morgana81 - gothic transgender

Sternzeit irgendwas, Logbucheintragung des Captains:

[01.01.70 / 00:00] Sternzeit irgendwas, Logbucheintragung des Captains:

[22.07.24 / 23:41] „Da das letztes Wochenende nichts geworden ist (war nur Konzert für mich), will ich diesen Abend und diese Nacht irgendwo in Magdeburg tanzen gehen. Das schwarze Abendkleid vom letzten Wochenende kommt erst morgen mit in die Wäsche, das geht nochmal.“ Notiz an ihn, den Sonnabend eine Woche später.
Wird er mitkommen? Ich glaube nicht, wir kommunizieren mit unseren Textnachrichten aneinander vorbei. Das wird mein Abend und meine Nacht. Ich muss mich mit niemanden treffen, ich muss niemanden kennenlernen. Ich gehe aus, einfach nur so für mich. Das schwarze One-Shoulder-Kleid hänge ich raus in den Garten, zum Lüften … mehr wegen des penetranten „Ersatz-Waschmittel-Geruchs“, die Packung für Schwarzes – und nur für äußerste Notfälle – ganz hinten im Kellerregal der Waschküche. Die anderen beiden Packungen waren vor sieben Tagen leider leer. Die Netzstrumpfhose lasse ich weg. Als Höschen untendrunter, wähle ich das feine in Spitze … das wollte ich schon letztes Wochenende tragen.
Für diese Nacht, ich fahre nicht weit, habe ich mir einen Club in Magdeburg ausgesucht, Independent- und Achtziger-Jahre-Party. Vielleicht treffe ich dort auf andere Gothics? Sonst gibt es ja nichts hier in dieser Gegend. Den Tag verbringe ich so, viel zu heiß … Wohnung ganz leicht Ecken- oder Häufchenweise aufräumen. Später den Abend, gehe ich in mein Badezimmer.
Beine vorrasiert habe ich schon den frühen Mittag, bevor ich die Dusche nehme, wird noch einmal mit einem anderen Apparat fein nachrasiert, alles maschinell und trocken. Die Dusche mit dem schweren Parfüm, Haare trocknen, Kleid überziehen, mehr Parfüm (vorher). Am großen Spiegel hänge ich die LED-Lichtleisten auf, zur optimalen und schattenlosen Ausleuchtung – die hatte ich schon in Leipzig in meiner Wohnung.
Make-up-Utensilien auf dem Waschtisch vorbereitet: Kajal, Mascara, kleine Bürste und kleiner Pinsel. Den schwarzen Kajal-Stift kurz angespitzt – am Ende des Augenlids ein kurzer Strich mit Schwung nach oben, ein zweiter darunter, spitz zulaufend und verbunden mit dem oberen. Das gleiche wiederholt mit dem anderen Auge, der jetzt nicht mehr so angespitzte Kajal tupft die kleine, im Idealfall dreieckige Fläche schwarz. Am oberen Augenlid selber ziehe ich damit eine gestrichelte Linie – so wie ich das schon die letzten zwanzig Jahre mache. Schwarzer Mascara, die Wimpern aufgebürstet, die unteren etwas benetzt. Anschließend mit dem kleinen, schmalen Pinsel die schwarze Farbe zu einem rauchigen Finish verblendet, die seitlichen Enden links und rechts am Augenlid fein auslaufend … danebengegangene Mascara-Klümpchen irgendwie verschwinden lassen, ohne dass sie große, schwarze Schatten bilden, die alles wieder ruinieren. Und jetzt setze ich meine Brille auf, um das Ergebnis im Schein der LED-Lichter zu begutachten … früher hatte ich wenigstens noch Kontaktlinsen.
Meine Bikerjacke greifen, die beiden Paar Schuhe – die Keilsandaletten zum Fahren und die schwarzen Plateausandaletten für den dramatischen Auftritt – ich fahre mit meinem Roadster nach Magdeburg. Eine große Handtasche habe ich dieses Mal nicht dabei, es muss alles irgendwie in die Clutch passen. Mit dem Sonnenuntergang hinter mir, zur Elbe, zur Strandbar in dieser Stadt, mein Lieblingsort, da kann ich nichts falsch machen.
Ich kenne mich aus, ich kenne den Weg, ich parke mein Auto auf dem großen Parkplatz oberhalb der Flussuferpromenade … sofern ich einen Parkplatz finde. Die Temperaturen sind so heiß und so sommerlich, das Strandlokal, bzw. die Bar, ist voll. Viele Menschen, einige der Damen wirklich schick angezogen, elegant für die Nacht. Andere Gäste (insbesondere Männer) in ihrem schlichten Freizeit-Look. Ich habe nicht das Gefühl, dass ich in meinem kurzen, schwarzen Abendkleid und der kleinen Clutch irgendwie overdressed bin, ich passe hier ganz gut rein.
Ein Ipanema an der Bar, ein gerade frei gewordener Sitzplatz oben auf dem Holzdeck mit Blick runter zum Wasser. Ich schlürfe mein alkoholfreies Getränk, stochere mit dem Strohhalm zwischen den Limetten, den Eiswürfeln und dem Rohrzuckersirup. Eine kleine Spinne neben mir erregt meine Aufmerksamkeit, sie baut in dem Holzgeländer flink ein Netz … sie hat sogar eine kleine Babyspinne dabei, huckepack springt es ab und baut auch mit am Netz. Kleine Fliegen (und vielleicht sogar Mücken) verfangen sich.
Es ist dunkel geworden, es werden noch mehr Plätze frei. Ich zücke mein Smartphone und suche auf dem Navi nach dem besten Weg zu dem Club. Die empfohlene Route fahre ich nicht, ich kenne einen besseren Weg auf der kleinen Karte. Gegen 23 Uhr, mein Tisch abräumen lassen und wieder zurück zum Auto. Es ist immer noch heiß diesen Sommerabend
Am Club angekommen, mache ich einen ganz großen Bogen um diesen fiesen Bordstein. Letztes Jahr zu der Abschlussparty vom Magdeburger CSD habe ich mir hier fast mein Auto ruiniert – der Seitenschweller hat einen Lackschaden beim Einbiegen in die Kurve zu den Parkplätzen abbekommen, ist aber noch dran geblieben. Die laute Metal- und Hardrockmusik im Radio etwas leiser drehen, das Verdeck zuklappen, die Musik ganz ausmachen und aussteigen. Schuhe wechseln, Keilsandaletten zu Plateausandaletten. Meine Jacke bleibt im Auto. In den Seitentaschen mit Reißverschluss kann ich noch etwas aus meiner Handtasche auslagern.
Die Abendkasse des Clubs passiere ich wieder mit einer obligatorischen Ausweiskontrolle. Ob ihnen mein Geburtsjahr auffällt? Ü40. In dem Club sind schon einige, ziemlich junge Gäste. Getränk an der Bar draußen. Mate. Was sonst. Leider ist die Außentanzfläche diese Nacht nicht in Betrieb … das wäre es gewesen.
Drinnen, die eine Tanzfläche, gemischtes zwischen Indie-Rock, Crossover und Metal-lastiges. Die andere Tanzfläche, von der ich mir so viel für diese Nacht erhofft habe, spielt ein paar Achtziger-Jahre-Hits. Ich kenne die Setlist. Ein paar New Wave und Romantic Titel, ein wenig tanzen. Bei NDW-Fetenhits verschwinde ich an der Bar, neues Getränk in der Flasche holen. Zwischendurch die Toiletten. Erst war ich da noch ziemlich alleine, im Laufe der Nacht werden sie natürlicherweise voller. Ich muss ganz dringend mal, nervös kreuze ich meine Beine. Eine Schlange vor der Frauentoilette – keine Schlange vor der Männertoilette? Um das zu erfahren, muss ich in die Männertoilette gehen. Mit meinem kurzen, schwarzen Kleid und den langen, blonden Haaren falle ich da sicher nicht auf. Ich schlängel mich so an den Herren an den Pissoirs vorbei. Mist. Auch hier sind die Toilettenkabinen besetzt. Ich kann die hinteren Enden der Schuhe der Männer darin sehen, wie sie in ihrer Privatatmosphäre in die Becken zielen. Ich werde angesprochen, ich falle doch auf, das ist die Männertoilette. „Ich bin variabel. Ich kann hier und da.“ In meiner tiefsten Stimme. Warum sage ich das? Erhoffe ich mir einen Vorteil und Akzeptanz unter den Männern? Ich sollte hier nicht sein, niemand sieht mehr, dass ich früher etwas anderes war. Mit viel Mitleid stehe ich danach wartend in der Schlange der Frauen vor der Damentoilette. „Drüben die Kabinen sind alle auch besetzt.“
Draußen, mein Sitzplatz auf einer Bank, ich beobachte die Gäste … viel Schwarzes, viele Band-T-Shirts, einige mit Sandaletten, andere junge Damen in Chucks und Vans. Nicht alles, was Schwarz und Nietengürtel trägt, muss Gothic sein – es gibt da noch mehr in Richtung Hardcore, Punk und Crust. Ein Plakat an der Eingangstür ist mir aufgefallen, nächste Woche könnte hier was mit Wave sein. Ich stelle mein Getränk neben mir auf der Bank ab. Wie lang bleibe ich noch, wie spät ist es, drei Uhr? Ein anderer Mann setzt sich zu mir … Schon wieder ein Betrunkener. Er beginnt ein Gespräch mit mir, warum nicht? Entspannt antworte ich auf seine Fragen. Ein Gespräch entwickelt sich – es stellt sich heraus, dass wir dieselben Freunde haben (zumindest die eine Person, über die wir uns danach unterhalten).
Er scheint ganz lustig und interessant zu sein, sieht auch nicht so „nicht ansprechend“ aus, könnte vielleicht sogar mein Typ sein? Immerhin die Zigarettenmarke, die er raucht, gehört zu den besseren, die ich passiv inhaliere. Die Sonne geht auf, die Stunde vorher weicht das Blau der Nacht dem Schein des Morgens. Mir wird es doch etwas kühl in meinem Kleid. Ihm ist aufgefallen, dass mein Sex-positives Outfit so gar nicht zu meiner zurückhaltenden Natur passt. Das habe ich für mich angezogen, weil ich mich darin einfach wohl fühle.
Bevor der Club um sechs Uhr den Sonntag Morgen schließt und die letzten Gäste das Areal verlassen, sitzen wir zusammen in meinem Auto und unterhalten uns noch weiter. Ab und zu streift er mir durchs Haar, ich blicke ihn nicht an. Verlegene Körperberührungen, traut er sich nicht? Alles könnte passieren, ein Moment und ich öffne mich ihm total. Ich spüre, dass ich mehr zulassen könnte. Er ist sich nicht sicher. Er bietet mir an, mir seine Telefonnummer zu geben. Ich ziehe mein Telefon aus der Tasche und tippe sie ein. Die Sonne ist am Horizont aufgegangen, wir können sie durch die Windschutzscheibe dort hinten zwischen den Bäumen sehen. Er ist mit dem Fahrrad hier, es steht da angekettet an einem Zaun über der Straße.
Ein Abschiedsmoment, er steigt aus und ich möchte auch aussteigen, ihn wenigstens umarmen. Vor meiner Tür am Auto drücken wir uns. „Mach's gut. Du hast meine Nummer.“ – „Nein, ich habe dir meine gegeben.“ – „Oh, ach so …“ Ich bin leicht verliebt. Ich kann ihn unten „spüren“ … bei der Umarmung. Er geht zu seinem Fahrrad, ich starte meinen Motor. Zurück nach Hause, zurück zu meinem Bett. Wie gewohnt, alles wieder auf die Couch werfen, im Bad verschwinden, Mascara und Kajal aus den Augen wischen. 6:45 Uhr, ich kann schlafen.

[15.07.24 / 00:04] Ich parke da, wo ich immer parke, die kleine Seitenstraße, in der niemand wohnt. Alles umpacken, nur das Nötigste – Smartphone, Bargeld, Haarkamm, Deo und schwarzes Augen-Make-up kommt mit in meine Leder-Clutch. Die Handtasche selbst landet mit der Tragetasche im Kofferraum – neben meinem Schlafsack. Der Parfümstoß kopfüber auf den Nacken und meine blonden Haare, ich greife meine Bikerjacke, verriegel das Auto und gehe zu dem Club. Niemand ist hier? Keine Schlange? Auf dem Plakat an der Hauswand des alten Industriegebäudes steht es: Einlass für das Festival heute Abend, 20 Uhr. Verdammt. So viel Stress für nichts. Es ist 19:15 Uhr und ich habe noch eine ganze dreiviertel Stunde zum Vertrödeln übrig. Zurück zum Auto, meine große Sonnenbrille holen, etwas Wasser trinken, danach wieder zu dem Club und die ganzen Graffiti an den gemauerten Häuserwänden bewundern.
Nach und nach kommen tatsächlich noch ein paar mehr Leute, meine Befürchtung, die Schlange an der Abendkasse sprengt den ganzen Block, war mehr als übertrieben. In einer entspannten Atmosphäre öffnet sich die Tür und die ersten Handvoll Gäste können ihren Eintrittsstempel abholen. Ich bewundere weiterhin die vielen Veranstaltungsplakate in dem Eingangsbereich zur Kasse.
Den Club ablaufen, du kennst die Gegend, warst hier schon so viele Male. Unten die Bar, die Bühne, der Merchandise. Oben die Toiletten und die andere Tanzfläche. Beide Tanzflächen sind für diesen Abend und diese Nacht geöffnet – ich wünschte, er würde mir eine Nachricht schreiben, mir die Sicherheit geben, die ganze Nacht bis in den Morgen durchtanzen zu können, mit der Möglichkeit, nur wenig später in ein Bett zu fallen. Er wird mir nicht schreiben.
Ein Mate-Getränk an der Bar, wieder draußen stehen … Was ist das? Ein stacheliges Gewächs an der Holztreppe piekst mich in meine blanken Beine in die Maschen meiner Netzstrumpfhose. „Au.“ Den Jungs vor mir weise ich auf die Gefährlichkeit dieser Pflanze hin. Diese Jungs werde ich wenig später auf der Bühne wiedersehen.

Goth Girl geht aus
Der Vorhang wird aufgezogen und die erste Band des Abends beginnt zu spielen. Ein brachiales Post-Punk-Gewitter voller Energie! Die Jungs, von denen ich vorhin dachte, denen willst du lieber nicht im Dunkeln auf der Eisenbahnstraße begegnen, sind eine Band. Bias. Vorurteile täuschen. Die kleine Halle, der Raum vor der Bühne füllt sich und es wird eine Wahnsinns Show. Die muss ich mir unbedingt merken. Ich habe einen Flyer mit eingesteckt, ich sammle hier alle Flyer, die so herumliegen.
Keine Zugabe, entweder der Zeitplan ist zu eng, oder sie haben noch nicht so viele Titel. Die Wartezeit zur nächsten Band verbringe ich mit dem Besuch der oberen Etage neben den Toiletten. Mein Plakat hängt da immer noch an der Wand, das eine Post-Punk-Konzert wo ich mal war, Mitte der Zweitausender. Für diese „linksalternative Begegnungsstätte“ und ihr fünfundzwanzigjähriges Jubiläum hängen ein paar liebevoll dekorierte Schautafeln in der Etage auf dem Flur. Interessiert betrachte ich sie, die amüsanten Rivalitäten zwischen Plagwitz und Connewitz, der ganze Trouble mit den Grünen in Uniform und der ganzen Staatsmacht. Das Haus war nie besetzt? Aber es hat den Charme.
Wieder unten, die nächste Band, draußen wird es allmählich dunkel. Drinnen ist es tropisch heiß. Sie singen ihre Texte in Russisch, ich verstehe nur drei Wörter. Irgendetwas mit Arbeit und Danke für nichts? Rabota, Spasiba, nitschewo … Der Sprache nicht mächtig, nur zur Musik applaudierend, noch mehr Post-Punk-Kram. Interessanterweise wird das Wort „Goth“ auf dem Flyer in keinster Weise erwähnt.
Als ich von der Toilette wieder runterkomme, läuft schon bedrohlich düstere Musik zu der nächsten Performance. Shibari. Ich muss sie hier schon einmal gesehen haben, vielleicht erinnere ich mich nur nicht, weil alles im dunklen Bühnennebel untergegangen ist. Ich finde einen Platz in dritter Reihe, vorne die Gäste setzen sich schon hin. Ich verfolge aufmerksam die Darbietung, mindestens genauso gefesselt, wie die Frau auf der Bühne in dem knappen, schwarzen Outfit und ihr Begleiter im vollkommenen Latex (nehme ich an). Es ist faszinierend, ihn dabei zuzusehen, wie er aus ihr ein Mobilee strickt und mit ihr spielt. Die beiden müssen sich wahnsinnig viel vertrauen, sie hängt in anderthalb Meter Höhe gefesselt in der Luft. Könnte ich das auch? Sie braucht eine gewisse, athletische Körperspannung und leidenschaftliche Hingabe für diese formvollendete Ästhetik. Fein abgestimmt und verknotet durch ihren erfahrenen Begleiter. Tief durchatmen für das Publikum, als sie wieder ganz langsam den Boden berührt. Ich hätte niemanden, den ich so vertrauen könnte.
Ein weiteres Mate-Getränk, die paar Minuten vor der Tür. Meine Bikerjacke kommt hier zum Einsatz, die ich sonst in dem Club zusammen mit meiner Clutch über den Arm halte. Der Headliner steht noch an. Der Typ aus Glasgow, der gar nicht aus Schottland kommt, aber richtig gut Synthesizer spielen kann. Ich habe ihn schon mehrmals live gesehen, bewundere seine Fertigkeiten auf der Bühne, natürlich stehe ich wieder weit vorn. Vier, fünf Synthesizer, hier ein paar Regler, dort ein paar Drehknöpfe. Benutzt er einen Synthesizer wirklich nur für einen einzigen Effekt? Ein paar Titel die er spielt, gehören auch mit zu meinen Lieblingstiteln von ihm. Ein neuer Titel, den ich aber schon auf seiner Internetpräsenz gehört habe, gefällt mir auch noch viel mehr. Ich wünschte, ich könnte dann später an dem Merchandise-Stand ein weiteres Album von ihm kaufen, weiß aber nicht, auf welcher Platte dieser Titel ist. Und ich habe auch gar keinen Platz, die ganzen CDs und Vinylschallplatten zum Auto zu transportieren, nur in meiner kleinen Clutch unter dem Arm. Er spielt ein paar Zugaben, ich tanze schon seit dem ersten Titel. Es muss zwei Uhr nachts sein, als er sich von dem Publikum wieder verabschiedet und der große, schwarze Vorhang vor der Bühne ein letztes Mal zugezogen wird.
Was nun? Mein Freund hat sich nicht gemeldet (für den Leser, bzw. die Leserin, gemeint ist mein Langzeit-Liebhaber, ich verliere selbst den Überblick, da sind noch ein paar Männer mehr in meiner Kontaktliste), ich werde wohl mit dem Auto einsam auf der Autobahn wieder zurückfahren. Schön für mich, ich schlafe in meinem eigenen Bett, Pech für mich, damit ich das schaffe, muss ich auf das Tanzen verzichten und hier schon in wenigen Minuten abhauen. Ich tanze wenigstens noch drei Titel auf der beginnenden Disco-Nacht. Italo-Disco. Mein Favorit. Ich weiß, dass in einem Club ganz in der Nähe schon seit Mitternacht und bis in den frühen Morgen diese Spielart der elektronischen Musik aufgelegt wird. Das wäre mein Plan B gewesen, hätte ich es hier nicht bis rein geschafft. Etwaiger Einlassstopp wegen Überfüllung.
2:30 Uhr, zum Auto. „Abmarsch.“ Mit demselben Tempo, wie ich den Nachmittag hierher gekommen bin, rase ich die Nacht auf der Autobahn auch wieder zurück. Die Musikanlage weit aufgedreht, die Synth-Wave-Klänge und die Beats hämmern mich wach. Jedes Auto wird gnadenlos überholt und vorbeigerauscht, noch schnellere Autos rauschen an mir vorbei. „German Autobahn!“ 3:55 Uhr und ich betrete die Räume meiner Wohnung, irgendwo weit abseits in der tiefsten Sachsen-Anhaltinischen Provinz.
Meine beiden Taschen werfe ich einfach so auf die Couch. Die Netzstrumpfhose abstreifen, das Kleid und die Jacke auf einen Bügel hängen. Im Bad den schwarzen Kajal und das Mascara in einem Abschminktuch fangen … mich im Spiegel betrachten. Du kennst das, du machst das schon dein ganzes Leben. „Und, hast du mal mit jemanden gesprochen, hast du mal jemanden kennen gelernt? Nein.“ Wieder nicht. Ich schau mir ins Gesicht und ich weiß, es gibt nur einen möglichen Grund dafür: Du musst potthässlich sein. Ganz bestimmt.
Ich werde, wenn überhaupt, auf Discos und in Clubs nur von sturzbetrunkenen Männern angequatscht. Könnte es sein, dass ich vielleicht zu hübsch bin und die sich nicht an mich herantrauen? Jedes Mal, wenn diese Argumente aufkommen, betrachte ich mich mehr im Spiegel. Mein Standardspruch jeden Morgen und jeden Abend: „Hast du dich schon mal im Spiegel gesehen? Du bist hässlich.“ Was das mit sich bringt, ich habe nichts zu verlieren, ich kann mir als Ausgestoßene aus der Gesellschaft alle Freiheiten nehmen, ich muss niemanden gefallen. Ich mache das Beste aus dieser Situation … glaube ich zumindest. Ich bin das ganze Thema schon so oft durch, so viele Jahre. Vielleicht erreiche ich mal einen Punkt, an dem mir das ganze beziehungslose Dasein wirklich egal sein kann, aber dann kommt immer mein romantisches, naives Ich durch: „Wenn du achtzig bist, dann wirst du dich zum ersten Mal richtig verlieben, ganz bestimmt!“ Ins Bett fallen, dunkle Vorhänge zu, den fröhlich-doofen, sonnigen Sonntag Morgen aussperren und draußen lassen. Bitteren Sarkasmus wieder aktivieren. (Ende Teil 2/2)

