-Klamotten, die für mich gleich aussehen. Es ist die eine vom letzten Bikertreffen, die mir den Morgen nach dem Zelt das Frühstück serviert hat. Die Motorradclubs besuchen sich gegenseitig den Sommer auf ihren Treffen. Sie arbeitet bei ihrem Club schon seit Anfang an.
„Wir beobachten dich schon seit fünfzehn Jahren, du kommst jedes Jahr zu uns“, nicht ganz, manchmal ist das Wetter nicht so, „Wir haben deine Verwandlung von Anfang an miterlebt.“ Sie erzählt weiter, dass sie eine Bekannte hatte, deren Tochter ist genau so wie ich … sie lebt jetzt auch als Frau.
All die Jahre, als ich 2008 mein Motorrad gekauft habe, 2009 (oder 2010) das erste Mal auf einen ihrer Bikertreffen war, ich denke, ich habe mich optisch nicht verändert, ich war schon immer so, lange, blonde Haare, feminine, zierliche Figur. Immer zwischen den Menschen, aber nie nah und möglichst keine Gespräche. „Ich kann doch mit dir reden, wenn das nicht unangenehm für dich ist.“ Mittlerweile bin ich offener für Menschen, ich habe das letzte Jahr mehr Kontakte zugelassen, bin schon fast in einer Gruppe Motorradfahrer integriert, die sich lose auf den Treffen hier in der Region trifft. Gesichter erkenne ich erst, wenn ich sie Jahr für Jahr immer wieder sehe. Habe ich mich wirklich verändert, ist meine Wandlung über die letzten fünfzehn Jahre sichtbar?
Das autistische, asexuelle Etwas, gefühlt bin ich es immer noch. Die zugängliche Frau, die Motorrad fährt und irgendwie doch selbstbewusst die Anmachsprüche der Männer kontert … (noch längere Pause) … ich bin vielleicht das geworden, was ich immer sein wollte.
[06.07.25 / 19:57]✎ Fahre ich zum CSD nach Leipzig? Es fühlt sich komisch an, ich weiß, das Wochenende naht und ich bin bis jetzt jedes Jahr zum CSD nach Leipzig gefahren. Nur dieses Jahr nicht. Stealth trans, alles vermeiden und leugnen, was auf meine verborgene Vergangenheit hindeuten könnte. Für das letzte Wochenende im Juni ist ein Nachmittag und ein Treffen mit den Arbeitskolleginnen in einer Strandbar an der Elbe geplant, das Wetter ist schön, angenehmer Sonnenschein, kein Regen, ein schöner Sommertag. Ich weiß genau, was ich anziehen werde – das neue, schwarze Kleid mit dem goldenen, aufgedruckten Paisley-Muster, superkurz, fast eine Tunika und weite, ausladende Ärmel, Bohéme-Chic.
Ich stelle mich schon darauf ein, den Sonnabend ganz entspannt zu beginnen, frühestens um elf Uhr den Vormittag aufstehen … so gegen neun, ich wache auf und prüfe das Smartphone neben meinem Bett. Abgesagt. Alles umplanen, das muss jetzt schnell gehen! Dann fahre ich eben doch nach Leipzig! Ich springe aus meinem Bett, hätte ich geplant, nach Leipzig zu fahren, hätte ich den Zug genommen, da wäre noch eine Party nach der Demo, in Connewitz. Beine rasieren, für mein Kleid, den Zug schaffe ich schon lange nicht mehr, ich nehme das Auto. Ein Frühstück draußen auf der Terrasse im Garten, keinen Kaffee, keine Zeit, die Tasche zusammensuchen – ich nehme die schwarze Stoffhandtasche – nur leichtes Gepäck. Kein Übernachtungs-Kit. Der Parfümstoß schweres, orientalisches Parfüm und ich bin draußen in der Garage in meinem Auto. Wenn ich es bis um elf hierhin schaffe, dann fahre ich los.
Auf der Autobahn, ich wollte es langsam angehen, die Geschwindigkeit auf der linken Überholspur wird immer schneller. 120, 130 … 150, 160? Ein Auto bremst, irgendwo da vorne, kurz vor Halle, kurz bevor die Autobahn dreispurig wird. Ich drücke auf die Bremse, ich stehe schon auf der linken Spur, vor mir die Bremslichter des vorausfahrenden Autos. Puh, das war knapp, das hätte auch schief gehen können.
In Leipzig, Blinker rechts auf meine Ausfahrt, ich weiß, wo ich parken kann, wenn in der Innenstadt wieder so viel Verkehr ist, wenn da wieder die Polizei alles wegen der Demo absperrt, wenn da wieder irgendwelche Faschos irgendwelche Gegen-Demos anmelden – ich parke weit abseits in der Gegend, wo ich mal gewohnt habe. Ich biege die Straße bei meinem Lieblings-Bäcker ein, bestimmt habe ich hier auch mal vor Jahren schon mein Auto unter den Bäumen und auf diesen Kopfsteinpflaster geparkt.
Nur fünf Straßenbahnstationen zum Hauptbahnhof, keine Kurzstrecke, ich muss das volle Ticket aus dem Automaten ziehen. Mit dabei neben meinem ultrakurzen Kleid / Tunika habe ich noch meinen Strohhut und die Hi-Top-Sneakers gewählt. Kapuzenpullover bleibt im Auto.
Am Hauptbahnhof vorbei, die nächste Station zum Augustusplatz … werden viele gekommen sein? Die Rechten und ihre Gegen-Demos vom letzten Jahr, das schreckt ab, das macht Angst, ich wollte doch auch nicht mehr kommen. Ich steige aus der Straßenbahn aus und laufe rüber zu dem großen Platz vor der Oper. Es sind doch einige gekommen, nicht so viele wie letztes Jahr, vielleicht gefühlt ein Drittel weniger, aber doch eine starke Demo.
Viele Plakate, viele Fahnen, Regenbogen, bunt, unterschiedlichster Art. Ein paar starke Drag Queens, die „Tier-Liebhaber“, jetzt in militanten Tarn-Uniformen. Die Ordner, die fast schon aussehen, wie in den USA mit ihren taktischen Westen und dem halbautomatischen Schnellfeuergewehr – zum Schutz der queeren Demo – entdecke ich nicht. So schlimm ist das hier noch nicht in Deutschland. Es dauert, ehe sich irgendetwas zwischen den bereitstehenden Demo-Trucks bewegt, eigentlich hätte ich mich gar nicht beeilen müssen, eigentlich hätte ich noch eine Stunde Extra-Zeit gehabt. Noch schnell einen Kaffee? Nein, doch nicht, ich nutze die Zeit zwischen den Arkadengang und den Bäumen am Eingang der Fußgängerzone zum Eincremen meines ganzen Körpers, Arme, Beine, Brust und Gesicht, mit Sonnencreme aus meiner schwarzen Umhängetasche.
Es geht so langsam los, es sind noch viel mehr Leute gekommen. Ich glaube, die meisten Menschen sammeln sich am hintersten Ende, den letzten Wagen, der linke und antifaschistische Block. Der Block mit den schönen Menschen. Techno-Musik wird aufgelegt, immer wieder Rufe, die bekannten Sprechchöre, kraftvoll und voller Wut. Wo sind sie, die Rechten? OK … keiner da, nichts zu sehen, die Polizei hat alles im Griff. Früher auf den linksextremistischen Demos, hätten wir die Polizei angegriffen, aber das ist hier der CSD, da sind das unsere „Freunde“, ohne dass wir denen so hundert Prozent vertrauen …
Ich tanze hinter den Trucks, auf den Kreuzungen ändert sich mein Blick und meine Bewegung, ich blicke in die Straßen rechts und links, nicht alle sind mit Polizeifahrzeugen blockiert, hier und da entdecke ich ein Auto von einer Seitengasse auf die Nebenstraße einbiegen … wenn der jetzt Gas geben würde. Ich befürchte schon lange so ein Attentat auf einen CSD hier irgendwo in Deutschland, es ist nur eine Frage der Zeit, bis so ein verrückter (wieder) kommt. Schnell wechsele ich von meinem militärischen Aufklärungsmodus wieder in den entspannten Tanz-Modus. Ich vermisse die Zeiten, wo das alles noch ein Riesen-Spaß war, einfach nur ein bisschen Party machen und richtig schöne, bunte Menschen entdecken. Irgendwann, die letzten Jahre, wurde es zu politisch und das zieht immer Gegner und Hass an.
Die Demo zieht durch die Innenstadt von Leipzig, sie haben mit zehntausenden Menschen gerechnet, um diese Masse zu bewältigen, muss die Demo in einem größeren Kreis um den Innenstadtkern herumgezogen werden. Die Sonne brennt, mein Tunika-Kleid sah erst zu Hause im Garderobenspiegel zu ungewohnt kurz aus, jetzt bin ich glücklich, nicht noch eine Leggings darunter angezogen zu haben. Die erste Flasche Wasser habe ich schon ausgetrunken, ich wechsele auf die zweite Flasche. Ich komme in ein kurzes Gespräch mit dem Nachbarmann neben mir, mein Blick wandert von dem Aufklären der Nebenstraße zu ihm. Ein kurzer Aufschrei von hinten, ich habe meinen Blick schon gesenkt, ein kleines Mädchen sammelt vor mir die bunten Glitzerstreifen der Demo auf. Ich bleibe stehen, ziehe meinen rechten Fuß langsam zurück. Puh, das war knapp, das hätte auch schief gehen können! Ein zweiter, solcher Moment. Nur wenige Zentimeter, ich hätte ihr auf die kleinen Hände getreten. Ich glaube, ich bin hier auf dieser Demo in einem so hohen Adrenalin-Spiegel, ich bekomme alles mit … und ich bin auch bis oben dicht mit weiblichen Hormonen, mir fällt jedes kleine Kind hier auf und aktiviert meinen Beschützerinstinkt.
Am Marktplatz und Hauptbahnhof vorbei, wieder zurück auf den Augustusplatz zwischen Gewandhaus und der Oper. Nach der Demo ist das Fest mit der Bühne auf dem großen Platz. Ich mache noch eine Runde zwischen den aufgebauten Ständen, bis ich einen entdecke, irgendwo steht immer einer von einer Organisation für trans Menschen. Eine blau-weiß-violette Postkarte, „Trans is beautiful“, ziert von nun an die untere Ecke meines Garderobenspiegels zu Hause im Flur. Lange bleibe ich nicht zwischen den Ständen, die heiße Sonne drückt und ich habe auch nicht so das Interesse an dem Bühnenprogramm. Zurück in die Innenstadt, die Fußgängerzone, den frühen Sonnabend Nachmittag, ein Eis essen.
Weiter zum Marktplatz, weiter zu meiner obligatorischen Runde in dem Kaufhaus. Angenehm klimatisierte Temperaturen, die Summer-Sale-Kleiderständer mit den Augen abstreifen … mein Filter sucht ein schwarzes Polo-Kleid. Für einen kurzen Moment, Anfang des Jahres, sah es so aus, als könnte es wieder modern werden. Leider nicht, es ist kein Trend daraus geworden, ähnliche Safari-Kleider finde ich auch nicht mehr.
Weiter zu Kaffee und Kuchen auf dem kleinen Platz am anderen Ende der Leipziger Fußgängerzone mit der Kirche, die „irgendetwas mit Bach“ zu tun hat. Mein erster Kaffee für diesen Tag. Weiter danach, zurück in die Fußgängerzone hinein, in das italienische Restaurant versteckt in einem schattigen Innenhof, den Menschenmassen entfliehen, eine Pizza bestellen.
Ich wohne nicht mehr in Leipzig, eine Dusche wäre jetzt nett – und dann den Abend zu der Party irgendwo in Connewitz. Von irgendwo höre ich die Kirchenglocken, es muss achtzehn Uhr oder so etwas sein. Die Pizza bezahlen, die Straße wieder rauf zum Hauptbahnhof laufen, die große Uhr an dem imposanten Gebäude zeigt es an, es ist bereits irgendwo zwischen achtzehn und neunzehn Uhr.
Die Bahnhofstoilette, mein zweites Badezimmer – ich verbringe hier immer viel Zeit. Nur ein Euro und ich habe die großen Waschbecken und Spiegel für mich. Mit viel Seife und noch viel mehr Papiertüchern zum Abtupfen, wasche ich mir die ganze Sonnencreme von meinem Körper … Beine, Arme, Brust und Gesicht, nur das Kleid kann ich hier nicht ausziehen, das geht nicht, zumindest trage ich eine etwas längere, schwarze Unterhose, nicht den knappsten und kürzesten Tanga. Es geht ungewöhnlich gut, keinen Stress, ich nehme mir meine Zeit. Wechsel zum Schminkspiegel hinter mir, den schwarzen Kajalstrich an den Augenlidern führen … das hintere Ende geht jetzt mal vom Lidende zurück zum Auge. Ich habe den falschen Pinsel aus meiner Kosmetiktasche gegriffen, der ist eigentlich für den Lidschatten, die rauchig schwarzen Augen wirken jetzt noch viel rauchiger. Mit dem Finger leicht nach unten ziehen, die schwarze Farbe kommt über das untere Augenlid und dem Wimpernkranz. Wieder die Brille aufsetzen und so übel ist das jetzt nicht geworden. Bereit zum Ausgehen nach Connewitz.
Mit der Straßenbahn zurück zum abgestellten Auto und dann mit offenen Verdeck in Richtung Südstadt und weiter zum Kreuz, mein Parkplatz am Werk 2, wo ich wenige Wochen zuvor, Pfingsten schon war. Wo ist der Einlass, die große Halle hinten oder die kleinere Halle vorne? An der Halle hinten stehen Menschen, erst mal mit anstellen, eine Ticket-Kasse – hier ist den Abend eine kontemporäre Tanzvorführung … wäre bestimmt auch interessant gewesen, aber dafür bin ich nicht hier. Zurück zum Eingang der kleineren Halle mit dem Zugang nach unten. Ein aufgestellter Plakatständer weist darauf hin, dass hier heute Abend die queere Party-Nacht läuft. Einlass ist erst zwanzig Uhr.
Die ersten Gäste sammeln sich und warten, dann der Einlass … ich muss Eintritt bezahlen? Im Internet stand, dass das hier heute kostenlos ist – nur das „Speed-Friending“ von zwanzig bis zweiundzwanzig Uhr ist kostenlos, die Party danach nicht, die kostet fünfzehn Euro. Ich bekomme ein Papierbändchen um mein Handgelenk für die Party danach.
Unten im Club-Keller, auf der dunklen Tanzfläche sind einige Stehtische aufgebaut, mit großen Papieren mit Themenvorschlägen für Fragen und Dinge, über die sich die anwesenden Gäste unterhalten könnten. Seitlich sind auch wieder ein paar niedrige Tische mit Sitzgelegenheit und noch viel mehr Themenblätter aufgebaut. Die Organisatorin erklärt das Ganze, setzt euch einfach irgendwo dazu, beginnt ein Gespräch oder hört einfach nur zu. Am Eingang, an dem ersten Bartisch liegen die Aufkleber: deine Pronomen, dein Geschlecht und was du suchst, Flirt, Freundschaft oder einfach nur nichts. Ich kreuze Flirt und Freundschaft an und setze mich in die Hobby-Ecke, über Hobbys erzählen, das kann ich, ich habe interessante Hobbys.
Smalltalk, ungezwungen, den anderen zuhören, Fragen stellen. Meine Hobbys sind Blog-schreiben und Motorradfahren. Und was habt ihr so für Hobbys? Vielleicht ergibt sich ein Flirt, vielleicht lerne ich jemanden kennen, vielleicht entdeckt jemand die kleine dahingekritzelte Zeichnung auf meinem großen, runden Aufkleber auf meiner Handtasche – ich suche eine Dusche (vielleicht auch eine Übernachtungsmöglichkeit). Ich stehe noch an weiteren Ständen, für „Self-Care“ und Smalltalk allgemein … aber es ergibt sich nichts weiteres. Muss es auch nicht. Die zwei Stunden gehen sehr schnell rum. Ich bedanke mich bei der Organisatorin gegen Ende dieser ungewöhnlichen Veranstaltung, ich kann doch auch auf Menschen zugehen und ein Gespräch beginnen … vielleicht habe ich nur nicht so interessante Hobbys.
Wieder draußen, alle müssen raus zum Umbau. Das Absperrgitter wird wieder vor die Eingangstür geräumt, die Wartelinie für den Einlass. Wieder die Menschen mit der Aufschrift „Sicherheit“ auf ihren Westen. Ich habe meinem Freund keine Nachricht geschrieben, er weiß nicht, dass ich in Leipzig bin. Ohne ein Hotelzimmer macht das keinen Sinn, wo sollte ich mit ihm hin? Und hier hat er jetzt Probleme mit der Security. Ein Awareness-Team mit den lila Westen gibt es diesen Abend auch.
Der Einlass öffnet sich wieder, ich gehe mit meinem Papierbändchen durch. Es kommen mehr Leute, aber viele sind es nicht. Die erste DJane legt einen Neunziger-Jahre-Eurodance-Hit nach dem anderen auf. Ich habe da nie zu getanzt. Bei „Barbie Girl“ muss ich dann doch auf die Tanzfläche. Die meiste Zeit sitze ich in der dunkelsten, hintersten Ecke auf einem Barhocker an einen der Stehtische. Der eine Mann, der sich zu mir gesetzt hat, für den ich immer auf seine Tasche aufpasse, wenn er nach draußen eine Zigarette rauchen geht oder an die Bar, ist mindestens auch zwanzig Jahre älter als die anwesenden Gäste, die auf der Tanzfläche herumhüpfen. Er kennt die Songs bestimmt noch von früher, Anfang und Mitte der Neunziger. Ich auch, ich habe mich 1997 mit fünfzehn von der Teenie-Disko in die Erwachsenen-Disko danach geschmuggelt.
Irgendwann nach Mitternacht, die DJane hat gewechselt, die neue legt jetzt 2000 oder 2010er auf, damit kann ich nichts anfangen, da war ich schon tief in der Gothic-Szene. Den einen Mann begegne ich noch am Ausgang, ich bemerke seine grauen Haare, er war tatsächlich wesentlich älter, als die da drinnen. Bleibe ich noch? Wird es besser? Ich bin mit dem Auto hier, ich weiß, dass ich dann nicht so lange bleiben kann, ich will nach drei Uhr den Morgen nicht mehr fahren. Ich sehe, dass sich an der Einlassschlange nicht so viel mehr tut, es kommen zwar noch ein paar, aber voll wird das hier nicht. Zurück zu meinem abgestellten Auto.
Die Nacht die Autobahn zurück nach Hause, ein angemessenes Tempo. Jedes Kilometerschild wird die Zeit zurück geschätzt, noch vierzig Minuten, noch dreißig Minuten … bis nach Magdeburg. Im Autoradio laufen die ganzen Bands vom MP3-Stick, die ich Pfingsten live gesehen habe. Gedanken … das Kleid ist schön, das sollte ich die nächsten Tage noch einmal auf Arbeit tragen. So eine aggressive Gegen-Stimmung war es doch nicht auf dem CSD, verschwindet die queere Bewegung aus dem Fokus? Hier und da Nachrichten aus meiner Blase, die das nicht bestätigen. Weitere Termine in meinem Kalender, noch ein Bikertreffen, noch ein Festival in Leipzig – ich bin die nächsten Wochenenden noch viel mehr unterwegs. Zwei Uhr und nochwas, das Garagentor geht auf, endlich in meiner Wohnung, endlich in mein Bett fallen. Sachen von meiner Couch zusammenräumen, mache ich den Sonntag in ein paar Stunden, nur wieder schnell im Bad den Kajal aus den Augen wischen. Habe ich jemals jemanden kennengelernt, als ich noch stark geschminkt war? Ja, aber da war ich noch viel jünger.
[01.07.25 / 21:35]✎ Laserbehandlung #1 (Haarentfernung #32) – Seit einiger Zeit beobachte ich wieder einige dunkle Schatten am Mundwinkel und der Bereich am unteren Kinn, während ein paar langen Wochenenden dieses Jahr (Ostern, Erster Mai) zeigten sich einzelne, dunkle Haarstoppeln … ich muss wieder einen Termin bei meinem Kosmetikstudio machen! Auf der Internetseite – der Name des Studios hat sich verändert, aber die Adresse und die Inhaberin sind noch gleich, eine Email, ein Telefonanruf … frühestens Anfang Juli ist noch ein erster Beratungstermin wieder frei. Sie haben ihre Ausrüstung modernisiert, zusätzlich zu IPL bieten sie jetzt auch Laser- und Nadelepilation an … ich bin gespannt.
Mein Termin, die Bartstoppeln wachsen lassen, das Wochenende und die ersten Tage der Arbeitswoche – da muss ich jetzt durch. Ich lege mir schon eine Ausrede zurecht: „Jetzt ist es raus, mein Geheimnis, ich bin eine bärtige Drag Queen!“ Aber anscheinend fällt es niemanden auf, ich bekomme sogar Komplimente für mein hübsches Kleid (das vom letzten CSD in Leipzig). Die kratzigen Bartstoppeln sind nur einen Millimeter dick und weitestgehend hellblond.
Die Kosmetikerin schaut sich das alles unter der hellen Lampe an, die zehn oder fünfzehn dunklen Haare kann sie gleich in der ersten Sitzung mitbehandeln, sie schlägt den (kosmetischen) Laser vor, der wirkt punktuell. Die anderen, hellen Haare, vielleicht später bei den nächsten Sitzungen mit der Nadel. Ich liege wieder auf der Liege in dem Behandlungsstudio und bekomme die Laser-Brille auf.
