Ein sonniges Wochenende im Februar, Sonnabend Morgen … das Wetter hält?
[18.02.24 / 23:50] ✎ Ein sonniges Wochenende im Februar, Sonnabend Morgen … das Wetter hält? Die Sonne kommt noch raus? Ich habe ganz kurzfristig erfahren, dass diesen Nachmittag noch eine Demo in Magdeburg sein könnte – eine Demo gegen Rechts! Wie so viele die letzten Wochen zuvor, in ganz Deutschland, jetzt auch hier in Sachsen-Anhalt.
Ein breites Bündnis hat aufgerufen, zu breit, ich werde niemanden aus meinem Bekanntenkreis erwarten. Ich scherze noch: Wenn die AfD da nicht eingeladen ist, gehe ich nicht hin! In der Realität ist mein Umfeld viel zu sehr links, als dass sie bei irgend etwas teilnehmen würden, was von Parteien, Gewerkschaften und allen anderen mittig orientierte Institutionen organisiert oder unterstützt wird. Ich bin da, ich will dahin, mir ist es egal, jeder Mensch zählt. Wenn da mehr als zwanzig auftauchen, ist das schon richtig gut für dieses faschistische Drecksnest.
Den Regionalzug eine Stunde früher habe ich schon verpasst, ich lasse mir nach dem Frühstück genug Zeit. Ich nehme das Auto und bin auch so gegen 11 Uhr den späten Sonnabend Vormittag am Hauptbahnhof von Magdeburg. Mein Auto stelle ich wieder irgendwo in einem Parkhaus ab. Ich bin zu früh. Nicht mal mehr als zwei Polizeifahrzeuge sind auf dem einsamen Vorplatz zu sehen. Einen teuren Kaffee und ein Schokocroissant später auf der Sitzbank draußen … wenn ich schon einmal hier bin (und es noch ewig dauert, bis es losgeht), könnte ich doch auch noch Einkaufen gehen.
Zurück in die Einkaufspassage gegenüber dem Hauptbahnhof, der eine Klamottenladen hat ein schönes, grünes T-Shirt einer nicht näher genannten US-amerikanischen Marke … leider finde ich in dem ganzen Stapel nur noch die Größe XXL. Zurück nach draußen, es tut sich immer noch nichts auf dem großen Vorplatz – ohne anzuhalten drehe ich meine Runde von dem einen Ausgang wieder in den anderen Eingang des Einkaufstempels. Ein Schuhladen, hinten die Regale mit den Outlet-Angeboten, davor die „Boutique-Sneaker“.
Die letzten zwei oder drei Jahre blieb ich immer mit meinen Augen an den Vans hängen … kaufe ich sie mir irgendwann? Könnte das etwas für mich sein? Sind die szenetypisch und könnte ich mich damit in der Gothic-Szene blicken lassen? Oder werde ich dann merkwürdig angesehen? In meiner Plattensammlung habe ich auch ein paar Hardcore-Sachen, eine Scheibe ist sogar der (späteren) Skater-Hardcore-Punk-Szene zuzuordnen. Bei den Punk-Konzerten sehe ich in letzter Zeit immer häufiger Leute in diesen schwarz-weißen Turnschuhen herumlaufen. Aus meinem Bekanntenkreis weiß ich, dass sie äußerst bequem sein sollen. Ich probiere zwei Paare an, jeweils die eine Seite Hi-Top-Sneaker mit Plattform, die andere Seite ohne die erhöhte Sohle. Tatsächlich gefällt mir die Seite mit dem Plateau an meinem Fuß besser (wahrscheinlich sind sie durchgehend gepolstert und nicht nur hinten die Ferse). Ich kaufe sie! Verdammte YouTube-Influencer …
Mit dem Plastebeutel und dem Karton darin, verlasse ich wenig später wieder den Konsumtempel. Draußen sind jetzt schon viel mehr Menschen – und Polizisten. Meine neuen Turnschuhe (mit denen ich auch auf jeder nächsten Demo den Sommer latschen könnte) lasse ich in einem Schließfach unten in der Bahnhofsunterführung. Draußen bricht die Sonne aus den Wolken hervor und die Kundgebung beginnt. So irgendwann die eine Stunde nach Mittag.