[15.07.24 / 00:03] Pfingsten habe ich ein Plakat gesehen, ein Festival der befreundeten, anderen Veranstaltung im Umfeld des kleinen Gothic-Festivals, es ist wieder in der einen Location irgendwo in Plagwitz, die mit dem linksautonomen Charme. Datum in meinem Kalender notiert, wer auftritt, wer der Headliner ist – der Kanadier aus Schottland oder der schottische Kanadier – alles klar. Nur wann das dann den Sonnabend im Juli losgeht, wann der Einlass ist – das steht da nicht? Gefühlssache, könnte schon nachmittags sein, könnte aber auch erst abends sein … die eine Bondage-Performance, mit aufgelistet auf dem Plakat, bringt mich etwas ins Grübeln, ich glaube, die habe ich da schon einmal gesehen – und das war abends.
Die Tage vor dem Wochenende, meine Liste der Outfits für Pfingsten, mein ganzer Bestand im Kleiderschrank – ich will unbedingt das schwarze One-Shoulder-Kleid wieder tragen, es muss da schon ewig an der Seite hängen. Wann hatte ich das das letzte Mal an? Bestimmt pre-OP. Schnellwäsche in der Waschmaschine, zusammen mit meiner schwarzen Baumwolljacke im Bikerstil – die hatte ich auch schon lange nicht mehr an. Zurückgesetzt in meine frühen Dreißiger, kombiniere ich mein Outfit weiter. Schuhe – die Pumps, die Plateaus, die anderen schwarzen Schnürschuhe mit moderaten Absatz? Mein Favorit sind die Sneaker – bestimmt trägt den Abend jeder so ein paar Turnschuhe in dem Club. Es ist heiß und offene Sandaletten will ich zwischen den Punks vor der Bühne nicht tragen. Draußen vor dem Wäscheständer mit den frischgewaschenen Sachen kommen mir beim Kombinieren noch mehr Gedanken … zwischen den Hi-Top-Turnschuhen und dem schwarzen Kleidchen passt bestimmt super die Netzstrumpfhose dazu, die schwarze mit dem groben Fischnetzmuster … und dann noch die Bikerjacke. Outfit steht.
Ich will tanzen, ich will auf ein Konzert, ich will Männer treffen, die Nacht irgendwo verbringen, den Morgen in einem fremden Bett aufwachen, wen rufe ich da an, wem schicke ich eine Nachricht, wen kenne ich in Leipzig? Da bist nur du, mein Langzeit-Liebhaber. Er reagiert auf meine Anfrage, natürlich kann er ein Zimmer organisieren, kein Problem. Ich muss nur dann, wenn ich den Sonnabend in Leipzig angekommen bin, ihm eine weitere Nachricht schicken. Vertraue ich ihm? Nicht wirklich. Ich schätze meine Unabhängigkeit, ich nehme das Auto, ich packe alles in den Kofferraum, das Kleid, meine Waschtasche, die Kosmetikutensilien, ein Schlafsack und ein großes Handtuch für alle Fälle. Zur Not mache ich mein gesamtes Make-up auf der Bahnhofstoilette. Alles minutengenau geplant, wo ich wann wie sein will und was ich da mache, jeder Schritt auf meiner Tour – und doch bin ich den Sonnabend wieder viel zu spät. Mit Tempo hundertvierzig nach Leipzig auf der Autobahn. Wenigstens habe ich es vorher geschafft, noch meinen ganzen Körper zu rasieren.
Präzise 16:30 Uhr am Leipziger Hauptbahnhof angekommen, ich parke mein Auto in dem öffentlichen Parkhaus, ich muss noch zum Geldautomaten und möchte noch einen Kaffee trinken. Dort kann ich ihm auch eine Nachricht schicken, dass ich angekommen bin. Ich bewundere wieder die große Jugendstil-Halle dieses imposanten Bahnhofsgebäudes, die Kaffeehauskette muss wahnsinnig viel an Miete zahlen. Vor mir an der Theke steht eine junge Frau und bestellt sich einen Kaffee und etwas Kleines zum Essen. Sie fällt mir auf – sie sieht wunderschön aus. Sie ist mindestens einen halben Kopf größer als ich – und das mit Keilsandaletten – ihr Outfit komplett in Pink, zusammen mit ihren langen, blonden Haaren. Ihre Stimme, als sie die Bestellung aufgibt, ist fast gar nicht zu hören, so leise, sie muss in ihrem Leben richtig fiese Dinge erlebt haben. Ich dagegen, ganz in Schwarz, Nietengürtel, Jeans und Top, gebe meine Bestellorder ganz anders ab: „Ey, Alter. Lass den Pott Kaffee rüberwachsen.“
Weiter oben auf der Empore, am Tisch, schlürfe ich meinen Cappuccino und drücke mir meinen Blaubeermuffin rein. In Gedanken spiele ich jede Situation durch, wie ich sie wohl am besten hätte ansprechen sollen, mit ganz viel Respekt, ohne merkwürdig zu sein. Wie hätte ich mich ansprechen lassen können, wenn ein Mann hinter mir in der Warteschlange gewesen wäre? „Ich übernehme das für die bezaubernde, junge Dame.“ Weg mit dem Gedankenspiel, mein Freund aka Langzeit-Liebhaber bekommt eine Nachricht. Wenn er jetzt nicht innerhalb von einer dreiviertel Stunde antwortet, muss ich umplanen, dann kann ich nicht irgendwo – wahrscheinlich in Connewitz – für meine Vorbereitungen ein Bad benutzen … und ihn wiedersehen.
Blicke auf das Telefon, ich schalte es an, ich schalte es aus. Minuten vergehen, die Wartezeit in der oberen Ecke des Cafés in dem großen Bahnhof. Ich werde zum Auto gehen, meinen ganzen Kram umpacken, was ich nicht brauche, landet im Kofferraum, was ich brauche, das Kleid zum Umziehen, die Rolltasche mit dem Make-up, kommt mit in die Handtasche und die große Umhängetasche. Geschirrrückgabe und ich mache mich auf den Weg durch das Bahnhofsgebäude.
An dem Automaten am Bahnhof-WC werfe ich den einen Euro ein und gehe durch die Drehtür nach innen zu den Kabinen auf der Seite für die Damen. Es ist laut, es kommen ständig Leute, kleine Kinder, der Boden der Kabinen ist bedeckt mit Klopapier. In der Enge manövriere ich mich aus der Jeans raus und in die Netzstrumpfhose hinein, barfuß balancierend auf ein paar Blätter frisches Klopapier. Die Sneaker wieder zugebunden, das schwarze One-Shoulder-Kleid übergezogen, zurecht gezupft, Top und Jeans verschwinden in der Tragetasche. Die Kabine verlassend, raus zu den Schminkspiegeln. In dem Dämmerlicht mit den ganzen kommenden und gehenden Frauen um mich herum, ziehe ich einen wackeligen Strich am Augenlid. Es sieht bestimmt ganz furchtbar aus. Der schwarze Kajal und die paar Brocken danebengegangener Wimperntusche werden großflächig verblendet mit dem kleinen Pinsel … so genau sieht das dann später im Dunkeln des Clubs keiner mehr. Zurück zum Auto, ich bin spät dran, wenn ich es noch pünktlich zum Einlass um 19 Uhr an der Abendkasse schaffen will.
Bis zum Bezahlautomaten geht alles gut, die eine Karte wieder in meine Geldbörse, die andere zum Rausfahren, behalte ich mit dem Autoschlüssel in meiner Hand. Kofferraum zu, alles drin, Motor starten, zur Schranke eine Etage tiefer zum Ausgang. „Wo ist meine Karte!“
Scheiße verdammt, ich hatte sie doch eben gerade noch! Dramatische Szenen spielen sich da jetzt die nächsten Minuten ab. Ich werde nervös, panisch. Verliere meine Fassung, schreie hysterisch, stehe an dieser scheiß Schranke am Automaten und blockiere die ganze Ausfahrt. Zum Glück sind es zwei. Ich steige mehrmals aus, krame in meiner Handtasche, werfe alles auf das Verdeck oben, suche den ganzen Innenraum meines Autos nach dieser verdammten Karte ab. Wo ist sie? Habe ich sie verloren? Kann ich mich nicht mehr erinnern? Bin ich am Rande des Nervenzusammenbruchs? „Beruhige dich wieder, denk nach. Du weißt, wo sie ist, du hast sie auf deinen Schoß gelegt.“ Meine Erinnerung kommt zurück. Ich vergesse viel, wo ich was wo hingelegt habe. Wieder im Auto sitzend, gehen meine Hände rechts und links neben den Fahrersitz … ich kann sie ertasten! Sie muss von meinem Polyesterkleid beim Fahren runtergerutscht sein. Sie liegt in einer ganz ungünstigen Position, eingeklemmt unter der Schiene zum Bewegen des Sitzes.
Ein Schluck aus der Wasserflasche, so langsam komme ich wieder in ein planendes Verhalten. Das Verdeck muss runter, ich lege den Rückwärtsgang ein, die Autos hinter mir dirigiere ich mit einen Wink zu der anderen Ausfahrt. Ich fahre ein paar Meter vorsichtig zurück, daher ohne Verdeck, wo ich Platz habe zum Aussteigen und den Sitz nach ganz vorne zu schieben. Da ist sie, die scheiß Karte. Hoffentlich haben das nicht so viele mitbekommen, wie ich hier laut fluchend in meinem schwarzen Diva-Dress die Beherrschung verloren habe. Vielleicht hatte jemand an der Überwachungskamera Mitleid mit mir. Als ich wieder zur Schranke rolle und die Karte in den Schlitz schiebe, öffnet sie sich und lässt mich frei in das sonnige Tageslicht. Ich hätte eigentlich bestimmt nachzahlen müssen, die ganze dramatische Situation hat unendlich lange gedauert. Durch den Fahrtwind und meinen offenen Haaren in meinem roten Roadster den warmen Sommerabend zu dem Club nach Plagwitz. Mein Navi dirigiert mich, ich kann wieder runterkommen. (Ende Teil 1/2)

[08.07.24 / 00:36] Drei Wochen musste ich warten, drei Wochenenden ohne mein Motorrad – jetzt ist es endlich fertig! Der Mechaniker in der Werkstatt war so nett, das noch den Sonnabend Vormittag zusammenzuschrauben … genau richtig für das nächste Bikertreffen denselben Tag am Abend. Ein lokaler MC, ich warte noch das Gewitter ab, bevor ich mich auf mein Motorrad schwinge und dahin düse.
Wo ist er? Mein neuer Freund lässt sich nicht mehr blicken. Mehr als zwei Treffen hat doch noch nie ein Mann mit mir durchgehalten (außer vielleicht mein „Langzeit-Liebhaber“ in Leipzig). Verliert er das Interesse an mir? Spürt er etwas, dass mit mir nicht alles in Ordnung ist? Ich brauche ihn nicht. Meinen Urlaub, meinen langersehnten Traum, endlich mit dem Motorrad an die Ostsee fahren, kann ich auch ohne ihn machen. Das Zimmer in ein paar Wochen ist gebucht, nur ein Preis, mit oder ohne ihn.
Die Leute auf dem Bikertreffen sind interessant – die Motorräder noch viel mehr. Skurrile Umbauten, echte Chopper. Eiserne Kreuze, Stahlhelme, riesige Lenker. Bin ich hier in dieser Gesellschaft noch richtig? Als trans Frau? Weiß ja keiner. Nett, dass ich hier weiblich gegendert werde.
Die Band in der Halle den Abend auf dem Gelände interessiert mich nicht so (schon wieder eine Onkelz-Coverband, Dorf eben), ich bin draußen, schaue mir die Motorräder an, spreche mit den Leuten, mache Fotos vom Sonnenuntergang, Fotos von meinem Motorrad. „Für die WhatsApp-Gruppe.“ Die Kolleginnen auf Arbeit.
Lange bleibe ich nicht, ich muss mit meinem dunklen Helmvisier noch im allerletzten Dämmerlicht den Nachhauseweg finden. Schnell noch mir einen Flyer für das nächste Treffen geben lassen und wieder zurück. Den Sonntag starte ich noch eine weitere Tour, meine Hausstrecke, bis an die Grenze des nördlichen Harzvorlands, meine Lieblingsstelle, der kleine Parkplatz an der fast leeren Bundesstraße mit Blick auf den Brocken ganz fern am Horizont. Die Wolkenformationen für das Fotomotiv waren aber auch zu bezaubernd. Hätte ich ein Instagram-Profil …

[24.06.24 / 21:40] Ein zweites Bikertreffen, eine zweite Nacht mit ihm. Das Bikertreffen selbst besuche ich schon seit vielen Jahren, so viele Erinnerungen: Dort den Feldweg habe ich mir mal mein Motorrad anschieben lassen, und da am Lagerfeuer habe ich so viele Nächte verbracht und mir die Sonnenwende am Horizont bis in den frühen Morgen angesehen. Sobald mein Motorrad aus der Werkstatt ist, schnalle ich mein Zelt hinten drauf und bin weg! Zu ärgerlich, ich hätte hier so gerne mitgezeltet. Mit den beiden Männern, die noch den ganzen Abend um mich herumkreisen, habe ich richtig viel Spaß – inklusive Headbanging vor der Bühne weit nach Mitternacht.
Zu mir oder zu dir? Theoretisch hätte ich sogar mein neues Zelt (gekauft letzte Woche) und meinen Schlafsack hinten im Kofferraum in meinem Auto, das in einem Gebüsch um die Ecke parkt, aber sein Kombi ist sehr viel geräumiger. Kurz nach drei Uhr nachts, er parkt sein Auto um, stellt es neben meinem ab, vom Festivalgelände dröhnt immer noch die Metalmusik. Ab und zu ein paar Leute, nicht wenige schlafen in ihren Autos hier. Er startet sein Auto und sucht wieder eine einsame Ecke für uns.
Ein oder zwei Dörfer weiter, ein Waldstück, ein Weg hinein, nur ein paar Meter hinter der offenen Schranke. „Waldbrandgefahr!“ Er raucht noch eine Zigarette und schmeißt die Kippe aus dem Fenster (es hat die Tage vorher geregnet). Er bereitet alles vor, klappt die Rücksitzbank um und funktioniert die Ladefläche zu einer gemütliche Sitz- und Liegeecke … nicht mein erster Kombi, in dem ich eine Nacht und einen Sommermorgen verbringe. Er zieht sich aus, ich zieh mich aus, wir werden intim. „Hast du ein Kondom dabei?“ – „Nein.“ Ich vertrau ihm bereits so viel, er kann ungeschützt Sex mit mir haben. Aber es wäre besser gewesen, er hätte eines dabei gehabt, dann hätte ich mich ihm viel mehr hingeben können. Es schmerzt, es wird bluten. Er ist riesig. Anal, vaginal, wieder anal. Meine Lippen berühren ihn ab einen gewissen Punkt nicht mehr. Ich mag die vaginale Variante, wenn ich auf ihm reite, ich mit den Händen die Decke des Autos abstreife, meine Beine eng um ihn herumlege und er zwischen meinen Schamlippen gleitet, es fühlt sich fast an, als würde er in mir sein. Wir drehen, ich liege, ich kreuze meine Beine hinter ihm, er dringt in mich, eng umschlossen ein, es ist mir egal, ob du ein Kondom benutzt, nimm mich einfach! Die dunkle, braune Linie auf meinem Bauch ist wieder da, ich bin schwanger? Sie reicht mal mehr, mal weniger bis zum Bauchnabel, je nachdem, wie mein Hormonstatus ist, wie mein Monatszyklus ist (den ich gar nicht haben dürfte).
Die Sonne geht hinter den Ästen, den Waldweg hinein auf. Klare Sonnenstrahlen durch den Morgendunst. Es sieht so friedlich aus. Nach dem Sex versuchen wir beide den frühen Morgen etwas zu schlafen, er legt sich von hinten um mich und wärmt mich. Die Minuten zuvor habe ich schon angefangen, ihn zu streicheln, leicht meine Hand über seinen Bauch und seine Oberschenkel tanzen zu lassen. Verliebst du dich gerade in ihn? Wo sind meine Ideale, lass einen Mann niemals neben dir einschlafen, hau ab im frühsten Morgengrauen und lass ihn alleine aufwachen.
So kurz ist die Nacht und der Morgen, vielleicht bin ich nur wenige Minuten eingeschlafen. Ich muss aus dem Auto, eine Waldtoilette einen Meter neben der Tür suchen, mich frauentypisch hinhocken, wie Frauen das so machen. Meine Klamotten und meine Schuhe sind alle noch im Auto. Danach ziehen wir uns an, meine Sneaker, meine Jeans, mein olivgrünes T-Shirt (das aus Paris) und mein schwarzer Strickcardigan. Mein BH liegt noch irgendwo beim Schalthebel, er verschwindet wieder in meiner schwarzen Stoffhandtasche. „Frauen lassen immer danach ihren BH irgendwo rumliegen.“ So als Reviermarkierung.
Er fährt mit mir wieder zurück zu dem abgemähten Parkplatz vor dem Bikertreffen, irgendwo in einem Dorf fernab, neben einem Sportplatz. Es ist weit nach sechs Uhr morgens und von dem Gelände dröhnt immer noch laute Metalmusik und laute Männerstimmen, das sind Biker, die stehen noch bis Sonnenaufgang. Ich wechsele zu meinem Auto, ein Abschiedskuss, eine Umarmung. Werde ich ihn wiedersehen? Dadurch, dass er schon ein zweites Mal mit mir Sex hat, gehört er einem ganz kleinen, elitären Kreis innerhalb meiner Männerbekanntschaften an. Sieben Uhr den Sonntag Morgen bin ich wieder bei mir zu Hause und kann in mein Bett fallen. Ich habe sogar den Sonnabend Nachmittag zuvor meine ganzen Kaffeetassen in der Spüle abgewaschen, für alle Fälle, falls er mich doch begleitet und ich ihm dann einen Kaffee nach dem gemeinsamen Aufwachen anbieten kann.