Fast keine Schmerzen. Es fühlt sich an, als würden sie nur ausgezupft. Der Geruch verbrannter Haare. Ist es das? Kein Vergleich zu meinen allerersten Sitzungen von vor über zehn Jahren, als noch großflächig mit viel Druck und brutalen Schmerzen bis auf den Knochen der ganze, verdammte Bart vaporisiert wurde. Am Bezahlterminal wieder draußen, zücke ich meine EC-Karte … so viel Geld für die paar Piekser. Wenn es nicht brutal wehtut, bringt es nichts? Vielleicht sollte ich von meinem Erwartungs-Denken abrücken. Haarentfernung muss nicht schmerzhaft sein.
[24.06.25 / 00:07]✎ Jetzt kommt alles zusammen, das Wetter passt, mein neuer Schlafsack, die neue, schmalere Isomatte, das kleine Biwak-Zelt und die schwarze Motorradtasche vom letzten Jahr – ich fahre Zelten! Mit dem Motorrad!
Das Bikertreffen, wo ich immer bin, jedes Jahr (wenn das Wetter passt). Das Treffen zur Sommersonnenwende, mit dem wunderschönen Blick über die Felder, bei dem die Sonne nie wirklich richtig untergeht und ein leichter Schein von West nach Ost zieht. Sonnabend Morgen, meinen Körper vorbereiten, alle Stellen rasieren, ich könnte meinen Bikerfreund treffen, er hat eine Nachricht von mir bekommen. Eigentlich passt mir das zeitlich nicht, ich will dort die Nacht in meinem Zelt schlafen und nicht bis morgens früh mit seinem Kombi irgendwo in einem hellerlichten Waldweg „entführt“ werden … aber irgendwie wäre es unfair, ihn nicht einzuladen. Er mag die Musik, er fährt Motorrad.
Das Abenteuer beginnt
Sonnabend Mittag, ich suche meine Camping-Ausrüstung zusammen und packe alles in die große, schwarze, wasserdichte Tasche. Mit hinein kommt noch die kleine Waschtasche, die Stoffhandtasche, der schwarze Kapuzenpullover, die Stretch-Jeans und ein schwarzes Top, zum Schlafen. Turnschuhe haben nicht mehr reingepasst, ich nehme die Latschen, mit denen ich schon ganz Thailand abgelaufen bin. Die Rolltasche lässt sich gerade noch so verschließen. Daraufsetzen und die schwarzen Plaste-Clips mit den Gurten einrasten lassen. Die ganze Tasche wiegt jetzt bestimmt mehr als fünf Kilogramm … und mein Leoparden-Kopfkissen? Ohne das kann ich nicht schlafen – ich muss irgendwie noch einen schwarzen Stoffbeutel mit dazu anhängen. Runter zur Garage und die schwere Tasche im „Vier-Punkt-System“ auf der schmalen Rücksitzbank meines Motorrads befestigen. Die zwei mitgelieferten, schwarzen Spanngurte kommen nach vorne an die Tasche und die zwei Befestigungs-Pins für Motorradkoffer, die ich nicht habe. Die anderen beiden Spanngurte – noch die von der nie stattgefundenen Motorradreise nach Italien – wickele ich mehrmals um den Gepäckträger, bis sie genug Zug haben und die Reisetasche vom Heck her stabilisieren … wird schon irgendwie halten, sind nur zwanzig Kilometer bis zum Treffengelände auf dem Sportplatz, irgendwo ein Dorf in Sachsen-Anhalt.
Schnell noch Mittagessen, Motorradkombi anziehen, die Motorradsneaker, schön winddurchlässig bei dem angenehmen Sommerwetter. Vierzehn Uhr will ich da sein – werde ich dann noch einen Zeltplatz finden? Ich habe drei Optionen: tatsächlich zelten, nur mit dem Schlafsack und Isomatte über offenen Sternenhimmel neben meinem Motorrad pennen oder gegen vier Uhr morgens wieder abhauen, da ist es schon hell und ich kann mit meinem dunklen Visier fahren. Durch ein paar Wälder und Wiesen auf der Landstraße dem Treffengelände entgegen … schön langsam, so viel schweres Gepäck hinten drauf bin ich nicht gewohnt (ich war extra noch kurz vorher an der Tanke, noch „Null-Komma-Zwei Atü“ mehr Luft hinten aufpumpen).
Ich fahre auf das Treffengelände ein, mein Motorrad auf dem Weg neben dem Sportplatz abstellen und die Tasche abschnallen, wenige Minuten später auf der kleinen Zeltwiese: alles ist noch frei! Ein paar Camper, eine Handvoll Zelte, ich wähle den Platz in der hintersten Ecke neben einem Wohnmobil. „Hier standen bis heute Morgen noch ein paar, aber die sind abgehauen.“ Schön für mich, die Ecke ist schattig unter einem Baum – und wenn die Morgensonne dann auf mein Zelt fällt? Wird sie nicht, ein anderer Baum wirft von der anderen Seite dann auch einen Schatten auf diese kleine, mit Heu gepolsterte Stelle, in der ruhigsten Ecke der Wiese … „Aber das kann ich jetzt noch nicht wissen.“ (Svendura)
Das Zelt ist gefühlt innerhalb von einer halben oder einer ganzen Stunde aufgebaut, endlich haben die Heringe auch einen Verwendungszweck (Probeaufbau auf dem Dachboden letztes Jahr). Ich visualisiere mein kleines Camp und weiß schon genau, wo ich das Motorrad daneben stellen werde. Wenige Minuten später steht es auch da und eine grüne BW-Leine von der Motorradgabel hinüber zur aufgespannten Luftluke von meinem Zelt trennt einen kleinen Privatbereich ab, auf dem ich mein ganzes Gepäck ablegen kann. Umziehen auf die Jeans und die Latschen. Als T-Shirt trage ich schon die ganze Woche das mit den zwei Wölfen vorne drauf.
Das Bikertreffen, die Motorräder, die von der Ausfahrt zurückkommen, so viele Leute, wie da sind, und so viele Motorräder – weitestgehend nur Chopper und Cruiser – wie jetzt auf dem Weg neben dem Sportplatz stehen, es ist ein reines Bikertreffen. Nicht so viele, wie in den letzten Jahren, aber die paar, die noch mit ihren Gepäckrollen hinten drauf anreisen, als ob sie alle noch zelten. Der Weg mit den Bäumen neben dem Sportplatz erfreut sich größerer Beliebtheit … die paar wenigen Schattenecken auf der Wiese sind schon „belegt“.
Ich werde erkannt, ich komme schon seit 2009 oder 2010 hierher. Eine Frau fragt mich, ihre Kumpels meinen, dass ich ein Mann bin, sie selbst ist überzeugt davon, dass ich eine Frau bin. „Ich bin eine trans Frau, von männlich zu weiblich.“ Offene Ehrlichkeit, die kennen mich hier schon etwas länger. Optisch sehe ich immer noch gleich aus, zierliche Gestalt, lange, blonde Haare – und immer noch dasselbe Motorrad, die VT 750 die irgendwo dahinten mal wegen schwacher Batterie nicht mehr wegkam und von einem VW Transporter Starthilfe bekam, bei der dann endgültig alle Sicherungen durch waren und nur mit einem einfachen Überbrückungsdraht und Anschieben gerettet werden konnte. Biker-Geschichten.
Noch laufe ich alleine durch die Gegend, ein paar bekannte Gesichter … ich merke mir nur die Gesichter, die ich Jahr für Jahr immer wieder sehe. Mein Motorrad ist mein Erkennungszeichen. Ich warte auf die beiden, die ich von den letzten Treffen kenne, auch Honda- und Suzuki-Fahrer. Der Nachmittag geht so dahin, ein Becher Wasser nach dem nächsten, hin und her wechseln zwischen Treffengelände, dem Weg und dem Zeltplatz, Motorräder bewundern. Einen kleinen Becher Kaffee auf meinem Motorrad sitzend trinken.
„Hey, hier sind wir!“ Es muss schon abends sein, oder zumindest ganz, ganz, später Nachmittag, die beiden sind angereist und bauen ihr Zelt auf der Wiese auf. Fast wären wir Nachbarn, aber die Zeltwiese ist klein, hier sind alle Nachbarn. Der eine Typ und sein Kumpel. Der eine Typ, der mich das letzte Mal so angebaggert hat und ganz nah mit mir tanzen konnte … bis ich dann mit einem anderen Rocker in Lederkutte tanz. Ich erzähle ihm von meinem Bikerfreund, wie er das letzte Treffen vor ein paar Wochen seine Ex-Frau mit dabei hatte … vielleicht sind die beiden wieder zusammen und ich bin nicht mehr so im Fokus. Und er hat sich bis jetzt noch nicht wieder gemeldet, meine Nachricht an ihn, gestern. Mein Typ da neben mir sieht jetzt seine große Chance gekommen, er wird die nächsten Stunden um mich herum sein.
Die Biker-Party nimmt Fahrt auf, zwei Bands spielen auf der kleinen Bühne, der Bierstand ist umzingelt von Kerlen in ihren Kutten, hier und da die Ladys. Die Sonne geht unter, mein Typ holt sich ein Plastebecher Bier nach dem anderen. Motorradfahrergespräche mit den Leuten, noch mehr bekannte Gesichter. Vor der Bühne abrocken, der Band zujubeln, obskure Wünsche für Cover-Songs zurufen. Er hat Spaß. Er mustert mich ab und zu, ich blicke weg, gebe die Unnahbare, bekomme aber alles mit. Er versucht immer wieder ein Gespräch mit mir, kann meine Hand anfassen, ich erlaube ihm sogar einen Blick auf meine Fußknöchel und schwärme von dem „Viktorianischen Picknick“ zwei Wochen zuvor. Er geht weiter, will mit mir tanzen … seine Zunge und einen Kuss auf meinen Handrücken. Ich zücke das weiße Papiertaschentuch aus meiner Jeans und wische alles weg. „Jetzt kann ich mir schon wieder die Hände waschen.“ Ich weise ihn immer etwas zurück, aber nie so direkt. Erst viel später den Abend, als mir das alles zu viel wird. In Gedanken: „Wo ist mein Awareness-Team?“ Ich tendiere dazu, doch das Wort „Nein“ mehr und deutlicher zu gebrauchen. Zu gefährlich, die Momente, in denen er es doch schafft, näher mit mir zu tanzen, bin ich nur einen Moment entfernt, mit ihm ins Bett zu gehen. Und er hat überhaupt keine Ahnung, wer oder was ich bin.
Irgendwann nach Mitternacht, im dunkelsten Dixi-Klo, ich habe schon wieder meine Jeans bepinkelt, die ich gerade erst gewaschen habe. Die Stimmung zeigt mir, die Party geht gegen Ende. Die zwei Bands sind durch, eine Stripperin tritt noch vor der Bühne auf und kokettiert ihre beiden „Opfer“ mit den verbundenen Augen mit ein paar „Trans Panic“ Momenten oder erzwungen homoerotischen Szenen. Ich stehe nur wenige Meter als Zuschauerin daneben in erster Reihe und kann das alles schmunzelnd hinnehmen. Nicht so ernst nehmen.
Nach der Strip-Show, ich sehe einen Mann und eine Frau im gar nicht mehr so zahlreichen Publikum – er ist es. Mit seiner Ex-Frau. Ich traue mich erst gar nicht, Hallo zu sagen, lasse die drei – der Typ, der mich den ganzen Abend schon anbaggert, die Frau und ihn, sich begrüßen. Ich sitze viele Meter entfernt auf einer Bank. „Hallo.“ Schön, dass du auch noch gekommen bist, etwas spät, aber na ja. Viel unterhalte ich mich nicht mit ihm, ich weiß nicht, wie ich mich in der Situation verhalten soll … sind die beiden jetzt wirklich wieder zusammen? Weiß sie, wer ich bin?
1:30 Uhr oder später, mein Typ verabschiedet sich in sein Zelt. Ich stehe noch etwas wortlos neben meinem Bikerfreund und seiner Begleitung für die Nacht, sie sind mit dem Auto hier. Ich lasse mehrmals andeuten, dass ich auch müde bin und in mein Zelt gehen will. Irgendwann gehe ich immer mehr Schritte zurück, bis ich dann so weit bin, dass ich mich umdrehen kann, ich lasse die beiden hinter mir. Die müssen jetzt zusammen da alleine Party machen, die Musik geht bestimmt noch bis sieben Uhr früh den Sonntag Morgen … oder hört gar nicht auf. Meinen letzten Plastebecher Wasser in der Hand nehme ich zum Zähneputzen mit.
An meinem Zelt, den Weg hierher angekommen konnte ich mit meinem Smartphone ausleuchten. Mich umziehen, mich ausziehen, Zähneputzen in der Ecke der Wiese daneben. Im Zelt in den Schlafsack kriechen, den Abend vor der Bühne ist es immer kälter geworden, erst das Unterhemd darunter, dann den schwarzen Baumwollpullover. Im Schlafsack liege ich nur mit dem Unterhemd. Wird es reichen? Hält der Daunenschlafsack warm bis fünfzehn Grad Nachttemperatur? Ohropax, von weit hinten dröhnen die Bässe der Rockmusik. Ich schlafe ein … letzter Blick: 2:30 Uhr.
Die Morgendämmerung, das Innere des Zeltes erleuchtet schon in einem leicht bläulichen Ton. Der Reißverschluss geht auf und ich krieche auf die Wiese. Bis zum Dixi-Klo dahinten bleibe ich in meiner schwarzen Unterwäsche, nur den Slip und das Unterhemd. So kalt und frisch ist es nicht. Vorbei an der Bierbude und der Musik, die Sonne ist noch nicht aufgegangen, eine Gruppe feiert immer noch. Zurück in das Zelt, weiter versuchen, einzuschlafen. Der Mumienschlafsack hat eine praktische Tasche, mein Leoparden-Kopfkissen verrutscht nicht. Kuschelig warm bis zu den Ohren hochgezogen, geräumig und ich kann mit angewinkelten Beinen auf der Seite oder auf dem Bauch schlafen. Nur die Luftmatratze und die Isomatte als Doppelpack sind wie immer auf Dauer unbequem. Kurz schlafen, wenden, weiterschlafen … im Nachbarzelt, nur durch eine Hecke getrennt, kämpft ein zeltender Biker mit den Folgen seines Alkoholkonsums.
Morgens im Zelt / Juni 2025 / Alter 43
Im Zelt wird es heller … Gespräche, startende Motoren, der wummernde Bass der Zweizylinder. „Ey, das ist jetzt noch nicht mal halb acht!“ Weiterschlafen kann ich nicht mehr, auch ich mache irgendwann den Reißverschluss auf und schau nach draußen. Einige Zelte und Motorräder sind schon weg. Den Sonntag soll es sehr heiß werden, verständlich, dass die schon so früh abbauen. Auch ich fange an, mein Zelt auseinanderzunehmen, das umgebaute Wohnmobil neben mir braucht Platz, die wollen ihre BMW auf einer Rampe hochfahren. Mein Zelt steht – besser stand – immer noch auf einem Schattenplatz, erst jetzt erkenne ich, dass ich hier noch ein oder zwei Stunden weiter hätte schlafen können. Alle Heringe finden, eine Rolle nach der anderen, Zelt, Isomatte, Luftmatratze, Schlafsack auf den Sitz meines Motorrads lagern, das packe ich erst in die Tasche, wenn ich vom Frühstück zurückkomme.
Einmal habe ich hier schon gefrühstückt, wahrscheinlich das eine Mal, wo ich mein Motorrad nicht mehr starten konnte. Neben der Bierbude und der Bühne steht noch das kleine Sportlerhaus vom Sportplatz, unter der Veranda gibt es ein Frühstücksbuffet, liebevoll angerichtet von dem MC, der dieses Bikertreffen organisiert. Brötchen, Wurstaufschnitt, Gurken, Tomaten, Hering oder anderer Fisch und die kleinen Päckchen Marmelade und etwas Butter. Dazu mehrere, frisch aufgebrühte Kaffeekannen, für nur zehn Bon-Punkte (umgerechnet fünf Euro). Kaffee für mich, ich brauche jetzt Kaffee. Die eine „Old Lady“, die das hier mit organisiert, berichtet, dass sie die zwei Nächte noch viel weniger geschlafen hat (so gut wie gar nicht). So etwas macht viel Arbeit. Und wenn dann immer dieselben Menschen kommen und sich auf dieses kleine, familiäre Bikertreffen das ganze Jahr freuen … Ein Chili-Likör wird mir gereicht, aber ich benetze nur den untersten Boden meines weißen Plaste-Kaffeebechers. Noch Rührei mit Speck, zusammen mit der Bratwurst vom letzten Abend, der eine Tag im Jahr, an dem das verzehrte Schwein alternativlos ist … die Magen- und Darmschwierigkeiten kommen dann erst in zwei Tagen.
Zurück zum Zeltplatz, zurück zu meinem Motorrad. Es stehen fast keine Zelte mehr hier, auch nicht auf dem Weg mit den Bäumen neben dem Sportplatz. Beim Anziehen der Lederkombi und das Einrollen und Verzurren meiner Gepäcktasche merke ich schon, dieser Tag wird richtig heiß, jenseits der dreißig Grad. Motor starten, Helm aufziehen, ultra vorsichtig auf der Wiese wenden, die vereinzelt herumliegenden Bier- und Schnapsflaschen umfahren, den Weg vom Gelände hinaus auf den erst geschotterten, dann asphaltierten Feldweg runter zum Dorf. Noch den letzten Bikern und verbliebenen Treffengäste zuwinken. Die zwanzig Kilometer wieder nach Hause fahren … endlich eine Dusche nehmen.
[11.06.25 / 22:29]✎ Der letzte Tag, Dienstag Morgen. Das Frühstück habe ich nicht mehr geschafft, kurz vor zehn Uhr werde ich in dem großen Bett wach, in einer Stunde ist Check-out. Die großen, schweren Gardinen aufziehen, die Fenster öffnen. Alles anfangen, aufzuräumen, ins Bad verschwinden. Alles was ich verwende, landet nach und nach in den Taschen, das Duschbad, die Haarwäsche, der ganze Make-up-Kram. Unterwäsche gesammelt in weißen Beuteln, meine Kleider von den Bügeln nehmen, falten und in die Sporttasche. Ab und zu ein Blick auf das Smartphone … noch 35 Minuten, ich liege gut in der Zeit. Den Tragekorb aufklappen, alle Stiefeletten darin einsortieren. Fünf Minuten vor um elf Uhr, ich trage meine Sachen aus der Hotelzimmertür heraus, stelle gleich alles daneben ab. Runter zur Rezeption nehme ich schon die erste Tasche, die olivgrüne Sporttasche, mit.
Check-out gegen elf Uhr, alles wie immer. Bevor ich meinen Tragekorb, das Picknickkörbchen und den schwarzen Stoffbeutel über den Fahrstuhl hole, parke ich mein Auto um und stelle es vor dem Hoteleingang. Den Mittag weiter in die Innenstadt.
Der Himmel ist düster dunkelblau-grau. Es ist kalt, den Kapuzenpullover ziehe ich erst aus, als ich mein Auto in dem großen Parkhaus am Hauptbahnhof parke. Ich will noch etwas Einkaufen gehen, ein paar Outdoor-Läden, vielleicht ein Schuhladen – und ein Frühstück. Der Flagship-Store der Leipziger Bäckerkette.
Die Filiale ist nur etwas runter, die erste Straße vom Hauptbahnhof in die Fußgängerzone. Ein süßes Frühstück, Brötchen, Kaffee, Croissant und Marmelade … die zwei kleinen Gläser verbrauche ich nie, eines davon landet immer gleich in meiner Handtasche.
Der erste Outdoor-Laden ist nur ein paar zehn Meter neben dem Bäcker, ich bin auf der Suche nach einem neuen Schlafsack. Mit Daune muss er sein, leicht, kleines Packmaß und kuschelig bequem. Ein Sommerschlafsack – ich will damit auf dem nächsten Bikertreffen zelten. Mein alter Schlafsack, noch aus Grundschulzeiten … ist es überhaupt mein Schlafsack? Die Familie hat ihn schon geteilt, Freunde von Familienmitgliedern hatten denselben, er könnte schon längst vertauscht worden sein. Er ist groß und sperrig, er passt gerade noch so in die schwarze Tasche hinten auf den Gepäckträger. Ich phantasiere, ich bin noch nie mit dem Motorrad zelten gefahren, der Schlafsack ist für Übernachtungen in fremden Wohnungen.
Der Verkäufer hat ein paar Modelle in der Auslage, er zeigt mir drei Sommerschlafsäcke mit Daune. Ich kann sie berühren und ertasten, wie leicht und dünn sie sind. „Und was kosten die so?“ 160 bis 200 und nochwas Euro. So viel wollte ich eigentlich nicht ausgeben. Mit der Hotelrechnung und den ganzen Festivalausgaben überziehe ich mein Konto schon um 1000 Euro … und es ist gerade erst Monatsanfang. Der Verkäufer verkauft mir eine neue Isomatte und eine leichte Plane für unter das Zelt. Eigentlich dachte ich da an so eine, auf A4-Größe zusammenfaltbare Isomatte und ein derbes Zelttuch in Flecktarn. Meine ganze Camping-Erfahrung basiert auf ein einzelnes Bundeswehr-Biwak im September 2000. Wieder draußen aus dem Laden mit meiner neuen Isomatte unter dem Arm. Verdammt. Für das Geld hätte ich doch auch einfach meine alte Isomatte zu Hause auf die schmalere Größe zurechtschneiden können, nur damit sie in die wasserfeste Motorradtasche passt. Zurück zum Hauptbahnhof, alles in den schon fast vollen Kofferraum packen. Irgendwo in der Promenade des Hauptbahnhofs gab es auch mal einen Outdoor-Laden, aber der ist weg, da hatte ich mal die aufblasbare Matte gekauft.
