morgana81 - gothic transgender
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Der Kalender ist voll, voll mit Terminen für die einzelnen Bikertreffen in dieser Saison.

[26.05.25 / 00:21] Der Kalender ist voll, voll mit Terminen für die einzelnen Bikertreffen in dieser Saison. Das erste steht an, das mit der großen Ausfahrt … werden sie den Rekord mit den über 700 Motorrädern von 2019 schaffen? Warten und schauen auf die Wettervorhersagen jeden weiteren Tag.

Mein Bikerfreund, der vom letzten Jahr, hat zugesagt. Er will zu dem Treffen kommen, will mit seiner Rennmaschine an der Ausfahrt teilnehmen, vielleicht dann auch, wie letztes Jahr, sein Motorrad danach in die Garage zurückfahren und mit dem Auto zurückkommen? Ich erhalte schon den ganzen Winter Nachrichten von ihm auf meinem Smartphone. Er ist weiter an mir interessiert, ich blocke ab.

Der Sonnabend das Wochenende im Mai, Freitag hat es geregnet, Sonntag soll es auch regnen. Ich nutze den Sonnabend Vormittag, um endlich das Motorrad ein wenig sauber zu machen. Zwischen zehn und elf Uhr, Eimer mit „Spüli-Wasser“ aus dem Keller holen und mein Wisch-Handschuh suchen. Motorrad aus der Garage holen.

Den Abend zuvor habe ich schon mein Körper etwas auf Vordermann gebracht, überall Haare schneiden, Haare trimmen, Haare frisieren, Beine, Schamgegend, Po, Brustwarzen, Achselhöhlen und Augenbrauen, überall da, wo Frauen Haare haben (der Po eigentlich nicht, der fühlt sich glatt an, aber den sehe ich nicht). Eigentlich wollte ich mich nicht mehr so leicht hergeben, eigentlich wollte ich von Männern Abstand halten, wäre doch viel besser, wenn ich nicht mehr diesen Sex habe. Alle Männer finden es irgendwann heraus, was ich bin – und dann kommt das Drama.

Sonnabend Mittag, Mittagessen. Sonnabend früher Vormittag, nach dem Aufstehen, Beine fein nachrasieren. Klamotten sind die, die ich schon die ganze Woche auf Arbeit trage, das schwarze Polo-Hemd. Motorradklamotten auf der Couch zurechtgelegt, Motorradklamotten angezogen. Mittagessen musste sein, auf dem Bikertreffen gibt es bestimmt nur wieder einen Grillstand mit Steak und Schweinebratwurst. Helm schnappen (mein alter Helm) und das Gepäcknetz für die kleine, olivgrüne Armeetasche auf der Rücksitzbank. Brauche ich einen schwarzen Kapuzenpullover für unter die Kombi? Nein, ich fahre so. Böser Fehler, auf der Tour die zwanzig Kilometer zu dem Treffengelände kurz nach 13 Uhr, merke ich schon den kalten Fahrtwind.

Unterwegs noch tanken, das gute Benzin mit den hundert Oktan, nicht die Plörre mit dem E5 oder E10. Ich glaube, dass ich mir damit den Vergaserreiniger sparen kann, wenn der Kraftstoff besser verbrennt. Der Motor läuft auf jeden Fall damit besser, hat keine (oder kaum) Fehlzündungen, springt sofort an und diese merkwürdigen, ruckartigen Aussetzer sind noch nicht wieder vorgekommen (so ähnlich, wie wenn ich „versehentlich“ den Tank leerfahre / auf Reserve umschalten muss.)