Verletz mich bloß nicht! Wie der andere Biker, das andere Bikertreffen, fünf Jahre zurück.

[10.06.24 / 23:04] Viele Menschen, viele Autos, die beiden Parkplätze sind weiterhin bis auf die letzte Lücke voll. Ich gehe an mein Auto, packe meine Tasche um, lasse etwas schweres Gepäck da. Die leeren Wasserflaschen, die Sonnenbrille. Deo auffrischen, mein schwarzes Strickjäckchen schnappen, Hut dalassen, Haare kurz durchkämmen und wieder zurück zu der großen Wiese hinter der Mensa. Make-up und Kajal hätte ich auch dabei, aber das ist mir den Abend nicht so wichtig.
Auf der großen Wiese ist eine Bühne aufgebaut. Früher stand die mal da woanders. Wie lange war ich schon nicht mehr hier? Fünfzehn, zwanzig Jahre? So irgendwo zwischen 2003 und 2007. 2002 habe ich erst den Herbst angefangen zu studieren und 2008 war ich schon (den Herbst dann) im Diplom-Semester. Dazwischen dieses eine Jahr mit dem Fest und der australischen Independent-Künstlerin auf der Bühne, die mir so gefallen hat. Dieses Jahr spielt hier nur eine Coverband und ich pendele von dem Bereich vor der Bühne und den anderen, weiteren auf der Wiese von den Studentenorganisationen aufgebauten Ständen hin und her. Getränkebuden und Grillstände, vegan, vegetarisch und nicht vegan (mit Fleisch). Zweimal nacheinander Abendessen für mich (vegan).
Einen Becher Wasser in der Hand, mit Anbruch der Dämmerung, füllt sich die Wiese mehr und mehr. Die Dixi-Klos habe ich nur einmal benutzt, schnell erkenne ich, dass die Toiletten unten im Keller der Mensa dieses Jahr nicht verschlossen sind, das waren sie, als ich das letzte Mal vor zig Jahren hier auf dem Campus-Fest war. Ich laufe durch die Menge, erkenne ich ein paar Gesichter? Das Alumini-Zelt mit dem Treffpunkt ist verwaist – das war leider zeitgleich mit dem CSD. Kleine Grüppchen von männlichen Ex-Studenten, einige mit grauen Haaransatz, so in etwa stelle ich mir die ehemaligen Ingenieur- und Informatikstudenten vor. Sie fallen mir vom Alter her auf, ich spreche sie nicht an, ich lächele nur kurz. So vom Gefühl gehöre ich mit dazu.
Die vielen anderen, weiblichen Studenten – also die von jetzt – es hat sich absolut nichts verändert, ich werde nicht angesprochen, ich spreche auch sie nicht an, wir existieren nur rein zufällig an demselben Ort, ich das asexuelle Etwas, Computer-Kram, sie die hübschen Studentinnen aus den nicht-technischen Studienfächern, so BWL-Kram. So wie damals, als ich Italienisch als mein fachbereichsübergreifendes, nicht-technisches Wahlpflichtfach gewählt habe und ein Semester lang die beiden Sitzplätze, rechts und links neben mir, immer frei blieben, in dem ansonst voll besetzten Seminarraum, mit nur weiblichen Studenten. Mein ewiges Trauma.
Es wird dunkel und kühl, ich ziehe mein Strickjäckchen über. Die andere Tanzfläche auf der anderen Seite der Mensa, quer durch den Verbinder, habe ich entdeckt. Hier vor eines der anderen Wohnheime haben die Studenten eine kleine Bühne organisiert, auf der ein paar DJs seit dem späten Nachmittag auflegen, richtig guter Techno. Die andere, große Bühne, da läuft nur Mainstream, diese hier, hat das Underground-Feeling. War hier nicht mal so ein Wohnheim, in dem eine Abriss-Party stattfinden sollte? Das Wohnheim jetzt wirkt sehr modern und renoviert. Die Party der schönen Menschen. So jung, ich bin wieder mittendrin und tanze ausgiebig. Es wird dunkel, eine Kaltfront zieht durch unter dem Nachthimmel. Die Bäume sind mit Deko- und Discolichter bestückt, so viele Menschen, es wird richtig eng zum Tanzen auf der kleinen Wiese. Wollte ich erst nur bis Sonnenuntergang bleiben, ziehe ich es jetzt komplett durch, bis die DJs um kurz nach Mitternacht ihr letztes Stück spielen. Die letzte Chance, unten in der Mensa noch einmal auf der Toilette zu verschwinden, bevor sie zugeschlossen wird. Ich muss noch über eine Stunde durch die Nacht zurückfahren.
Die Musik ist aus, die Menschen verstreuen sich. Ich laufe meinen alten Pfad entlang. Würdest du hier noch wohnen, wärst du schon im Bett. Ich will mein altes Zimmer aus dem Studentenwohnheim zurück. Sentimental blicke ich ein paar Minuten hoch zu den beleuchteten Fenstern der Korridore in den mittleren Etagen. Weiter zurück zum Parkplatz auf der anderen Straßenseite bei den anderen Gebäuden für den Fachbereich IT und Engineering.
Mein Auto, langsam schiebe ich mich aus der Parklücke, vorsichtig an den anderen Autos und Partygästen vorbei. Noch viel mehr besonders vorsichtig und langsam auf die Straße und diese entlang, runter zur Innenstadt. Viele, betrunkene (?) Partygäste in kleinen Gruppen die Fußwege entlang. Wenig später, durch die Stadt durch, erreiche ich die Autobahn um Wernigerode herum. Ab jetzt bin ich für mich allein. Im Autoradio läuft Chill-out-Musik, um etwas herunterzukommen. Durch die Nacht mit Lounge-Beats. Ein Fuchs mit hellen Lichtern am Straßenrand, noch ein Fuchs, und noch ein Fuchs – aber den hat es schon erwischt. Ich kenne die Strecke, bin die mit meinem alten Fiat schon so oft gefahren, die Jahre zurück. Die Müdigkeit bekämpfe ich mit der Aufgabe, möglichst exakt die Tempolimits einzuhalten. Kein Verkehr, ich schaffe die Strecke in einer Stunde und fünfzehn Minuten. Um kurz vor zwei Uhr bin ich wieder zu Hause. Fahre ich mal wieder zum Sommerfest nach Wernigerode? In ein paar Jahren vielleicht, dann wäre mein Abschluss zwanzig Jahre her, dann mit Anmeldung bei dem Alumini-Zelt. (Ende Teil 2/2)

[10.06.24 / 23:03] Ich fahre zum CSD nach Wernigerode? Dieser kleine CSD im Harz wurde im letzten Jahr bei seiner ersten Ausführung von ein paar ewig gestrigen Idioten massiv angegriffen und braucht dieses Jahr dringend Unterstützung. Während ich mein Outfit überlege – militante Schutzeskorte oder doch lieber die grüne Tunika / Kleid, welches ich schon die ganze Woche anhabe, recherchiere ich im Internet, wo ich das Wochenende parken kann. Ich nehme das Auto und will bei der Hochschule parken. Dabei bekomme ich mit, dass zeitgleich zum CSD auch das alljährliche Campus-Fest stattfindet – und sogar ein kleiner, zweiter CSD, der von der Hochschule aus startet und sich mit dem anderen CSD dann verbindet? Einen Parkplatz werde ich da vielleicht nicht so mehr finden, aber dafür ist das jetzt die Gelegenheit, meine alte Hochschule wieder zu besuchen!
Die Tunika als grünes Minikleid mit einer Leggings, meine Sneaker und mein schwarzer Woll-Cardigan in Strick, das Wetter sieht gut aus, sonnig und angenehm kühl. Mit dem Auto den Sonnabend Vormittag die vertraute Strecke in das Harzvorland hinein. Das Motorrad konnte ich nicht nehmen, das steht weiter ölend in der Garage.
Mittags angekommen, durch den „Tag der offenen Tür“ sind alle Parkplätze auf dem Hochschulgelände belegt. Ich versuche es erst bei meinem alten Parkplatz vor meinem alten Studentenwohnheim, keine Chance. Weiter zu dem anderen Gelände auf der anderen Straßenseite mit der Bibliothek und dem großen Vorlesungssaal. Hier habe ich Glück und es wird gerade ein Parkplatz frei. Rein in die Lücke und meinen alten Studentenausweis klemm ich an die Fensterscheibe auf der Beifahrerseite, diese kleine Karte mit meinem Foto drauf ist vielleicht schon zwanzig Jahre abgelaufen, aber das kontrolliert hier heute keiner. Schnell mein Kram zusammensammeln, in die schwarze Stoffhandtasche, die ich damals hier in Wernigerode gekauft habe, und wieder rüber auf die andere Straßenseite, zu dem parkähnlichen Hochschulgelände. Würdest du hier studieren, wärst du schon im Urlaub.
Freudig laufe ich meine alten Wege ab, mein Studentenwohnheim, die Mensa, der Automat, wo ich mir immer Geld auf die Karte geladen habe, die grüne Wiese, der Teich, wieder zum Wohnheim, mal durch die Tür reingehen – die Tür zum Treppenhaus ist verschlossen. Unzählige Getränkekisten habe ich hier bis in die mittlere Etage geschleppt. Briefkasten ansehen, meine Ebay-Bestellungen von damals, das hübsche, schwarze Polokleid, das ich mir dann woanders abholen musste, nicht mal ich kann mich noch an die Briefkastennummer erinnern. Raus vor das Wohnheim, hinein in den Verbinder, zum Hörsaal. Super praktisch, wenn es regnete, musste ich nicht mal das Gebäude verlassen, vom Bett in meinem Zimmer bis runter in den Hörsaal, gegen späten Vormittag. Ich kann es mir nicht nehmen und schaue mir auch die Vitrinen mit den ganzen A4-Ausdrucken und Informationen im Aushang an. Hier musste ich gucken und bangen: Habe ich bestanden? Im ersten, zweiten oder dritten Versuch?
Wieder raus auf den Vorplatz, den mit der „Tasse“, die Studentenorganisationen haben ihre Stände hier aufgebaut, ich spreche mit ein paar und frage, wann es mit dem CSD losgeht. In wenigen Minuten, noch Zeit für einen kleinen Kaffee. Blick zum Wohnheim gegenüber, da oben habe ich mal gewohnt, dort ist die Magie passiert, der Kleiderschrank, der sich nach und nach mit den ganzen Anziehsachen für Frauen gefüllt hat. Die vielen Fotos, die die vielen Wochenenden dort oben entstanden sind. Mein Entschluss, 2005, komplett als Frau leben zu wollen und die erste Woche, die ich als Frau zu den Vorlesungen gegangen bin. Der Baum vor dem Fenster von meinem Zimmer ist mächtig groß geworden. Den anderen, großen Hörsaal besuche ich nicht. Das Gefühl verfolgt mich weiterhin: feminin gekleidet, mein langer schwarzer Mantel, die offenen Haare, das leichte Make-up – den Saal von unten vorne zu betreten, die vielen auf mich gerichteten Blicke und vor mir sind vielleicht hundert männliche Informatikstudenten, die Frauen vielleicht nur aus Star-Trek-Episoden kennen … ein Klischee, aber ich spreche auch von mir selbst.
Die Flaggenhissung, vor einem Gebäude / Anbau – das ist neu, das kenne ich noch nicht – „Wie lange steht das hier schon?“ – „Ein Jahr“, wird an einem von drei Masten die Regenbogenfahne aufgezogen. Emotionaler Moment. Hätte es das zu meiner Zeit schon gegeben … eine kurze Rede und dann die Verteilung. Die kleine Gruppe, die sich hier zusammengefunden hat, passt komplett auf dem, etwas weiter entfernt, um die Ecke geparkten Demo-Truck. Ich muss nicht bis runter in die Altstadt laufen, ich kann mitfahren. Noch zögerlich betrete ich die Ladefläche mit dem Stromgenerator, den Lautsprecherboxen und dem DJ-Pult, und suche mir die Stelle ganz vorne kurz vor dem Fahrerhaus, an der ich mich gut festhalten kann. Optimal, ich kann die ganze Zeit entspannt stehen und ich muss keine Sonnencreme auftragen, die Ladefläche hinten ist mit einer Plane schattig überdacht. Meinen Hut und meine Sonnenbrille trage ich trotzdem.
Der Demo-Truck setzt sich mit lauter Musik und den Studenten darauf in Bewegung, gefolgt und begleitet von mehreren Polizeifahrzeugen. Unten, am Eingang zu dem alten Innenstadtkern trifft er auf den eigentlichen CSD, der vom Marktplatz kommt. Weiter geht es, mit den etwa tausend Besuchern, durch die Straßen von Wernigerode … begleitet von noch viel mehr Polizeifahrzeugen. Polizeikräfte in Uniform, Polizeikräfte in zivil (mit Funkgerät) – dieser CSD steht unter massiven Polizeischutz! Waren die Drohungen und Anfeindungen im Vorfeld so schlimm? Wer sind die Menschen, die uns hassen und warum? Dabei ist die Atmosphäre so friedlich und entspannt. Freundliche Menschen winken aus ihren Vorgärten, aus ihren Fenstern, vor und hinter ihren Gardinen uns entgegen, wir winken zurück. Das ist unser Tag, wir haben nur diesen einen Tag, an dem wir friedlich auf die Straße gehen können, mutig uns so zu zeigen, wie wir sind. Für das Lebensgefühl, dass die Menschheit nicht einheitlich grau und stumpf ist – sondern vielfältig, bunt und jeder für sich einzigartig und als Mensch wertvoll.
Etwa eine Stunde später, der Demozug kehrt geschlossen zum Marktplatz zurück, diese Stadt ist nicht wirklich groß. Auf dem Marktplatz sind ein paar Stände aufgebaut, eine Handvoll anderer, queerer Vereinigungen, zwei politische Stände. Ich gehe erst mal einen Kuchen und einen Kaffee bestellen an dem einen Café am Wernigeröder Marktplatz, an dem kein Tourist oder Besucher vorbeikommt, mit Blick auf das kleine, bunte Rathaus. Auf der Bühne davor spielt eine Band, eine Drag Queen performt, ein, zwei andere Drag Queens, oder Künstler, oder Menschen, denen ich ihr Geschlecht nicht zuweise, nicht ohne vorher nach ihrem Pronomen gefragt zu haben, führen durch das Programm. Den nächsten Tag, den Sonntag ist die Europawahl und sie betonen, wie wirklich wichtig unsere Stimme ist! Was sie noch nicht wissen, wie die Wahl ausgehen wird und wie die östliche Hälfte Deutschlands mit großer Mehrheit eine zutiefst queerfeindliche und faschistische Partei wählen wird … der Schock sitzt tief.
Meinen Kuchen und meinen Kaffee habe ich schon längst ausgetrunken, bzw. gegessen, die Bühnenperformance verfolge ich bis 18 Uhr, dann ist die Demo offiziell beendet und es steht eigentlich nur noch ein kleiner Haufen auf dem Marktplatz herum. Abmarsch. Die Straße und den gefühlten Kilometer wieder zum Hochschulgelände zu dem Sommerfest und dem Abend von der Hochschule. (Ende Teil 1/2)

[04.06.24 / 22:48] Er ist überglücklich, hatte nach seinen Angaben schon seit zwei Jahren keine Frau mehr. Ich ergebe mich dem Gefühl, begehrt zu werden. Er fährt mit seiner Hand unter meinen Kapuzenpullover, öffnet mit der anderen Hand meine Jeans, ich sehe sein Stück und bin bereit, meine Lippen und meine Zunge ihr Bestes machen zu können, was die Männer wahnsinnig macht. Ich gebe ihm eine Hilfe, wie mein BH zu öffnen ist, ein „Frontverschluss“, er taucht seine Hand tiefer in meine Unterhose und greift und beißt in meine Brüste, und zieht mich mehr und mehr aus. Ich schließe die Augen, ich bin so erregt. Wenig später geht mein Kopf zu ihm runter auf den Fahrersitz und er stöhnt. „Oh, ja!“
Eine Alarmanlage ertönt, das Auto ein paar Meter daneben. Immer wieder stehen vielleicht ein paar schemenhafte Gestalten an den nächsten Bäumen und Gebüschen. Ich bin vollkommen nackt, meine Klamotten sind in dem Auto verteilt, ab und zu geht das Licht an im Fahrzeuginneren. Er fühlt sich beobachtet und will lieber ein stilleres Örtchen aufsuchen. „Kannst du überhaupt noch fahren?“ Mir behagt das nicht. Hier auf dem Gelände bin ich nicht allein, hier zelten noch andere. Die Bar ist bestimmt immer noch in Betrieb. Mein Auto steht nur ein paar Meter neben uns, ich kann es sehen. Wenn er jetzt losfährt, was mache ich dann? Er startet den Motor und rollt zu der Ausfahrt in Richtung der Straße. „Hey, das ist jetzt nicht in Ordnung? Ich will aussteigen.“ Die Türen hat er vielleicht schon vorher verriegelt. Er fährt auf die Straße zum Ortsausgang und weiter in den Wald hinein. Das Auto wird immer schneller, ich schnalle mich an. „Halt mal Ausschau nach einer Einfahrt in den Wald.“ Bei einer bist du schon längst vorbeigefahren. Ich sehe mich schon als skelettierte Leiche, nackt, in drei Jahren von einem Suchtrupp wiederfinden. „Da ist eine.“ Er biegt ein in einen richtig dunklen Waldweg, mindestens anderthalb Kilometer von dem Festivalgelände entfernt.
Irgendwo mittendrin lässt er den Wagen ausrollen und stellt den Motor ab. Kurz zuvor, noch auf dem Gelände, habe ich ihm erzählt, dass ich da unten herum nicht sehr tief bin, er hat es ertasten können. „Du bist doch nicht operiert, oder?“ Zum Glück fragt er nicht gleich direkt nach, ob ich trans bin. „Nein.“ Ich bin so geboren, ich hatte schon immer so eine kurze Vagina, ich bleibe bei meiner Legende, ihm jetzt, mitten im verlassensten und dunkelsten Wald hier in seinem Auto die Wahrheit zu sagen, das kann ich nicht riskieren. Das Geheimnis nehme ich mit ins Grab, ich lebe „stealth“. Mein Körper gleicht dem einer echten, biologischen Frau, meine Sprache, mein Verhalten, mein ganzes Wesen ist zutiefst weiblich, ich bin eine Frau, war es schon immer gewesen. Die 30000-Euro-Operation da unten lässt aber auch keine geringsten Zweifel aufkommen, sie ist zu perfekt. Wäre da nicht die fehlende Tiefe …
Wir klettern über die Sitze rüber auf die Rücksitzbank, dieser Kombi ist wirklich geräumig. Ich greife seinen Schwanz, massiere ihn, nehme ihn mit meinen Lippen und meiner Zunge. Dieser ist unter den „Top Drei“, die ich bis jetzt gesehen habe, groß und breit. Er geht auch mit seiner Zunge an meine Klitoris, ich weiß, dass ich da jetzt viel mehr Gefühle habe, ein Orgasmus ist möglich, er mag meinen betörenden Muschi-Geruch, ich muss wahrscheinlich schon seit gefühlt einer Stunde feucht sein. „Hast du Kondome dabei?“ Instinktiv geht eines meiner Beine über seine Schulter, als er mich von vorne nimmt und in mich hinein stößt. „Es wäre besser, wenn du ein Kondom benutzt“, mein Blick zu ihm herauf. Die beiden letzten Männer, ich weiß nicht, ob ich mir bei denen nicht etwas eingefangen habe, es sind noch nicht die dreißig Tage vergangen, in denen das eventuell von alleine hätte ausheilen können. Er holt ein Kondom aus seiner Jackentasche, die über dem Fahrersitz hängt.
Beim Aufsetzen des Kondoms helfe ich ihm noch, wieder steif zu werden. Er stößt mehrmals zu, geht tief, ich mag die Position, in der ich einfach nur liege und ihn sehen und ertasten kann … ich könnte mich in ihn verlieben. Er dreht mich, wir gehen in die Stellung, in der er mich von hinten nimmt. Er greift dabei auch in meine kleinen Brüste. „Ohh!“ Ich stöhne laut auf, dieser Penis hat die Größe. Er trifft genau den Punkt, der mich zu einem Orgasmus führen könnte. Fast … so nah dran war ich schon lange nicht mehr. Nur ich allein mit mir selbst schaffe es momentan, mich zum Höhepunkt zu bekommen.
Er stöhnt laut auf, wird mit den Bewegungen etwas langsamer. Zieht ihn langsam wieder aus mir heraus. Ich sehe das Kondom, das er abgezogen hat. Er drückt auf den Schalter zum Herunterfahren der Fensterscheibe und wirft es hinaus in den Wald. Das ist Naturkautschuk, das zergeht bestimmt. „Dem Jäger wird das aber nicht freuen.“
Es ist hell geworden, wir liegen beide noch auf der Rücksitzbank und er geht mit seinen Fingern in meine Vulva. Er schläft ein. Ich beobachte ihn noch eine Weile. „Klau ich ihm jetzt sein ganzes Geld und hau ab?“ Ich habe ihm meine Nummer gegeben und ich müsste das ganze Stück durch den Wald und die Straße im Morgengrauen zurück wandern. Ich lege behutsam seine Hand beiseite und klettere über die Mittelkonsole wieder zurück auf den Beifahrersitz, sammle alle meine Sachen zusammen und ziehe mich wieder an. Außer meinen BH, den lasse ich „traditionell“ beim Danach in meine Handtasche verschwinden. Vögel zwitschern, der Wald verändert sich in ein sattes Grün.
Er wacht auf. Alle meine Bemühungen, im Morgengrauen zu verschwinden, haben noch nie funktioniert. Für ihn war ich eben noch nackt. „Was ist passiert?“ – „Du bist eingeschlafen.“ Mache ich es mir selbst? So weit war ich dann doch nicht. Er klettert auch rüber auf den Fahrersitz, aber ich lasse ihn jetzt nicht mehr an mich heran, ich bin jetzt bekleidet. Wenigstens mit der Hand lasse ich ihn noch kommen, die Sauerei muss er später selber sauber machen. Für meine Hand habe ich ein Taschentuch. Wir beobachten noch minutenlang den Waldweg vor uns. Kein Tier, kein Wild.
Er zieht sich wieder an. Seine Idee, dafür das Auto zu verlassen, ist fatal. Ein wilder Schwarm Mücken stürzt sich auf ihn. Er rettet sich wieder ins Auto, ich versuche die eingedrungenen Mücken platt zu machen. Lass uns zurückfahren auf das Festivalgelände.
Er parkt neben meinem Auto, nicht unbemerkt von den ersten Gästen, die schon längst wieder aufgestanden sind und vor ihren Campern die Stille des Morgens genießen. Es ist wahrscheinlich kurz vor sieben Uhr den Sonntag. Wir verabschieden uns, er steigt in sein Auto, ich in meins. Ob ich ihn wiedersehe? Er hat meine Nummer. Zu frisch sind immer noch die Erfahrungen von dem letzten Biker, den ich vor ein paar Jahren hier auf diesem Festival kennengelernt habe und der mich dann brutal abserviert hat, nachdem ich ihm gestehen musste, dass ich vielleicht nicht doch so eine „echte“ Frau bin, wie er das von mir dachte. Für Sex bin ich wunderschön, für „mehr“ dann aber nicht mehr. (Ende Teil 2/2)