Mittagessen beim Inder, wieder zurück in der Einkaufs- und Restaurantstraße. „Aloo Chana“, Kartoffeln und Kichererbsen. Ich sitze unter dem Schirm im Außenbereich, die kleinen Spatzen sind putzig, sie haben fast keine Scheu mehr vor Menschen. „Das ist mein Essen“, etwas mit der Hand wegwinken.
Weiter hinein in die Fußgänger- und Einkaufszone, der italienische Eisverkaufsstand. Die beiden Schuhläden, an denen ich die letzten Tage und Nächte vorbei gelaufen bin … speziell das eine Modell schwarze Velourleder-Espadrilles im Schaufenster.
Erst den Doc-Martens-Laden, ich tue so, als wäre ich interessiert, etwas zu kaufen – tatsächlich habe ich vor, meine Doc Martens so lange zu tragen, bis sie auseinanderfallen. Das Paar martialische Stiefel mit den monströsen Plateau- und Blockabsatz, haben sie nicht mehr, die wären es gewesen.
Wieder um die Ecke zu dem anderen Schuhladen, so schön die schwarzen Keilabsatz-Peeptoes auch aussehen – in echt anprobiert, verlieren sie ihren Zauber. Nur zwei Größen im Regal, die britischen 6,5 und 7,5 – nicht meine 7. Es sind Schlappschuhe, der massive Keilabsatz bewegt sich von Natur aus nicht mit, damit kann ich keine langen Strecken laufen. Das Geld, die 150 Euro, wird woanders investiert.
In einem großen Kaufhaus versuche ich noch einmal, einen Schlafsack zu finden, so etwas haben die nicht in der Sportabteilung. Irgendwo hier in der Gegend war noch ein anderer Sportartikel-Laden, aber ich finde nur das nächste Outdoor-Geschäft, die beiden Läden sind fast identisch.
Wieder die Auslage mit den Schlafsäcken, von den Expeditionsmodellen jenseits der paar hunderte Euro und die leichten Sommerschlafsäcke, dasselbe Modell, wie in dem anderen Laden, der gleiche Preis. „Ich kann dir zehn Prozent Rabatt darauf geben, wenn du ihn mitnimmst. Ist das Vorführmodell, da haben schon, ich weiß nicht wie viele, drin Probe gelegen.“ Ich liege auch auf so einer aufblasbaren Matte bis oben bis zum Reißverschluss eingehüllt in meinem neuen Schlafsack. Den nehme ich! Zehn Prozent, da kann ich nichts falsch machen, super günstig, ein Schnäppchen. Er fühlt sich wirklich kuschelig warm an – und eingedrückt, in die grotesk winzige Packtasche, passt er sogar in meine Handtasche – das ist ein „Übernachtungskit“. Keine Ahnung, ob ich damit jemals zelten werde, ich schlafe nur auf Fußböden. Viele Jahre zurück auf der Schiffsüberfahrt von Genua nach Palermo, bei der Übernachtung draußen oben auf dem Deck, da hätte ich den gebraucht, ich sollte so etwas mal wieder machen.
Wieder raus aus dem Laden, weitere Einkäufe spare ich mir, keine Klamottenläden, keine neuen Anziehsachen, mein Budget an Bargeld für dieses Wochenende ist aufgebraucht, die letzten fünf oder zehn Euro sind für den Automaten im Parkhaus. In dem indischen Restaurant habe ich es für mich schon durchgerechnet, wenn ich diesen Schlafsack auch wieder die nächsten dreißig Jahre verwende, wenn die Daune hält und ich den nur einmal im Jahr brauche, dann rechnet sich das vielleicht. Meinen neuen Motorradhelm, den ich im April bestellt habe, ich bekomme immer nur vertröstende Emails, wie sich das Lieferdatum immer weiter nach hinten verschiebt. Hoffentlich, Geld ist erst am Monatsende wieder auf dem Konto. Zurück zu meinem Auto in dem Parkhaus, zurück auf die Straßen von Leipzig in Richtung Autobahn. Dienstag Nachmittag fünfzehn Uhr, Beginn der Rush-Hour, bis die Blechkolonne die Autobahnen erreicht, setzt ein Regen ein, der noch die ganzen 150 Kilometer bis nach Magdeburg reichen wird. Trucker auf der Straße. (Ende Teil 6/6)
[11.06.25 / 03:04]✎ Noch irritiert von der letzten Nacht, will ich diese Nacht wieder zum Werk 2 und die Gothic-Pogo-Party? Vielleicht sollte ich die Tage von Freitag bis Sonntag meiden und nur Tickets an der Abendkasse für Donnerstag und Montag holen? Da sollte es nicht so voll sein. Dress des Tages: Punk. Mit Sneakers … Sneakers und Nieten? Geht das? Klar geht das! Das Nietenhalsband hat endlich einen Zweck, der Leopardenmini und die Punkerkutte kommen auf einmal noch viel besser zur Geltung, ein winziges Accessoire verändert alles. Bühne des Tages: wieder das Täubchenthal, Horror Punk und Psychobilly.
Nach dem Hotelfrühstück, in die Leipziger Innenstadt, das Kaffeehaus suchen, für einen zweiten, „richtigen“ Frühstückskaffee. Mittagessen danach, weit komme ich nicht, ich stehe gerade nach dem Bezahlen von meinem Tisch im Außenbereich auf, laufe ein paar Meter und sehe, dass in der nächsten Hausnummer eine neue Pizzeria aufgemacht hat, diese hat auch Tische und Stühle gleich daneben aufgestellt. Pizza mit Artischocken.
Weiter den frühen Nachmittag zu Tee und Kuchen durch die Innenstadt, das obligatorische Eis gab es schon gleich nach dem Straßenbahnausstieg. Vorbei an den Geschäften mit den Auslagen, hier sollte ich den nächsten Tag mal überall reingehen. Den Nachmittag komme ich so dahin, mit Einlass um sechzehn Uhr bin ich schon wieder in Plagwitz.
Die letzten beiden Tage habe ich mein Make-up in den Clubs gemacht, meist unter sehr schwierigen Beleuchtungssituationen, diesen Tag und die Nacht steht mein Augen-Make-up schon seit dem Hotel. Erste Band: Horror Punk aus Deutschland, mit Musikern, denen man vielleicht nicht im Dunkeln auf der Straße begegnen will, aber sind bestimmt ganz nett, ich stehe vorne im Publikum. Die zweite Band aus den USA … aber eigentlich bin ich hier für die dritte Band: Zombina and the Skeletons. Sie haben mal auf dem anderen Festival gespielt, ich mag den britischen Akzent der Sängerin.
Die vierte Band sehe ich mir von oben auf der Empore an … klassischer Psychobilly aus England? Die kannte ich noch gar nicht und sie müssen schon „uralt“ sein, sehen aber gar nicht so aus.
Die fünfte Band, kurz vorher in der Umbaupause versuche ich schon hübsche Bilder vom aufgehendem Mond draußen auf der Veranda zu machen. Sie spielen Horror Punk: Nim Vind. Irgendwo habe ich einen Sampler, wo ein Song von denen drauf ist. Auch dieses Konzert geht ohne große Zugabe zu Ende, an der Box auf der Bühne prangt eine große Uhr und setzt den Zeitplan … fehlt nur noch, dass der Strom abgeschaltet wird.
0:15 Uhr draußen an der Straßenbahnhaltestelle, der Bus nach Connewitz fährt in die andere Richtung, ich nehme die 3 zum Hauptbahnhof mit der anschließenden 11, sie liefern sich ein Rennen, die 11 wartet dann auf den Bus kurz vor dem Ziel für die umsteigenden Fahrgäste.
Im Werk 2 angekommen, mein liebstes „Gothic Pogo Festival“, es ist tatsächlich gar nicht so voll. Ich betrete die kleine Halle unten, die einzige, die diesen Abend offen ist und beginne zu tanzen, Tasche habe ich an der Garderobe abgegeben, ich werde ihm eine Nachricht schicken, ich schicke ihm immer eine Nachricht, wann ich zurück im Werk 2 bin. Auf einmal spüre ich, wie ich auf der Tanzfläche von hinten umarmt werde. Ich bin nicht erschrocken, oder verängstigt, oder irritiert, ich spüre sofort, dass er es ist. Tiefe Umarmung, ich wollte dir doch gerade schreiben, ich bin nur vor wenigen Minuten angekommen. Wir tanzen etwas, schauen uns an, ich sehe wie zwei Mitarbeiter des Sicherheitspersonals ihn mitnehmen und von mir weg führen. Was ist passiert? Ich folge den beiden und ihm nach draußen.
Er rechtfertigt sich, hat nichts gemacht, die beiden mit ihren Westen und der Aufschrift „Sicherheit“ agieren äußerst professionell und lassen das Ganze nicht eskalieren, die Situation bleibt ruhig. Er muss die Veranstaltung verlassen, ich kann bleiben. Aber ich gehe doch mit dir! Ich laufe schnell zurück, meine Tasche holen, die ich gerade erst abgegeben habe. „Das ist vielleicht ein Wochenende! Ich war mal gerade drei Songs tanzen!“
Wieder zurück am Ausgang wechsele ich noch ein paar Worte mit der Security, ich glaube zu verstehen, was passiert ist, er ist schon länger hier und seine kommunikative Art, sein Wunsch, mit allen sofort befreundet zu sein, funktioniert hier nicht so wirklich im reservierten und kühlen Deutschland. Später erklärt er mir seine Sicht: er passt optisch nicht in die Gothic-Szene, irgendjemand ist auf ihn aufmerksam geworden – und als er dann mich von hinten auf der Tanzfläche überrascht hat, ist irgendjemand endgültig alarmiert zu dem Awareness- oder Security-Team gegangen und die haben ihn dann rausgeschmissen.
Wohin jetzt? Kurz nach ein Uhr nachts, draußen an der Haltestelle treffen wir auf ein paar Leute, die wollen es noch in der Moritzbastei versuchen, da auf die Abschlussparty reinzukommen.
Mein arabischer Freund freut sich, neue Freunde, spontan führt er eine Stadtbesichtigung von der Haltestelle an der Oper rüber zur Moritzbastei. Vor dieser steht eine endlos lange Schlange an Menschen vor dem Einlass. Das könnte so noch mindestens zwei Stunden gehen, bis sich da irgendwann mal was tut. Auch für uns und hier, kein Reinkommen. Es ist dieses Wochenende einfach überall zu voll. Wir versuchen es im Dark Flower.
Der kleine Club, nur unweit der Moritzbastei, den Marktplatz gleich links. Hier geht es von der Menschenmenge … vielleicht liegt es an dem eigenwilligen Set: Tanzfläche eins, Mittelalter, Tanzfläche zwei, Cyber, Aggrotech, Hardtekk … 140 BPM Minimum. Eine neue Erfahrung für mich, ich habe mich noch nie zwischen Cyber Goths auf einer Tanzfläche befunden. Aber so lange bleiben wir nicht, spätestens um drei Uhr nach Mitternacht möchte ich wieder zurück ins Hotel.
Mein Freund organisiert ein Taxi, ich ziehe schon meinen schwarzen Baumwollhoodie aus meiner großen Handtasche und bereite mich auf einen langen Weg zum Hauptbahnhof vor. Vor dem Club stehen zwei Taxis, eigentlich bestellt, aber mein Freund winkt mich schon herbei. „We take this one.“ Während der Fahrt, die beiden unterhalten sich in ihrem derbsten Arabisch, Smartphones werden gezeigt mit Videos von Familienmitgliedern, der Taxifahrer fährt schon Schlangenlinien und verpasst unser Fahrtziel um einige hundert Meter … ich glaube, das konnte ich übersetzen: „Ey was machst du? Wo fährst du hin?“ Es stellt sich heraus, ihre beiden Onkels sind beste Freunde, so läuft das in Syrien.
Wir steigen bei meinem Hotel aus. Wieder oben in meinem Hotelzimmer – wirst du diese Nacht mit mir schlafen? Ich will ein Kind von dir. Meine kurze Minute im Bad, seine Minute, er hat noch ein Bier im Kühlschrank. Danach liegen wir wieder auf dem Bett, ich probiere etwas aus, ich kenne einige Stellen an meinem Körper auf die ich bei der Masturbation Druck ausübe … könnte das auch bei ihm funktionieren? Die Stelle unten am Schaft des Schwellkörpers, wo eigentlich bei mit hätte die Vagina beginnen sollen. Ihm scheint es zu gefallen.
Er dreht mich, hat noch ein Kondom. Ich liege auf meinem Bauch und er kommt von hinten, er umschlingt meinen Körper … diese Stellung ist intensiv nah, aber nicht ganz so tief. Er kommt in mir, zieht ihn raus, zieht das Kondom ab. Bleib so liegen, ich mache dich sauber. Ich muss mich um nichts kümmern, kann ganz entspannen. Später wechseln wir die Seiten und er liegt auf dem Bauch, ich habe schon lange keinen Penis mehr … und hätte ich einen, ich hätte das nie gemacht.
Auch diesen Morgen, es ist zwischen vier und fünf Uhr, ich sehe ihn wieder, sich anziehen, er schließt die Tür, ich bleibe auf meinem Bett liegen. Ein Abschiedskuss, bis wir uns wiedersehen. Es ist schon Dienstag, Pfingsten ist vorbei, das Frühstück bis zehn Uhr spare ich mir, ich will wenigstens bis dahin noch ein paar Stunden schlafen. (Ende Teil 5/6)
[11.06.25 / 01:55]✎ Der Sonntag, Dress des Tages: das Spitzenkleid und die kleine Clutch, Tasche in Tasche. Bühne des Tages: das Stadtbad, da war ich noch nie. Ich lasse mir den frühen Nachmittag Zeit, Beine rasieren, duschen, meine Sachen zum Anziehen wählen, mich ausgehfertig machen. Als Silberschmuck habe ich zusätzlich zu meinem Jeden-Tag-Schmuck noch den marokkanischen Armreif und ein kleines Kreuz als Anhänger mitgenommen, beides passte zum „Trad Goth“ Outfit, für die Glam-Variante wähle ich wieder den Ganesha-Anhänger an der Silberkette und dem Armreif mit Glitzersteinen.
Zuerst Frühstück. In der Innenstadt, die Leipziger Bäckerkette. Eigentlich ist das Wochenende das zeitgleich stattfindende Leipziger Stadtfest und ich sollte die Innenstadt wirklich meiden, zu viele Menschen, aber die große Filiale der Bäckerkette ist nun mal dort und ich wüsste nicht, wo ich um fünfzehn Uhr noch ein Frühstück bestellen kann. Ein Brötchen, ein Croissant, ein Café Crema. Die dunkelste Ecke in dem verglasten Innenhof war noch frei. Der versteckt liegende Innenhof des italienischen Restaurants wenig später, ist voller schwarz gekleideter Gothics.
Einlass im Stadtbad ist um 16:30 Uhr, eigentlich nur ein oder zwei Stationen hinter dem Hauptbahnhof, aber ich steige doch eine Station zu spät aus, ich hätte es wissen müssen, als ich hier noch gewohnt habe, bin die 16 immer von Eutritzsch bis zum Zentrum an dem markanten Gebäude vorbeigefahren, es ist eine große Schwimmhalle, gefühlt ein Jahrhundert alt. Mit der Straßenbahn wieder eine Station in die Gegenrichtung, dann weiter zu Fuß, musste ja jetzt auch gerade in diesem Moment, anfangen zu regnen … Beschissenstes Wetter seit 2007 …
Das historische Hallenbad ist wirklich beeindruckend, die erste Band fängt an, zu spielen, dieser Abend wird düster und Wave. Die Schwimmhalle mit den massiven Säulen im Historismus, sie wirkt wie eine Kathedrale! Der Hall! Ich bin fasziniert.
Die zweite Band, dafür bin ich hier: Jakuzi aus der Türkei! Wie haben die das nur bis hierher geschafft? Für mich ein Geheimtipp, die kennt doch niemand, die spielen doch bestimmt auf der winzigsten Bühne. Die große Kathedrale ist voll. Ich stehe ganz vorne in zweiter Reihe, es ist den Jungs anzumerken, dass sie sich nicht so wohl dabei fühlen. In der Türkei kennt sie doch jeder, aber hier in Deutschland? Und sie singen nur auf Türkisch? Ich als Fan habe natürlich schon ein Album von ihnen, ich bin wahrscheinlich die Einzigste, die Teile der Texte mitsingt … die Titel, wie sie auf das Booklet gedruckt sind. Sie spielen auch einige ihrer eigenwilligen „Schunkelsongs“, die Dramatik und Melancholie liegt wahrscheinlich in den Texten … wird es das Publikum verkraften? Einige aus den ersten Reihen drehen sich schon um, ich blicke nur kurz hinter mir … der Saal ist immer noch voll.
Nach dem Auftritt, zum Merchandise-Stand, ihr neustes Album ist leider nur auf Vinyl, ich habe zwar einen Plattenspieler, aber keinen Einkaufsbeutel für die Scheibe. Das ich von dem anderen Album eine CD habe, wirkt etwas merkwürdig, sie war vielleicht nicht „offiziell“.
Zwischen den Bands die Umbaupause, Sitzplätze gibt es hier nicht, allerhöchstens in den historischen Waschräumen. Das Publikum sitzt in den seitlichen Arkadengängen auf der Auslegware, so auch ich, mit einem Taschentuch darunter. Menschen stolpern über ausgestreckte Beine und Stiefel.
Die dritte Band, düsteres Zeug, sperrig, nicht so eingänglich für mich. Die vierte Band, sie ist so eine Solokünstlerin, eine schwarze Frau! Das ist in der Szene selten. Und sie ist so eine, wo ich einen Song kenne, den ich richtig gut finde und nie weiß, von wem der ist. Das ist ihr Song, den sie als letztes zur Zugabe spielt. Ein elektronischer Song aus dem Ende der Achtziger, die markanten Synthesizer- und Drum-Computer-Sounds.
Während ihres Auftritts, ihre Musik – mir kommt die Idee für einen neuen Song, die Texte fließen mir in den Kopf: „Loving a Ghost“. Endlich habe ich ein Thema, über das ich singen kann, das ich in meiner Musik verarbeiten kann. Synthesizer-Tracks kommen aus einer Jam-Session vor zwei Jahren, den Text vervollständige ich in der Umbaupause danach, wieder sitzend in den seitlichen Arkaden. Ich tippe den kurzen Mehrzeiler in meine Smartphone-Notizen.
Der Headliner des Abends: Linea Aspera. Eines der Alben, das in meinem Autoradio rund läuft. Das Set geht lang, die Halle ist voll. Manchmal geht es zu lang, es wirkt, als würden die beiden einige ihrer Songs bewusst wiederholen und dabei nur leicht variieren. Etwas ermüdend für mich, aber ich versuche durchzuhalten. Nur leider wird es gegen Ende des Konzertes politisch, ich bin deprimiert, dass meine an sich zutiefst unpolitische Gothic-Szene dazu bewegt wird, eine Seite zu wählen, der Kampf in Nah-Ost ist nicht mein Kampf, jede Phrase von: „Ich bin besser als du, wir sind (moralisch) besser als ihr“, hat immer ein Hauch von Faschismus.
An der Straßenbahnhaltestelle, es ist spürbar kälter geworden, gut, dass ich das Spitzenkleid mit meiner Lederjacke kombiniere.
Meine Freude ist nur kurz, als ich wieder um ein Uhr nachts das Werk 2 und das „Gothic Pogo Festival“ erreiche … schon wieder Einlassstopp vor dem Clubkeller mit den Konzerten. Überall Menschen. Der Innenhof ist voll, die andere große Halle ist voll, keine Chance, zu tanzen, keine Chance, an die Bar zu gehen, die Traube an Menschen steht in mehreren Schichten.
Als die kleine Halle etwas leerer wird, die Konzerte sind durch, kann auch ich rein, aber sie wird gleich wieder richtig voll, dabei ist das doch der elektronische Synth-Wave-Abend, der geht die ganze Nacht bis zum Morgengrauen. Ich fühle mich beengt und unwohl, auch am Rande sitzen und die Augen schließen und mich auf die Musik konzentrieren, wirkt nicht. Manchmal werde ich angerempelt, manchmal streifen Menschen an mir vorbei. Ich öffne meine Augen und sehe, dass es nicht besser wird.
„Abbruch!“ 2:30 Uhr, ich springe auf, laufe so schnell wie möglich zur Garderobe, meine Tasche und meine Lederjacke abholen, um dann noch schneller aus dem Clubkeller hinaus zum Ausgang des Geländes zu flüchten. Vor der Einlasskontrolle steht schon die nächste Schlange, vielleicht ist diese Angst vor Menschenmassen nur eingebildet und nicht echt, aber andere Menschen haben auch eine panische Angst vor Spinnen, was für mich vollkommen unlogisch und irrational ist, die kleinen achtbeinigen Krabbeltiere sind doch so niedlich. Zurück zum Hotel, wenigstens schaffe ich das Frühstück in ein paar Stunden. Die Taxifahrer verdienen gutes Geld mit mir, das Hotel fernab. (Ende Teil 4/6)
[11.06.25 / 00:54]✎ Ekelhaft, Sonne, direkt widerlich. Ich bin schon ein paar Minuten vor um zehn Uhr aufgewacht und öffne die Fenster. Für das Frühstück unten in der ersten Etage, wechsele ich das Wochenende in meine schwarze Jeans und das schwarze Top mit dem Netzausschnitt. Dusche und Beine rasieren, das alles passiert erst viel später den Mittag. Das Frühstück besteht aus zwei Brötchen, ein wenig Joghurt und Fruchtsalat und einer Thermokanne Filterkaffee, für Trucker reicht das.
