Bei dem ganzen Trubel um meine HPV-Infektion ist fast untergegangen, daß mir die Klinik in Potsdam schon einen Termin für meine geschlechtsangleichende Operation genannt hat - Ende Juni wird mein zweiter Geburtstag.
[24.02.18 / 17:24] ✎ Bei dem ganzen Trubel um meine HPV-Infektion ist fast untergegangen, daß mir die Klinik in Potsdam schon einen Termin für meine geschlechtsangleichende Operation genannt hat - Ende Juni wird mein zweiter Geburtstag. Zurück nach Leipzig, mir fehlt noch die OP-Indikation. 11 Uhr den Freitag Vormittag ist mein Termin in der Uniklinik für Psychiatrie und psychosomatische Medizin, ich bin schon 15 Minuten vorher da und ziehe mir einen doppelten Espresso aus der Kaffeemaschine der Cafeteria. Das Gespräch mit dem Gutachter (hier nur "Dr. S." genannt) verläuft ziemlich unkompliziert ... ein paar Eckdaten aus meinem therapeutischen Lebenslauf und ich bin in weniger als 30 Minuten wieder draußen - mit dem A4-Blatt für die OP-Indikation in der Hand (bzw. in meiner Dokumententasche in der ich wieder 90 Seiten Gutachten und anderes vorher ausgedruckt hatte). So ziemlich jeder transsexuelle Patient (oder Patientin) in Leipzig trifft den Dr. früher oder später auf seinem (oder ihrem) Transitionsweg.
Zurück in die sonnige Eiseskälte nach draußen gegen Mittag ... irgendwie noch unglaublich viel eingeplante Zeit über - das Möbelhaus an der alten Messe ist gleich ganz in der Nähe und ich bin immer noch auf der Suche nach einer federleichten Couch für meine kleine Wohnung in der obersten Etage. Ich laufe das Möbelhaus ab, kreuz und quer ... nichts, was mir wirklich gefällt. Nichts filigranes, nichts, das so leicht aussieht, daß es in die Lounge eines Zeppelins passen würde - der Preis spielt schon gar keine Rolle mehr, ich würde mir auch einen "Corbusier" in meine Wohnung stellen. Nach gefühlt einer Stunde gebe ich auf, weiter in die Abteilung für Geschirr und Küchenzubehör, einen Frustkauf tätigen ... mir fehlt noch ein Brötchenmesser und eine Teetasse mit Untertasse aus Kahla Porzellan in "Blau Saks".
Den Nachmittag weiter auf den Straßen von Leipzig ... wo könnte ich wohl noch nach einer federleichten Couch suchen? Vielleicht in dem Baumarkt, wo auch meine leichten Bistrostühle aus Aluminium her sind. Ich parke mein Auto in dem zentralen Baumarkt in der Gegend des Hauptbahnhofs. Beim Betreten und Ablaufen der Gartenabteilung fällt mir eine Bambusbank auf ... probesitzen, kann ich mich bequem darin "hineinlümmeln"? Funktioniert. Abmessen mit Arm und Schulterlänge ... zu groß für mein kleines Auto? Ich laufe zwischen dem Parkplatz draußen, meinem Auto und der Gartenabteilung hin und her, schätze den Platz in meinem Auto ein (und ich habe immer noch die Fähigkeit, mir Dinge dreidimensional vorzustellen und rotieren zu lassen, 2D-Tetris sei Dank). Gespräche mit den Kundenberatern ... für eine Anlieferung der Sitzbank sind nur Termine in der Woche frei und der zu mietende Transporter mit Pritsche ist für meinen Transport viel zu überdimensioniert. In der Musikbeschallung des Baumarkts läuft in diesem Moment "Eye Of The Tiger" ... ich versuche es! Irgendwie wird es schon funktionieren! Kurze Zeit später stehe ich den Nachmittag mit der Bambusbank vor meinem 2-Sitzer-Roadster, räume meine ganzen Sachen vom Beifahrersitz in den Kofferraum, öffne das Verdeck und stelle die Bank hochkant auf den Beifahrersitz. Alle Fenster unten, was zu breit ist, ragt seitlich raus, das Gestell halbwegs mit dem Gurt fixiert. Ich wickle meinen Schal nochmal eng um den Hals und quetsche mich, dick angezogen mit meinem Wollmantel auf den Fahrersitz. Die Sonne scheint und es ist um die Null Grad (vielleicht sogar darunter). Es sieht wieder sehr abenteuerlich aus, wie ich meine Möbel in dem Roadster transportiere, die untere Hälfte der Bank auf dem Beifahrersitz, die obere Hälfte weit in den blauen Himmel ... wenigstens ist die Bambusbank sehr leicht und durch das Geflecht weht ungestört der eiskalte Fahrtwind. Zurück zu meiner Wohnung, die Bambusbank ist wirklich so leicht, ich kann sie mit einer Hand anheben und ohne Mühe die 5 Etagen zu meiner Dachgeschoßwohnung hinauftragen. Was jetzt noch fehlt, sind ein paar schöne flauschige Kissen. Zurück zum Möbelhaus.