[04.06.24 / 22:47] „Du fährst hier nicht im Dunkeln die Straße entlang!“ Ich reagiere schon etwas hysterisch, als er mit mir in seinem Auto nach drei Uhr nachts den Sonntag Morgen die Straße durch den tiefsten und dunkelsten Wald fährt, auf der Suche nach einem noch tieferen und dunkleren Waldweg, fernab von aller Zivilisation, um ungestört mit mir für ein, zwei Stunden allein zu sein. Er, ist meine neuste Bekanntschaft, ein Motorradfahrer, den ich den Nachmittag zuvor auf einem Biker-Festival kennengelernt habe, noch immer betrunken und fest davon überzeugt, fahren zu können. Ich dagegen sitze bereits nackt auf dem Beifahrersitz, von den Minuten zuvor, und bin vollkommen nüchtern. „Glaub mir, ich kann fahren!“ Wenigstens war sie angeschnallt. Gehe ich in meinen Gedanken alle möglichen Szenarien durch, wenn sie mich dann später aus dem Auto schneiden, umwickelt an dem nächsten Baum auf dieser verlassenen Straße durch den Wald. Springe ich raus? Zu schnell, er fährt bereits Achtzig. In Motorradklamotten vielleicht, aber ich bin nackt. Ach du Scheiße, so fangen immer die ganzen Sonntag-Abend-Krimis an!
Den frühen Sonnabend Nachmittag zuvor in meiner Garage, ich wickele eins von diesen saugstarken Küchentüchern um die Vorderradgabel von meinem Motorrad mit der Feder drin und fixiere es mit einem Kabelbinder, in Purpur, passt super, um das austretende Öl zu binden. Freudig, trotz des bevorstehenden Werkstatttermins doch noch fahren zu können, ziehe ich mir meine Motorradkombi über und starte das Motorrad. Ich will zu der Brücke, von der ich weiß, dass die, wie jedes Jahr, ihre Ausfahrt darunter durch machen. Wenn ich schon nicht mitfahren kann, wegen dem defekten Simmering an dem Gabelholm und dem Öl – und weil mir das dann doch zu bedenklich ist in der Gruppe – will ich wenigstens zu dem Aussichtspunkt mit dem guten Blick auf die Bundesstraße darunter fahren und mir die vorbeibrausenden Motorräder ansehen … und dann später selbst zu dem Biker-Festival fahren, solo.
Auf der Brücke, ein schattiges Plätzchen, ein hohes Gebüsch. Die Stunde Wartezeit vertreibe ich mir mit den Gedanken, ob ich mein Motorrad außerhalb geschlossener Ortschaften wirklich so auf dem Seitenstreifen parken kann, viel Verkehr ist hier nicht. Eine „gefährliche“ Kurve zur Brücke über die Bundesstraße hin. „Auf die habe ich gewartet, das sind die mit den Warnwesten, die fahren immer voraus!“ Ein älteres Pärchen ist mit dazu gekommen und will auch Fotos oder Videos von der Ausfahrt machen. Ich erkläre ihnen, dass es jetzt gleich losgeht.
Hundert, zweihundert Motorräder, vielleicht dreihundert? Nicht die Menge, wie letztes Jahr, da waren es definitiv mehr. Ein nahendes Gewitter die letzten und die nächsten Tage hat einige davon abgehalten, die größere Anfahrt zu unternehmen. Ich winke ein paar Mal von oben zu. Nachdem alle durch sind, Aufsitzen. Ich fahre los, der Gruppe hinterher und hole sie erst zwanzig Kilometer weiter bei dem allerletzten Dorf kurz vor Ende der Ausfahrt zum Biker-Festival ein. Auffahren auf das Gelände und Parken meines Motorrades auf der großen Wiese.
Mein kleiner „Reparatur-Fix“ fällt auf, das weiße Papiertuch an der Gabel. Ich komme ins Gespräch mit dem Motorradfahrer neben mir mit seiner weißen Rennmaschine, auch eine Honda. Er scheint attraktiv und auch sympathisch zu sein – könnte es mehr werden diesen Abend? Er erzählt viel, vielleicht auch etwas zu viel, ich kann gar nicht immer alles sagen, was ich will. Wir verbringen die nächsten Stunden zusammen. Weiter zu „Kaffee und Kuchen“, dafür bin ich hier. Wenn ich sage, ich will mit ihm einen Kaffee trinken, dann meine ich wirklich: „Einen Kaffee trinken.“
Weiter den Abend, ein Gewitter zieht auf, es regnet überall, ringsherum, aber nicht auf dem Festivalgelände. Wir bringen trotzdem unsere Helme und Motorradklamotten in Sicherheit und warten den Gewitterschauer ab. „Willst du noch mit, schnell zur Tanke fahren?“ Die dunklen Wolken sind weg, er braucht noch Zigaretten, ich stimme zu und starte mein Motorrad. So viele stehen hier nicht mehr, einige haben ihre teuren Maschinen schon längst in Sicherheit gebracht.
An der Tankstelle in dem Nachbardorf tankt er auf und kauft sich die Packung. Ich nehme das Angebot an und will einmal probesitzen auf seiner Maschine. „Wie kannst du nur so fahren?“ Die Füße nach hinten, der riesige Tank vor mir, die Arme schwer abgestützt auf dem winzigen und niedrigen Rennlenker, halb liegend – und mit meinen Zehenspitzen in meinen Motorradstiefeln, die mit dem Absatz, erreiche ich gerade mal so den Boden. „Eigentlich will ich gar nicht mehr zurück zu dem Biker-Festival, ich wollte schon längst wieder nach Hause fahren.“ Ich fahre nicht gerne im Dunkeln, noch ist es hell. „Ja, die anderen haben ihre Maschinen auch schon längst nach Hause gefahren und kommen mit dem Auto wieder“, antwortet er mir, „Lass uns das doch auch machen.“ Klar, warum nicht, schnell das Motorrad in die Garage bringen, die Lederkombi in die bequemen Sachen wechseln, der Kapuzenpullover vom letzten Pfingsten zwei Wochen zuvor und das schwarze T-Shirt vom Merchandise-Stand mit dem weißen Skelett. „Du kommst doch wieder, oder?“ So ganz traut er meiner Zusage noch nicht. Wir tauschen die Nummern aus.
Den Weg hin und zurück, mit dem Motorrad in die eine Richtung und mit meinem roten Roadster wieder in die andere Richtung, sehe ich die ganzen Pfützen auf den Straßen und wo es geregnet hat. Ein Nebeldunst zieht auf, ich will noch vor Sonnenuntergang und Dämmerlicht mein Auto wieder auf dem Parkplatz vor dem Festivalgelände in diesem kleinen Dorf irgendwo im Nirgendwo parken. Es stehen kaum noch Motorräder hier rum, dafür um so mehr Autos.
Eine Band spielt, leider ihr letzter Song, die habe ich verpasst. Während die nächste Band ihre Coversongs auf der kleinen Bühne spielt, warte ich auf ihn. Ich habe kein Geld mehr dabei, die nächsten Getränke muss ich mir von ihm ausgeben lassen. Meine Münzen reichen entweder für ein Wasser oder den Becherpfand, wirklich wunderschön gestaltete Becher mit dem Logo des Biker-Festivals.
Gegen 23 Uhr, ein paar Mal tanzen auf der Wiese und Umherlaufen, treffe ich ihn. Er hat mich versucht, anzurufen, aber dafür ist es hier zu laut. Wir stehen rum, wir stehen an der Bar, wir stehen auf der durch Disco-Licht beleuchteten Wiese vor der Bühne. Er scheint allein hier zu sein, kommt aber immer wieder mit Leuten ins Gespräch. Den Nachmittag habe ich von ihm schon erfahren, er hat eine Ex-Frau und ist seit mindestens zwei Jahren Single.
Die Band spielt ihre letzten Zugaben, der DJ seine letzten Songs. Meine neue Bekanntschaft bestellt an der Bar immer wieder ein Wasser für mich – und für sich ein Bier. Unterbrochen von meinen Toilettengängen, stehen wir weit nach Mitternacht an einem großen Tisch, der letzte Haufen der Betrunkenen, die nicht gehen wollen. Ich höre mir ihre wundersamen Geschichten an und bin hier wahrscheinlich die Einzige, die noch nüchtern ist.
Drei Uhr, ich ziehe das Smartphone aus meiner Handtasche: „ich werde dann mal so langsam gehen.“ Er steht wieder an der Bar unter der großen Zeltplane und unterhält sich mit den anderen Biker. Ich drehe mich weg und laufe im Dunkeln zu meinem Auto. „Hey, warte mal!“ Er folgt mir.
Sein Auto steht nicht weit, kurz vor dem Eingang auf das Gelände. Ein weißer Kombi. „Willst du mit, mit reinkommen?“ Ich hatte es überlegt, mit ihm was anzufangen, es hätte eine aufregende Nacht werden können, aber er ist betrunken? Nicht die beste Situation. Ich stimme trotzdem zu und setze mich zu ihm mit ins Auto. (Ende Teil 1/2)

[26.05.24 / 02:17] Dienstag Mittag, Hotel-Check-out. Meinen kleinen Rollkoffer und meine Tragekiste voller Schuhe den Fahrstuhl runter zur Rezeption bringen. Das Auto vom Hotelinnenhof holen und dann vor dem Eingang alles einladen. Zurück in die Innenstadt, in das Parkhaus am Leipziger Hauptbahnhof. Ich soll noch etwas einkaufen, für die Familie in dem Hanf- und Cannabisladen. „Und, wie waren die Gummibärchen so?“ – „Ach, ganz leicht, kaum eine Wirkung.“ Weiter in die nächste Bäckerfiliale, die, die mich vor ein paar Tagen um kurz vor 14 Uhr nicht mehr bedienen wollten, und nach dem Frühstück noch in eine Pizzeria, etwas essen. Ich fange an, Schmerztabletten einzuwerfen. Die anschließende Fahrt auf der Autobahn zurück, kämpfe ich mit mir, mich konzentriert und wach zu halten. Endlos lange Schlangen an Lkws. Zuhause packe ich dann erst einmal alles aus und hänge mein ganzes Wohnzimmer voller schwarzer Klamotten. (Ende Teil 7/7)

[26.05.24 / 02:16] Der Montag und auch der letzte Tag des „Gothic Pogo Festivals“, mein Tagesrhythmus verschiebt sich immer weiter nach hinten. Als ich meine zwei Brötchen und mein Croissant in der Bäckerfiliale in der Leipziger Innenstadt einnehme (wieder die an dem Einkaufszentrum), muss es schon um kurz vor drei Uhr nachmittags sein. Die beiden älteren Leipziger Damen neben mir an dem Tisch in der Fußgängerzone sind lustig, sie sortieren die vorbei flanierenden Gothic-Festival-Besucher in Gruppen: „Es gibt die Mittelaltermenschen, die schwarzen Prinzessinnen und Engel – und die Uniformmenschen!“ Ja … den Tag zuvor auf dem Friedhof, der eine Besucher des anderen, großen Festivals in Leipzig, zusammen mit seiner Freundin – er in einer Luftwaffenuniform. Colonel Klink. Was sie dazu bewegt, weiß ich nicht, jedem wie ihm (oder ihr) es gefällt. Mit der Straßenbahn anschließend weiter in Richtung Südvorstadt, meine traditionelle „Bar-Bistro-und-Kaffee-und-Kuchen-Tour“.
Ich steige beim Südplatz aus, laufe zu dem Café an der Ecke ein paar Seitenstraßen entfernt, es ist so schön begrünt und bei den älteren Goths beliebt, ich glaube, an dem Sitzplatz saß ich schon einmal vor ein paar Jahren, mit ihm. Ein Stück Kuchen, ein Glas „Matcha Green Chai Latte“. Weiter in das nächste Bistro.
Die Dönerbude, die ich mir ausgesucht habe, ist sehr gut besucht. Sie hat einige Auszeichnungen bekommen und ich war hier noch nie, wollte aber schon immer mal hin. Es wird ein Hähnchendöner, ich habe das Bedürfnis, Fleisch zu essen … eine Infektion kommt in meinem Körper auf, mein Immunsystem braucht jede Unterstützung und tierische Enzyme (oder Proteine) für die Zellteilung, die weißen Blutkörperchen. Schon vor Jahren von meiner Hausärztin angeraten, das fällt auf, wenn ich mich zu sehr vegetarisch ernähre. Leider schaffe ich diesen Döner nicht ganz, mein Tisch im Außenbereich, das Fleisch und den Salat kann ich mit der Gabel noch rauskratzen, das Brötchen verringert sich nur um ein paar Bissen. An der nächsten Haltestelle mit der Straßenbahn wieder zurück.
Outfit des Tages: wieder die Cargo-Hose, in deren Beintaschen ich die ganzen Flyer sammle, das bauchfreie, kurze, schwarze Top, der Nietengürtel blitzt durch, und die Lederjacke. Den Tag wieder die Pikes-Stiefeletten, die Nacht die Hi-Top Plateau-Sneaker. Den schwarzen Kapuzenpullover packe ich mit in die Handtasche ein, für kühle Nächte. Ich nehme für die letzte Disco-Nacht mein Auto vom Hotelparkplatz. Jetzt sind nicht mehr so viele Hotelgäste da, dann finde ich bestimmt wieder einen freien Parkplatz, wenn ich den frühen Morgen wieder hier bin.
Ohne die Konzerte ist der Einlass auf dem Festivalgelände am Connewitzer Kreuz im Süden von Leipzig eine Stunde später, um 22 Uhr. Ich parke mein Auto in der Seitenstraße mit der Kirche, wo ich immer mein Auto parke. Ein ungewohntes Bild: die beiden Schlangen am Eingang, die für die besonderen „VIP-Gäste“ und die für den Tageskarten-Pöbel sind gleich lang? Entspannte Atmosphäre, jeder kommt rein.
Nur eine Tanzfläche, nicht viel zu tun. Ein Getränk holen, einen Barhocker sichern, die Gäste beobachten … die letzte Nacht nimmt die Dichte an Turnschuhen zu. Meine schwere Handtasche habe ich in der Garderobe gelassen, das Telefon ist in der Hosentasche am Bein. Cargo-Hosen sind aber auch so praktisch. Nur die Taschen nicht ausbeulen lassen, sonst sieht es komisch aus.
Ein paar Titel tanzen, ein weiteres Getränk holen. Ich ziehe mein Telefon aus der Beintasche und schreibe ihm etwas. Ich will wissen, wie das vor ein paar Nächten passieren konnte … haben die beiden sich in der Wohnung abgesprochen? Ja, nimm du sie mal, die geht ab! Er antwortet tatsächlich und will wieder in einer Stunde da sein. Das habe ich nicht erwartet. Ich mache einen Rückzieher. Mir geht es irgendwie gesundheitlich nicht gut. Und wenn er die Nacht mit mir noch in dem Hotel verbringen will? Ich muss den Tag noch auf der Autobahn fahren, will da lieber nicht übermüdet sein.
Es erstreckt sich wieder ein episches hin und her an Nachrichten auf meinem Telefon. Er blockt ab, für ihn ist das in der Wohnung nie passiert, er kann sich an nichts erinnern, gibt mir sogar irgendwie das Gefühl, ich würde halluzinieren? Ist das alles überhaupt wirklich passiert? Er schreibt noch weitere Nachrichten, will wissen, wann ich wieder im Hotel bin, aber da habe ich das Telefon schon längst wieder in meine Tasche geschoben. Ich rutsche von dem Barhocker, um ein paar Musiktitel zu tanzen, er stellt den Chatverlauf in dem Messenger auf „Vergessen“, alles, was vor 24 Stunden passiert ist, wird wieder gelöscht. Danach draußen etwas sitzen und in Gedanken versinken: Ich bin so wie die Mülltonne neben mir, immer da, gehöre einfach dazu, niemand nimmt Notiz von mir, und ab und zu wird Müll in mich hineingeworfen (von den Männern).
Drei Uhr nachts gehe ich auch wieder zu meinem Auto. Ein letzter Blick zurück am Ein- und Ausgang des Festivalgeländes mit dem Innenhof und den zwei kleinen Veranstaltungshallen, dem Streetfood-Mobil und die vielen interessanten Menschen, Punks, Grufties, Szenetypisches. Und wieder ein Jahr warten. Jünger werde ich nicht. (Ende Teil 6/7)