Sonnabend, Bühne des Tages, das Täubchenthal mit den Goth- und Deathrock-Bands, daher mein Trad-Goth-Outfit, doch zuerst runter zum Heidnischen Dorf, dem Mittelaltermarkt des Gotik-Festivals.
Es hat sich verändert, es ist größer geworden, der Einlass ist viel mehr professionell organisiert, mit Absperrgitter, Security, Taschenkontrollen und langen Warteschlangen. Endlich auf dem Gelände, unzählige Buden und noch unzählig viel mehr Menschen. Es ist voll.
Dunkle Regenwolken. Als es anfängt, stärker regnen zu wollen, stelle ich mich mehr in dem Zelt unter, in dem ich eigentlich schon stand, ich bin auf der Suche nach Räucherstäbchen, die Verkäuferin hier hat einige im Angebot. „Du weißt schon, dass die krebserregend sind?“ Die sind doch nicht für drinnen, der Typ da neben mir, der in dem Zelt auch gerade Schutz vor dem Regen sucht, beginnt ein Gespräch mit mir. Ich erzähle erst, was für Räucherstäbchen ich suche: „Die Auroshika Nag-Champa“, das ich da mal 2008 in dem Ashram war, lass ich weg, er führt das Gespräch gleich weiter und ist viel mehr an mir interessiert. „Ich bin so direkt, ich stehe auf trans Frauen.“ Verdutzt blicke ich ihn an, wenigstens weißt du es schon vorher. „Wollen mir Nummern tauschen?“ Herrje! Ich werde nach meiner Nummer gefragt! Tollpatschig taumele ich umher, bevor ich endlich mein Smartphone aus meiner Handtasche gekramt habe. Du kommst in meine Männer-Liste, vielleicht sehen wir uns mal wieder. Er wohnt in Leipzig, eine weitere Übernachtungsmöglichkeit ist immer gut.
Vom Mittelaltermarkt zurück in die Südstadt, in einem Imbiss ein Falafelteller mit Pommes und Halloumi bestellen. Draußen regnet es … beschissenstes Wetter seit dem WGT 2007.
Danach mit der Straßenbahn raus nach Plagwitz zu der Veranstaltungsbühne dort. Ich glaube zu wissen, wo das ist und steige zielgerichtet aus der Straßenbahn aus. „Immer verlaufe ich mich hier!“ Das Smartphone mit dem Navi aus der Tasche holen, im Umkreis von einem Kilometer sind eine Handvoll von Clubs, in denen ich alle schon einmal war, ein paar der Clubs existieren schon gar nicht mehr.
Das große Täubchenthal erreiche ich. Ich dachte immer, das wäre so ein Nobel-Schuppen, als ich den jetzt zum ersten Mal betrete, sehe ich, dass es auch nur einer der vielen abgewrackten Clubs hier in der Gegend ist. Aber die kleine Dachterrasse, oder auch „Veranda“, die gefällt mir.
Drinnen sind links und rechts neben der Bühne und dem Publikumssaal Emporen aufgebaut und geben einen Blick von oben herab auf die Bühne. Falls ich es in die erste Reihe ans Geländer schaffe, kann ich endlich auch mal etwas von den Bands sehen.
Die erste Band, etwas aus dem Umfeld der Deathrock-Szene in Kalifornien … ich bin mehr an dem Kaffeestand draußen interessiert. Die zweite Band, ein paar Deathrock-Youngster aus Kalifornien … ich habe die Liegestühle draußen entdeckt und liege halb apathisch mit meiner großen Sonnenbrille darin. Die dritte Band, klar habe ich das Album, aber ich fand die immer ein bisschen peinlich und musste immer verheimlichen, dass ich ein ganz großer Fan bin, auch diese Band ist aus dem Dunstnebel von Kalifornien, ich stehe oben auf der Empore.
Die vierte Band des Abends, deswegen bin ich hier: als altes Eva O Groupie stehe ich natürlich schon unten vor der Bühne. Ich habe sie schon gesehen, als Teil von Christian Death (1334) und mit ihrem Solo-Projekt. Die Gitarre, die sie da auf der Bühne hat, ich bin mir ziemlich sicher, die war vor neunzehn Jahren noch weiß, jetzt ist sie vergilbt.
Ihre Performance, ihr Konzert, ihr Auftritt, ihre tiefe Stimme, Gänsehaut-Feeling! Ich schau sie die ganze Zeit mit weit aufgerissenen Augen an. Der Schmerz, der in ihrer Stimme liegt, sie teilt ihn mit dem Publikum. Ein paar Klassiker, die unbedingt gespielt werden mussten, doch keine Zugaben, zu knapp sind die vorgegebenen Zeitfenster.
Die fünfte und die Headliner-Band des Abends: Fangs on Fur. Sie sollten schon letztes (oder vorletztes) Jahr in Berlin spielen – abgesagt – zu Schade, auch diese Band will ich schon seit zehn oder fünfzehn Jahren endlich mal wieder live sehen. Jetzt ist dieser Zeitpunkt gekommen. Oben auf der Veranda habe ich sie unten schon gesehen, ein Interview geben. Ich stehe weit vorne an der Bühne, nicht die erste Reihe, die ist für Pogo, die dahinter. Textsicher singe ich die Songs mit: „Picknick in L.A.!“ (Es heißt eigentlich „Panic“).
Nach dem Konzert, zum Merchandise-Stand, es gibt ein neues Album, aber leider nur Vinyl, limitiert, fast schon weg. „Will there be a new repress?“ Möglich … Wo ist das Geld hin, dass ich mal per Crowdfunding für ein neues Album und eine Europatour „2020“ gespendet habe? Auch die T-Shirts gibt es leider nur noch in „M“.
Zurück zur Straßenbahnhaltestelle, im Dunkeln im Nirgendwo. Wäre nicht der Festival-Fahrplan, hier könnte man um diese Zeit unmöglich wegkommen, ich fahre hier auch sonst nur mit dem Auto her. Die Straßenbahn braucht auch wieder eine halbe oder eine dreiviertel Stunde mit Anschluss zum Werk 2. „Einlassstopp!“, den Weg auf das Gelände freue ich mich noch auf meine „VIP und Gästeliste“ Warteschlange, weiter als bis zum Eingang des Clubkellers danach komme ich nicht. Egal welche Bands da den Abend gespielt haben, davon bekomme ich nichts mit, wohl irgendetwas „Mexikanisches“.
Rüber zu der großen Halle mit dem Main-Dancefloor. Ich prüfe die Nachrichten auf meinem Telefon, lasse ihn wissen, dass ich wieder im Werk 2 bin. Er antwortet dieses Mal, er ist auch in der Gegend. „Dark corner!“ Ich sehe ihn an mir vorbeilaufen, er hat mich nicht bemerkt, ich sitze auch wirklich in der dunkelsten Ecke am Rande der Tanzfläche an einem Stehtisch mit Barhocker. Er prüft seine Nachrichten und kommt auch gleich wieder zurück. Tiefe Umarmungen, warum warst du die letzte Nacht nicht da? Etwas tanzen, eng an eng, zieh mich bitte nicht aus, das ist ein öffentlicher Club.
Draußen die Leute, er stellt sich immer jemanden vor, er hat eine entdeckt, die ihn fasziniert: eine Drag Queen aus München. Sie ist nur kurz hier, sie zieht weiter zu der anderen Party des Abends, eine queere Party … auch dort sind so viele Menschen, dass man ohne Gästeliste oder Vorab-Tickets nicht hineinkommt.
Lass uns wieder zum Hotel fahren. Die Straßenbahn, das Taxi, die Tankstelle, er nimmt noch zwei Flaschen Bier mit. Eines trinkt er, eines packt er oben im Zimmer in den leeren Kühlschrank der Minibar.
Routinierte Abläufe, ich entferne meine Schminke im Bad, er raucht draußen vor den großen Fenstern eine Zigarette. Wir sind beide wieder nackt in dem großen Doppelbett. „What would you like to do tonight?“ Bitte nimm mich, gehe tief, diese Position, die ich so mag, die, wo ich einfach nur auf dem Rücken liege und meine Beine an deine Schulter lege. Er stößt tief zu. Eines meiner Beine ist schon unten, der andere Fuß weit über seiner Schulter. Beim Vorspiel, die Toilettenpapierblätter sind auch für ihn. Wenn er liegt und ich kokett über ihn rutsche und ihn mit meinen Schamlippen einrolle … ich bin so feucht, ich fordere ein, was ich verlange.
Fünf Uhr morgens, du gehst schon wieder? Wo gehst du hin? Warum schläfst du nicht bei mir? Ich verzweifle auf meiner Hälfte des Doppelbettes, sehe immer nur seinen Rücken und wie er die Hotelzimmertür schließt. Ich mache sie wenig später wieder auf, um das „Bitte nicht stören“ Schild anzuhängen. Frühstück bis elf Uhr fällt aus, ich schlafe bis dahin. (Ende Teil 3/6)
[10.06.25 / 23:32]✎ Freitag, traditionell der Tag mit dem „Viktorianischen Picknick“ im Clara-Zetkin-Park. Mein Outfit ist wieder das, wie im letzten Jahr … und das Jahr davor … und das davor … und das … Wie letztes Jahr, meine schwarze Dirndl-Schürze ist das „It-Piece“. Es könnte regnen, ich nehme meinen Regenschirm mit, aber als Jäckchen habe ich nur meinen schwarzen Strick-Cardigan mit dabei. Das Hotelzimmer verlasse ich nicht ohne einen großen Parfümstoß Orientalisches und einer umfangreichen Wolke an Patchouli. Die müssen sich in der Straßenbahn schon woanders hinsetzen. Von der Haltestelle am Baumarkt nur die paar Stationen zu dem Bäcker in Eutritzsch, den mit dem schönen Kuchen. Ein „Coffee-To-Go“ landet auch gleich mit in meinem Thermobecher in meinem Picknickkörbchen. Es ist gerade erst Mittag, aber wenn ich früher in dem Park bin, sind vielleicht noch nicht so viele Menschen da. Mit mir steigt schon wieder der erste Schwung an aufwendig gekleideten Damen und Herren in Schwarz aus der Straßenbahn, hinein in das Grüne. Schon zurück am Baumarktparkplatz kam ich mir irgendwie weltfremd vor, in meinem historisch angehauchten Dress aus der Jahrhundertwende. Dark Cottage Core.
Ich laufe meine Runde um den Parkteich, die beliebte Fotoecke mit dem Blick rüber zu dem sich aufbauenden, schwarzen Picknick. Mehr Menschen kommen dazu. Ich suche meinen Platz am Teich, beobachte die mehr und mehr vorbei flanierenden Menschen. Ein paar auf der anderen Seite des Teiches sehen so echt historisch aus, als könnten sie einem Gemälde aus dem Impressionismus entsprungen sein … so eines hängt bei mir zu Hause über den Fernseher und war auch meine Inspiration.
Ich warte meine Zeit ab, der Blick geht immer hoch zu den Wolken, mal düster dunkelblau, dann wieder Fetzen an Sonnenlicht … Regenschirm und Sonnencreme griffbereit. Ich hoffe, die Blätter über mir halten ein paar Tropfen ab. Irgendwann kurz vor fünfzehn Uhr, ich beginne meine Vorbereitungen und packe das blau karierte Geschirrtuch aus meinem Picknickkörbchen neben mir, darin befindet sich der Kuchen, zwei Stück je Rhabarber und Mandarinenschmand und die mitgebrachte Kuchengabel. Genüsslich nehme ich ein Happen nach dem anderen auf meine kleine Kuchengabel. Den Thermobecher Kaffee aufschrauben.
Weiter den Nachmittag, quer über die großen Wiesen dieses Parks … es sind viele Menschen gekommen. Das „Viktorianische Picknick“ muss schon größer sein, als das eigentlich zeitgleich stattfindende Gotik-Festival. Es beginnt zu regnen, mein Schirm liegt immer griffbereit in meinem Korb. Die Hunde sehen schon viel zu sehr „wolfig“ aus, die lustig gemeinten Anspielungen auf Rotkäppchen erhalte ich mehr als einmal. Ist es die Schürze? Ist es die Perlenkette? Oder ist es die Bauerntracht? Ich bin keine von den schwarzen Prinzessinnen und höheren Adligen in ihren riesengroßen Reifröcken.
Zurück mit der Straßenbahn zum Hotel, den Korb abstellen, die Dirndl-Schürze abnehmen, sie sitzt eng, der vegetarische Burger im Innenstadtkern von Leipzig den späten Nachmittag zuvor, hat gerade noch so hineingepasst. Eine Dusche nehmen, den Cardigan gegen die Lederjacke tauschen, anschließend wieder zurück in die Innenstadt von Leipzig, zur Moritzbastei.
Ich habe mir für jeden Tag des Gotik-Festivals einen Plan gemacht, die Vorlage der Office-Tabelle ist dieselbe, wie ich sie bis 2013 erstellt habe. Jeder Tag drei bis vier Veranstaltungsorte. Das dazwischen Umherreisen, von einer Ecke der Stadt in die andere, ist mir zu stressig, ich mache genauso weiter, wie ich vor über zehn Jahren aufgehört habe: nur ein Veranstaltungsort pro Tag, an dem genau die Bands spielen, die ich unbedingt sehen muss! Alle Bands kann ich nicht sehen, dafür spielt zu vieles gleichzeitig, das ist das Prinzip dieses Festivals. Und den Freitag ist es eben die Moritzbastei und Aux Animaux.
Einlass gegen neunzehn Uhr, so voll ist es noch nicht, ich komme locker hinein. Die erste Band gefällt mir, sie kommen aus Griechenland. Auf einer anderen Bühne in der Stadt würde jetzt auch eine andere Synth-Band aus Griechenland spielen, die ich eigentlich auf meiner Liste als sehenswert markiert habe. Zu Schade, dass ich in dem Konzertkeller dieser Festung wieder meinen Stehplatz ganz hinten am Notausgang eingenommen habe.
Zwischen den Umbaupausen, Getränk holen, die Flasche Wasser. Rechtzeitig von den Bars und den Toiletten wieder vor der Bühne sein … nicht, dass da zu viele Menschen sind und ich nicht wieder hineinkomme. Die anderen beiden Bands, eine Solokünstlerin die sehr, fast schon kitschigen Synth-Pop spielt, ich bin total entzückt, dann eine Band, sie geht schon fast mehr in den Punk, oder Glam, und dann der eigentliche Headliner.
Laut Plan kurz nach dreiundzwanzig Uhr, da ist sie, die kleine Sängerin, sie springt auf der Bühne mit ihren fluffig weiß-blonden Haaren. Sie muss tatsächlich kleiner sein, als sie in ihren Musikvideos wirkt, wieder so eine, nicht größer als ihre Bass-Gitarre. Sie wechselt zwischen Bass und Theremin hin und her. Ein Album brauche ich nicht vom Merchandise-Stand – das habe ich schon längst.
Mitternacht, die Moritzbastei verlassen, rüber zur Straßenbahnhaltestelle und mit der 11 im Fünfzehn-Minuten-Takt nach Connewitz. Als ich am Werk 2 zum „Gothic Pogo Festival“ ankomme, muss ich erst meine Einlassschlange suchen … wo ist mein Weg links davon vorbei, ich gehörte doch einmal „zum Inventar“? VIP und Gästeliste, weniger Menschen als die mit dem anderen Pöbel.
Irgendwie wusste ich, dass ich die beiden Festivals nicht zeitgleich schaffen werde, wenigstens die Headliner, die erst nach ein Uhr spielen. So auch diesen Freitag: Ghost Dance aus UK. Die Band mit der Sängerin von Skeletal Family. Ich bin schon Fan, da habe ich noch selbst aufgenommene Kassetten in mein Autoradio geschoben … so zwischen 2002 und 2004.
Nach der Band, noch ein wenig tanzen? Die andere große Halle mit der großen Tanzfläche ist offen. Ich vermisse den Verkaufsstand mit den CDs und Schallplatten auf dem kleinen Markt in der Vorhalle (auch die nächsten Abende wird er nicht da sein). Im Kopf rechnen, wenn das Frühstück den Sonnabend bis Montag bis um elf Uhr geht, dann könnte ich, wenn ich 2:30 Uhr die Disko hier verlasse, doch genügend Schlaf finden? Warum habe ich das getan, warum musste ich unbedingt Frühstück dazu buchen. Keine Nachricht von meinem Freund auf meinem Smartphone, auch wenn ich es vermisse, ihn neben mir liegen zu sehen, ich kann wenigstens alleine viel besser schlafen. Ich bin müde, ich brauche etwas Schlaf. Mit der Straßenbahn erst zurück zum Hauptbahnhof und dann in ein Taxi zurück zum Hotel. Drei Uhr und ich kann die schweren Vorhänge auf und wieder zuschieben. (Ende Teil 2/6)
[10.06.25 / 22:24]✎ Fünf Outfits für das lange Wochenende: das schwarze Top mit dem Netzausschnitt und die schwarze Jeans, Nietengürtel, „Casual Goth“, das lange, schwarze, viktorianische Kleid und die Netzstrumpfhose mit Rosenblüten, „Victorian Goth“, der schwarze Ledermini, die schwarze Baumwoll-Yogahose, das Netztop und das ärmellose Schwarze, die Lederjacke mit den Buttons und Nieten, „Trad Goth“, das neue, schwarze Kleid mit Spitze und langen Ärmeln, die einfarbige, schwarze Nylon-Strumpfhose, „Glam Goth“, das schwarz-grüne, kurze Kleid mit Leopardenprint und Leggings und wieder die Lederjacke, den schwarzen Baumwollhoodie darunter, „Punk Goth“ – und alle Schuhe, der Reihe nach: die Pikes, die viktorianischen Stiefeletten, die Doc Martens, die Military-Schnürstiefel mit dem hohen Absatz und ganz zum Schluss, den letzten Tag, die Hi-Top Sneaker, mit schwarzen Schnürsenkeln. Ich schiebe meine Kleiderauswahl auf der Roll-Garderobenstange durch die Wohnung. Alle meine Stiefeletten kommen wieder zusammen in die Tragekiste. Pfingsten, ich habe zwei Tickets, das kleine „Gothic Pogo Festival“ und das große „Wave-Gotik-Treffen“. Hotel wie immer, die letzte Truckerabsteige im Norden von Leipzig, nahe der Autobahn … sündhaft teuer gebucht, das halbe Jahres-Urlaubs-Budget.
Donnerstag Morgen, früh zur Arbeit fahren, zehn Minuten zu spät kommen. Alles an Klamotten zusammensuchen, den Abend zuvor, hat schon Stunden gedauert, alles ins Auto zu manövrieren, braucht auch wieder Geduld. Die Arbeit verlasse ich wenige Stunden später schon um präzise fünfzehn Uhr, mein erstes Outfit trage ich bereits, ich will, wenn ich in Leipzig bin, keine Zeit verlieren, nur schnell unter die Dusche und fertig. Auf der Autobahn an der Raststätte kurz anhalten, die ersten anderen Gothics sichten. Viel Verkehr, viele LKWs.
Das Hotel, das ich immer buche, gegen siebzehn Uhr fahre ich auf den Innenhof, mein Auto parken. Einchecken, Zimmer sichten – Standard mit großem Doppelbett, zweimal runter zum Auto, alles hochschleppen, die Tragekiste, die olivgrüne Sporttasche, den schwarzen Stoffbeutel und mein Picknickkörbchen. Den Wetterbericht schon Tage zuvor verfolgt … wird es regnen? Es könnte eines der nassesten Pfingst-Festival-Wochenenden werden – und kalt noch dazu. Meine fünf Outfits habe ich auf Temperatur und Wetter schon am Computer in meiner Office-Tabelle selektiert. Alles ist perfekt geplant, wo ich wann und wie am Wochenende sein will. Und mein Langzeitliebhaber? Keine Zeit für ihn. Ich muss noch den Abend oder späten Nachmittag in die Leipziger Innenstadt, zum Hauptbahnhof, mich in der ersten Schlange anstellen, den Zettel mit der Rechnungsnummer in ein Festivalticket tauschen – die Post hat meine Adresse „nicht gefunden“ und das Ticket einfach wieder zurückgeschickt – und dann rüber zum anderen Container, Ticket in Bändchen um das Handgelenk umwandeln. Dusche, Make-up im Hotel, der Plan steht weiterhin. Den Weg ablaufen, Leipziger Kopfsteinpflaster, die Straßenbahnhaltestelle am Baumarkt irgendwo am Nordrand von Leipzig.
Bahnhof, noch schnell in die Drogerie, Abschminktücher und Deoroller sind alle. Zum Geldautomaten, Bargeld abheben, 200 Euro, das muss reichen für das Wochenende. Aus dem Hauptbahnhof raus, über die Fußgängerampel über die große Ringstraße und über die Straßenbahngleise – ich sehe schon die endlos lange Schlange an wartenden, schwarz eingekleideten Menschen – es hat sich überhaupt nichts verändert. Mehr als zehn Jahre bin ich dem WGT fern geblieben, jetzt stehe ich schon wieder da und mache ein Foto von der Warteschlange, nur eben mit dem Smartphone und nicht mit der analogen Touristenkamera 2003.