Ich erreiche das Gelände pünktlich, um 14 Uhr soll doch die große Ausfahrt starten. Ich will mich, wie das letzte Mal, ganz hinten anhängen, da habe ich mehr Platz und gefährde nicht so sehr die hinter mir fahrenden, wenn ich die engen Kreuzungskurven wieder mit schleifender Kupplung entlangkrieche (im Pulk der Ausfahrt ist es zu eng, da wird in den Innerorts-Kurven sowieso nicht schneller gefahren). Ich parke mein Motorrad außerhalb des Geländes mit dem Sportplatz, auf einem Waldweg. Einen anderen Biker hatte ich schon gefragt, aber ich habe selber gesehen, dass ich nur ein paar hundert Meter an einer breiteren Stelle bequem wenden kann. Die Wege zu dem Sportplatz sind voller Autos, ein Fußballspiel ist hier auch noch.

Das Gelände … so viele Motorräder! Sie könnten den Rekord wirklich schaffen. Ich suche die weiße Rennmaschine meines Freundes, er ist nicht da. Er hat in einer Nachricht geschrieben, dass er seine Tochter mitnehmen wird. Auf dem Platz mit den Bars, den Veranstaltungszelten und der Bühne, spricht der Organisator schon ins Mikrofon, es geht gleich los.

Aufsitzen! Ich laufe den Kiesweg zum Ausgang des Geländes, noch bevor die zu hunderten Motorradfahrer hier durch wollen. Weiter zu meiner Maschine auf den angrenzenden Waldweg. Einige Motorradfahrer stehen hier auch rum, sie wollen sich das nicht entgehen lassen, wie die ganze Meute mit ihren donnernden Motoren im langsamen Tempo das bewaldete Sportplatzgelände verlassen und auf die Landstraße zusteuern. Kein Stress, ich habe die Zeit, mir das alles anzusehen. Irgendwann, es geht zehn, oder zwanzig Minuten, laufe ich auch zu meinem Motorrad, ziehe mir meinen Helm über und starte den Motor. Wenige Meter … Oh, Mist! Ich habe meinen Helm gar nicht zugemacht. Ich muss noch einmal anhalten und an dem Verschluss herumfummeln. Die beiden Abschluss-Motorräder mit dem „Achtung Kolonne“ LED-Schriftzug sehe ich schon um die Ecke verschwinden. Jetzt aber schnell, noch einmal den Gashahn aufdrehen. Ein oder zwei Kilometer später kann ich mich auf der Landstraße in die letzte Position mit einreihen.

Wie gewohnt, die Tour, wie all die Jahre zuvor. Dieselbe Route, wie immer. Nur das Stück in der Kleinstadt, wo ich wohne, könnte Baustellenbedingt anders werden … sie könnten bei mir Zuhause an meiner Garage vorbeifahren. In jedem Dorf wird laut gehupt oder gewunken, bestimmt hat jeder hier irgendwo Angehörige oder Freunde am Rand stehen, die gegrüßt werden müssen. Ich freue mich auch auf die winkenden Menschen, bin aber viel zu sehr beschäftigt, die Spur und das Tempo zu halten, der Strecke und dem Vordermann (oder -frau) zu folgen und auf die Bremslichter und den Abstand zu achten. Wie immer, von der Landschaft bekomme ich eigentlich nichts mit. Im Rückspiegel die orangefarbenen Lichter der Begleitmotorräder. Jede Kreuzung akkurat gesperrt.

Vor mir die Landstraße, ich mag die Stellen, an denen ich bis zum Horizont nur diese hunderte Motorräder sehen kann. Maschinen aller Art, die Renner und die Chopper mit den ultra-breiten Hinterradreifen. „Die passen nie alle auf die Tankstelle!“ Je näher wir dem Zwischenhalt kommen, witzele ich schon wiederholt in meinem Helm. Der Trupp fährt auf das kleine Gelände dieser Tankstelle in einem Heide-Dorf irgendwo in Sachsen-Anhalt ein. Und sie passen doch alle drauf. Ich parke mein Motorrad in dritter Reihe neben den LKWs und steige ab, um meinen Freund hier zu suchen, eine weiße Sportmaschine müsste doch auffallen zwischen den ganzen Chopper und Cruiser. Ich finde seine Maschine tatsächlich, er ist nicht allein.