[26.05.24 / 02:15] Die drei, vier Tage nach dem Festival, die angebrochene Woche – ich schleppe mich nur so dahin, zwinge mich, auf Arbeit zu gehen, werfe eine Schmerztablette nach der anderen ein. Diese furchtbaren Halsschmerzen, tief und immer da. Wo habe ich die her? Welcher von den beiden war es? Die sind immer so schmutzig, die Männer. Bestimmt ist es Gonorrhö oder es sind Chlamydien, irgend eine bakterielle Infektion, die ich mir da eingefangen habe. Mein Immunsystem ist ruiniert.
Der Sonntag des Festivals, der große „Tanz-Marathon“ und ein paar wirklich interessante Bands – vor allem die eine. Dem Flyer nach, kommen sie aus Deutschland, aber die Videos im Internet … kühle Synthesizer-Musik und auf französisch gehauchte Texte, so stylish, die will ich nicht verpassen. Sie spielen als erstes.
Das Frühstück nach dem Aufstehen muss ich leider umplanen, sie machen in dem Bäcker bereits um 14 Uhr zu – so früh? Die nächste Filiale dieser Kette hat länger offen. Ich bin den Sonntag in der am anderen Ende der Fußgängerzone in der Innenstadt, es ist tiefster Nachmittag. Die vielen Gäste bestellen sich schon Kuchen, ich bin irritiert. Wenigstens ein Gothic-Pärchen am Nachbartisch hat Stil und tafelt sich ein großes Frühstück auf. Weiter den Nachmittag, mit der Straßenbahn zum Südfriedhof.
Dress des Tages: Trad Goth. Mein schwarzer Ledermini, das Fischnetz-Top, ein schwarzes Unterhemd darunter, ein ärmelloses darüber, meine Lederjacke, die Pikes und die schwarze Yoga-Hose. Und viel Silberschmuck, der kleine Anhänger mit der Spinne, passt super zum Netz, die Ringe, die Ohrklemme und mein großer Armreif aus Marrakesch. Die Straßenbahn ist voll, eine ältere Leipzigerin erklärt mir die Gegend und schwärmt schon von den schönen Blütenstauden, die mich am Friedhof erwarten werden. Zwanzig Jahre fahre ich hier schon nach Leipzig, und habe es nie geschafft, mir den großen Südfriedhof anzusehen, nur eine Haltestelle hinter dem Völkerschlachtdenkmal. Ich steige aus … dunkle Wolken und Sonnenschein.
Die Frau von vorhin hat nicht übertrieben, wie die Pflanzen heißen, habe ich vergessen, Bougainville oder Rhododendron – aber die intensive, lila Blütenfarbe überall ist beeindruckend. Ein großer Friedhof, ich orientiere mich an dem zentralen Teil in der Nähe der Kapelle und des großen Völkerschlachtdenkmals, von dem ich denke, dass es der historischste Teil sein könnte. Eine Führung wird angeboten, aber ich erkunde ihn erst einmal auf eigene Faust.
Viele alte Gräber, viele neue Gräber, einige frisch bepflanzt. Per Zufall entdecke ich die Kleinode, eine kleine Tafel in die Erde gesteckt, lässt erkennen, es ist ein historisch bedeutsames Grab. Futura? Konstruierte Antiqua? Die Grabinschrift, ich habe ein Faible für die modernen Schriften der Zwanziger Jahre, die aus dem letzten Jahrhundert. Die Sterbedaten der Persönlichkeiten untermauern meine Vermutung, es muss sich um ein Jugendstil-Grab handeln, Art déco überall. Spätestens jetzt lasse ich meine Fotokamera (das Smartphone) nicht mehr aus der Hand und fotografiere alles was rechts und links an mir vorbeikommt. Donnergrollen, ein Gewitter zieht auf, aber es kommt nicht rüber. So viele Statuen und so viel grüne Rankpflanzen.
Die Kapelle in der Mitte, mit dem Krematorium. Wahrscheinlich auch architektonisch interessant, aber ich traue mich nicht hinein, wenn von innen drinnen getragene Musik herausschallt. In meiner schwarzen Kluft bin ich von Trauergästen nicht zu unterscheiden. Vereinzelt viele Goths und Grufties sind hier unterwegs.
Weiter den anderen Teil des Friedhofs, wahrscheinlich die Villengegend. Große Mausoleen und imposante Prachtbauten. Wie geschaffen für Fotosessions. Es sind mehrere professionelle Fotografen unterwegs die ein paar morbid-schwarze Schönheiten ablichten. Ich habe mein Foto schon, vor ein paar Jahren, auf dem Wiener Zentralfriedhof. Fotogalerie: Leipziger Südfriedhof / Pfingsten 2024
Ich könnte noch viel mehr herumlaufen, ich habe bestimmt noch nicht alles gesehen. Doch ich muss irgendwie den Ausgang finden. Punkt 17 Uhr, mein „Five o'Clock Tea“ und ein Stück Kuchen, es ist Sonntag.
Den Weg raus, am Völkerschlachtdenkmal vorbei, finde ich eine Parkgaststätte, in der Auslage drinnen, sehe ich noch zwei Stück Schokoladenkuchen. Nervös nehme ich unweit der Glastür an einem Tisch im überdachten Außenbereich Platz und lasse die zwei Stück nicht unbeobachtet. Wann kommt denn endlich eine Bedienung? Es dauert gefühlt ewig, bis ich bedient werde. „Ich will das Stück Kuchen da und eine Tasse schwarzen Tee.“ Die zwei älteren Damen neben mir an dem Nachbartisch haben ihr Mittag- oder Abendessen reingedrückt und wollen Nachtisch. Meine Bedienung läuft zu der Kuchentheke und schaut nach, geht wieder weg, die andere Bedienung der beiden Damen kommt an und … weg sind sie, die zwei Stück Kuchen. „Verdammte Scheiße!“ Ich muss das wirklich laut gesagt haben, fange mich aber schnell wieder. Mein Tee wird mir gebracht und ich beruhige mich. „Wir haben noch einmal nachgeschaut, es war wirklich noch ein Stück da.“ Der Schokoladenkuchen, der mir wenig später gebracht wird, sieht auch viel hübscher aus auf dem Teller, mit einer Kugel Eis und Erdbeeren und ganz viel Sahne. Nicht so zwei schäbige, winzige Teller der beiden Damen, wo der Kuchen bestimmt schon den ganzen Tag darauf herumgammelt. Mein Stück, das konnte ich schmecken, kam frisch aus dem Kühlschrank.
Weiter zurück in das Hotel, Abendessen in der Asia-Nudelbox am Hauptbahnhof. Mir ist aufgefallen, ich bin den ganzen ersten Tag mit der Straßenbahn schwarz gefahren, ich hatte ja vergessen das 24-Stunden-Ticket zu entwerten. Dann schiebe ich das jetzt mal mit einem „Bing“ durch den Automaten.
Das Hotel, jedes Mal wenn ich zurückkomme, sehe ich, ob der Zimmerservice durch war. Eigentlich habe ich die Option gebucht, dass die nur alle drei Tage durchgehen, aber das Kopfkissen ist immer schön aufgeschüttelt. Meine Sachen auf die zweite Hälfte, am Fenster, des Doppelbettes … „seine“ Hälfte. Ins Bad, unter der Dusche verschwinden, das Duschbad mit dem schweren, orientalischen Duft, das Parfüm mit dazu und Patchouli. Ich glaube, dass die in der Straßenbahn sich schon woanders hinsetzen. Das Trad-Goth-Outfit, nur jetzt von Pikes mit den kubanischen Absätzen auf die absatzlosen Docs. Ich bin in der Zeit, zu Fuß wieder raus zur Straßenbahnhaltestelle in gefühlt 800 Meter Entfernung.
Das Gothic-Festival erreiche ich noch im Hellen (fast), die Menschen neben mir würdige ich keines Blickes, ich stiefele zu dem Absperrgatter mit meinem „VIP“ Logeneingang. Bändchen am Ärmel vorzeigen, die Lederjacke etwas umkrempeln, den Reißverschluss der großen Handtasche aufmachen, der netten Dame von der Security mit der Taschenlampe einen Blick hineinwerfen lassen. Alles OK.
Weiter in die kleine Halle mit der aufgebauten Konzertbühne, nichts riskieren, nicht rausgehen, eine Flasche Club Mate an der Bar holen, die Bühne im Auge behalten. Wenig später geht es los und da sind sie! Die beiden Künstler, ein Mann und eine Frau. Er schlaksig, hochgewachsen, sie zierlich, betont unterkühlt, ihre französischen Texte in das Mikrofon säuseln … unterlagert mit der kühlsten und elegantesten Synthesizer-Musik, die es aktuell gerade gibt. Sie sind so ein Gesamtkunstwerk! Die kleine Veranstaltungshalle ist voll, es spricht sich herum, dass sie gut sind.
Weiter die nächsten Bands, ein älterer Herr, der bestimmt früher schon einmal auf der Bühne stand, Jahrzehnte her, und eine kanadisch-deutsche (?) Band aus den Achtzigern an ihren Synthesizern, die mir irgendwie entgangen sein muss. Ihre Cover-Version eines deutschen (Anti-)NDW-Hits finde ich gut, ich kann fast textsicher mitsingen.
Zwischen den Bands und danach, rüber in die andere, größere Halle des Werk 2, eine Deathrock-Party. Ich bin stilecht angezogen und erkenne schon von weitem, welcher meiner alten Lieblingstitel da gerade aufgelegt wird. Draußen im Innenhof ein kurzer Snack an dem Latin-Streetfood-Stand, etwas am Rand hinsetzen, die Leute beobachten. So viele Stiefel, so viele Schuhe. Bewegt sich der Boden? Bei jedem Schritt wölbt sich ein Pflasterstein nach unten. Ich habe die zweite Hälfte des HHC-Gummibärchens eingeworfen (den Abend vorher mit der kleinen Nagelschere filigran zerteilt). Bin ich gefühlt unempfindlich gegen Cannabinoide, habe ich doch nach einiger Zeit den Moment, das ich etwas sehr faszinierend finde. Die Menschen um mich herum, der Joint mit der Gruppe Jazzmusiker, damals in Italien. Das Hasch-Brownie in Amsterdam und die schönen Wolkenformationen vom Zugfenster aus. Und jetzt hier die wunderschönen Menschen und ihre interessanten Schuhe. Ich bin ganz bestimmt nicht „stoned“.
Drei Uhr die Nacht, ich wollte doch wieder den Sonnenaufgang über den Innenhof sehen … ich bin zu müde. Du kannst den Sonnenaufgang auch vom Hotelfenster aus begrüßen … und gleich ins Bett fallen. Kurz nach vier Uhr den Morgen und noch ein paar weitere Titel auf beiden Tanzflächen (die andere mit Disco-Musik), ich nehme die Straßenbahn zurück zum Hauptbahnhof und von dort aus gleich die erste reguläre Straßenbahn in Richtung Norden zu meinem Hotel, nur die Linie 11 fährt das ganze Wochenende zwischen dem Süden von Leipzig und dem Hauptbahnhof im 15-Minuten-Takt.
Angekommen in meinem Hotelzimmer, kann ich die Sonne sehen, wie sie fröhlich strahlend aufsteigt, vor meinem Fenster. Die schweren Gardinen zu und nach dem Make-up-Entfernen im Bad, unter der Bettdecke verschwinden. Wo ist er, wieso ist die andere Betthälfte neben mir leer? Ich möchte ihm wieder eine Nachricht schreiben. (Ende Teil 5/7)

[26.05.24 / 02:14] Sonnabend, Outfit des Tages: das schwarze Spitzenkleid, kombiniert mit dem bezaubernden, schwarzen Strick-Cardigan, der schwarzen Yoga-Hose und den Military-Schnürstiefeletten. Alle meine anderen Kleider fangen an, an dem Kleiderschrank im Hotelzimmer auf Bügeln herumzuhängen. Mit der Straßenbahn zum Frühstück in die Innenstadt von Leipzig – heute ist der Einkaufstag!
Mein Weg vom Hauptbahnhof in die Fußgängerzone führt mich vorbei an einem Laden für Cannabis- und Hanfprodukte, der ist neu, den kenne ich noch nicht. „Darf das so schon verkauft werden?“ – „Ja, das ist halbsynthetisch, das ist eine Grauzone.“ Mein Blick fällt auf die Kräutermischungen an der Theke, aber interessiert bin ich hauptsächlich an den süßen, bunten Gummidinger mit „Spezial-Zutat“. Kennengelernt habe ich die CBD-Fruchtgummis als Beilage aus einem Paket aus Amsterdam, dieser Laden verkauft ein paar Tüten mit dem halbsynthetischen HHC-Wirkstoff. Die Verpackungen sehen auch sehr vielversprechend aus, wie das Cover einer Prog-Rockband aus den späten Sechzigern. Die nehme ich mit! Einfach so.
Das Frühstück gibt es wieder bei der Bäcker-Kette in der Innenstadt, in der Filiale neben dem Einkaufszentrum an einem Stehtisch mit Blick nach draußen. Weiter, nach Brötchen und Kaffee, zu dem großen Kaufhaus am Marktplatz ein paar Meter weiter. Auf meiner Wunschliste steht ein neuer Bikini – oder besser, ein Badeanzug – für die nächste Urlaubsreise. Ich probiere in dem unteren Kellergeschoss ein paar Modelle an. Die nette Verkäuferin zeigt mir auch einen BH in der Preislage um die 110 Euro – aber das würde dann doch mein Budget sprengen. Ein Bikini gefallt mir, das schwarze Tapetenmuster. Die Marke, von der ich meine sauteuren BHs habe – die ich beide dieses Wochenende mitgenommen habe und welchen ich einen davon in genau diesen Moment trage – stellt auch Bikinis und Bademoden her, französischer chic, einen Zweiteiler davon nehme ich auch mit in die Umkleide.
Beim Anprobieren lasse ich mir viel Zeit. Der Bikini, das Höschen sitzt zu tief, das Oberteil selbst ist viel zu knapp – ohne Einlagen kann ich den mit meinen kleinen Brüsten nicht tragen. Der schwarze Zweiteiler dagegen, das Höschen ist etwas höher geschnitten, figurumschmeichelnd, das Oberteil mit dem One-Shoulder ist einfach übergeworfen und sieht im Spiegel nach „Bond-Girl“ aus! Jetzt noch einen wasserfesten Gürtel mit Tauchermesser und ich könnte stilecht irgendwo vor Thailand in einer Lagune aus dem Wasser steigen. Den kaufe ich. Und wieder 150 Euro weg.
Weiter, ein Eis essen und irgendwo ein Mittagessen suchen. Spätnachmittags, da gab es noch dieses eine italienische Restaurant in einem versteckten Innenhof, das früher mal ein Inder war. Ein Teller Gnocchi und mit der Straßenbahn wieder zurück ins Hotel.
Dusche, Parfüm, Kajal und Mascara. Dasselbe Kleid, der Cardigan reicht, ich wechsele zu den Doc Martens. Werde ich es mal rechtzeitig zum Einlass am Gothic-Festival schaffen für die erste Band? Allein der Weg dann nach Sonnenuntergang zu der Haltestelle am Baumarkt und dann ewig auf die Straßenbahn warten. Auch dieses Mal schlängel ich mich dann an der langen Schlange vorbei und zeige mein Bändchen an der Einlasskontrolle für „VIP“ und Gästeliste.
Die erste Band aus Süditalien spielt bereits. So wie ich das nachvollziehen konnte, kommen sie wirklich von ganz aus dem Süden von Italien, der Stiefelabsatz ganz unten, noch südlicher als Bari (Lecce, wenn ich es richtig gelesen habe). Da ist nicht viel los, so weit da unten. Auch diese Band wollte ich unbedingt sehen, ihre vorab Videos waren sehr vielversprechend.
Die anderen Bands, WTF? Ich habe etwas von meinen „Gummibärchen“ eingeworfen, aber ob die Wirkung da schon eingesetzt hat? Zuerst eine japanische Band und dann eine etwas mehr „psychedelische Band“. Der Headliner, die vierte Band des Abends, hat letztes Jahr schon gespielt, schon da fand ich die jetzt nicht so mein Ding, die Musik ist OK, aber die Performance … naja. Weiter in die Verkaufshalle, jetzt der Stand von dem Plattenlabel und die vielen CDs und Schallplatten, auch wenn ich meinen Beutel für Vinyl mit dabei habe, ich beschränke mich auf drei CDs. Ein schwarzes „Gothic Pogo“ T-Shirt in Lady-Size komplettiert meinen Tageseinkauf und landet in meiner großen Lederhandtasche. Ich weiß nicht, ob die Gummidinger mit dem halbsynthetischen Cannabinoid wirklich einen Effekt erzielt haben, aber allein der Gedanke: das Wochenende mit „Sex, Drogen und Musik“ verbracht zu haben, reicht schon aus. Ich bleibe bis kurz nach drei Uhr, auf der anderen Tanzfläche gab es noch ein „Überraschungskonzert“. Wir waren kurz vor der Toilette, als die Drogen aufhörten zu wirken.
Weiter mit der Straßenbahn und dem Nachtbus zurück zum Hotel, leider steige ich eine Station zu früh aus und laufe die letzten Kilometer. Bis ich mein Hotelzimmer erreiche, ist es schon taghell. Hättest du ein Taxi genommen, für das du extra Geld zurückgelegt hast, dann wärst du jetzt schon längst im Bett! (Ende Teil 4/7)