In der Warteschlange zum Tauschen in das Ticket, komme ich schon ins Gespräch, ich bin nicht die Einzige mit Problemen mit der Post. Andere sind neu hier und kaufen ein Ticket an der Abendkasse. Diese Schlange ist nicht so lang – sehr nett von der Organisation, hast du dein Ticket, kannst du gleich die paar Meter um die Ecke zum anderen Containerfenster und dein Bändchen abholen … neidische Blicke der anderen, die da die hunderte Meter an der langen Schlange warten.
Was mache ich mit dem frei gewordenen Donnerstag Abend? Ein Eis kaufen. In eine Bar gehen, was trinken … ihm eine Nachricht schreiben? „Hello, I'm in Leipzig!“ Das kommt jetzt ganz überraschend. Seit Anfang dieses Jahres, ich wollte ihn immer wieder treffen, ein oder mehrere Nächte mit ihm in Leipzig verbringen. Immer habe ich es in einer Nachricht angekündigt, immer wieder musste ich absagen, ihn enttäuschen, ich bin krank geworden, mein Immunsystem schwankt extrem stark zwischen … großen Ausrufezeichen auf Laborberichten und „Geht gerade noch so“ mit den Werten vom letzten Blutbild. Lymphozyten sind im Keller.
Ich sitze in meiner Lieblingsbar am Leipziger Marktplatz, der kleine Tisch im voll besetzten Außenbereich, vor mir das Smartphone. Die Nachricht tippen und absenden. Smartphone hinlegen, wieder greifen. Display aktivieren. Hat er schon geantwortet? Er hat! Er ist auch in Leipzig und hat Zeit für ein Treffen! Ich freue mich immer wie so ein verknalltes Schulmädchen. Donnerstag Abend ist nur die Party vom „Gothic Pogo Festival“ in Connewitz, Einlass ist zweiundzwanzig Uhr, ich bin da.
Ich laufe das Werksgelände ab. Mein anderes Papierticket habe ich am Einlass schon in ein zweites Bändchen am Handgelenk getauscht. „Die schönere Farbe“, die zwei Bändchen in blau und lila-schwarz, „Das wird ein hartes Wochenende.“ Werde ich das schaffen? Werde ich so viel Kraft und Ausdauer haben? Die Hotelbuchung gab es nur mit Frühstück – und das geht nur bis zehn oder elf Uhr, es muss mich zwingen, die Partynächte für dieses lange Wochenende früher abzubrechen … oder ich mache durch und starte das Frühstück schon um sechs Uhr.
Ich schaue in die vielen Gesichter, die Menschen draußen vor dem Club, die Menschen drinnen auf und am Rande der Tanzfläche. Ich suche ihn, suche die Ecken, wo er schon mal war, wo er saß, wo er ein Bier nach dem anderen getrunken hat, wo er stand, wo er mit jedem ins Gespräch kam und seine Geschichten erzählt hat. Ich erblicke ihn, draußen, am Eingang zum Club-Keller.
Heftige Umarmungen, mein Gesicht und meine Nase tief in seinen Hals graben. Ich habe mir schon vorgestellt, wie er jetzt nach einem Jahr aussehen könnte, vielleicht ganz grau? Weiter nur ein paar ganz kleine Stellen in seinem Vollbart und in seinen schwarzen Haaren. Und etwas mehr dicker. „They did not want to let me in“, klar, in seinem weißen Outfit und die Brusttasche, wie sie viele tragen. „It's not about the outfit, there should be no dress code.“
Wir bleiben im Außenbereich, ein rollender Imbiss verkauft dieses Festivalwochenende vegane Burger und Döner. Die Leute ansehen, beobachten, schwarz-bunte Punks und die Subkultur dieser schwarzen Szene, zu interessant. Nur meine schwarze Lederjacke – die Punkerkutte – signalisiert mich als nicht-szenefremd. Er hat so seine Probleme, mit den Leuten ins Gespräch zu kommen, sie sind spürbar reservierter.
„Let us go“, es ist erst gegen ein Uhr nach Mitternacht, die Straßenbahnen fahren noch nicht den schnellen Takt der folgenden vier Tage und Nächte. Er bezahlt ein vor dem Eingang wartendes Taxi. Zu unserem Hotel, besser noch, die Tankstelle davor, Bier und Wasser kaufen, ersteres für sich, zweites für mich. Er mag das Hotel, es ist diskret, niemand fragt nach, wer da an der Rezeption vorbei geht, die Damen in ihren kurzen Röcken, so wie ich die nächsten Nächte, die Herren, die LKW-Fahrer, die ganze Straße ist zugeparkt mit LKWs. „Zwei Bier und eine große Flasche Wasser.“ Das Taxi fährt schon weg, wir nehmen den kleinen Pfad von der Tankstelle rüber zum beleuchteten Hoteleingang.
Mein Zimmer ist den Fahrstuhl hoch in der zweiten Etage. Die weiße Funkkarte vor das Schloss halten, die Türklinke runterdrücken und die Tür aufdrücken. Lichtschalter suchen … ich muss die Karte noch irgendwo hineinstecken.
Das Zimmer ist eingeräumt, ihm fällt schon gleich meine Phalanx an fünf Paar Stiefeletten für jeden Tag auf (eines zusätzlich zum Autofahren). „I just need to go to toilet, give me some minutes.“ Ich beeile mich, den schwarzen Kajal aus den Augen wischen, Zähneputzen. Er zieht sich draußen schon aus und legt sich auf die rechte Hälfte des Doppelbettes vor den großen, weit geöffneten Fenstern. Ein Blick ins tiefe Schwarz, hier draußen ist nichts, außer die entfernt vorbeirauschenden Züge.
Ich krabbele zu ihm auf das Bett, alle meine Sachen liegen schon auf einem Stuhl irgendwo daneben. Ich schaue ihn an, schaue in seine Augen, wie eine Wildkatze, nimm mich, beiß mich, ich fress dich. Er lenkt mich, drückt meinen Kopf, nimmt meine Hände, bringt mich in Position. Nimm meinen Hodensack, nimm ihn, geh mit der Zunge ganz langsam von unten nach oben und dann wieder mit dem Mund nach ganz unten. Mach es langsam! Ich gehe tief, meinen Kopf zwischen seinen Schenkeln, immer wieder den Blick zu ihm gerichtet. Und wann bin ich dran? Später, später … er macht mich wahnsinnig. Ich will ihn, ich will dich!
Er holt ein Kondom heraus, neben dem Bett und dem Nachttisch steht schon der Abfalleimer, gefüllt mit unzähligen Klopapierstreifen. Ich bin unzählige Male tief gegangen, so viel Speichel, so viel … das Zeug vor dem Sperma. Das Kondom ist knallrot, er liegt weiterhin mit seinem dicken Bäuchlein auf dem Bett. „Do you have some liquid?“ Klar habe ich das! Endlich kommt mal die kleine Probepackung Gleitgel zum Einsatz, die ich schon seit mindestens einem Jahr in meiner Waschtasche und dem „Übernachtungskit“ habe. „Would you like to sit on me?“ Er reißt die kleine Packung auf, „Make also a bit on your ass“, es wird die Reiterstellung. Sie ist nicht so tief, aber er kann meine kleinen Brüste bewundern.
„I have to go.“ Du schläfst nicht bei mir? Er muss den nächsten Tag, in wenigen Stunden noch arbeiten, nur für mich ist der Freitag ein Urlaubstag. „Take your breakfast at nine“, ich sehe ihn wieder, sich anziehen, liege perplex auf meiner Hälfte des Doppelbettes am Fußende und sehe ihn die Tür schließen … vielleicht wenigstens noch eine Umarmung und einen schnellen Abschiedskuss. Drei Uhr den Freitag Morgen, noch fünf oder sechs Stunden bis zum Hotelfrühstück. Die Fenster weit öffnen, das Zimmer aufräumen, bevor ich die Fenster wieder schließe und die schweren Vorhänge zu schiebe. (Ende Teil 1/6)
[26.05.25 / 00:21]✎ Der Kalender ist voll, voll mit Terminen für die einzelnen Bikertreffen in dieser Saison. Das erste steht an, das mit der großen Ausfahrt … werden sie den Rekord mit den über 700 Motorrädern von 2019 schaffen? Warten und schauen auf die Wettervorhersagen jeden weiteren Tag.
Mein Bikerfreund, der vom letzten Jahr, hat zugesagt. Er will zu dem Treffen kommen, will mit seiner Rennmaschine an der Ausfahrt teilnehmen, vielleicht dann auch, wie letztes Jahr, sein Motorrad danach in die Garage zurückfahren und mit dem Auto zurückkommen? Ich erhalte schon den ganzen Winter Nachrichten von ihm auf meinem Smartphone. Er ist weiter an mir interessiert, ich blocke ab.
Der Sonnabend das Wochenende im Mai, Freitag hat es geregnet, Sonntag soll es auch regnen. Ich nutze den Sonnabend Vormittag, um endlich das Motorrad ein wenig sauber zu machen. Zwischen zehn und elf Uhr, Eimer mit „Spüli-Wasser“ aus dem Keller holen und mein Wisch-Handschuh suchen. Motorrad aus der Garage holen.
Den Abend zuvor habe ich schon mein Körper etwas auf Vordermann gebracht, überall Haare schneiden, Haare trimmen, Haare frisieren, Beine, Schamgegend, Po, Brustwarzen, Achselhöhlen und Augenbrauen, überall da, wo Frauen Haare haben (der Po eigentlich nicht, der fühlt sich glatt an, aber den sehe ich nicht). Eigentlich wollte ich mich nicht mehr so leicht hergeben, eigentlich wollte ich von Männern Abstand halten, wäre doch viel besser, wenn ich nicht mehr diesen Sex habe. Alle Männer finden es irgendwann heraus, was ich bin – und dann kommt das Drama.
Sonnabend Mittag, Mittagessen. Sonnabend früher Vormittag, nach dem Aufstehen, Beine fein nachrasieren. Klamotten sind die, die ich schon die ganze Woche auf Arbeit trage, das schwarze Polo-Hemd. Motorradklamotten auf der Couch zurechtgelegt, Motorradklamotten angezogen. Mittagessen musste sein, auf dem Bikertreffen gibt es bestimmt nur wieder einen Grillstand mit Steak und Schweinebratwurst. Helm schnappen (mein alter Helm) und das Gepäcknetz für die kleine, olivgrüne Armeetasche auf der Rücksitzbank. Brauche ich einen schwarzen Kapuzenpullover für unter die Kombi? Nein, ich fahre so. Böser Fehler, auf der Tour die zwanzig Kilometer zu dem Treffengelände kurz nach 13 Uhr, merke ich schon den kalten Fahrtwind.
Unterwegs noch tanken, das gute Benzin mit den hundert Oktan, nicht die Plörre mit dem E5 oder E10. Ich glaube, dass ich mir damit den Vergaserreiniger sparen kann, wenn der Kraftstoff besser verbrennt. Der Motor läuft auf jeden Fall damit besser, hat keine (oder kaum) Fehlzündungen, springt sofort an und diese merkwürdigen, ruckartigen Aussetzer sind noch nicht wieder vorgekommen (so ähnlich, wie wenn ich „versehentlich“ den Tank leerfahre / auf Reserve umschalten muss.)
Ich erreiche das Gelände pünktlich, um 14 Uhr soll doch die große Ausfahrt starten. Ich will mich, wie das letzte Mal, ganz hinten anhängen, da habe ich mehr Platz und gefährde nicht so sehr die hinter mir fahrenden, wenn ich die engen Kreuzungskurven wieder mit schleifender Kupplung entlangkrieche (im Pulk der Ausfahrt ist es zu eng, da wird in den Innerorts-Kurven sowieso nicht schneller gefahren). Ich parke mein Motorrad außerhalb des Geländes mit dem Sportplatz, auf einem Waldweg. Einen anderen Biker hatte ich schon gefragt, aber ich habe selber gesehen, dass ich nur ein paar hundert Meter an einer breiteren Stelle bequem wenden kann. Die Wege zu dem Sportplatz sind voller Autos, ein Fußballspiel ist hier auch noch.
Das Gelände … so viele Motorräder! Sie könnten den Rekord wirklich schaffen. Ich suche die weiße Rennmaschine meines Freundes, er ist nicht da. Er hat in einer Nachricht geschrieben, dass er seine Tochter mitnehmen wird. Auf dem Platz mit den Bars, den Veranstaltungszelten und der Bühne, spricht der Organisator schon ins Mikrofon, es geht gleich los.
Aufsitzen! Ich laufe den Kiesweg zum Ausgang des Geländes, noch bevor die zu hunderten Motorradfahrer hier durch wollen. Weiter zu meiner Maschine auf den angrenzenden Waldweg. Einige Motorradfahrer stehen hier auch rum, sie wollen sich das nicht entgehen lassen, wie die ganze Meute mit ihren donnernden Motoren im langsamen Tempo das bewaldete Sportplatzgelände verlassen und auf die Landstraße zusteuern. Kein Stress, ich habe die Zeit, mir das alles anzusehen. Irgendwann, es geht zehn, oder zwanzig Minuten, laufe ich auch zu meinem Motorrad, ziehe mir meinen Helm über und starte den Motor. Wenige Meter … Oh, Mist! Ich habe meinen Helm gar nicht zugemacht. Ich muss noch einmal anhalten und an dem Verschluss herumfummeln. Die beiden Abschluss-Motorräder mit dem „Achtung Kolonne“ LED-Schriftzug sehe ich schon um die Ecke verschwinden. Jetzt aber schnell, noch einmal den Gashahn aufdrehen. Ein oder zwei Kilometer später kann ich mich auf der Landstraße in die letzte Position mit einreihen.
Wie gewohnt, die Tour, wie all die Jahre zuvor. Dieselbe Route, wie immer. Nur das Stück in der Kleinstadt, wo ich wohne, könnte Baustellenbedingt anders werden … sie könnten bei mir Zuhause an meiner Garage vorbeifahren. In jedem Dorf wird laut gehupt oder gewunken, bestimmt hat jeder hier irgendwo Angehörige oder Freunde am Rand stehen, die gegrüßt werden müssen. Ich freue mich auch auf die winkenden Menschen, bin aber viel zu sehr beschäftigt, die Spur und das Tempo zu halten, der Strecke und dem Vordermann (oder -frau) zu folgen und auf die Bremslichter und den Abstand zu achten. Wie immer, von der Landschaft bekomme ich eigentlich nichts mit. Im Rückspiegel die orangefarbenen Lichter der Begleitmotorräder. Jede Kreuzung akkurat gesperrt.
Vor mir die Landstraße, ich mag die Stellen, an denen ich bis zum Horizont nur diese hunderte Motorräder sehen kann. Maschinen aller Art, die Renner und die Chopper mit den ultra-breiten Hinterradreifen. „Die passen nie alle auf die Tankstelle!“ Je näher wir dem Zwischenhalt kommen, witzele ich schon wiederholt in meinem Helm. Der Trupp fährt auf das kleine Gelände dieser Tankstelle in einem Heide-Dorf irgendwo in Sachsen-Anhalt ein. Und sie passen doch alle drauf. Ich parke mein Motorrad in dritter Reihe neben den LKWs und steige ab, um meinen Freund hier zu suchen, eine weiße Sportmaschine müsste doch auffallen zwischen den ganzen Chopper und Cruiser. Ich finde seine Maschine tatsächlich, er ist nicht allein.
Ich stehe minutenlang vor ihm, er hantiert mit seinem Helm herum und bemerkt mich nicht. Seine Tochter und die andere Frau da, schon. Wer ist das? Wieso starrt sie ihn an? Kennen die sich? (Gedanken lesen.) Die eine Frau, wie ich es später erfahren werde, ist seine Ex-Frau. Ich tue so, als ob ich sie nicht bemerke, bin mir der Blicke aber sehr wohl bewusst. Endlich hebt er seinen Kopf und erkennt mich. Eine einfache Begrüßung, so wie unter Motorradkumpels üblich. Er schlägt vor, den letzten Teil der Ausfahrt mit mir nebeneinander zu fahren. Irgendwann kommt das Signal, dass es weitergeht. Ehe die paar hundert Motorräder die Tankstelle wieder verlassen, vergehen wieder einige Minuten.
Das letzte Stück der Ausfahrt fahre ich, bzw. „wir“ nicht ganz hinten. Das hintere Drittel, vor mir die schweren Cruiser der MCs. Er hinter mir mit seiner Tochter, im Rückspiegel.
Die lange Kolonne biegt ein in die Kleinstadt, in der ich wohne. Vorbei an meiner Garage, so ein Mist, genau jetzt sind meine Eltern nicht da, ich hätte doch gerne auch einmal gewunken. Vorbei die engen Straßen, der Innenstadtkern, noch engere, kleinere Straßen – die Anwohner in diesem verschlafenen Provinzkaff hätten nie erwartet, dass sich auf einmal, aus dem nichts, über 600 Motorräder lautstark durch ihre Straße schieben. Hier winkt niemand, sie sind eher überrascht und entsetzt.
Wieder raus aus dem Kaff, auf die alte Route, die mit den Dörfern, mit den Menschen, die das schon von jedem Jahr kennen, die mit Camping-Stühlen und vereinzelten DDR-Fahnen schon auf uns warten. Das Event des Jahres.
Ich verliere ihn kurz vor Ende der Ausfahrt, sehe ihn im Rückspiegel nicht mehr, er ist vielleicht woanders abgebogen, er wohnt hier in der Gegend? Ich fahre mit den vielen anderen Motorrädern auf das parkähnliche Gelände des Sportplatzes. Alles ist organisiert, überall sind weiße Markierungen aufgesprüht, im Gras liegen die vielen, kleinen Holzplättchen für die ausgeklappten Seitenständer. Ich parke mein Motorrad in leichter Hanglage im Umkreis einer alten Eiche. Es muss eine Eiche sein, der Zweig mit dem angetrockneten Eichenlaub fällt mir neben meinem Fuß auf, als ich den Seitenständer ausklappe. Ich finde den Zweig mit den Blättern so hübsch, ich klemme ihn unter das Gepäcknetz neben meiner russischen Armeetasche … so als „Tarnung“. Ein paar Meter weiter steht ein altes Gespann aus Sowjetzeiten, der Fahrer hat noch viel mehr liebevolle Details an seinen Beiwagen montiert: Gefechtshelm, Tarnnetz und eine rote Flagge.
Zum obligatorischen Kaffee-und-Kuchen zu den Verkaufsständen und dem zentralen Platz auf diesem Biker-Festival. „Einen Kaffee und einen Schoko-Kuchen.“ Ein paar Euros wandern über den Bartresen. Meinen Schokoladenkuchen esse ich ein paar Minuten später, während auf der Wiese vor der Bühne sich schon ein paar Motorräder für die Dezibelmessung ansammeln. Die Veranstalter haben extra mal ein paar Frauen aufgerufen, sich hier zu treffen … es finden sich tatsächlich ein paar. Ich jedenfalls nicht, mein Mopped hat noch den Serienauspuff, damit könnte ich doch nie konkurrieren. Nach der Lautstärkemessung sprengen die Männer den ganzen Platz und wollen alle mal wissen, wie laut ihr Auspuff ist. Es kommen immer mehr männliche Motorradfahrer mit ihren Maschinen dazu …
Weiter den späten Nachmittag, ich laufe an dem einen Verkaufsstand vorbei, betrachte die Auslagen an Eisernen Kreuzen, Biker-Utensilien, hier und da Militaria … so einen kleinen Panzer-Anstecker hatte ich auch mal an meinem schwarzen Barett, aber der sah „irgendwie“ anders aus … Bikertreffen, Dinge übersehen. Weiter zum Motorrad, es hat die Ausfahrt doch kurz angefangen, zu tröpfeln und jetzt schieben sich wieder dunkelblaue Wolken über den Himmel. Den Helm vom Riegel am Hinterrad abnehmen, auf den Rückspiegel hängen, damit es nicht hinein regnet. Meine Armeetasche von der Rücksitzbank nehmen und unter meiner Motorradkombi tragen. Die paar Biker da begrüßen, die ich noch vom letzten Jahr von den drei anderen Treffen kenne. „Und, wo ist dein Freund?“ Keine Ahnung, ich habe ihn irgendwie verloren.
Sein Motorrad entdecke ich, das weiße mit den beiden Helmen. Er sitzt irgendwo mit seiner Tochter und seiner Ex-Frau auf einer Biergartenbank. Ich finde ihn, als ich wieder zurück auf den zentralen Platz gehe. „Und bringst du dann dein Motorrad auch später wieder zurück in die Garage und kommst mit deinem Auto hierher?“ Na klar mache ich das, er dann auch. Seine Ex-Frau mustert mich weiter, es gibt zwei Möglichkeiten: Wer ist die, ist das die neue? Eher abwertend. Oder: Da hast du aber eine hübsche, kleine Blondine gefunden, und Motorrad fahren kann sie auch … behandele sie gut, sie wirkt, als hätte sie schon viel Scheiße in ihrem Leben erfahren. Wie auf dem Tankstellengelände, ich bin nur auf ihn fixiert. Nur ein paar Wörter und ich verlasse diese Szenerie so schnell wie möglich. Zurück zu den anderen Biker-Kumpels, Biker-Gespräche führen.