Ich stehe minutenlang vor ihm, er hantiert mit seinem Helm herum und bemerkt mich nicht. Seine Tochter und die andere Frau da, schon. Wer ist das? Wieso starrt sie ihn an? Kennen die sich? (Gedanken lesen.) Die eine Frau, wie ich es später erfahren werde, ist seine Ex-Frau. Ich tue so, als ob ich sie nicht bemerke, bin mir der Blicke aber sehr wohl bewusst. Endlich hebt er seinen Kopf und erkennt mich. Eine einfache Begrüßung, so wie unter Motorradkumpels üblich. Er schlägt vor, den letzten Teil der Ausfahrt mit mir nebeneinander zu fahren. Irgendwann kommt das Signal, dass es weitergeht. Ehe die paar hundert Motorräder die Tankstelle wieder verlassen, vergehen wieder einige Minuten.

Das letzte Stück der Ausfahrt fahre ich, bzw. „wir“ nicht ganz hinten. Das hintere Drittel, vor mir die schweren Cruiser der MCs. Er hinter mir mit seiner Tochter, im Rückspiegel.

Die lange Kolonne biegt ein in die Kleinstadt, in der ich wohne. Vorbei an meiner Garage, so ein Mist, genau jetzt sind meine Eltern nicht da, ich hätte doch gerne auch einmal gewunken. Vorbei die engen Straßen, der Innenstadtkern, noch engere, kleinere Straßen – die Anwohner in diesem verschlafenen Provinzkaff hätten nie erwartet, dass sich auf einmal, aus dem nichts, über 600 Motorräder lautstark durch ihre Straße schieben. Hier winkt niemand, sie sind eher überrascht und entsetzt.

Wieder raus aus dem Kaff, auf die alte Route, die mit den Dörfern, mit den Menschen, die das schon von jedem Jahr kennen, die mit Camping-Stühlen und vereinzelten DDR-Fahnen schon auf uns warten. Das Event des Jahres.

Ich verliere ihn kurz vor Ende der Ausfahrt, sehe ihn im Rückspiegel nicht mehr, er ist vielleicht woanders abgebogen, er wohnt hier in der Gegend? Ich fahre mit den vielen anderen Motorrädern auf das parkähnliche Gelände des Sportplatzes. Alles ist organisiert, überall sind weiße Markierungen aufgesprüht, im Gras liegen die vielen, kleinen Holzplättchen für die ausgeklappten Seitenständer. Ich parke mein Motorrad in leichter Hanglage im Umkreis einer alten Eiche. Es muss eine Eiche sein, der Zweig mit dem angetrockneten Eichenlaub fällt mir neben meinem Fuß auf, als ich den Seitenständer ausklappe. Ich finde den Zweig mit den Blättern so hübsch, ich klemme ihn unter das Gepäcknetz neben meiner russischen Armeetasche … so als „Tarnung“. Ein paar Meter weiter steht ein altes Gespann aus Sowjetzeiten, der Fahrer hat noch viel mehr liebevolle Details an seinen Beiwagen montiert: Gefechtshelm, Tarnnetz und eine rote Flagge.

Zum obligatorischen Kaffee-und-Kuchen zu den Verkaufsständen und dem zentralen Platz auf diesem Biker-Festival. „Einen Kaffee und einen Schoko-Kuchen.“ Ein paar Euros wandern über den Bartresen. Meinen Schokoladenkuchen esse ich ein paar Minuten später, während auf der Wiese vor der Bühne sich schon ein paar Motorräder für die Dezibelmessung ansammeln. Die Veranstalter haben extra mal ein paar Frauen aufgerufen, sich hier zu treffen … es finden sich tatsächlich ein paar. Ich jedenfalls nicht, mein Mopped hat noch den Serienauspuff, damit könnte ich doch nie konkurrieren. Nach der Lautstärkemessung sprengen die Männer den ganzen Platz und wollen alle mal wissen, wie laut ihr Auspuff ist. Es kommen immer mehr männliche Motorradfahrer mit ihren Maschinen dazu …