Als ich nach gefühlt einer weiteren Stunde mein Ensemble an farblich passenden Kissen und Decken zusammengestellt habe, geht auf dem Parkplatz des Möbelhauses die Sonne unter ... ich bin im Kaufrausch - zurück in die Innenstadt, einen Kaffee oder Tee trinken und endlich nach dem einen Ski-Pullover in Schwarz-Weiß und Strickmuster suchen, den ich eigentlich das letzte Mal in den Kaufhäusern der Innenstadt kaufen wollte (wo ich stattdessen das schwarze Wollkleid gefunden habe). Glück für mich (Glück für die Verkäufer), ich finde tatsächlich genau das, was ich suche - sogar in meiner Größe ("S" wenn es größer ausfällt). Die Sonne ist schon längst weg, in der Dunkelheit des Abends laufe ich wieder zurück zu meinem Auto in dem Parkhaus am Bahnhof, nicht ohne unterwegs noch schnell etwas Asiatisches zu essen.
Zurück in meiner Wohnung, die Bambusbank etwas von dem Staub des Lagerregals des Baumarktes befreien und die neuen Kissen und die Unterdecke darauf plazieren. Ich schiebe so lange an den Stühlen und meiner Couch umher, daß ich dabei die Zeit vergesse. Irgendwann so gegen 22:30 Uhr kann ich mich davon losreißen und mich ausgehfertig machen ... interessanterweise ziehe ich für diesen Tag das zweite Mal meinen schwarzen Kajalstrich, ich konnte den Vormittag beim Gespräch mit dem Dr. doch nicht darauf verzichten (die Tussi in mir war zu mächtig). Noch einmal zurück in die Innenstadt (was ich diesen Tag so mit dem Auto hin- und herfahre...), in der Moritzbastei ist eine kleine schwarze Gothic-Disco.
0:30 Uhr ... gedankenverloren schreibe ich meinem Freund eine Nachricht, "By the way - I have now a little couch." Keine Antwort von ihm. Ich bin infiziert, ich fühle mich jetzt irgendwie weniger wert, nicht mehr zum Sex zu gebrauchen. Habe ich mich in Tel Aviv angesteckt? Habe ich dann ihn angesteckt? Es fühlt sich richtig an, daß ich in der Disco alleine als Frau unterwegs bin, von niemanden angesprochen werde, keine meiner One-Night-Stands, keine meiner erotischen Abenteuer auf der Disco-Toilette ... so kann ich das Virus an niemanden weitergeben. 2 Uhr nach Mitternacht, ich hole meinen Wollmantel aus der Garderobe ("Beschreibe deinen Mantel" - "Schwarz"), setze die schwarze Kapuze meines Kapuzenpullovers auf, forme mit meinem dunkelgrünen Schal (der aus Florenz) ein iranisches Kopftuch und laufe in der Kälte der Nacht zurück zu meinem Auto in dem teuren, aber gut beleuchteten Parkhaus an der Oper ... 5 Grad unter Null, mein Atem kondensiert. Zurück in meiner Wohnung lege ich mich kurz nach 3 Uhr in mein Bett ... den Sonnabend Vormittag werde ich noch ein weiteres Mal meine Wohnungseinrichtung hin und her schieben, damit das mit der Bambuscouch, dem persischen Teppich, meinen Pflanzen und den Bistrostühlen endlich stimmig paßt, vielleicht kann ich dann den Sonnabend Nachmittag auf meiner Couch sitzen, eine Tasse Tee trinken und endlich den Couchtisch seiner eigentlichen Bestimmung zuführen - als Abstellfläche für die Untertasse, "Blau Saks".