Ich sattele wieder auf, schließe meine Lederkombi, verstaue die Tasche unter dem Gepäcknetz. Nur wenige Sekunden zuvor habe ich ihn auf seinem Motorrad mit Sozia wegfahren sehen. Ich bringe mein Motorrad nach Hause. Die Biker-Kumpels neben mir, zelten hier.
Ein paar Kilometer, kurz vor der Bundesstraße zu meinem Wohnort, kommt er mir alleine entgegen, dreht und fängt mich auf der Einfahrt auf die Bundesstraße ab. Er begleitet mich bis zu meinem Wohnhort. Ich biege auf die gepflasterte Hofeinfahrt neben meiner Garage ein. Was will er hier? Will er mit reinkommen? Auf keinen Fall, darauf bin ich nicht vorbereitet, alle Fragen und Situationen in dieser Hinsicht weise ich immer damit ab, ich könnte ein „Müll-Messie“ sein und möchte keinen Besuch. Er nimmt nur den Helm ab und wechselt ein paar Worte mit mir. Natürlich fahre ich wieder auf das Festivalgelände zurück, es könnte nur etwas länger dauern, im Bad, wie das bei Frauen so ist. Er scheint beruhigt, oder traut er mir nicht? Mein Vater öffnet mit einem mürrischen Blick das Hoftor, meine Eltern bekommen mit, dass ich nicht alleine bin. Er setzt den Helm wieder auf, lässt kurz seinen Motor aufheulen, und jagt den Fußweg runter auf die Straße, davon. Ich parke um, Auto rausholen, Motorrad in die Garage schieben.
Oben in der Wohnung, Motorradsachen auf die Couch werfen, im Bad verschwinden. Eine Dusche? Das muss jetzt so gehen. Ich brauche ewig, um meine langen Haare zu entfilzen … ich musste ja auch bei der Ausfahrt den Nachmittag zuvor meinen blonden Zopf unter dem Helm heraushängen lassen, damit auch alle sehen, dass da ein Mädchen unterwegs ist.
Polo-Hemd anbehalten, schwarze Jeans anziehen, noch der lange, schwarze Kapuzenhoodie und die Lederstiefeletten mit den kubanischen Absätzen. Heute Nacht kein Make-up. Ich bin schon die Treppe runter, als ich wieder umdrehe und zurück ins Bad muss. Die Waschtasche greifen, das Kondom und das Gleitgel heraussuchen. Was machst du hier eigentlich? Brauchst du das wirklich?
Mit dem Auto zurück zu dem Dorf mit dem Bikertreffen und der Abendveranstaltung. Es ist später geworden, meine Eltern mussten mich unbedingt noch zum Abendessen überreden. Da auf dem Festival gibt es eh nur Schwein.
Halt dich von den Motorradrockern fern, das ist kein guter Umgang für dich, die wollen nur, das du anschaffen gehst! Meine Gedanken auf der Fahrt dahin sind wahrscheinlich wesentlich spießiger, als die von meinen Eltern. Alles irgendwie amüsant übertrieben. Im Autoradio, die Dämmerung entlang, die melancholische Musik der britischen Rocker aus den Achtziger-Jahren („The Jesus and Mary Chain“, wen es interessiert).
Als ich das Gelände erreiche, ist es schon fast dunkel geworden. Mein Auto steht wieder draußen an der Einfahrt. Wo vorher die vielen hundert Motorräder standen, steht jetzt vereinzelt mal eine Maschine. Mit viel Glück habe ich draußen noch einen Auto-Parkplatz gefunden. Es hat nicht noch einmal geregnet, die Bühne mit der Band, die gerade spielt, ist unter einem riesigen Partyzelt aufgebaut. Alles passt hier unter das Zelt: die Bar, die Leute, die Bühne. Eine Cover-Band, die die Rocksongs der letzten Jahrzehnte spielt, nicht die uralten Klassiker, tatsächlich mal ein paar Songs aus den Neunzigern. Zwischendurch Songs aus der „Konserve“, die Band braucht eine Pause.
Ich unterhalte mich mit dem Typen, den ich die letzten Male so oft getroffen habe, mein Bikerfreund hatte schon die Vermutung, dass der andere da auch was von mir will. Mein Bikerfreund ist nicht wieder aufgetaucht, ich suche ihn mit ein paar umherschweifenden Blicken, finde ihn aber nirgends. Auch keine weiteren Nachrichten auf meinem Telefon. Ich gehöre nun ganz ihm, dem anderen Typen aus der Motorradfahrergruppe. Ich werde bearbeitet?
Draußen die Bühne, überraschende Ansage, eine Feuershow – mit einem Mann! Endlich mal nicht mit einer Frau, die sich auszieht, endlich mal etwas für Frauen. Diese finden sich auch in den ersten Reihen. Der Fakir, so wie ich ihn gleich erkenne, zeigt einige Tricks, Feuer schlucken, Feuer spucken. Sein Outfit ist wohl gewählt, die Schnabelschuhe, die orientalische Jacke, die Haremshose und dazu diese orientalische Musik. Wahrscheinlich alles nur Show, aber das Glas, das er zerhämmert, auf das er mit den Füßen stampft, auf das er sich mit seiner blanken Brust umherrollt, das ist echt! Bewundernder Beifall aus den ersten Reihen!
Zurück unter das Zelt, die Band spielt weitere Songs, mein Begleiter hat mich so weit, ich tanze nah mit ihm. Sehr nah, mit Körperkontakt. Ist das nicht ein bisschen zu nah? Die Band spielt im ihren zweiten Set schnellere Songs. In einer ihrer letzten Titel wird ein „Onkelz-Song“ gecovert, das Publikum mit den Bikern, den MCs mit ihren Lederkutten, die anwesenden Ladys, stürmen den Bereich vor der Bühne und singen ziemlich textsicher mit. Ich finde das ein wenig befremdlich, meine Songs sind das nicht, alle deutschen Songs kann ich gar nicht, ich bin mehr so bei den Songs der Ami-Punks („Ramones“, wen es interessiert).
Ich muss mich auch mal hinsetzen, der dritte oder vierte Becher Wasser. Ein anderer Motorradrocker in seiner MC-Kutte setzt sich zu uns an den Tisch der letzten, die hier noch sind, nach Mitternacht. Die Band räumt bereits ihre Instrumente von der Bühne. „Los komm, lass uns tanzen!“ Noch ein paar Rock-Songs aus der Konserve. Im Gegensatz zu dem anderen Typen, ist dieser Motorradrocker mindestens einen halben Kopf größer als ich (mit meinen Absätzen). Er kann bereits sofort eng umschlungen mit mir tanzen … unter den Augen des anderen Typen, den ich danach nicht mehr sehe. So bin ich. Der andere, der vorher mit mir getanzt hat, er hat mir schon sein Bett angeboten, wenn ich ihn mal besuchen komme. Das war zu viel für mich. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob ich das auch wirklich verstanden habe. Ich brauchte dann meine Zeit, um auf der Sitzbank alleine vor mich hin zu grübeln. Wenn einer so nah kommt, flüchte ich weg, hin in die Arme des nächsten.
Der zweite, er sagt so etwas nicht zu mir. Hat er auch ein Interesse? Vielleicht ist er schüchtern. Zwei Uhr, die Musik geht aus. Ungewohnt, Biker feiern doch immer bis Sonnenaufgang und weiter. Die kleine Gruppe des MCs zeltet hier irgendwo auf dem Gelände. Den Weg zur Ausfahrt in Richtung meines Autos laufen wir noch zusammen. Einer aus der Gruppe leuchtet mit seinem Smartphone den stockfinsteren Weg. „Da drüben, da schlafen wir. Vielleicht sehen wir uns irgendwann mal wieder.“ Bestimmt, die MCs besuchen sich hier gegenseitig auf allen ihren Bikertreffen, zwei weitere sind noch in meinem Kalender. Zurück zu meinem Auto. Alleine die Nacht durch die dunklen Landstraßen und Waldwege zu meinem Zuhause.
Dieses Mal nicht bis frühmorgens, dieses Mal nicht in einem fremden Auto irgendwo den Morgen verbracht. Es ist kurz nach zwei Uhr und ich kann mich in mein eigenes Bett legen. Meine Motorradkombi und mein Helm liegen weiterhin noch auf meiner Couch, die räume ich morgen weg. Übliche Routine, Schlafzimmerfenster öffnen, ins Bad verschwinden. Etwas ist anders, dieses Mal wurde ich von mehreren angesprochen, ich habe sie nur nicht an mich herangelassen … ich habe zu viel Angst davor, dass sie mitkriegen, dass ich keine Frau bin.
Die hellen Lichter in den beiden Augen, die mich anstarren, ein Marder kreuzt meinen Weg, bleibt kurz stehen, sieht mich an, ich verlangsame das Tempo, und springt dann weiter von der Straße.
[19.05.25 / 23:28]✎ Die Wochenenden unterwegs, nach Erfurt (das zweite Wochenende im Mai). Schon ein paar Wochen zuvor beschlossen, die Familie trifft sich da. Sonnabend Mittag mit dem Regionalexpress am Hauptbahnhof angekommen, wieder dasselbe Hotel gleich um die Ecke, wie im Dezember zuvor. Das Zimmer wird erst in zwei oder drei Stunden bezugsbereit. Erstes Kaufhaus am Anger – die Shoppingtour den Sonnabend.
Ich bin nicht alleine unterwegs, meine Begleitung sucht für sich etwas, ich bin nur beratend dabei. Eigentlich habe ich die letzten Wochen schon ein Kleid gekauft, eigentlich habe ich das letzte Wochenende schon einen BH gekauft … ich sollte auf mein Budget achten, ich kann es nicht lassen, auch hier verschwinde ich in der Anprobe-Kabine: „Probier das doch mal an!“
Sie sucht für sich eine Jeansjacke, ich habe da noch das schwarze Polokleid im Sinn. Viele Runden in dem Kaufhaus und dem Einkaufszentrum, Taschen und Schuhläden, Drogerie und Unterwäscheboutiquen. Es wird für mich ein überlanges, olivgrünes Leinen-Hemd – das kann ich auch am Strand anziehen, speziell für tropisches und heißes oder mediterranes Klima. Die Urlaubsfrage für dieses Jahr ist auch Thema des Familientreffens später.
Weiter durch die Erfurter Altstadt, zurück zum Hotel und Einkaufstaschen ablegen? Nein, wir ziehen das durch, Hotelzimmer ist reserviert, das können wir auch später den Abend beziehen. Zu Kaffee und Kuchen zu einem besonderen Café im Jugendstilambiente, nur etwa einen halben Kilometer entfernt, noch innerhalb des Innenstadtrings, aber weit abseits der Touristenwege.
Das Café gab es schon zu DDR-Zeiten und wahrscheinlich schon viel länger. Das Interieur ist renoviert aber noch im alten Stil belassen. „Früher war das hier mal viel dunkler.“ Mir gefällt es, ich betrachte die vielen Fotos an den Wänden, Portraits der Zwanziger-, Dreißiger- und Vierziger-Jahre (vielleicht auch moderner). Die Lichtführung mit dem Scheinwerferlicht von oben und dem Haarglanz und das besondere Verschwimmen der hellen Konturen in dem Schwarz-Weiß-Foto, das hätte ich auch gerne so hinbekommen (Anregung für eine nächste Foto-Serie). Ein Stück Rhabarber-Streuselkuchen und einen Cappuccino. Die Tassen schmecken nach Spülwasser, aber der Kellner hat vielleicht ein Auge auf mich geworfen.
Wieder zurück in das historische Zentrum von Erfurt, würden wir hier noch wohnen, wir hätten vielleicht nie wegziehen sollen. Die Touristendichte nimmt spürbar zu, meine Begleitung kennt ihre alten Pfade. Weiter in das nächste Kaufhaus. Nichts für mich, ich habe zwar meine Kundenkarte dabei (dieselbe Kette wie in Leipzig), aber die heruntergesetzten Artikel sind spärlich verteilt. Auch hier: ich verstehe den aktuellen Trend nicht, Bomberjacken im klassischen Skinhead-Stil zu vollkommen überteuerten Preisen zu verkaufen – das steht nur mutigen PoC – ist aber hier in Ostdeutschland total unverkäuflich (die Skins haben ihre traditionelle Marke).
Weiter zurück in die andere Shopping-Mall, wieder zurück Richtung Bahnhof und Hotel. Drogerie und Unterwäscheladen … kaufe ich mir zu meinem BH noch die passende Dessous-Unterhose? Leider gibt es die nur als Tanga oder als Hochbund-Panty. Jetzt wirklich zurück zum Hotel am Bahnhof.
Check-in irgendwann nach 18 oder 19 Uhr, ein ähnliches Zimmer, wie letztes Mal, derselbe Ausblick auf den Platz vor dem Bahnhof, nur eine Etage tiefer. Kurz Entspannen. 20 Uhr … wir sollten noch etwas Essen gehen, nur viel Laufen will ich nicht mehr. Da ist noch eine Pizzeria gleich gegenüber. Die nehmen wir. Wenige Schritte später, ich bestelle mir meine vegetarische Pizza, die auf der Tagesmenükarte, mit Auberginenscheiben.
Gedanken, lustige Kommentare … so wie wir das aus dem Fernsehen aus den Krimis kennen – die müssen bestimmt den gepanschten Wein überteuert abkaufen und zu Geld machen, damit die … die in Süditalien „sauberes“ Geld bekommen. Was die hier nicht wissen, dass ich ein paar Brocken Italienisch kann. Der ältere Typ da in der Küche beschwert sich, dass irgendjemand krank ist und er den ganzen Laden hier alleine schmeißen muss. Außer uns ist nur noch ein anderes ausländisches Pärchen da.
Weiter den Abend – nicht viel laufen – gleich daneben ist auf dem Bahnhofsplatz die Bar, wo der Willy Brandt schon mal war (muss ich mir jedes Mal anhören, da oben hat er mal aus dem Fenster geguckt). Die haben auch alkoholfreie Cocktails auf der Karte, nur der Ipanema heißt hier nicht „Ipanema“, sondern irgendetwas mit „alkoholfreier Caipirinha“, mit Apfelsaft anstatt Maracuja. Den nehme ich, hier auf unseren zwei Stühlen und dem Tisch im Außenbereich. Es ist kühl geworden, ich habe für die Tour meine schwarze und dicke Baumwoll-Reißverschluss-Jacke mit Kapuze übergezogen. Der Cocktail besteht mehr aus zerkleinerten Eis als aus Zuckersirup und Apfelsaft. Das zu viele Eis verschwindet in den Pflanzenkübel gleich neben mir. Rechnung übernehmen, ganz viel Trinkgeld, 22 Uhr nochwas, zurück ins Hotel.
Frühstück gegen neun Uhr, wir kennen das Hotel, wir kennen die Betten, wir wissen den Weg zum Frühstücksraum. Für uns die paar freien Tische in der VIP-Ecke … ob auf den Tisch, den sie gerade frei gewischt hat, auch ein „Reserviert“ Schild hätte hin gemusst? Ich sehe mit meiner orientalischen Tunika auch gar nicht so aus, wie all die anderen Hotelgäste. Vor mir die Fotos und Autogrammkarten der ganzen Prominenten an den Wänden, die hier mal für ihre Tour übernachtet haben. Üppiges Frühstück, von allem etwas. Fruchtsalat ist aus – die letzte Portion für Zwei ertrinkt gerade in einer riesigen Schicht aus Joghurt in meiner Schale vor mir auf dem Tisch. Teller und Löffel stapeln sich daneben. Der Kaffee ist besser als der letzten Nachmittag. Noch besser ist der zweite Kaffee wenige Minuten später, als wir wieder raus aus dem Hotel sind und die Kette: Pizzeria – Bar – Bäcker auf dem Bahnhofsvorplatz ablaufen. Warten auf den Familienanhang, er kommt später, aber vor zwölf Uhr müssen wir wieder zurück und wieder raus aus dem Hotel sein.
Check-out, keine freien Schließfächer am Bahnhof. Erwartet. Wir reisen mit extrem leichten Gepäck: nur das, was ich anhabe und die ganz kleine Kosmetik- und Waschtasche in meiner Handtasche. Das bewährte Übernachtungskit, Probedosen Duschbad und Shampoo, Zahnpasta und Zahnbürste, Abschminktücher und leichter Reisekamm, Ohrstöpsel und die üblichen Schmink-Utensilien. Rasierapparat und Estradiolgel-Packungen – mitsamt meinem schwarzen Baumwoll-Zipper kommt das „schwere Gepäck“ in einen extra mit eingepackten, schwarzen Stoffbeutel. Der Familienanhang ist da, weiter mit der Straßenbahn zum egapark in Erfurt. Zum „Japanischen Gartenfest“, das eigentliche Ausflugsziel für dieses Wochenende zum Muttertag.
Auch wie erwartet, es wird voll. Gegen späten Mittag angekommen, das japanische Event zieht Gäste aus dem Umkreis von 150 Kilometer (also wir). Es verteilt sich, der Park ist größer. Die Einlasstore sind belegt mit Menschenschlangen, irgendwo ist noch ein Schlupfloch, ich bin mir nicht sicher, ob ich überhaupt ein Drehkreuz benutze. Irgendwie haben wir Tickets aus dem Vorverkauf für die Ega selbst und noch einmal das Japanische Gartenfest – aber das wird nirgendwo mehr kontrolliert weiter auf dem Gelände. Weiter zu dem kleinen Bereich mit dem Japanischen Garten.
Zu viele Menschen, zu enge Wege, uns ist bereits klar, dass wir wesentlich länger bleiben werden, wenn wir später dann den Nachmittag den Garten noch einmal in aller Ruhe genießen wollen. Das große, rote Eingangstor vorne … mir gelingt ein „menschenfreies“ Foto, ich musste nur fünf bis zehn Minuten warten.
Die Anlage ablaufen, immer wieder vergleichen mit dem Garten, den ich mal in Japan in Kamakura gesehen habe. „Da habe ich ein Foto von!“ Mir springt der Flyer ins Auge, die Deutsch-Japanische Gesellschaft hat einen Stand hier, ein Flyer mit Ausflugstipps rund um Tokio. „Habt ihr diese Kuchen mit dieser Füllung, mit schwarzer Bohnenpaste?“ Die Frau am Stand weiß, wovon ich rede, aber genau das ist schwer zu importieren. „Matcha-Schokolade?“ Nein, auch nicht … leider. Mein Blick wandert zu dem Tetra-Pack Grüner Tee. Der genauso japankundige Familienanhang freut sich über die zuckersüßen Getränkeflaschen, die sie schon damals, irgendwo in Tokio oder Osaka oder Kyoto aus dem Automaten in irgendeiner U-Bahn-Station gezogen haben. Weiter zu der Showbühne und den ausgestellten Bonsai-Pflanzen.
Ich bestaune die kleinen Gewächse in ihren filigranen Schalen, sie sind aufgereiht wie auf einer Preisveranstaltung, mit Jahreszahl, wie viele Jahrzehnte der kleine Baum darin schon wächst. „Kletter-Hortensie geht auch?“ Der eine, knorrige Wurzelableger vor der heimischen Garage, von der Pflanze die da schon seit Neunzehnhundertnochwas wuchert, wird demnächst „umgetopft“.
Die Show auf der großen Parkbühne, ein geschwungenes Dach spendet Schatten – es ist den Sonntag sonnig und blauer Himmel (ich habe mir mein Gesicht mit extra viel Sonnencreme abgedichtet), alle Sitzbänke sind belegt. Eine Trommelshow von den Bäumen oben am Hang schon gesehen, eine Tanzvorführung von wahrscheinlich echten Japanerinnen in echten Kimonos. Es muss echt sein, die traditionelle, japanische Begleitmusik ist noch sehr schön, die moderne japanische Musik ist … „besonders“. Nicht, dass ich das nicht schon aus Japan kenne, aber das geht vielleicht nur für die wenigen ultra Fans hier, die extra ihr Cosplay-Outfit aus dem Schrank geholt haben.
Weiter die Ega entlang, den Nachmittag auf der Suche nach Kaffee und Kuchen, etwas zu essen, ein Imbiss. Viele Pflanzen bewundern, eine Sitzbank im Schatten einer japanischen Zaubernuss (eigentlich sind es die Bäume rundherum, die Schatten werfen). Ein Imbisswagen, der letzte Veggie-Burger für mich, ich bleibe auf der Bank und bewache den Sitzplatz. Später dann zum Kaffee-Mobil, drei Cappuccino holen, dieses Mal bin ich die paar Schritte unterwegs. Die Schlange dauert ewig.
Später Nachmittag, zurück zum Japanischen Garten. Wie erwartet, viel weniger Menschen. Jetzt endlich bessere Fotomotive. Es gibt hier ein Teehäuschen, da war den frühen Nachmittag sogar eine Teezeremonie, die wir nicht sehen konnten, vor all den Menschen davor. Jetzt ist der Blick frei auf das Innere des Teepavillons. Ausgelegt mit Reismatten, die Veranstalter und Helfer und Freunde des Japanischen Gartenfestes trinken ihren Sake und sind offen für Fragen von interessierten Besuchern. „Müssen die Reismatten irgendwann mal gewechselt werden?“ Nicht, wenn sie trocken gelagert sind. Ich schlafe darauf. Der Zentimeter Lattenrost darunter sorgt vielleicht für ein paar Luftkammern. Was ich wechseln sollte, ist der Futon – meiner ist wendbar, mit zwei Seiten – und mit der Korkschicht dazwischen, ist der so sperrig und dick wie eine herkömmliche Matratze. Sollte ich einen neuen Futon für mein traditionelles, japanisches Bett zu Hause kaufen, dann den dünnen, einfachen, nur etwa vier bis acht Schichten Baumwolle, der ist dann zusammenrollbar, den kann ich dann auch wirklich mal nach draußen hängen und auslüften.