Weiter den späten Nachmittag, ich laufe an dem einen Verkaufsstand vorbei, betrachte die Auslagen an Eisernen Kreuzen, Biker-Utensilien, hier und da Militaria … so einen kleinen Panzer-Anstecker hatte ich auch mal an meinem schwarzen Barett, aber der sah „irgendwie“ anders aus … Bikertreffen, Dinge übersehen. Weiter zum Motorrad, es hat die Ausfahrt doch kurz angefangen, zu tröpfeln und jetzt schieben sich wieder dunkelblaue Wolken über den Himmel. Den Helm vom Riegel am Hinterrad abnehmen, auf den Rückspiegel hängen, damit es nicht hinein regnet. Meine Armeetasche von der Rücksitzbank nehmen und unter meiner Motorradkombi tragen. Die paar Biker da begrüßen, die ich noch vom letzten Jahr von den drei anderen Treffen kenne. „Und, wo ist dein Freund?“ Keine Ahnung, ich habe ihn irgendwie verloren.

Sein Motorrad entdecke ich, das weiße mit den beiden Helmen. Er sitzt irgendwo mit seiner Tochter und seiner Ex-Frau auf einer Biergartenbank. Ich finde ihn, als ich wieder zurück auf den zentralen Platz gehe. „Und bringst du dann dein Motorrad auch später wieder zurück in die Garage und kommst mit deinem Auto hierher?“ Na klar mache ich das, er dann auch. Seine Ex-Frau mustert mich weiter, es gibt zwei Möglichkeiten: Wer ist die, ist das die neue? Eher abwertend. Oder: Da hast du aber eine hübsche, kleine Blondine gefunden, und Motorrad fahren kann sie auch … behandele sie gut, sie wirkt, als hätte sie schon viel Scheiße in ihrem Leben erfahren. Wie auf dem Tankstellengelände, ich bin nur auf ihn fixiert. Nur ein paar Wörter und ich verlasse diese Szenerie so schnell wie möglich. Zurück zu den anderen Biker-Kumpels, Biker-Gespräche führen.

Ich sattele wieder auf, schließe meine Lederkombi, verstaue die Tasche unter dem Gepäcknetz. Nur wenige Sekunden zuvor habe ich ihn auf seinem Motorrad mit Sozia wegfahren sehen. Ich bringe mein Motorrad nach Hause. Die Biker-Kumpels neben mir, zelten hier.

Ein paar Kilometer, kurz vor der Bundesstraße zu meinem Wohnort, kommt er mir alleine entgegen, dreht und fängt mich auf der Einfahrt auf die Bundesstraße ab. Er begleitet mich bis zu meinem Wohnhort. Ich biege auf die gepflasterte Hofeinfahrt neben meiner Garage ein. Was will er hier? Will er mit reinkommen? Auf keinen Fall, darauf bin ich nicht vorbereitet, alle Fragen und Situationen in dieser Hinsicht weise ich immer damit ab, ich könnte ein „Müll-Messie“ sein und möchte keinen Besuch. Er nimmt nur den Helm ab und wechselt ein paar Worte mit mir. Natürlich fahre ich wieder auf das Festivalgelände zurück, es könnte nur etwas länger dauern, im Bad, wie das bei Frauen so ist. Er scheint beruhigt, oder traut er mir nicht? Mein Vater öffnet mit einem mürrischen Blick das Hoftor, meine Eltern bekommen mit, dass ich nicht alleine bin. Er setzt den Helm wieder auf, lässt kurz seinen Motor aufheulen, und jagt den Fußweg runter auf die Straße, davon. Ich parke um, Auto rausholen, Motorrad in die Garage schieben.

Oben in der Wohnung, Motorradsachen auf die Couch werfen, im Bad verschwinden. Eine Dusche? Das muss jetzt so gehen. Ich brauche ewig, um meine langen Haare zu entfilzen … ich musste ja auch bei der Ausfahrt den Nachmittag zuvor meinen blonden Zopf unter dem Helm heraushängen lassen, damit auch alle sehen, dass da ein Mädchen unterwegs ist.