[26.05.24 / 02:13] Frühstück, gegen Mittag, der Bäcker und das Café an der Ecke der Kreuzung mit der Straßenbahnhaltestelle in der Nähe der Gegend, wo ich einmal gewohnt habe. Ein Croissant, Marmelade, einen großen Kaffee und einen weiteren, kleinen Kaffee danach, abgefüllt in meinen Thermobecher. Zwei Stück Kuchen, Rhabarber und Eierschecke mit in meinen Picknickkorb. Mein Outfit des Tages für das viktorianische Picknick im Park ist stilecht: Dark Cottagecore. Das ländliche, schwarze Kleid, das ich immer zu dem Picknick trage (also mindestens einmal), die viktorianischen Stiefeletten mit dem Trichterabsatz und der markanten Schnürung, sowie das „Must-have“, das „It-piece“ schlechthin: die schwarze Dirndlschürze! Niemand sonst werde ich auf dem Picknick sehen, mit genau diesem „passenden“ Accessoire. Ihr seid nicht echt.
Mit der Straßenbahn den frühen Freitag Nachmittag zum Clara-Zetkin-Park in Leipzig. Jede Haltestelle steigen immer mehr dazu, riesige, weite, ausladende, schwarze Röcke. Meinen Picknickkorb muss ich in der beengten Situation schon auf Schulterhöhe halten. Dann die Haltestelle mit Ausstieg ins Grüne – die ganzen Massen kommen ins Stocken, es sind so viele Menschen, es kommt schon zu einem Stau? Der ganze Park ist voll, zehntausend, ich habe noch nie so viele Menschen bei dem Picknick gesehen.
Relativ früh angekommen, kann ich mir meinen Lieblingsplatz etwas abseits am Teich sichern, bevor ich dann um exakt 15 Uhr, mit Blick auf die Uhr, meinen Kaffee und meinen Kuchen aus dem mitgebrachten Picknickkorb packe. Während ich das Stück mit der Kuchengabel von dem Pappboden esse, schweift mein Blick auf die andere Uferseite, bevor es gleich anfängt zu nieseln, sollte ich mal wieder anschließend rübergehen, zu der Stelle, an der man/frau so schöne Fotos von der Szenerie machen kann. Letztes Jahr ist mir der Freitag entgangen, ich war nur den Sonnabend hier alleine. Dieses Jahr kann ich endlich ein oder zwei schöne Fotos machen und die an meine Online-Kontakte versenden, die in aller Welt, die fragen schon jedes Jahr danach.
Wenig später, ich packe meine Sachen wieder zusammen, schnappe mir mein Picknickkörbchen und drehe meine Runde. Wahnsinnig viele Menschen sind hier. Und so schöne Kleider, mit viel Liebe zusammengestellt, historisch, fantasievoll und hier und da ein Fetisch. Fetisch … Ich glaube jemanden von früher wiederzuerkennen, nicht die Dame oder das Wesen in voller Ledermontur, das er mit sich führt, nein, er selbst. War er das wirklich? Eine Nacht in einem Hotelzimmer im Rotlichtviertel in Hannover? Als ich noch „Escort“ war? Ich drehe mich wieder um und laufe weiter, vielleicht war er es auch nicht …
Zurück zum Hotel, kurz Ausziehen, kurz Entspannen, einfach nur auf dem Bett liegen, vielleicht schaffe ich es doch noch, kurz zu schlafen. Eine Dusche nehmen, dieselben Sachen wieder anziehen, das „viktorianische Kleid“. Ich habe meine Outfit-Sammlung für dieses Festival-Wochenende reduziert, jeder „Tagesdress“ ist auch der „Nachtdress“, ich wechsele nur von den Schuhen mit den Absätzen zu Schuhe ohne hohe Absätze, für meine Füße. Ich wähle die Doc Martens als Schlechtwettervariante zu den Turnschuhen mit der weißen Plateausohle und Textil. Dusche, Parfüm, Kajal, Mascara, den Lidstrich weit übergezogen, die schwarze Punker-Lederjacke. Wieder zu Fuß zur Straßenbahnhaltestelle irgendwo im Norden von Leipzig an einem großen Baumarkt.
Als ich das Festivalgelände am Connewitzer Kreuz im Süden von Leipzig erreiche, sehe ich schon die große Schlange vor dem Eingang. Ich gehe schräg daran vorbei. „Fast lane!“ Der Einlass daneben, für „VIP-Armbändchen“ und Gästeliste. Ich fühle mich schon irgendwie besonders, ich besuche das Festival auch schon seit … immer. Jedes Jahr, jetzt schon die 17. Ausgabe und davor die „Vorgänger-Party“, die Urzelle (ich bin seit der „Tangofabrik“ dabei).
Ich muss auf dem Bett in dem Hotelzimmer doch etwas eingeschlafen sein, auch hier wieder verpasse ich den Anfang der ersten von den drei Bands des Abends. Gothic und Batcave. Erst mal ein Getränk an der Bar holen. Die andere, größere Halle ist offen, mit den kleinen Marktständen. DIY – hier und da wirklich schöne Sachen, aber mein Budget ist nur für CDs und Schallplatten eingeplant – und der Verkaufsstand kommt wahrscheinlich erst den nächsten Abend mit dazu.
Die zweite Band, aus Polen, zurück in der anderen Halle, die wollte ich unbedingt mal live sehen, kannte sie noch von Zeiten, als sie ihre Demos noch im Internet veröffentlicht haben – so vor 15 Jahren. Wieder raus nach draußen, wieder Umherlaufen, warten auf die dritte Band: Lene Lovich. Und ich dachte, sie spielt zuerst, weil sie auf dem Flyer ganz oben steht? Ich dachte wirklich, ich hätte sie schon längst verpasst, als ich wieder in die Konzerthalle zur vermeintlichen Aftershow-Disco wollte und vor einem Einlassstopp stand. „Das ist mir zu blöd, ich gehe wieder zurück in die größere Halle.“ Die mit den Verkaufsständen. „Zu der anderen Tanzfläche und tanze da.“ Schöne Titel, schöne Musik, Synth-Wave. Wer wohl die andere Band war, die da noch hätte spielen sollen? Und das ganze wieder zurück … jetzt kein Einlassstopp mehr. Wer ist diese alte Omi da oben auf der Bühne? Verdammt, das ist Lene Lovich! Mein Blick verzieht sich, ich erinnere mich an das Konzert von vor über zehn Jahren 2012 von ihr in Berlin, sie war doch damals schon alt. Menschen so altern zu sehen, macht mir bewusst, dass ich auch nicht ewig meinen Körper so jung halten kann. Den Geist ja, aber das ist etwas vollkommen Anderes … noch weiter die zwei Tanzflächen tanzen und den frühen Morgen mit einem Taxi zurück ins Hotel, ich brauche wirklich etwas Schlaf. (Ende Teil 3/7)

[26.05.24 / 02:12] Donnerstag, wie schon den Nachmittag zuvor, verlasse ich meine Arbeitsstelle früh, Punkt 15 Uhr bin ich weg. Mein ganzer Kram hat gerade so noch in mein Auto gepasst, die Kiste mit den Schuhen auf dem Beifahrersitz, der Koffer hinten, zusammen mit dem kleinen Picknickkörbchen. Was nicht mehr reingepasst hat, habe ich an: die schwarzgraue Cargo-Jeans, kombiniert mit den Hi-Top Plateau-Sneaker und die ultraweite, schwarze Tunika – die mit den ganz weiten Ärmeln. Alles sorgfältig zusammengestellt, Tage zuvor meinen Kleiderschrank katalogisiert. Ich wollte diese Tunika mal unbedingt wieder anziehen. Enge Cargo-Hosen müssen mit weiten, schwarzen Tops kombiniert werden.
Das Hotel am Stadtrand von Leipzig erreiche ich gegen 16 oder 17 Uhr, zu viel Verkehr auf der Autobahn, zu viele Lkws. Es regnet, ich trage meinen Kram trotzdem schon die Eingangstreppe und den Fahrstuhl hoch zu meinem Zimmer. Das „Penthouse“ an der Ecke ganz hinten? Nicht ganz, das Zimmer, in dem wir schon einmal waren, ist die Etage über uns.
Er schreibt mir Nachrichten, ich richte mich in dem Zimmer ein, packe alles aus. Er will in ein oder zwei Stunden da sein, ich nehme eine Dusche, rasiere meine Beine nach. Er lässt sich Zeit, schreibt, ich soll mir etwas Schickes anziehen, ich liege in meiner schwarzen Unterwäsche auf meinem Bett. Er macht mich wahnsinnig! Kommt er? Kommt er nicht? Ich will den Abend noch ausgehen, die erste Nacht des kleinen Gothic-Festivals. So gegen 19 Uhr klopft es an meiner Hotelzimmertür, ich öffne.
„Du bist es!“ Hemmungslose Küsse, enge Umarmungen, er hebt mein Bein, schubst mich auf das große Doppelbett. Wie lange kennen wir uns schon, fast zehn Jahre? Neun mindestens. Früher war er noch rank und schlank, jetzt nicht mehr. Ein grauer Haaransatz. Alles, was ich an „Bären“ liebe, ist er jetzt. Ein Bart, aber keine Brusthaare.
Wir machen das, was wir immer machen, die ganzen vergangenen Tage und Nächte die Jahre in den Hotelzimmern, dieses Hotel. Ein Blowjob, ich gehe tief, halte, lasse ihn in mich versinken. Er hat Kondome dabei, ich habe Kondome dabei. Mehrere Stellungen, Anal, meine beiden Beine auf seiner Schulter, dann nur ein Bein auf seiner Schulter … für mich die angenehmste Position. Ich kann ihn sehen und küssen. Von hinten, er geht tief, von vorne, ich sitze neben ihm, er liegt und schaut mir zu. „Darf ich etwas probieren?“ Ich steige über ihn, die Reiterstellung, nehme in vaginal. Ihm scheint es zu gefallen, er beißt und kneift in meine Brüste.
„Zieh dich an, nimm eine Dusche! Wir gehen essen.“ Er schlägt mir immer wieder auf den Po, ich kann die Dusche und das Badezimmer gar nicht wirklich erreichen – so viele Schmerzen! „Hör auf!“ Tage später werde ich mich über die vielen Wundmale noch freuen. Ich nehme die Dusche, trockne meine Haare, mache das Zimmer sauber und sammle die ganzen zerrissenen Kondomverpackungen auf.
Wir nehmen mein Auto, durch den Abend durch Leipzig, ein Plattenbauviertel irgendwo im Westen, nicht von den anderen Autofahrern stressen lassen, wenn ich keine Fünfzig fahre – weil ich auf sein Navi hören muss – dann ist das so. Der hupende Fahrer hinter mir ist bestimmt kein Sachse, die wären genauso tiefenentspannt. Wir fahren zu einem Freund von ihm, er bereitet ein Essen für uns vor. Die beiden kennen sich, aber ich kenne ihn noch nicht. Ich parke mein Auto vor dem Hauseingang in dem ostdeutschen Neubauviertel. Ich habe extra gefragt, es soll ein „traditioneller“ Freund sein.
Ich schaue mich in der Wohnung um, eine kleine Wohnung. Er begrüßt uns, er kommt, genau wie mein Freund, aus Syrien. Er ist Maler. Ich ziehe meine Schuhe aus und hänge meine Lederjacke an einen Haken und folge den beiden in das Wohnzimmer. Ein Fernseher läuft, wir setzen uns auf die Couch, mir fallen gleich die ganzen Bilder auf. Ölfarbe, feine Pinselstriche.
Es gibt Moussaka – dieses Gericht wird in der ganzen, östlichen Mittelmeerregion gegessen, sein Geheimrezept verrät er mir nicht. Ich trinke Wasser, die beiden ein alkoholfreies Bier? Sie unterhalten sich auf arabisch nach dem Essen, rauchen eine Zigarette nach der anderen. „Geh mit ihm mit!“ Mein Freund macht eine Handbewegung, ich folge dem Maler in Erwartung, ich könnte noch mehr Bilder von ihm sehen.
Wir befinden uns nur wenige Augenblicke später in seinem Schlafzimmer. Was passiert hier? Er scheint Gefallen an mir zu finden, seine Statur ist nicht unbedingt größer als meine, er wiegt auch nicht so viel, wie mein Freund. Lasse ich mich darauf ein? Ich brauche etwas, um mich darauf einzustimmen … wenig später liege ich wieder ausgezogen auf einem Bett.
Manches ist gleich, manches ist anders, sein Penis ist etwas größer, er geht genauso tief. „Hat er dir von mir erzählt?“ Ich konnte die beiden nicht verstehen, als sie sich auf arabisch unterhalten haben. „Ich bin da unten etwas anders gebaut – da ist keine Vagina. Nur Anal.“ Auch er mag meine kleinen Brüste, geht mit seinen Fingern so tief in mir, wie es nur möglich ist (vaginal). Kein Deepthroat – dazu brauche ich mehr Vertrauen. Mein Handgriff beim Sex, immer das Kondom ertastend. Gefühlt eine Stunde, mein Freund liegt währenddessen im Nachbarzimmer auf der Couch und ruht sich aus. Hoffentlich finde ich hinterher wieder alle meine Sachen zusammen. Keine Dusche, nur etwas frisch machen im Bad und meine Haare kämmen. Als wir dann die Wohnung wieder verlassen, ist es bereits dunkel draußen. Werde ich ihn wiedersehen? Er macht irgendwann den Sommer eine Ausstellung. „But mom, he was an artist!“ (Das kann ich jetzt endlich auch sagen.)
Jetzt endlich den Donnerstag Abend nach Connewitz zu dem kleinen „Gothic Pogo Festival“, Punkt 23 Uhr, an der Abendkasse das Papierticket gegen ein Fünf-Tages-Bändchen tauschen. Ich komme so rein, mein Freund – mein „Langzeitliebhaber“ bezahlt nur für diesen Abend. Mein Auto steht irgendwo in einer Seitengasse, von ihm dirigiert, von mir mühsam eingeparkt. Rein in die kleine Veranstaltungshalle, die erste Band spielt bereits, ich bin allein.
Wird er es dieses Mal schaffen? Könnte es mal wieder ein Festival sein, bei dem ich nicht alleine bin? Er wollte eine Toilette suchen, draußen, und später nachkommen. Ich schaue mir die erste Band an, die zweite auch … Synth und Post-Punk für diese Nacht. Es kommen mehr und mehr Gäste … nach den Auftritten laufe ich suchend durch die Menge. Drinnen habe ich gedacht, ich könnte ihn hinter mir riechen, seine Zigarettenmarke. Draußen suche ich minutenlang alles ab – er sitzt auf einer Bank! „Endlich! Ich suche dich schon die ganze Zeit!“ Mein ganzes Wesen, alleine bin ich in meiner autistischen Blase, niemand spricht mit mir, niemand nimmt Notiz von mir – oder ich will es nicht sehen. Mit ihm zusammen bin ich normal. So wie die anderen Gäste, die draußen herumstehen, sich unterhalten, lachen, eine gemeinsame Zeit verbringen. Mein Freund ist ein Menschenmagnet, er kommt mit allen ins Gespräch. „Darf ich ihnen von dir erzählen? Sie ist trans!“
Die Nacht ist die Disco drinnen nicht so wichtig, draußen lernen wir immer weitere Menschen kennen – auch wenn ich meistens nur still daneben stehe – es ist zu faszinierend, ihm zuzuhören … erzählt er seine Geschichten in Variationen? Was ich dachte, er hätte nach ein oder zwei Semestern abgebrochen, ist jetzt ein vollwertiges Soziologiestudium? Mir egal, sein aktueller Job ist: „Hausmeister für Studentenappartements“.
Auf dem Innenhof auf dem Festivalgelände wird es irgendwann leicht bläulich an dem Himmel, ich bin schon seit sechs Uhr wach, so lange wollte ich gar nicht durchmachen. Fahren wir wieder zurück ins Hotel? Du wolltest noch mindestens einmal mit mir Sex haben. Ich zähle seine Bierflaschen, mindestens acht an der Zahl. Die anderen Gäste, mit denen wir ins Gespräch gekommen sind, verabschieden sich auch schon. Zurück zu meinem Auto, zurück ins Hotel, zurück auf das Zimmer.
Ich glaube, die Sonne schon zu erkennen, als ich die Fenster öffne, die schweren Gardinen beiseite schiebe, um etwas kühl durchzulüften, um sie dann wieder zu schließen. Meine Routine im Bad, schwarzen Kajal entfernen … schläft er schon? Zähne putzen, Haare durchkämmen … ich bin doch ganz schön müde und könnte jetzt einfach einschlafen. Zurück auf dem Bett, er wirft meine Unterwäsche beiseite und nimmt mich. Er stößt tief zu, das Bett rumpelt, ich stöhne. Haben wir Zimmernachbarn? Er ist unersättlich und fordernd … Zu viel, zu tief, zu müde! Ich mag die schweren Vorhänge, sie schirmen das aufkommende Sonnenlicht ab. Eine Packung Oropax, für das ganze Wochenende, wirksam gegen die Güterzüge weit draußen vor den Fenstern dieses Hotels im Norden – aber nicht wirksam genug gegen ihn!
Er schnarcht, furchtbar. Nach dem Sex liegt er auf seiner Hälfte des Doppelbettes, ich auf meiner Hälfte, das Kopfkissen begräbt meinen Kopf. Vielleicht kann ich für einige Momente einnicken, vielleicht auch nicht. In den nächsten drei Stunden muss es Momente gegeben haben. Sein Wecker klingelt den Freitag Vormittag, ihn stört das nicht, er schläft weiter. Ich höre den Mädchen in dem Nachbarzimmer zu, Girl Pals. Er wacht auf und hat noch einmal Sex mit mir. Ich bin so kaputt, mein Kopf und meine Hände dicht an der Wand, lautes Gestöhne. Was wohl die Nachbarn denken?
Irgendwann nimmt er auch eine Dusche und ich kann ihn wieder nackt auf meinem Bett liegend beobachten … Du forderst mich so sehr. Werden wir uns den Tag noch wiedersehen? Verbringen wir das ganze Wochenende zusammen? Den Freitag ist das „Viktorianische Picknick“ im Park, da will ich unbedingt wieder hin. Wäre schön, wenn du auch mit dabei bist. Er will unbedingt auch da sein und Fotos machen. Angezogen sehe ich ihn die Tür wieder zumachen. „Bis später …“
Noch eine Stunde bis elf Uhr, schlafe ich noch ein? Die Zimmernachbarn haben keine Scham, Lärm zu machen, knallen mit allen Türen. (Ende Teil 2/7)

[26.05.24 / 02:11] Wieder zurück von dem langen Gothic-Wochenende in Leipzig. Ich bin zu müde und kaputt, mein Hals schmerzt und ich konnte mich den ganzen Tag nur noch gerade so wach halten. Mein Wohnzimmer hängt voller, getragener, schwarzer Kleider auf Bügeln verstreut, der Koffer geöffnet, auf der Couch die ganzen Mitbringsel verteilt. Die teuren, eingekauften Sachen … und noch mehr getragene Kleidungsstücke.
Tage zurück, der Mittwoch Abend, eingeplant nur für ein paar wenige Stunden, bin ich erst kurz vor Mitternacht endlich fertig. Der kleine Koffer ist voll. Fünf Outfits für fünf Tage und Nächte für das Festival, zwei schwarze Kleider, der Ledermini, zwei schwarze Tops und die neue Cargo-Jeans, sie soll meine kaputtgegangene Kunstleder-Stretchleggings ersetzen. Eine ganze Tragekiste voller Stiefeletten, das ganze Schuhregal mit einem Handstreich leergeräumt, vier Paar an der Zahl, und die Sneaker.
Das Hotel ist schon seit Januar gebucht, ich kann mit dem Auto anreisen, über die Autobahn, gleich den nächsten Tag nach der Arbeit. Ich habe ihm eine Nachricht geschrieben. Es ist „unser“ Hotel, er ist interessiert. Den Abend noch den ganzen Körper rasieren, es fällt auf, dass ich mich schon zwei Monate nicht mehr rasiert habe, nicht mehr ausgegangen bin, es dauert ewig … verdammter Billig-Schrott, der Rasiertrimmer ist nicht für diese Extremsituation gemacht. (Ende Teil 1/7)

[28.04.24 / 00:46] Ein Sparmonat … es gibt nichts zu tun. Keine Erlebnisse, ich bleibe die Wochenenden zu Hause, eingerollt in meiner Decke, auf meiner Couch, vor dem Fernseher. Die Tage von Montag bis Freitag gehen nur so dahin, ich mache Überstunden, meine 42- bis 45-Stunden-Woche (Programmieren ist aber auch eine sehr fesselnde Arbeit). Den Sonnabend mache ich dann gar nichts und den Sonntag nur die Heimarbeit: Küche (speziell den Kaffeeautomaten), Bad reinigen und Wäsche waschen, Schwarzes, Grünes, nach Farben sortiert. Nur den letzten Freitag bin ich mal nach der Arbeit noch in einen nahegelegenen Einkaufstempel bis kurz vor Ladenschluss einkaufen gegangen. Ich musste mir mal dringend neue (schwarze) Unterwäsche kaufen – und eine neue grün-schwarze Tunika! Ich konnte einfach nicht widerstehen und daran vorbeigehen. Von meinem Lieblingslabel, das Britische, mit der „Mode für die Mutter, wie für die Tochter“, das zeitlose Design soll beiden gefallen. Ein aufgedrucktes Tapetenmuster, ich kann das inspirierende Jahrzehnt des Schöpfers oder der Schöpferin nicht wirklich ableiten … Siebziger? Achtziger? Todschick.
Wo ziehe ich es an? Mit meinen Sneakern. Der schwarze Grundton: ich könnte es auch in nur wenigen Wochen zum großen „Gotik-Wochenende“ in Leipzig tragen – das Event, auf das ich hinfiebere – und welches gnadenlos teuer wird. Eine Hotelzimmerreservierung für fünf Nächte, preislich im Luxussegment … und das ist nur die alte Bruchbude im Norden, die ich schon immer buche. Daher mein Verzicht für den Monat April. Ich muss sparen.