17 oder 18 Uhr nochwas, der Familienanhang muss den Zug nach Hause erreichen, wir auch, aber eine Stunde später. Im schönsten, sonnigen Wetter zum Seitenausgang der Ega, zur nächsten Straßenbahnhaltestelle. Und weiter, Abschied nehmen am Hauptbahnhof. Über das Thema Urlaubsplanung haben wir gar nicht so genau geredet. Griechische Inseln? Mykonos? Oder doch lieber Japan? Oder Indien? Süditalien? Für die beiden letzteren Ziele kann ich nicht begeistern, Japan wäre nett, aber da haben wir vielleicht unterschiedliche Ziele. Kyoto haben sie schon gesehen, wir nicht, Tokio habe ich schon gesehen und Hokaido, ganz im Norden? Mein Budget sagt: fünf Nächte Mykonos Last-Minute, mein Favorit momentan.
Wir sind alleine in Erfurt, die dreiviertel Stunde bis zu unserem Zug den Abend, bekommen wir auch noch herum. Brötchen und Wasser. Mir fallen die ganzen Soldatinnen und Soldaten in Uniform auf. Ja, das waren auch meine Wochenenden vor fünfundzwanzig Jahren. Nur diese schicken, braunen Kampfstiefel hatte ich nicht von der „StOV“, nur die schwarzen, mit dem planmäßigen Verfallsdatum nach zwanzig Jahren (Sohle ab, beide Paare, zeitgleich).
Weiter mit dem Regionalexpress nach Hause, den Sonnenuntergang und den parallelen Mondaufgang vor den großen Panoramafenstern bestaunen. Meine Begleitung habe ich schon vorgewarnt, wie ich das schon von meinen vielen Zugfahrten zu Festivals und Konzerten nach Leipzig kenne: zurück in das Provinzkaff fährt Sonntag Abend von Magdeburg aus – die paar Kilometer – nur alle zwei Stunden ein Zug. Wir werden vom weiteren Familienanhang mit dem Auto abgeholt. Familie, stark ausgedünnt die letzten Jahre.
[04.05.25 / 02:19]✎ Vor einigen Wochen habe ich im Internet entdeckt, dass die Achtziger-Jahre Punkband, die ich schon seit mindestens neunzehn Jahren mal live sehen will, in Leipzig ein Konzert geben wird, der Ticketshop, bei dem ich mir sonst auch die ganzen Tickets bestelle, hat die Band im Programm … Anfang Mai, in Connewitz.
Endlich wieder nach Leipzig fahren, vielleicht dort übernachten? Bei ihm? Das letzte Konzert, das letzte Ticket, ich konnte nicht hin, bin krank geworden, musste ihm absagen, mein Ticket wieder verkaufen. Dieses Mal muss es doch funktionieren! Ich warte die Wochen … fünf Tage vorher, ich schreibe ihm eine Nachricht, ich komme. Ich beantworte endlich eine seiner vielen Nachrichten, wann ich denn mal wieder in Leipzig bin. Montag … Scheiße, ich werde krank.
Es fängt an, wie eine Erkältung, mehr noch, Grippe? Corona? Halsschmerzen, Kopf- und Gliederschmerzen. Wo habe ich mir das eingefangen? Die Woche zurück beim Rezept holen bei meiner Frauenärztin? Das Einkaufszentrum ist gleich daneben, dasselbe Gebäude – ich musste mir unbedingt noch dieses neue Kleid kaufen, Schwarz und Bohème-chic. Oder war es doch auf Arbeit? Das Großraumbüro und die ganzen Kolleginnen und Kollegen mit ihren Kindern im Kindergartenalter. Alles was die anschleppen, dagegen bin ich nicht immun mit meinem ramponierten Immunsystem. Ich schleppe mich auch auf Arbeit.
Zwei Tage Halsschmerzen, anschließend zwei Tage Fließschnupfen. Endlos lange Meetings, wenigstens ist das nur eine halbe Arbeitswoche kurz vor dem ersten Mai Feiertag. Genau diesen einen freien Tag, den Donnerstag vor dem Freitag, krame ich einen alten Covid-19-Test aus dem Badschrank … negativ. Glück gehabt. Kann ich doch nach Leipzig fahren, zu dem Konzert – und dort alle mit meinem was-auch-immer-das-ist anstecken. Vielleicht ist es das Cortison-Spray, das ich nehme, gegen meine Allergien, und es ist nur eine heftige Nebenwirkung? Zu viele Fragezeichen … aber ich habe für mich schon entschieden, nach Leipzig zu fahren … wenn ich die Nacht überstehe (schlaflose Nächte bei laufender / verstopfter Nase).
Freitag, der Vormittag vor dem Konzert den Abend. Ein Urlaubstag, ich muss nicht arbeiten. Der Schnupfen ändert sich in den festen, klebrigen Zustand. Wenn das eine Erkältung ist, geht die ziemlich schnell durch. Ich gehe ins Bad und rasiere meinen gesamten Körper, Beine, Schamhaare, Achseln und Augenbrauen, dort, wo Haare stehen sollen, werden die natürlich nur getrimmt. Aber dieser klebrige Schleim in Nase und Rachen – so kann ich ihn doch nicht treffen! So würde das mit Sex mir doch nicht gefallen. Gegen Mittag packe ich meinen ganzen Kram zusammen. Brauche ich mein Übernachtungskit? Im letzten Moment räume ich doch noch meinen Badschrank leer und packe alles in einen extra Beutel, Zahnbürste, Zahnpasta, Kamm, Duschbad, den Rasierer und noch ein kleines Handtuch. Ich hatte ihm schon eine Nachricht geschrieben und schon angekündigt – mich entschuldigt, „Sorry …“ – das wir uns wohl nicht treffen werden. Ich schreibe ihm meinen detaillierten Plan, was ich alles in Leipzig ohne ihn machen werde.
Freitag, früher Nachmittag, mit meinem Auto die Autobahn nach Leipzig. Erst mal ankommen, erst einmal ein Kaffee irgendwo trinken, vielleicht in der Innenstadt einkaufen, dann zu dem Konzert nach Connewitz fahren. Ich habe mein Kaftan-Kleid an, es ist nicht schwarz, aber es passt super zu der schwarzen Lederjacke. Es wird ein Punk-Konzert, die Pikes-Stiefeletten in der schwarzen Leggings mussten unbedingt auch noch zu dem Outfit kombiniert werden.
Mein Auto parke ich in dem großen Parkhaus an der Oper, Kaffee trinke ich gleich schräg gegenüber bei dem Bäcker dieser Kette in ganz Leipzig. Der Himmel hat sich verdunkelt, ein kurzer (Gewitter-)Schauer. Es sind ungewöhnlich über dreißig Grad diesen späten Frühlingstag. Weiter durch die Läden, er hat mir eine Nachricht geschrieben, er wirkt so enttäuscht mit diesen zwei, drei Wörtern. Egal, was er schreibt, ich kann ganze Dramen darin hineininterpretieren. Ich muss etwas kaufen, wird es mich aufheitern?
Der erste Schuhladen, nichts, was ich brauche, nichts, was mir gefällt. Das nächste Luxus-Kaufhaus – ich mit meiner Stammkunden-Mitgliedskarte – die Regale mit den Frühlingsangeboten sind mager ausgedünnt. Ich suche nur dieses schwarze Kleid, welches ich mir von einer Designer-Marke Mitte der Zweitausender gekauft habe. Wann wird dieser Schnitt endlich wieder modern sein? Der Schnitt der knappen Polizeiuniformen der späten Achtziger und Neunziger Jahre im amerikanischen Fernsehen für hübsche und toughe Polizistinnen. Auch das nächste Kaufhaus im höheren Preissegment hat so etwas nicht, die Zeit ist noch nicht wieder reif.
Der nächste Laden gleich daneben, italienische Unterwäsche, irgendwo anders günstig fabriziert. Der schwarze Sport-BH, den ich zum Motorradfahren trage, ist eine ganze Nummer kleiner eingelaufen. Ich erkläre der Verkäuferin meine ganzen Anforderungen: ohne Bügel, ich will den BH unter der schweren Motorradjacke tragen, breite Träger, Vollschale, gut gepolstert, abfedernd gegen Stöße vom Asphalt, fester Halt und leicht und angenehm und flache Textur – und in Schwarz. Mikrofaser, Funktionsunterwäsche für Motorradfahrerinnen. Die Verkäuferin zaubert einen BH hervor, der all meinen Anforderungen entspricht. Zwei Größen, in M und in S. Ich verschwinde in der Anprobe, gefühlt ewig lange, fast ist es schon 19 Uhr und die machen gleich den Laden zu. Ich entscheide mich für die S, wird sie passen? Die Hautwulst links und rechts unter meinen Achselhöhlen sagt eigentlich nein … aber der in einer Nummer größer saß so bequem locker. Zurück zur Kasse, EC-Karte durchchecken, PIN eingeben, alles in die kleine Papiertüte und viel Spaß noch damit.
Zurück nach draußen, die Uhr am alten Rathaus mitten in Leipzig zeigt 18:45 Uhr. In fünfzehn Minuten ist Einlass auf dem Konzertgelände. Ich habe das geplant, die Band fängt 20 Uhr an, und es spielt nur diese eine Band und das sind ältere, grauhaarige Herren, die machen nicht so lange – spätestens um Mitternacht bin ich schon wieder zu Hause und kann in mein Bett, meine Atemwegsinfektion auskurieren. Quer durch Leipzig, in den Süden.
Meinen Parkplatz, da, wo ich immer parke, wenn ich hier zu einem Konzert bin, alles ist besetzt. So viele Autos, ich muss die Straße noch weiter hinein bis ganz nach hinten fahren. So weit war ich noch nie. Schnelles Make-up, Kajal und Pinsel, im kleinen Spiegel in der Sonnenblende im dunklen Auto. Zu Fuß wieder runter zu dem Clubgelände gleich über die Brücke. So viele Menschen! Ich dachte, die Band will doch keiner mehr sehen, die sind doch uralt, aus den Achtzigern. Selbst ich, als ich die Band 2006 aus den Internet-Sharehostern gekramt habe – wahre Schätze an Kassettenaufnahmen – war damals auch wesentlich jünger, als jetzt. Das Publikum, überwiegend schwarz, Alt-Punks, Alt-Grufts, gelegentlich doch etwas bunt. Mein braun-grüner Kaftan in Zebra- oder Tigermuster passt ganz gut. Hunderte sind da, das Gelände dieses linksalternativen Zentrums ist voll. 20 Uhr soll Einlass sein, eine Flasche Wasser am Stand, ein Brötchen mit Vegan-Falafel. Ticket gegen den Stempel auf der Hand tauschen. Nach und nach gehen alle, und auch ich, in die Konzerthalle.
Vor der Bühne ist ein zweites Schlagzeug aufgebaut – es wird doch eine Vorband geben? Meine Punkerkutte gebe ich an der Garderobe ab, die Bedienung, die eine der beiden jungen Frauen, sie wirkt so wunderschön hübsch, ich bin so irritiert, ich vergesse schon fast meine Kleidermarke mitzunehmen. Verträumt weggucken, Blickkontakt vermeiden, alles andere wäre auch total sexistisch.
Es dauert bestimmt noch eine Stunde, bis alles losgeht. Mein Platz oben auf der Empore, die Treppen hoch, alles ist schon besetzt. Irgendwo hier habe ich 2015 mal einen Joint geraucht. Die Notausgangstür hinter mir zu der Raucherinsel draußen ist offen. Es ist noch taghell.
Die Vorband fängt an, zu spielen, von meiner Position an den Sitztreppen, etwa einen halben Meter über den normalen Boden, gleich neben der Garderobe, habe ich einen guten Blick auf die Vorband inmitten des Publikums in dem großen Raum vor der Bühne. Was ist das? Fusion-Punk? Math-Core? Das Schlagzeug verbringt wahre Wunder an Tempowechseln und unterschiedlichsten Zähl-Stilen. Ich gebe es auf, mitzuzählen. Die haben das drauf, leider kann ich nicht genau erkennen, wer das ist.
Die Pause dazwischen, einmal auf die Toilette, die ohne Pinkelbecken, einmal nach draußen, neues Wasser kaufen, es ist dunkel geworden. Wieder drin, ich beobachte von meiner erhöhten Position, was auf der Bühne passiert. Als es dann wirkt, als könnte es gleich losgehen, klettere ich von der Empore runter. Ich will mitten hinein in das Publikum, ich will die ganze Band spüren, all die Energie, all den Punk! Die Band fängt an, es sind die alten Herren. Sie spielen ihre Stücke, so viele Stücke, die ich gar nicht kenne. Einige langsame Lieder, sie lassen mich versinken, ich wiege mich in den Rhythmus. Dann wieder die schnellen Stücke, irgendwann bildet sich in den vorderen Reihen vor der Bühne dann doch eine Pogo tanzende Masse … zu interessant, die grauhaarigen Alt-Punks. Ich mehrere Reihen davon entfernt, meine Stücke sind das nicht, ich bin nur hier für die ganz langsamen, schwermütigen Stücke. Aus meinem Gesicht verschwindet jede Falte an Emotion, ich will das so, ich schließe meine Augen, ich bin wieder das Suicide T-Girl von 2006, das mit dem ultra viel Make-up, den halben Zentimeter an schwärzestem Kajal rund um die Augen und den ganzen obskuren Kram in der Bude in dem Studentenwohnheim, die Kerzen, die Miniaturschädel, die ganzen Gothic und Düster-Punk-CDs!
Die Band geht nahtlos in die Zugabe über, ein paar alte Titel wurden gespielt. Ich will schon meine Lederjacke von der Garderobe holen, als sie doch wieder die Bühne betreten und doch noch zwei, drei Titel mehr spielen. Erst jetzt bin ich dicht dran an der Pogo-Masse, geschützt auf meiner Empore wieder einen halben Meter darüber. Weiter nach der Zugabe zum Merchandise. Ich drehe jede CD und jede Platte um, doch mein Lieblingstitel ist nirgendwo drauf. Die alten Stücke, sie wurden auch gespielt, ich habe sie erkannt, aber die Tonträger – die Band verkauft nur im Eigenvertrieb – sie sind bestimmt schon ewig ausverkauft. Vielleicht nutzen sie die Konzerteinnahmen, um mal wieder ein Re-Re-Release herauszubringen.
Wieder draußen, alles setzt sich in Bewegung, zu gehen. Draußen, die Bar ist geschlossen, drinnen, ich kann nur noch den Pfand für meine Flasche zurückbekommen – kaufe ich mir die nächste Flasche Wasser eben, wenn ich ortsausgangswärts noch tanken muss. Es ist wenige Minuten vor Mitternacht – es hat doch etwas länger gedauert – demonstrativ ziehe ich meine Punkerkutte inmitten des aufbrechenden Publikums über, zurück nach draußen, das Tor des Geländes, die Straße, die Brücke, die andere Straße, noch ewig weit latschen bis zu meinem Auto. Übliches Leipziger Kopfsteinpflaster, die Absätze meiner Stiefeletten knallen auf den Boden, es muss geregnet haben, es ist überall nass.
Mein Auto erreiche ich. Die Jacke auf den Beifahrersitz, eine zweite Flasche Wasser habe ich hier irgendwo noch. Ich suche das Smartphone in meiner Handtasche … wird er mir eine Nachricht geschrieben haben? Er hat … schon zwei Stunden zurück. „Och Mann!“ Ich gerate in einen Konflikt, antworte ich ihm? Vielleicht ist er schon längst eingeschlafen. Ich kann ihn doch nicht treffen, ich bin doch erkältet. Zu egoistisch, um all die Konzertbesucher vor mir anzustecken, zu vorgeschoben fürsorglich, um nicht ihn anzustecken. Vielleicht renne ich einfach nur vor ihm weg, vielleicht reagiert mein Körper so, vielleicht werde ich immer krank, wenn ich ihn sehen könnte, um ein Treffen zu vermeiden, antwortet mein Körper, um meine Seele zu beruhigen … aus Angst, ich könnte ihm begegnen und mich in einer tiefen und bedingungslosen Liebe zu ihm zu verlieren. Ich starte den Motor, fahre die nächtlichen Straßen quer durch Leipzig, der Schein der Laternen in dieser schwül warmen und erkalteten Nacht. Zu viele Umleitungen, ich verfahre mich, ich muss am Straßenrand halten und mein Navi am Smartphone einschalten, da bin ich schon weit draußen, irgendwo in Gohlis.
Ich will auf die B2, irgendwo bei Eutritzsch. Einige Stellen und Kreuzzungen erkenne ich wieder, ich war hier schon einmal. Dann der Baumarkt, die eine Straße am Ortsrand von Leipzig. Irgendwo hier hat er mal gewohnt, irgendwo hier wird er vielleicht wieder wohnen? Ich schaffe es auf die B2 nach Leipzig raus, die Tankstelle ist nur ein paar hundert Meter hinter dem Ortsausgangsschild. „Keine Toilette“, die Frau am Nachtschalter, bei der ich meine Tankfüllung bezahle, verneint meine Frage. Dann irgendwo dahinten in das Gebüsch. Ich muss dringend. Das ist die Tankstelle, bei der er immer seine Zigaretten geholt halt … seine Wohnung ist da gleich. Ich könnte ihn auch anrufen. Ich entferne mich von meinem Auto und laufe das Tankstellengelände ab. Einige Trucker parken ihre schweren Laster hier. Zu interessant, der kleine Trampelpfad, die kleine, lichte Stelle im hohen Gebüsch, es wirkt wie eine Cruising Area. Das feuchte Gras, der Schein der Laternen von der Straße gleich nebenan, nicht unweit von dem Hotel, wo ich sonst immer übernachtet habe. Wir haben so viele Stunden in diesem Hotel verbracht.
Wieder zurück am Auto im Schein neben der Zapfsäule, noch einmal um das Auto herumspringen, ich habe den Eimer mit dem Scheibenwischwasser entdeckt. Zu merkwürdige Gestalten geistern hier durch die Nacht. Weiter auf die zweispurige Schnellstraße. Weiter auf die dreispurige Autobahn. Gewitter am Horizont, zuckende Blitze in den Wolken weit entfernt. Meine Fahrt bleibt trocken, nur die Gischt der nassen Straße auf meiner Scheibe, wenn ich mich an die vereinzelt und langsam fahrenden Autos heranpirsche, Verkehr ist nur auf der Gegenfahrbahn, die endlose Kette an LKWs.
Ich fahre meine hundertdreißig mit Tempomat. Im Autoradio auf dezenter Lautstärke eine andere deutsche Goth- und Punkband, schon in zweiter Wiederholung. Gedanken … warum renne ich vor ihm weg? Warum renne ich vor jedem weg! Ich muss hässlich sein, meine Theorie, wie und warum ich auf Festivals, Konzerten und Diskos niemals angesprochen werde – und all die Männer, die es doch tun, so viele waren es gar nicht in meinem Leben, sie müssen sich geirrt haben, das hätte gar nicht passieren dürfen. Niemand interessiert sich für mich, ich gehöre zu den „hässlichen“ Menschen. Ich baue mir mein Vermeidungs-Konstrukt zusammen. Das, was ich im Spiegel sehe und das, was andere sehen, sind zwei vollkommen unterschiedliche Bilder! OK … das, was ich von mir im Spiegel sehe, das ist mein inneres Ich, eigentlich … ganz hübsch, so wie ich innen bin, meine Seele und wie ich zu den zehn Prozent auf dieser Erde lebenden, niemals böswilligen und naiven Menschen gehöre, aber mein äußeres Ich, mein Erscheinungsbild? Nur einmal habe ich mich in einer dunklen Disko in einem großen Spiegel nicht selbst erkannt.
Die Viertelstunde vor der vollen Stunde, ich schalte den Tempomat aus, ich verlasse die Autobahn, sie hört einfach auf. Kurz vor zwei Uhr, ich biege ein in die Einfahrt kurz vor meiner Garage irgendwo in einem Provinzkaff in Sachsen-Anhalt. Aussteigen, meine Jacke schnappen, meinen Einkauf und meinen „Übernachtungsbeutel“ aus dem Kofferraum holen. Garagentor über die Funkfernbedienung am Autoschlüsselbund schließen. Das Hoftor aufschließen, die Haustür öffnen, „Schleich, schleich, schleich“, leise säuselnd, der Hund bellt nicht, Eltern weiter schlafen lassen. Hoch zu meiner Wohnung. Wieder alles auf meine Couch im Wohnzimmer werfen. Kurz ins Bad, die Abschminktücher … ich sehe furchtbar aus. Das aufgepinselte Make-up, viele Stunden zurück in dem dunklen Auto, ist katastrophal ausgefallen. Merken, niemals im dunklen Auto im winzigen Kosmetikspiegel der Blende überhastet ein Make-up dahinpfuschen. Abgeschminkt mit dem Rest Hauch Kajal in den Wimpern sieht immer besser aus. Alle Fenster öffnen, kurz runterkühlen, mit Ohropax dann kurz nach 2:30 Uhr schlafen legen. Ich schlafe mit angekippten Fenster, das macht sich besser mit der verstopften Nase. Straßenlärm rechts (vorbeiziehende LKWs), Fabriklärm links (Agrar-Futterfabrik auf Turbo-Lärmstufe).