Der Demozug setzt sich wenig später in Bewegung … es ist so still. Vielleicht sind es schon an die ein- oder zweitausend Menschen, wirklich breit gestreut, die schönen Menschen, nicht die hässlichen. Aber für mich ist es ungewohnt, finde ich mich sonst in einem schwarzen Block wieder, mit Seitentransparenten, ein paar Knaller, Flaschenwürfe, zerspringendes Glas und lauten Sprechchören – wirkt dies hier wie ein angenehmer Spaziergang. Die Polizisten sind bestimmt auch froh, eine friedliche Bürgerbewegung, da gibt es nicht viel zu tun … außer die wenigen, aufrichtigen Menschen vor faschistischen Idioten mit Gedankengift und Hass im Kopf zu beschützen. Von Störern bekomme ich nichts mit (die gibt es nur auf den CSDs).
Regenbogenfahnen, Antifa-Flaggen, Parteien – Links und Mitte, diverse Gewerkschaften. Ich orientiere mich an den paar, die dann doch ein paar Sprechchöre anstimmen und biege mit den anderen und den bunten Regenbogenflaggen auf dem großen Domplatz ein. Die Demo war eigentlich viel zu kurz für die paar vier Ecken rund um die Innenstadtstraßen von Magdeburg. Egal, die Sonne scheint, ich trage sogar meine übergroße Sonnenbrille (und meinen plüschigen, grau-schwarzen Mantel).
Hinter mir der Dom, die Demo vom letzten Jahr, da drüben stand ich mal. Ich glaube, jetzt wurden hier mit zwei- bis dreitausend Menschen doch mehr mobilisiert, als letzten Sommer hier die Rechtsnationalen waren (oder für was auch immer die sich halten, ich bin da szenefremd). Redebeiträge, die aktuelle CDU-SPD-(et.al.)-Koalition, was doch einige vom Kommen abgeschreckt hat, die Kirche, die Gewerkschaften und ein paar der Vertreter der Uni und der Hochschule mit den noch besten Texten (ich bin aber auch beeinflusst, als ehemalige Studentin). So wie sich die Sonne über dem Dom schiebt und den gepflasterten Platz in immer schöneres Licht taucht, verschwinden immer mehr Menschen, und als die Demo / politische Veranstaltung den Nachmittag offiziell beendet wird, ist nur noch ein kleiner Haufen übrig. Immerhin war wenigstens jemand da. Das wird noch hässlich werden bei der nächsten Landtagswahl (ich fürchte schlimmes).
Ein Eis im schönsten Sonnenschein, die Menschen verstreuen sich, die Schlange vor dem italienischen Eiskaffee um die Ecke ist noch lang. Ich setze extra meine Sonnenbrille noch einmal auf und verschlinge schnell die Kugel Stracciatella auf der Waffel. Weiter den Nachmittag zu der anderen Einkaufsmeile ein paar hundert Meter entfernt (dort wo mein Auto parkt).
Hier gibt es den einen Laden mit dem US-amerikanischen Modelabel, vorher noch schnell einen indischen Schnellimbiss, weiter hinein in die prallgefüllte Shopping-Mall. In dem Laden erzähle ich dem Verkäufer, dass die da in dem anderen Laden so ein schönes, grünes T-Shirt hatten. Er kommt wenig später aus dem Lager zurück und zeigt mir ein Exemplar – in meiner Größe. Es ist sogar noch schöner mit dem leicht veränderten Flock-Print auf der Vorderseite und dem Glitzer drumherum (das würde sicher bestimmt gut zu meinen neuen Sneakern passen). Ich kaufe es! Nach dem Anprobieren in der Umkleide fliegt meine Plastikkarte erneut über das Bezahlterminal. Weiter die Rolltreppen hoch und runter über die anderen beiden Etagen und die vielen Geschäfte (aber ich werde nichts weiter einkaufen). Die Sonne nähert sich langsam dem Untergang. Zurück zu Fuß zu dem Schließfach am Hauptbahnhof und denselben Weg wieder zurück zu dem Einkaufszentrum mit dem Laden von eben und mit dem Fahrstuhl runter in die Tiefgarage zurück zu meinem Auto.
Den Beutel mit dem Schuhkarton lege ich in den Kofferraum, mein neues T-Shirt ist auch mit dabei. Es ist bestimmt zweiundzwanzig Grad hier unten und mein Wollmantel und mein Schal und meine gefütterte Steppjacke und mein schwarzer Kaschmirpullover waren vielleicht doch etwas zu viel für heute. Mit dem Auto die fünfundzwanzig Kilometer zurück nach Hause.
Antifaschismus ist auch Kapitalismuskritik? Mein Konsumfetisch und mein Ziel, mein gesamtes Vermögen in die schlimmsten und profitabelsten Dinge zu investieren, um innerhalb der nächsten drei Jahre zu den obersten zwanzig Prozent zu gehören, steht vielleicht etwas in Konflikt zueinander – zu meinen links-grünen Idealen.