Kaufe ich noch mehr ein? Vielleicht einen neuen Bikini? (Wirklich, brauchst du noch einen?) Die schicke Tunika bietet sich auch für die nächste große Reise am Jahresende an (so wie alle meine bunten Tunikas im Schrank). Es könnte nach Thailand gehen … Blick auf das Sparguthaben auf meinem Konto mit dem Budget für die nächste Reise: „Präzise 1,77 Euro.“ Und es hat sich schon seit Monaten nichts mehr daran geändert. Ich muss wohl noch mehr „Sparmonate“ einlegen.

[31.03.24 / 19:50] Zurück von einer Kurzreise nach Hamburg (tatsächlich liegt dieser Trip schon eine Woche zurück). Drei Punkte standen auf dem Programm: die Innenstadt sehen, eine Shopping-Tour machen und eine Kunstausstellung besuchen! Im Internet gebucht, hin und zurück erste Klasse Bahnticket und zwei Nächte in einem Hotel gleich gegenüber dem Ausgang vom Hamburger Hauptbahnhof (mit wirklich winzigen Zimmern).
Die Innenstadt innerhalb dem alten Stadtkern ist schnell abgelaufen, den ersten Tag mittags angekommen – ich will zur Alster, von mir bezeichnet als das „Wasserding“ da in der Mitte der Karte. Gar nicht so einfach, die Straßen sind alle so krumm gezogen, was aussieht, wie geradeaus, geht zehn oder zwanzig Minuten später in eine völlig andere Himmelsrichtung, als in meinem „Kopf-Navi“ angenommen. Wir orientieren uns an ein paar Fixpunkten, eine Kirche, ein Rathaus, die vielen Wegweiser, die ich von meiner letzten Reise in diese Stadt schon kenne.
Der erste Tag, ein Donnerstag, das markante Rathaus, die schönen Kanäle durch die Stadt (fast wie in Amsterdam), ein Fischbrötchen an einer Imbissbude (eher für Einheimische, kein Touristen-Nepp). Später den Abend dann schon einmal im Dunkeln den Weg zu der Kunsthalle finden. Aus dem Fernsehen habe ich mitbekommen, welche Ecke vom Hauptbahnhof wir lieber nicht entlang gehen sollten. Bettler quatschen uns ständig an, wir ignorieren.
Der zweite Tag, die Speicherstadt. Im besten Hamburger Wetter – Nieselregen. Für die Abende, wenn es nicht regnet, habe ich meinen leichten Wollmantel – für das nasse Wetter, meine Regenjacke … und meine, halbhohen „City-Gummistiefel“. Guck sie dir an, diese jungen Leute in ihren Turnschühchen!
Auch die Speicherstadt ist gut ausgeschildert, nur bei diesem Regendunst nicht ganz so leicht zu erkennen (die Schilder). Immer das Smartphone herauszukramen, ist zu umständlich – wir benutzen eine Faltkarte aus dem Hotel, vollgestopft mit Werbung und einem winzigen Kartenabschnitt mit allen Sehenswürdigkeiten.
Die Speicherstadt habe ich mir anders vorgestellt – bzw. anders in Erinnerung – ich dachte, das wären so Grachten und in der Mitte tuckert ein Boot mit der „großen Hafenrundfahrt“. Die vielen, manchmal schon mehrspurigen Straßen für die vielen Autos passen da nicht in das erwartete Bild. Wir lassen uns treiben und weichen auch ein paar Mal von den starren Routen ab.
Kleine, schmale Brücken für Fußgänger. Kopfsteinpflaster an der Mole vor den großen, mehrstöckigen Speichern. Ein Gewürzmuseum finden wir (ich erfahre viel neues über Chili) und eine Kaffeerösterei. Speziell hier drin sind mir viel zu viele Touristen, ich will wieder rüber in die Altstadt, dort soll es ein schönes, kleines Kaffee geben, das wie ein Kolonialwarenladen aussieht und in dem wir schön sitzen können, bei Kaffee und Kuchen. Über eine interessante Kirchenruine den Nachmittag wieder zurück zum Hotel. Abendessen beim Italiener gleich unten neben dem Eingang (welcher auch ein Frühstücksbuffet anbietet).
Der dritte Tag und auch wieder der letzte. Leider sind am Hauptbahnhof alle Schließfächer belegt und wir müssen unsere Koffer – bzw. ich nur meine Tragetasche – mit uns herumschleppen. Noch einen halben Rundgang um die Binnenalster, bei Sonnenschein und Regen (oder Hagel, oder Graupel, Eisklumpen von oben). Eine Bushaltestelle am Jungfernstieg – ich habe alles dabei, meinen ganzen Kleiderschrank, mein Wollmantel landet eingerollt in meiner Tasche, meine Regenjacke ziehe ich schnell wieder über, die praktischen Wildlederschuhe in Hi-Top Sneaker-Optik müssen so gehen.
Noch eine letzte Runde durch die Innenstadt, so langsam kennen wir uns aus. Ein arabischer Mokka in einem Café an einem Kanal, ein günstiges Mittagessen in einem Food-Court in einer Shopping-Mall und später dann mit dem Nachmittagszug erste Klasse zurück. Punkt Stadtbesichtigung abgeschlossen … das mit der Reeperbahn ging dieses Mal nicht, zu wenig Zeit, zu viele gegenläufige Interessen.
Zweiter Punkt: die Shopping-Tour. Was will ich einkaufen? Ich brauche noch extralange, schwarze, flache Schnürsenkel für meine neuen Hi-Top Vans (Weiß geht gar nicht, total ungruftig). Ich bin schon länger auf der Suche nach einer weiteren, schwarzen Jeans – nachdem ich meine alten zwei mit Boot-Cut-Schnittform in die Altkleidersammlung gegeben habe, in meinem Bestand befinden sich jetzt nur noch zwei im geraden Schnitt, eine gekürzte für den Sommer und die Skinny-Stretch – aber die ist Anthrazit. Vielleicht wieder eine mit weitem Bein?
Den ersten Nachmittag laufen wir schon durch alle Läden, bis Anbruch der Dunkelheit, mehrere Levi's Boutiquen – die schwarze Boot-Cut-Jeans gibt es nicht mehr im Sortiment. Schnelles Abendessen beim Inder am Bahnhof. Wenigstens schwarze Schnürsenkel habe ich bekommen: „180 cm“, viel zu lang? Wenn die tatsächlich viel zu lang sind, dann nehme ich die eben für meine anderen Stiefel.
Der zweite Tag – auch die Speicherstadt-Tour. Ein weiterer Einkaufspunkt auf meiner Liste: Kaffee. Am besten den neapolitanischen – helle Röstung, 70-30-Blend, Arabica und Robusta. In der großen Kaffeerösterei bin ich, umzingelt von den vielen Menschen, vollkommen überfordert. Ich fühle mich wie in einer „Touristenfalle“. Später dann in dem kleinen Kolonialwarenladen / Café habe ich ein viel besseres Einkaufserlebnis und kann die 250g Tüte mit der gewünschten Röstung auch gleich bei einer warmen Tasse mit Blick auf das Wasser genießen, bzw. ausprobieren. Den Nachmittag noch einmal durch alle Einkaufsläden und Warenkaufhäuser, meine Begleitung sucht auch noch etwas für sich, ich kaufe die nächsten Schnürsenkel … so auf Vorrat, 160 cm, falls die anderen dann doch zu lang waren [Anm. der Verfasserin: Waren sie nicht, 180 cm hat für die Hi-Top-Sneaker genau gepasst.]
Der dritte und Abreisetag, den mit dem ganzen Gepäck. Nach dem Mokka in der Innenstadt finden wir die Straße mit den ganz teuren Geschäften. Mein Budget ist streng kalkuliert, für so etwas habe ich kein Geld. Irgendwo hier soll es noch ein Outlet eines nicht näher benannten Online-Händlers für Mode und Bekleidung geben (warum trenne ich diese beiden Wörter).
In dem Outlet, in der zweiten Etage für Damen, entdecke ich einen kleinen Stand mit der Aufschrift „Designer“ – der ganze andere, billige Schrapel ist „Bekleidung“, die Designer-Sachen sind „Mode“. Ich wühle mich durch. Jede Jeans eng dicht an dicht. Den Abend vorher habe ich in einem anderen Laden eine graue Levi's gesehen, leider zum normalen Preis und „cropped“ (nicht das, was ich suche). Hier in dem Outlet entdecke ich eine anthrazitgraue Cargo-Jeans von dem spanischen Mode-Label, von dem ich schon einige, hübsche Sachen habe. Wird sie mir passen? Zur Anprobekammer.
Falsch ausgewählt. Ich habe ganz vergessen, ich muss bei spanischen Sachen eine Nummer größer nehmen. Zum Glück sind da noch zwei Exemplare auf der Stange. Zurück vor dem Spiegel in der Anprobe … Cargo. Zwei flache Taschen rechts und links am Bein, die Jeans selber Slim-Fit. Solche Art Hosen (aber viel weiter) habe ich in meiner Militärzeit schon getragen. Diese hier sieht recht schick aus – ich werde sie mit militanten Schnürstiefeln kombinieren! Die mit dem hohen Blockabsatz … gekauft. Wenn ich den Sommer mal wieder auf einen Rave oder auf das nächste Festival gehe …
Auch der Einkaufspunkt ist abgehakt … aber der eigentliche Grund, warum wir hier sind, ist der Besuch der Kunstausstellung mit den Gemälden eines Künstlers um die Jahrhundertwende zwischen 1780 und 1840. Der, der die schönen „gruftigen“ Landschaftsbilder gemalt hat. Der zweite Abend auf unserer Reise, die Ausstellung ist ausverkauft, Wochen zuvor gingen bei der Online-Reservierung die Tickets schon im Minutentakt weg. Wir haben zwei Reservierungen für den Abend.
Angekommen im Foyer des Ausstellungsgebäudes der Hamburger Kunsthalle, ist es viel zu voll. So viele Menschen. Ich schließe meinen Wollmantel und meine kleine Handtasche in dem Schließfach an der Garderobe ein. Der Fluss an Menschen schiebt sich durch die Räume der Ausstellung. Es ist warm und feucht – viel zu viel Stress für die Bilder. Einige Menschen haben Masken auf, einige husten – ich huste nur so zum Spaß, um etwas Platz zu bekommen. [Anm. der Verfasserin: Und werde mich das kommende Wochenende nur so dahinschleppen und elendig infizieren]. So schöne Bilder zu betrachten.
Hier und da können trotz der großen Menschenmenge immer wieder einige gesittet vor den Bildern stehen und die detailreiche Gestaltung des Malers bewundern. In einem Raum sind auch Exponate von Künstlern ausgestellt, die sich von ihm haben beeinflussen lassen. Ich freue mich über die Richtung und erkenne schon die ersten Züge meines geliebten Impressionismus. Der ursprüngliche Maler selbst, dem die Ausstellung gewidmet ist, wird eher der Romantik zugerechnet. Was ich nicht wusste: viele seiner Bilder sind konstruiert und müssen nicht unbedingt die wirkliche Welt abbilden.
Der Gong ertönt, die Besucher werden freundlich gebeten, die Ausstellungsräume gegen Ende zu verlassen. Wir verpassen den Ausgang, biegen falsch ab – und befinden uns wieder in dem kleinen Rundgang durch die Räume. Ein großes Gemälde muss ich noch einmal ungestört bewundern und im Detail erfassen, bevor auch wir uns dem Ausgang zuwenden. An der Kasse für die Souvenirs und Bücher ist alles voll, die Bediensteten haben Mühe, die ganze kunstinteressierte Menschenmenge zum Gehen zu bewegen. Ich nehme noch einen Kühlschrankmagneten mit – praktischerweise befinde ich mich damit gleich an der Kasse zum Bezahlen (ich habe mich ganz bestimmt nicht vorgedrängelt, es ist „einfach so“ passiert). Den Abend wieder zurück zum Hotel.
Gehe ich noch aus? Es ist Freitag Abend … aber ich wüsste nicht, wo ich hin sollte. Der eine „optionale“ Punkt mit dem Ausgehen, ist nicht Teil dieser Reise.

[02.03.24 / 21:48] Ich will mal wieder eine ganze Nacht lang ausgehen – so wie früher: mit dem Zug abends hin und morgens wieder zurück, ohne Hotel. Die letzten schlaflosen Nächte haben mir wieder gezeigt, dass das geht – egal, ob ich die Nacht vorher nicht geschlafen habe, ich bin den nächsten Tag hellwach und topfit auf Arbeit (und wieder haarscharf an einer nächsten „über-64-Stunden-wach-Phase“ vorbei). Das Outfit steht für den Sonnabend Abend bereit: es müssen die spitz zulaufenden, schwarzen Stiefeletten mit den kubanischen Absätzen sein, es muss die anthrazitgraue Skinny-Jeans sein, es muss ein schwarzer Rollkragenpullover sein und er muss optimal zu meinem schwarz-weißen, lässig geschnittenen Long-Blazer passen! Endlich ziehe ich ihn an …
Seit ein paar Wochen weiß ich, dass in Leipzig wieder eine queere Disco-Nacht stattfindet, weit im Südosten, ein noch mir unbekanntes Haus in der Nähe von Bahngleisen und einer markanten Autobrücke. Der Veranstalter ist mir vertraut, nicht unweit dieser Venue war ich vor ganz vielen Jahren (2004?) bei einer seiner ersten Partys in einem Disco-Keller irgendwo in Plagwitz (da bin ich noch mit meinem alten Fiat die Nacht von Wernigerode aus hingefahren – und den Morgen wieder zurück). Ein Ticket habe ich nicht, ich verlasse mich auf die Abendkasse und die Bahntickets für den Regionalzug ziehe ich sowieso „ganz spontan“ am Automaten im Zug.
Sonnabend früher Abend, die Dusche mit dem parfümierten Duschbad, einen zweiten, anschließenden Sprühstoß quer über den Nacken mit dem dazugehörigen Parfüm („Rendez-vous nocturne …“) erspare ich mir – bzw. den anderen, späteren Fahrgästen im Zug. Mascara, Kajal, mein neuer, großer Spiegel in meinem neuen Bad (ich muss unbedingt hier mehr Beleuchtung einbauen, in irgendeiner Schublade liegt noch die LED-Leiste aus meiner alten Dachgeschosswohnung in Leipzig). Kein Abendessen für mich – und kein Geld, das ziehe ich mir vor Ort am Hauptbahnhof. 19 Uhr nochwas, ich steige in den Zug nach Leipzig.

Die Nacht unterwegs nach Leipzig / Februar 2024 / Alter 42
Der erste Zug von Wolfsburg kommend ist noch voll, der zweite Anschlusszug ab Magdeburg ist wieder gemütlich leer, ich kann die ganze Fahrt über Solitaire auf meinem Smartphone spielen. Nur der Zwischenstopp mit ungeplanten Umstieg irgendwo bei Dessau weckt mich aus meiner Routine. Je näher ich Leipzig komme, desto mehr erhellt sich mein Gesicht. Ich schaue aus dem Fenster: Da, dahinten. Irgendwo da habe ich mal gewohnt. Einfahrt in den Leipziger Hauptbahnhof. Toilette und Geldautomat, es muss nachher noch für ein Taxi zurück reichen.
Draußen die Straßenbahnhaltestelle vor dem Hauptbahnhof … Leipzig hat sich irgendwie verändert? Zu viele Menschen die zu sehr „asi“ wirken – und ich meine nicht die Obdachlosen, die hier sowieso immer sind. Weiter mit der Straßenbahn den späten Abend in der Dunkelheit nach Plagwitz. Günstig kalkuliert, mein Länderticket für einen Tag beinhaltet auch den öffentlichen Nahverkehr. Wenn ich später nicht mehr an der Abendkasse vorbeikomme, ich könnte noch bis drei Uhr nachts kreuz und quer hin und herfahren und mir etwas Neues suchen. Es gibt für diese Nacht noch einiges mehr an „Plan B“ in Leipzig.
Die Straßenbahnhaltestelle um kurz vor 23 Uhr, einsam und menschenleer. Ich kenne mich hier aus, zu viele Clubs in verlassenen Industrieanlagen, die nicht mehr existieren. Ich laufe die Straße entlang zu der Autobrücke über die Bahngleise. Der neue Club müsste sich schnell finden lassen, so markant wie er auf der Karte liegt. Ich biege auf einer Ecke ein und laufe eine Fußgängertreppe nach unten, die Laternen an den Bahngleisen erleuchten alles. Der neue Club, ein altes Haus, DDR-Stil, Graffiti an den Wänden zu der Brücke. Es wirkt interessant. Nach und nach kommen die ersten Gäste und ich bin nicht mehr alleine.
Die Treppe runter zu dem Kellereingang, vor mir sind vielleicht nur zwei oder vier Personen, der „Thrill“ ohne ein Ticket. „Gibt es noch eine Abendkasse?“ – „Ja, wir haben noch ein paar wenige Resttickets.“ Der Mann öffnet nur kurz die Tür und informiert die wartenden Gäste, dass der Einlass sich noch um ein paar Minuten verzögern könnte. Wenig später, 23 Uhr plus, es geht rein.
Mein Stempel auf meinem Handrücken, ich habe es geschafft. Ein paar Schritte von der Kasse entfernt, eine kleine Treppe hoch, die Garderobe – meinen flauschigen Wollmantel abgeben – eine kleine Sitzecke, wissen, wo die Toilette ist und ich betrete durch einen schmalen, dunklen Gang die kleine Tanzfläche. Ist es das? In den paar Sekunden habe ich den ganzen Club abgelaufen? Neben der Tanzfläche liegt noch eine Bar, sie ist noch im Dunkeln. Ich laufe ein paar mal hin und her, frage den netten Mann an der Garderobe, die Bar macht später noch auf. Er deutet auf die Kasse die Treppe runter, das ist auch eine kleine Bar (ist mir gar nicht aufgefallen). Es kommen weitere Gäste.
Auf der Tanzfläche, die erste DJane legt ein paar Italo-Classics auf – zu schön für mein Outfit. Mein Long-Blazer unterstreicht die Achtziger-Jahre-Note. Ich performe zu der Musik, ich kenne sie in- und auswendig. Die stilvolle Beleuchtung oben an der Decke fällt mir auf … so schön düster und elegant. Noch habe ich viel Platz zum Tanzen.
Mehr Gäste, mehr Leben, mehr tanzen und umherlaufen, meine Flasche Club Mate in der Hand. Transvestiten? Irgend etwas mit trans? Drag Queen Entourage! Ich bin nicht die einzige auf dieser queeren Party. Die Drag Queen bezeichnet sich selbst auch als trans. Ins Gespräch komme ich nicht, sie fallen mir nur auf. Transsexuelle Frauen und Transvestiten begegnen sich nicht, sind grundverschieden, tolerieren sich nur gegenseitig.
Die Temperatur in dem kleinen Club steigt, der schwarze Rollkragenpullover landet eingerollt in meiner Handtasche – diese wiederum für ein paar Cent mehr an der Garderobe. Endlich befreit kann ich noch mehr tanzen. Der zweite DJ, der Veranstalter höchstpersönlich, und wenig später die Nacht, der dritte, gebuchte DJ. Ein Wahnsinns-Set – er legt noch echtes Vinyl auf. Die zweite oder dritte Limonaden-Flasche in meiner Hand, den Blazer leger über meinem Arm, nur noch die Jeans und das schwarze Spaghettiträger-Top, mein Nietengürtel blinkt in dem warmen und dunstig-nebeligen Club. Die Gruppe an Menschen umringt den DJ-Pult und tanzt sich in Trance.
Wie lange bleibe ich hier? Wie spät ist es? Bargeld ist in der Jeanstasche vorne, das Smartphone hinten am Gesäß. Auf der Toilette spüre ich den Duft von Kondomen, überall wird geraucht, nicht nur Nikotin. Irgendwann ist es nach um drei Uhr und ich suche zwischen den vielen Menschen einen Sitzplatz. Der DJ legt weiter auf, sein Set ist noch nicht vorbei. Ich muss wieder herunterkommen, etwas entspannen, mich auf das Gehen vorbereiten. Stimmen überall, so viele Menschen, Italienisch, Spanisch, mehr.
Kurz vor vier Uhr, die kleine Sitzecke an der Garderobe. Die blinkenden LED-Textlaufbänder faszinieren mich, eine Kunstinstallation? Das Gemälde unten am Eingang ist mir aufgefallen, vielleicht habe ich es schon einmal in einer Galerie hier in Leipzig gesehen. Ich hole meinen Mantel und meine Handtasche an der Garderobe ab. Für das Anziehen aller meiner Schichten lasse ich mir viel Zeit. Auch wenn ich weiß: um fünf Uhr geht der erste Zug.
Draußen, es ist kalt. Mein Mantel eng zusammengeschnürt. Diese Stille, dieser Kontrast. Die Treppe hoch zu der großen Brücke und weiter im Schein der Laternen zu den großen Kreuzungen. Irgendwo hier muss ich ein Taxi anhalten, immer wieder drehe ich mich beim Laufen um, ob eines hinter mir ist. Eine zentrale Straßenbahnhaltestelle, einige Partygäste von irgendwo. Die ersten Straßenbahnen fahren bereits diesen frühen Sonntag Morgen. Ich glaube nicht, dass sie auch bis zum Hauptbahnhof fahren (auch wenn in Leipzig so gut wie alles über den Hauptbahnhof fährt). Mein Budget ist auf eine Taxifahrt ausgerichtet. Ich habe bereits die Nummer auf meinem Telefon gewählt, als ich am Ende der Straßenbahnhaltestelle inmitten der großen Kreuzung ein Taxi anwinken kann. „Zum Hauptbahnhof.“ Jetzt aber schnell, es ist schon nach 4:30 Uhr und der Zug geht in wenigen Minuten (25 bis 30 Minuten).
Der Taxifahrer nimmt eine direkte Route, angekommen am Taxistand am Hauptbahnhof drücke ich ihm meine letzten 25 Euro Bargeld in die Hand, die 25 Euro, die ich ihm auch versprochen habe. Wie erwartet, der Bahnhof ist um diese Uhrzeit den frühen Sonntag Morgen voller Partyvolk. Niemand lebt noch in Leipzig, sie alle kommen aus den umliegenden Gemeinden. Mein Zug geht pünktlich, ich kann mir in dem hell beleuchteten Wagon einen freien Sitzplatz aussuchen. Leer ist es nicht, aber die anderen Partygänger, so wie ich, versuchen auch, etwas zu schlafen. Einzig unterbrochen von der jungen Schaffnerin / Zugbegleiterin, die die Tickets prüft.
Delitzsch, Bitterfeld … der Ort kurz vor Magdeburg? Ich muss eingerollt auf der Sitzbank etwas eingenickt sein, mindestens der Halt in Dessau ist mir entgangen. Es fühlt sich genauso an, wie vor zehn, fünfzehn, zwanzig Jahren, als ich noch in meinem schwarzen Kapuzenpullover und der Leder-Jeans (und genau dem Nietengürtel) und meinen alten Springerstiefeln von einem Festival / Konzert / Clubnacht von irgendwo in Deutschland zurück gekommen bin. Ich fühle mich auch gleich zwanzig Jahre jünger und so jugendlich.
Magdeburg, der Umstieg in den anderen Regionalzug weiter in das Provinzkaff, das wenigstens ein Bahnhof und somit ein Tor zur Welt hat. Ein Nuss-Nougat-Croissant als mein erstes Essen nach zehn Stunden um sieben Uhr morgens. Keinen Kaffee, noch eine Stunde und ich bin zu Hause. Die schwarze Wimperntusche und den rauchigen Lidstrich habe ich mir schon im Zug mit ein paar Tücher zum Make-up-Entfernen weggewischt, in meinem Heimatkaff angekommen, im sonnigsten, frühmorgendlichen Sonnenschein unter blauen Himmel und aufgehender Sonne zu Fuß die paar hundert Meter zum Familien-Wohnhaus. Ich bin froh, dass ich meine Sachen nur auf die Couch werfen brauche und kurz darauf – gegen acht Uhr – mit zugezogenen Vorhängen in mein Bett fallen kann. Ich erwarte nicht, dass ich einschlafe, ich mache nur (wie im Zug) meine Augen zu … und schlafe doch bis Mittag. Sonntag …