Den Sonnabendmorgen, mein erster Griff geht zu meinem Smartphone neben meinem Bett, er hat mir keine weitere Nachricht geschrieben. Aber meine Arbeitskollegin, wir haben uns mal über unsere Beziehungsprobleme unterhalten und wie wir das so definieren. Für meinen besonderen Fall gibt es ein paar englische Begriffe: Casual Arrangement und Emotional Ghost … letzteres trifft es eigentlich genau. Aber ich bin mir nicht so sicher, wer von uns beiden, er oder ich, der Geist ist. Wir fliehen beide voneinander und kommen trotzdem mehr als zehn Jahre später nicht voneinander los.
Ich stehe auf, eigentlich ist es schon Mittag. Meinen Kram zusammenräumen, meinen neu gekauften BH anprobieren und mit meinen anderen BHs vergleichen … eigentlich ist er zu eng, ich hätte doch den in einer Nummer größer kaufen sollen, er ist kleiner, als alle meine anderen BHs und genauso eng, wie der eingelaufene BH, den dieser ersetzen soll. In Leipzig gekauft in einer Kette an Unterwäscheläden, wie sie in ganz Deutschland in den unterschiedlichsten Großstädten existieren. Auch in Magdeburg. Kurz entschlossen fahre ich den Nachmittag in diese Filiale in dem örtlichen Einkaufszentrum (ja, das mit der Arztpraxis) und tausche ihn dort anstandslos um. Es ist kein Problem, die resolute Verkäufern scannt den Barcode auf der Quittung ein, greift in eine Schublade, zaubert den exakt selben BH in einer Nummer größer heraus und ich kann glücklich und zufrieden wieder gehen. Noch ein Eis und einen Kaffee draußen in der Eisdiele mit dem Springbrunnen und der im Kreis schwimmenden Ente und dann wieder zurück nach Hause, meinen Einkaufsbeutel mit dem BH auf meiner Couch ablegen und mich darüber freuen, als hätte ich nie einen Fehlkauf getätigt, als hätte ich die ganze Zeit schon den BH in der passenden Größe gehabt. Alle Chatnachrichten mit meinem Freund sind auf sieben Tage eingestellt, dann verschwinden sie wieder … als hätten sie nie existiert, als wären sie nie geschrieben worden.
[01.05.25 / 01:02]✎ Nach zwei Monaten Arbeit, die ganzen Nächte durchprogrammiert und das Cascading-Stylesheet hin und her geschubst: das neue Design ist online. Die Release-Version meines Content-Managing-Systems springt von "2018" auf "2025" … so viele Jahre habe ich da nicht mehr so umfangreich herumgebastelt (nur Bugfixes). Hoffentlich existiert mein Konto und Repository bei GitHub noch … ?
[21.04.25 / 02:52]✎ Die Arbeit an einem neuen Stylesheet für meine Internetseite ist doch umfangreicher, als gedacht … es zieht sich hin, schon seit anderthalb Monaten. Absätze mit Texteinrückung, gleich ein neues, dreispaltiges Layout, vielleicht noch mit einem Bereich für das neuste Bild und die neuste Galerie? Anpassungen am Quellcode, neue Datenbankabfragen, das Design macht einen Sprung von 2011 auf 2015. Und dann noch die responsiven Media-Queries … noch einmal zehn bis elf komplett neu aufgearbeitete Cascading-Stylesheets.
Schlaflose Nächte die letzten Wochenenden. Es fällt komplett herunter, dass ich auch noch ein anderes Leben, als das vor dem Computer, habe. Die Touren mit den Arbeitskollegen nach Thale und nach Wernigerode, Ende März und Anfang April. Die anderen Arbeitskollegen planen auch schon wieder eine Motorradtour in den Harz … schlimm, kauft sich einer einen neuen Helm, muss ich auch gleich nachziehen und einen Nachfolger für meinen 18 Jahre alten Jethelm im Internetshop des örtlichen Motorradzubehörhändlers bestellen (es wird ein schicker Carbon-Klapphelm).
Wenigstens für das Motorrad in der Garage bleibt an diesem arbeitsreichen Osterwochenende noch eine kleine Pause – es springt problemlos nach der Winterpause an … den Trick mit dem Super-Plus-Benzin im Tank die lange Standzeit, muss ich mir merken.
Kalender ist voll: Gothic-Festivals, Biker-Treffen, noch mehr Touren.
[31.03.25 / 22:09]✎ „Transgender Day of Visibility“ – und ich habe das Gefühl, ich bin unsichtbarer als jemals zuvor.
Die Regenbogen-Emojis sind weg, die Regenbogenflagge hinten an meinem Auto ist weg. In den Nachrichten wird auch nicht mehr davon berichtet, ich spüre, die ganze Welt nimmt Abstand von dem „Trans-Wahnsinn“. Schön für mich, schön für uns. Aus der Schusslinie verschwinden, nicht auffallen. Ein normales Leben leben … Endlich Rentenversicherungsbriefe bekommen, die mich wieder als „Frau“ adressieren!
[14.03.25 / 21:26]✎Deep Stealth … es hat nur wenige Sekunden gedauert, ein paar Klicks in dem Profil auf der Porno-Seite und die vier Teile meines vor zwei Jahren hochgeladenen Amateur-Erotik-Filmchens sind komplett verschwunden. Noch ein paar weitere Änderungen in dem Profil, Texte entschärfen, Texte löschen, das Thema trans nicht mehr erwähnen, nur das Geschlecht „transsexuell“, das ich bei der Anmeldung mal angegeben habe, ist fest und nicht veränderbar. Ich werde das Profil nicht mehr lange halten und in nächster Zeit komplett löschen. Bis dahin kann ich da noch zwei Friedhofsbilder von mir als „Gothic Girl“ für Zehn Cent verkaufen.
Das Video von mir, in dem ich mich auf meiner Leopardendecke im dunklen Schein der Nachttischlampe räkele, ich konnte tatsächlich jeden der vier Teile je ein oder zweimal verkaufen, aber die Auszahlgrenze von 50 Euro habe ich nie erreicht. Dafür haben sich einfach viel zu wenige für meine Inhalte interessiert, so alle paar Monate vielleicht einer.
Mein Experiment, ich hatte da so eine Theorie: Wieso werde ich in Bars und Diskotheken, wenn ich die Nacht ausgehe, so selten von Männern angesprochen, bin ich vielleicht zu hübsch und die trauen sich nicht? Oder bin ich einfach wirklich zu unattraktiv und uninteressant? Finde es heraus … Ich stelle ein Porno-Video von mir online ins Internet, auf einer Porno-Seite – jeder Mann kann dort ohne Angst draufklicken, das Hemmnis, mich anzusprechen, ist vollkommen eliminiert!
Niemand klickt die Videos an. Ein vernichtendes Fazit. Ich muss vollkommen unattraktiv und uninteressant sein. Ich bin in etwa so attraktiv, wie eine Badfliese, hübsch anzusehen, aber hat mit Sex überhaupt nichts zu tun. Damit kann ich mir gleich, wie jeden Abend, dieselben bestätigenden Blicke im Badezimmerspiegel zuwerfen. Ich entferne mich immer weiter von den Gedanken, Sex und Beziehungsmomente in meinem Leben einzubauen.
Die letzten beiden Männer haben einfach zu viele Fragen in die Richtung gestellt und einen Verdacht aufkommen lassen. Meine Tarnung gebe ich nicht auf, bevor es kritisch wird, verschwinde ich einfach, antworte nicht mehr auf ihre Textnachrichten, treffe sie nicht mehr. Deep Stealth zermürbt. Deep Stealth ist eine harte Entscheidung. Ein einsames Leben.
[14.03.25 / 21:25]✎ Meine Idee, komplett auf „Deep Stealth“ zu gehen und was ich lange mit mir herumgeschleppt habe: die Sozialversicherungsnummer – die Versicherungsnummer für die Rentenversicherung, das Zahlenkürzel ganz hinten, es stand noch auf „männlich“ kodiert. Meine Bedenken, die mich bis jetzt davon abhielten: wenn ich die Nummer ändern lasse, verschwinden dann alle meine eingezahlten Beiträge und ich fange ich dann wieder bei Null an? Eigentlich unwahrscheinlich, aber die ganzen Jahre, nach 2016, habe ich mich nicht getraut, einen Antrag zu stellen.
Jetzt muss es sein, das Umgebungsfeld wird ungemütlicher, ich lebe mitten im Osten – das ist „A#D-Kernland“. Alles, was irgendwie noch darauf hin deutet, dass ich trans sein könnte, muss verschwinden. Die genannte Nummer, die nie getauschten Diplomurkunden (die nie einer sehen wollte) und alle Regenbogenflaggen und -emojis, die ich überall im Internet in diversen sozialen Profilen und Chatgruppen hinterlassen habe. Ich fange mit der Versicherungsnummer an, damit auf Arbeit, oben in der Etage bei der HR, niemand auch nur auf den Gedanken kommen könnte, irgendetwas zu fragen oder anzudeuten … Gerüchte verbreiten sich auf die Großraumbüros eine Etage tiefer.
Meine erste Anfrage auf Nummernänderung mache ich in einem Kontakt-Formularfeld auf der Internetseite der Rentenversicherung, das erstbeste Eingabefeld, das ich finden konnte … ob die HTML-Posts auf der anderen Seite überhaupt jemand liest? Den Text, den ich da hineingetippt habe, er klingt wie von einer Verrückten geschrieben, irgendetwas mit „Namens- und Geschlechtsänderung“. Ein Mausklick, keine Bestätigung, nichts. Ich bin mir nicht mal sicher, ob ich überhaupt den richtigen Button zum Absenden gedrückt habe.
Warten … eine Woche später, ich stöbere noch einmal auf der Seite der Rentenversicherung nach anderen Formularfeldern, dieses Mal finde ich etwas, was mir mehr verspricht, eine Unterseite, bei der ich Anfragen ohne Anträge stellen kann. Ich schreibe einen neuen Text, kurz und präzise. In einem Feld muss ich meine alte Nummer eingeben, damit meine Anfrage mir auch zugeordnet werden kann, dafür bekomme ich auch eine automatische Bestätigungs-Mail nach dem Absenden. Mit Erfolg, kurz darauf wird mir in einer weiteren Antwort-Mail mitgeteilt, ich soll meinen alten Beschluss zur Vornamens- und Personenstandänderung noch mit hochladen (den hattet ihr doch 2016 oder 2017 schon), alles weitere wird dann bearbeitet.
Eine weitere Woche später, mein neuer Versicherungsnachweis kommt als Brief bei mir an. Gespannt reiße ich das Kuvert auf und ziehe das Papier heraus: das Zahlenkürzel der Nummer deutet jetzt endlich auf „weiblich“ – und ich habe den ersten Buchstaben von meinem Geburtsnamen ändern lassen, den von der allerersten Geburtsurkunde (ich habe drei) … für meine Legende, warum ich meine Versicherungsnummer habe ändern lassen: „Damit niemand mitbekommt, dass ich adoptiert bin.“ Schön ablenken, von dem eigentlichen Grund (das Zahlenkürzel).
Deep Stealth … was macht das mit mir? Keine Regenbogenfahnen mehr, keine Transgender-Flaggen mehr, von allem Abstand nehmen, was mich kompromittieren könnte. Mittlerweile zehn Jahre an Hormone, mein Stimmtraining jeden Morgen im Auto auf dem Weg zur Arbeit. Dort werde ich von den weiblichen Kolleginnen schon mit in die Gespräche hineingezogen, wie meine „Periode“ den so war. Ja, die Schmerztabletten nehme ich auch … und die Slipeinlagen liegen auch bei mir im Badschrank herum, falls mal wieder eine süffende Entzündung dort unten in der Harnröhre ist. Selbst der YouTube-Algorithmus will mir Damenprodukte für die Monatsblutung verkaufen und ist überzeugt davon, dass ich durch und durch eine Bio-Cis-Frau bin. Eigentlich ein ganz guter Start … würde es mir nicht so schwer fallen, mich von meiner 2SpiritsLGBTQIA+-Identität zu trennen.
das habe ich sehr gerne gemacht. Zum Einen interessiert mich das Thema und zum Anderen hast Du wirklich sehr lebendig und spannend geschrieben. Da wollte ich Alles lesen und wollte Dir schreiben, das mir Dein Blog besonders gut gefallen hat (Die eigentliche Arbeit hattest Du ja mit dem Verfassen des Blogs). Wenn Du magst können wir den Kontakt gerne per Mail halten. Viele Grüße Daniele
Morgana LaGoth: Mail-Adresse steht oben bei "kontakt" - bei weiteren Fragen, gerne.
vielen Dank für Deinen tollen Blog. Ich habe ihn in den letzten Wochen komplett gelesen. Meistens konnte ich gar nicht aufhören zu lesen. Fast wie bei einem sehr spannenden Roman. Ich habe dabei Deine genauen Beobachtungen und Beschreibungen sehr genossen. Deine vielen Ausflüge in die Clubs und zu den Festivals oder Deine Streifzüge d durch die Geschäfte beschreibst Du immer aus Deiner Sicht sehr anschaulich und spannend. Ich kann das sehr gut nachvollziehen, das alleine zu erleben, häufig auch mit einer gewissen Distanz. Ich kenne ich von mir sehr gut. Highlights sind Deine Reiseberichte. Deine Erlebnisse an den unterschiedlichsten Orten auf der Welt. Vielen Dank dafür. Vielen Dank auch das Du Deinen Weg zu Deinem waren Geschlecht mit uns Lesern teilst. Deinen Weg Deine Gefühle Deine zeitweisen Zweifel. Das ist sehr wertvoll auch für uns Andere, denn es ist authentisch und sehr selten. Du bist einem dadurch sehr vertraut geworden. Für mich ist eine gefühlte grosse Nähe dadurch entstanden. Umso mehr schmerzt es mich von Deinen Rückschlägen zu lesen. Von Deinem Kampf zu Deinem wahren Ich. Von Deinem Kampf umd Liebe, Zährlichkeit und Akzepzanz und Anerkenung. Von Deiem mitunter verzweifeltem Kampf nach Liebe und Anerkennung durch Deinen Exfreund. Leider vergeblich. Dein Kampf um wirtschaftliche Unabhängigkeit und Deine aktuell missliche Lage. Ich glaube dass Du nicht gescheitert bist. Du hast viel Mumm und Hardnäckigkeit bewiesen Deinen Gang zu Dir selbst zu gehen. Du hast auch einen guten Beruf der immer noch sehr gefragt ist. Vielleicht kann ja nach dieser Auszeit und etwas Abstand ein Neuanfang in einer anderen Firma, wo Du keine Vergangenheit als Mann hattest gelingen. Ich wünsche das Dir ein Neuanfang gelingt und drücke Dir ganz fest die Daumen. Daniele
Morgana LaGoth: Da liest sich tatsächlich jemand alles durch? Das ist mittlerweile schon ein kompletter Roman mit mehreren hundert Seiten! Danke dir, für deinen Kommentar (und die aufgebrachte Zeit).
vielen Dank für Deine offenen und kritischen Erlebnisberichte. Ich bin in 3 Monaten in Sanssouci zur FzF-OP. Ich denke auch, was kann schon schief gehen, status quo geht nicht und irgendwas besseres wird wohl resultieren. Wenn es Dich interessiert, halte ich Dich informiert. Drücke mir die Daumen.
Herzlich
Drea
Morgana LaGoth: Ich wünsche dir für deine Operation viel Glück. (Sollte der Koch nicht gewechselt haben, das Essen da in der Klinik ist richtig gut!)
[14.11.17 / 20:13]Morgana LaGoth: Nutzungsbedingungen für die Kommentarfunktion: Die Seitenbetreiberin behält sich das Recht vor, jeden Kommentar, dessen Inhalt rassistisch, sexistisch, homophob, transphob, ausländerfeindlich oder sonstwie gegen eine Minderheit beleidigend und diskriminierend ist, zu zensieren, zu kürzen, zu löschen oder gar nicht erst freizuschalten. Werbung und Spam (sofern die Seitenbetreiberin dafür nicht empfänglich ist) wird nicht toleriert. Personenbezogene Daten (Anschrift, Telefonnummer) werden vor der Veröffentlichung unkenntlich gemacht.
Kommentar:
[05.12.22 / 17:34] Daniele1992: Hallo Morgana
Mail ist heute rausgegangen
LG Daniele
[13.11.22 / 09:33] Daniele1992: Hallo Morgana
aktuell keine schöne Situation. Ich schreibe Dir noch eine Mail dazu.
LG Daniele
[13.05.22 / 09:15] Daniele1992: Hallo Morgana,
Tolle Reisebericht von Deiner neusten Reise nach Paris. Macht grosse Lust auch wieder dort hinzufahren um sich von der Stadt inspirieren zu lassen.
Tolle Neuigkeiten.NeuerJob. Klasse! Freue mich für Dich.
Liebe Grüße
Daniele
[24.12.21 / 20:55] Daniele1992: Hallo Morgana,
Ich denke an Dich und wünsche Dir frohe Weihnachten und ein schönes neues Jahr 2022.
Liebe Grüße
Daniele
[25.09.21 / 14:59] Daniele1992: Hallo,
eine Chance etwas Neues zu machen. Neue Perspektiven. Urlaubsträume, die bald real werden können. Nicht so schlecht. Freue mich für Dich. LG Daniele.
[11.11.20 / 09:12] Daniele1992: Hallo Morgana
Ich habe Dir eine Mail geschickt.
Lg
Daniele
[30.07.20 / 22:03] Daniele1992: Guten Abend
das habe ich sehr gerne gemacht. Zum Einen interessiert mich das Thema und zum Anderen hast Du wirklich sehr lebendig und spannend geschrieben. Da wollte ich Alles lesen und wollte Dir schreiben, das mir Dein Blog besonders gut gefallen hat (Die eigentliche Arbeit hattest Du ja mit dem Verfassen des Blogs). Wenn Du magst können wir den Kontakt gerne per Mail halten. Viele Grüße Daniele
[30.07.20 / 12:44] Daniele1992: Guten Morgen,
vielen Dank für Deinen tollen Blog. Ich habe ihn in den letzten Wochen komplett gelesen. Meistens konnte ich gar nicht aufhören zu lesen. Fast wie bei einem sehr spannenden Roman. Ich habe dabei Deine genauen Beobachtungen und Beschreibungen sehr genossen. Deine vielen Ausflüge in die Clubs und zu den Festivals oder Deine Streifzüge d durch die Geschäfte beschreibst Du immer aus Deiner Sicht sehr anschaulich und spannend. Ich kann das sehr gut nachvollziehen, das alleine zu erleben, häufig auch mit einer gewissen Distanz. Ich kenne ich von mir sehr gut. Highlights sind Deine Reiseberichte. Deine Erlebnisse an den unterschiedlichsten Orten auf der Welt. Vielen Dank dafür. Vielen Dank auch das Du Deinen Weg zu Deinem waren Geschlecht mit uns Lesern teilst. Deinen Weg Deine Gefühle Deine zeitweisen Zweifel. Das ist sehr wertvoll auch für uns Andere, denn es ist authentisch und sehr selten. Du bist einem dadurch sehr vertraut geworden. Für mich ist eine gefühlte grosse Nähe dadurch entstanden. Umso mehr schmerzt es mich von Deinen Rückschlägen zu lesen. Von Deinem Kampf zu Deinem wahren Ich. Von Deinem Kampf umd Liebe, Zährlichkeit und Akzepzanz und Anerkenung. Von Deiem mitunter verzweifeltem Kampf nach Liebe und Anerkennung durch Deinen Exfreund. Leider vergeblich. Dein Kampf um wirtschaftliche Unabhängigkeit und Deine aktuell missliche Lage. Ich glaube dass Du nicht gescheitert bist. Du hast viel Mumm und Hardnäckigkeit bewiesen Deinen Gang zu Dir selbst zu gehen. Du hast auch einen guten Beruf der immer noch sehr gefragt ist. Vielleicht kann ja nach dieser Auszeit und etwas Abstand ein Neuanfang in einer anderen Firma, wo Du keine Vergangenheit als Mann hattest gelingen. Ich wünsche das Dir ein Neuanfang gelingt und drücke Dir ganz fest die Daumen. Daniele
[05.10.19 / 17:11] Drea Doria: Meine liebe Morgana,
bin 5 T post all-in-one-FzF-OP. Deine guten Wünsche haben geholfen. Der Koch ist immernoch noch super. Alle hier sind herzlich und nehmen sich Zeit.
Herzlich
Drea
[14.06.19 / 12:57] Drea Doria: Meine liebe Morgana,
vielen Dank für Deine offenen und kritischen Erlebnisberichte. Ich bin in 3 Monaten in Sanssouci zur FzF-OP. Ich denke auch, was kann schon schief gehen, status quo geht nicht und irgendwas besseres wird wohl resultieren. Wenn es Dich interessiert, halte ich Dich informiert. Drücke mir die Daumen.
Herzlich
Drea
[14.11.17 / 20:13] Morgana LaGoth: Nutzungsbedingungen für die Kommentarfunktion: Die Seitenbetreiberin behält sich das Recht vor, jeden Kommentar, dessen Inhalt rassistisch, sexistisch, homophob, transphob, ausländerfeindlich oder sonstwie gegen eine Minderheit beleidigend und diskriminierend ist, zu zensieren, zu kürzen, zu löschen oder gar nicht erst freizuschalten. Werbung und Spam (sofern die Seitenbetreiberin dafür nicht empfänglich ist) wird nicht toleriert. Personenbezogene Daten (Anschrift, Telefonnummer) werden vor der Veröffentlichung unkenntlich gemacht.
1