[18.02.24 / 23:50] Ein sonniges Wochenende im Februar, Sonnabend Morgen … das Wetter hält? Die Sonne kommt noch raus? Ich habe ganz kurzfristig erfahren, dass diesen Nachmittag noch eine Demo in Magdeburg sein könnte – eine Demo gegen Rechts! Wie so viele die letzten Wochen zuvor, in ganz Deutschland, jetzt auch hier in Sachsen-Anhalt.
Ein breites Bündnis hat aufgerufen, zu breit, ich werde niemanden aus meinem Bekanntenkreis erwarten. Ich scherze noch: Wenn die AfD da nicht eingeladen ist, gehe ich nicht hin! In der Realität ist mein Umfeld viel zu sehr links, als dass sie bei irgend etwas teilnehmen würden, was von Parteien, Gewerkschaften und allen anderen mittig orientierte Institutionen organisiert oder unterstützt wird. Ich bin da, ich will dahin, mir ist es egal, jeder Mensch zählt. Wenn da mehr als zwanzig auftauchen, ist das schon richtig gut für dieses faschistische Drecksnest.
Den Regionalzug eine Stunde früher habe ich schon verpasst, ich lasse mir nach dem Frühstück genug Zeit. Ich nehme das Auto und bin auch so gegen 11 Uhr den späten Sonnabend Vormittag am Hauptbahnhof von Magdeburg. Mein Auto stelle ich wieder irgendwo in einem Parkhaus ab. Ich bin zu früh. Nicht mal mehr als zwei Polizeifahrzeuge sind auf dem einsamen Vorplatz zu sehen. Einen teuren Kaffee und ein Schokocroissant später auf der Sitzbank draußen … wenn ich schon einmal hier bin (und es noch ewig dauert, bis es losgeht), könnte ich doch auch noch Einkaufen gehen.
Zurück in die Einkaufspassage gegenüber dem Hauptbahnhof, der eine Klamottenladen hat ein schönes, grünes T-Shirt einer nicht näher genannten US-amerikanischen Marke … leider finde ich in dem ganzen Stapel nur noch die Größe XXL. Zurück nach draußen, es tut sich immer noch nichts auf dem großen Vorplatz – ohne anzuhalten drehe ich meine Runde von dem einen Ausgang wieder in den anderen Eingang des Einkaufstempels. Ein Schuhladen, hinten die Regale mit den Outlet-Angeboten, davor die „Boutique-Sneaker“.
Die letzten zwei oder drei Jahre blieb ich immer mit meinen Augen an den Vans hängen … kaufe ich sie mir irgendwann? Könnte das etwas für mich sein? Sind die szenetypisch und könnte ich mich damit in der Gothic-Szene blicken lassen? Oder werde ich dann merkwürdig angesehen? In meiner Plattensammlung habe ich auch ein paar Hardcore-Sachen, eine Scheibe ist sogar der (späteren) Skater-Hardcore-Punk-Szene zuzuordnen. Bei den Punk-Konzerten sehe ich in letzter Zeit immer häufiger Leute in diesen schwarz-weißen Turnschuhen herumlaufen. Aus meinem Bekanntenkreis weiß ich, dass sie äußerst bequem sein sollen. Ich probiere zwei Paare an, jeweils die eine Seite Hi-Top-Sneaker mit Plattform, die andere Seite ohne die erhöhte Sohle. Tatsächlich gefällt mir die Seite mit dem Plateau an meinem Fuß besser (wahrscheinlich sind sie durchgehend gepolstert und nicht nur hinten die Ferse). Ich kaufe sie! Verdammte YouTube-Influencer …
Mit dem Plastebeutel und dem Karton darin, verlasse ich wenig später wieder den Konsumtempel. Draußen sind jetzt schon viel mehr Menschen – und Polizisten. Meine neuen Turnschuhe (mit denen ich auch auf jeder nächsten Demo den Sommer latschen könnte) lasse ich in einem Schließfach unten in der Bahnhofsunterführung. Draußen bricht die Sonne aus den Wolken hervor und die Kundgebung beginnt. So irgendwann die eine Stunde nach Mittag.
Der Demozug setzt sich wenig später in Bewegung … es ist so still. Vielleicht sind es schon an die ein- oder zweitausend Menschen, wirklich breit gestreut, die schönen Menschen, nicht die hässlichen. Aber für mich ist es ungewohnt, finde ich mich sonst in einem schwarzen Block wieder, mit Seitentransparenten, ein paar Knaller, Flaschenwürfe, zerspringendes Glas und lauten Sprechchören – wirkt dies hier wie ein angenehmer Spaziergang. Die Polizisten sind bestimmt auch froh, eine friedliche Bürgerbewegung, da gibt es nicht viel zu tun … außer die wenigen, aufrichtigen Menschen vor faschistischen Idioten mit Gedankengift und Hass im Kopf zu beschützen. Von Störern bekomme ich nichts mit (die gibt es nur auf den CSDs).
Regenbogenfahnen, Antifa-Flaggen, Parteien – Links und Mitte, diverse Gewerkschaften. Ich orientiere mich an den paar, die dann doch ein paar Sprechchöre anstimmen und biege mit den anderen und den bunten Regenbogenflaggen auf dem großen Domplatz ein. Die Demo war eigentlich viel zu kurz für die paar vier Ecken rund um die Innenstadtstraßen von Magdeburg. Egal, die Sonne scheint, ich trage sogar meine übergroße Sonnenbrille (und meinen plüschigen, grau-schwarzen Mantel).
Hinter mir der Dom, die Demo vom letzten Jahr, da drüben stand ich mal. Ich glaube, jetzt wurden hier mit zwei- bis dreitausend Menschen doch mehr mobilisiert, als letzten Sommer hier die Rechtsnationalen waren (oder für was auch immer die sich halten, ich bin da szenefremd). Redebeiträge, die aktuelle CDU-SPD-(et.al.)-Koalition, was doch einige vom Kommen abgeschreckt hat, die Kirche, die Gewerkschaften und ein paar der Vertreter der Uni und der Hochschule mit den noch besten Texten (ich bin aber auch beeinflusst, als ehemalige Studentin). So wie sich die Sonne über dem Dom schiebt und den gepflasterten Platz in immer schöneres Licht taucht, verschwinden immer mehr Menschen, und als die Demo / politische Veranstaltung den Nachmittag offiziell beendet wird, ist nur noch ein kleiner Haufen übrig. Immerhin war wenigstens jemand da. Das wird noch hässlich werden bei der nächsten Landtagswahl (ich fürchte schlimmes).
Ein Eis im schönsten Sonnenschein, die Menschen verstreuen sich, die Schlange vor dem italienischen Eiskaffee um die Ecke ist noch lang. Ich setze extra meine Sonnenbrille noch einmal auf und verschlinge schnell die Kugel Stracciatella auf der Waffel. Weiter den Nachmittag zu der anderen Einkaufsmeile ein paar hundert Meter entfernt (dort wo mein Auto parkt).
Hier gibt es den einen Laden mit dem US-amerikanischen Modelabel, vorher noch schnell einen indischen Schnellimbiss, weiter hinein in die prallgefüllte Shopping-Mall. In dem Laden erzähle ich dem Verkäufer, dass die da in dem anderen Laden so ein schönes, grünes T-Shirt hatten. Er kommt wenig später aus dem Lager zurück und zeigt mir ein Exemplar – in meiner Größe. Es ist sogar noch schöner mit dem leicht veränderten Flock-Print auf der Vorderseite und dem Glitzer drumherum (das würde sicher bestimmt gut zu meinen neuen Sneakern passen). Ich kaufe es! Nach dem Anprobieren in der Umkleide fliegt meine Plastikkarte erneut über das Bezahlterminal. Weiter die Rolltreppen hoch und runter über die anderen beiden Etagen und die vielen Geschäfte (aber ich werde nichts weiter einkaufen). Die Sonne nähert sich langsam dem Untergang. Zurück zu Fuß zu dem Schließfach am Hauptbahnhof und denselben Weg wieder zurück zu dem Einkaufszentrum mit dem Laden von eben und mit dem Fahrstuhl runter in die Tiefgarage zurück zu meinem Auto.
Den Beutel mit dem Schuhkarton lege ich in den Kofferraum, mein neues T-Shirt ist auch mit dabei. Es ist bestimmt zweiundzwanzig Grad hier unten und mein Wollmantel und mein Schal und meine gefütterte Steppjacke und mein schwarzer Kaschmirpullover waren vielleicht doch etwas zu viel für heute. Mit dem Auto die fünfundzwanzig Kilometer zurück nach Hause.

Antifaschismus ist auch Kapitalismuskritik? Mein Konsumfetisch und mein Ziel, mein gesamtes Vermögen in die schlimmsten und profitabelsten Dinge zu investieren, um innerhalb der nächsten drei Jahre zu den obersten zwanzig Prozent zu gehören, steht vielleicht etwas in Konflikt zueinander – zu meinen links-grünen Idealen.

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Kommentar:

[05.12.22 / 17:34] Daniele1992: Hallo Morgana

Mail ist heute rausgegangen

LG Daniele

[13.11.22 / 09:33] Daniele1992: Hallo Morgana

aktuell keine schöne Situation. Ich schreibe Dir noch eine Mail dazu.

LG Daniele

Morgana LaGoth: Einige Kommentare müssen auch nicht allzu öffentlich sein …

[13.05.22 / 09:15] Daniele1992: Hallo Morgana,

Tolle Reisebericht von Deiner neusten Reise nach Paris. Macht grosse Lust auch wieder dort hinzufahren um sich von der Stadt inspirieren zu lassen.

Tolle Neuigkeiten.NeuerJob. Klasse! Freue mich für Dich.

Liebe Grüße
Daniele

Morgana LaGoth: Danke. Endlich wieder verreisen … lange darauf gewartet. Lebendig bleiben, solange es noch geht.

[24.12.21 / 20:55] Daniele1992: Hallo Morgana,

Ich denke an Dich und wünsche Dir frohe Weihnachten und ein schönes neues Jahr 2022.

Liebe Grüße
Daniele

Morgana LaGoth: Vielen Dank, ich wünsche dir ebenfalls ein schönes, neues Jahr.

[25.09.21 / 14:59] Daniele1992: Hallo,

eine Chance etwas Neues zu machen. Neue Perspektiven. Urlaubsträume, die bald real werden können. Nicht so schlecht. Freue mich für Dich. LG Daniele.

Morgana LaGoth: Danke dir.

[11.11.20 / 09:12] Daniele1992: Hallo Morgana

Ich habe Dir eine Mail geschickt.

Lg
Daniele

Morgana LaGoth: Hey ... vom Lenkrad aus mit der Hand winken, von einem MX-5 zum anderen. *freu*

[30.07.20 / 22:03] Daniele1992: Guten Abend

das habe ich sehr gerne gemacht. Zum Einen interessiert mich das Thema und zum Anderen hast Du wirklich sehr lebendig und spannend geschrieben. Da wollte ich Alles lesen und wollte Dir schreiben, das mir Dein Blog besonders gut gefallen hat (Die eigentliche Arbeit hattest Du ja mit dem Verfassen des Blogs). Wenn Du magst können wir den Kontakt gerne per Mail halten. Viele Grüße Daniele

Morgana LaGoth: Mail-Adresse steht oben bei "kontakt" - bei weiteren Fragen, gerne.

[30.07.20 / 12:44] Daniele1992: Guten Morgen,
vielen Dank für Deinen tollen Blog. Ich habe ihn in den letzten Wochen komplett gelesen. Meistens konnte ich gar nicht aufhören zu lesen. Fast wie bei einem sehr spannenden Roman. Ich habe dabei Deine genauen Beobachtungen und Beschreibungen sehr genossen. Deine vielen Ausflüge in die Clubs und zu den Festivals oder Deine Streifzüge d durch die Geschäfte beschreibst Du immer aus Deiner Sicht sehr anschaulich und spannend. Ich kann das sehr gut nachvollziehen, das alleine zu erleben, häufig auch mit einer gewissen Distanz. Ich kenne ich von mir sehr gut. Highlights sind Deine Reiseberichte. Deine Erlebnisse an den unterschiedlichsten Orten auf der Welt. Vielen Dank dafür. Vielen Dank auch das Du Deinen Weg zu Deinem waren Geschlecht mit uns Lesern teilst. Deinen Weg Deine Gefühle Deine zeitweisen Zweifel. Das ist sehr wertvoll auch für uns Andere, denn es ist authentisch und sehr selten. Du bist einem dadurch sehr vertraut geworden. Für mich ist eine gefühlte grosse Nähe dadurch entstanden. Umso mehr schmerzt es mich von Deinen Rückschlägen zu lesen. Von Deinem Kampf zu Deinem wahren Ich. Von Deinem Kampf umd Liebe, Zährlichkeit und Akzepzanz und Anerkenung. Von Deiem mitunter verzweifeltem Kampf nach Liebe und Anerkennung durch Deinen Exfreund. Leider vergeblich. Dein Kampf um wirtschaftliche Unabhängigkeit und Deine aktuell missliche Lage. Ich glaube dass Du nicht gescheitert bist. Du hast viel Mumm und Hardnäckigkeit bewiesen Deinen Gang zu Dir selbst zu gehen. Du hast auch einen guten Beruf der immer noch sehr gefragt ist. Vielleicht kann ja nach dieser Auszeit und etwas Abstand ein Neuanfang in einer anderen Firma, wo Du keine Vergangenheit als Mann hattest gelingen. Ich wünsche das Dir ein Neuanfang gelingt und drücke Dir ganz fest die Daumen. Daniele

Morgana LaGoth: Da liest sich tatsächlich jemand alles durch? Das ist mittlerweile schon ein kompletter Roman mit mehreren hundert Seiten! Danke dir, für deinen Kommentar (und die aufgebrachte Zeit).

[05.10.19 / 17:11] Drea Doria: Meine liebe Morgana,
bin 5 T post all-in-one-FzF-OP. Deine guten Wünsche haben geholfen. Der Koch ist immernoch noch super. Alle hier sind herzlich und nehmen sich Zeit.
Herzlich
Drea

Morgana LaGoth: Dann wünsch ich dir jetzt noch viel mehr Glück bei deiner Genesung!

[14.06.19 / 12:57] Drea Doria: Meine liebe Morgana,

vielen Dank für Deine offenen und kritischen Erlebnisberichte. Ich bin in 3 Monaten in Sanssouci zur FzF-OP. Ich denke auch, was kann schon schief gehen, status quo geht nicht und irgendwas besseres wird wohl resultieren. Wenn es Dich interessiert, halte ich Dich informiert. Drücke mir die Daumen.
Herzlich
Drea

Morgana LaGoth: Ich wünsche dir für deine Operation viel Glück. (Sollte der Koch nicht gewechselt haben, das Essen da in der Klinik ist richtig gut!)

[14.11.17 / 20:13] Morgana LaGoth: Nutzungsbedingungen für die Kommentarfunktion: Die Seitenbetreiberin behält sich das Recht vor, jeden Kommentar, dessen Inhalt rassistisch, sexistisch, homophob, transphob, ausländerfeindlich oder sonstwie gegen eine Minderheit beleidigend und diskriminierend ist, zu zensieren, zu kürzen, zu löschen oder gar nicht erst freizuschalten. Werbung und Spam (sofern die Seitenbetreiberin dafür nicht empfänglich ist) wird nicht toleriert. Personenbezogene Daten (Anschrift, Telefonnummer) werden vor der Veröffentlichung unkenntlich gemacht.

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