Polo-Hemd anbehalten, schwarze Jeans anziehen, noch der lange, schwarze Kapuzenhoodie und die Lederstiefeletten mit den kubanischen Absätzen. Heute Nacht kein Make-up. Ich bin schon die Treppe runter, als ich wieder umdrehe und zurück ins Bad muss. Die Waschtasche greifen, das Kondom und das Gleitgel heraussuchen. Was machst du hier eigentlich? Brauchst du das wirklich?

Mit dem Auto zurück zu dem Dorf mit dem Bikertreffen und der Abendveranstaltung. Es ist später geworden, meine Eltern mussten mich unbedingt noch zum Abendessen überreden. Da auf dem Festival gibt es eh nur Schwein.

Halt dich von den Motorradrockern fern, das ist kein guter Umgang für dich, die wollen nur, das du anschaffen gehst! Meine Gedanken auf der Fahrt dahin sind wahrscheinlich wesentlich spießiger, als die von meinen Eltern. Alles irgendwie amüsant übertrieben. Im Autoradio, die Dämmerung entlang, die melancholische Musik der britischen Rocker aus den Achtziger-Jahren („The Jesus and Mary Chain“, wen es interessiert).

Als ich das Gelände erreiche, ist es schon fast dunkel geworden. Mein Auto steht wieder draußen an der Einfahrt. Wo vorher die vielen hundert Motorräder standen, steht jetzt vereinzelt mal eine Maschine. Mit viel Glück habe ich draußen noch einen Auto-Parkplatz gefunden. Es hat nicht noch einmal geregnet, die Bühne mit der Band, die gerade spielt, ist unter einem riesigen Partyzelt aufgebaut. Alles passt hier unter das Zelt: die Bar, die Leute, die Bühne. Eine Cover-Band, die die Rocksongs der letzten Jahrzehnte spielt, nicht die uralten Klassiker, tatsächlich mal ein paar Songs aus den Neunzigern. Zwischendurch Songs aus der „Konserve“, die Band braucht eine Pause.

Ich unterhalte mich mit dem Typen, den ich die letzten Male so oft getroffen habe, mein Bikerfreund hatte schon die Vermutung, dass der andere da auch was von mir will. Mein Bikerfreund ist nicht wieder aufgetaucht, ich suche ihn mit ein paar umherschweifenden Blicken, finde ihn aber nirgends. Auch keine weiteren Nachrichten auf meinem Telefon. Ich gehöre nun ganz ihm, dem anderen Typen aus der Motorradfahrergruppe. Ich werde bearbeitet?

Draußen die Bühne, überraschende Ansage, eine Feuershow – mit einem Mann! Endlich mal nicht mit einer Frau, die sich auszieht, endlich mal etwas für Frauen. Diese finden sich auch in den ersten Reihen. Der Fakir, so wie ich ihn gleich erkenne, zeigt einige Tricks, Feuer schlucken, Feuer spucken. Sein Outfit ist wohl gewählt, die Schnabelschuhe, die orientalische Jacke, die Haremshose und dazu diese orientalische Musik. Wahrscheinlich alles nur Show, aber das Glas, das er zerhämmert, auf das er mit den Füßen stampft, auf das er sich mit seiner blanken Brust umherrollt, das ist echt! Bewundernder Beifall aus den ersten Reihen!

Zurück unter das Zelt, die Band spielt weitere Songs, mein Begleiter hat mich so weit, ich tanze nah mit ihm. Sehr nah, mit Körperkontakt. Ist das nicht ein bisschen zu nah? Die Band spielt im ihren zweiten Set schnellere Songs. In einer ihrer letzten Titel wird ein „Onkelz-Song“ gecovert, das Publikum mit den Bikern, den MCs mit ihren Lederkutten, die anwesenden Ladys, stürmen den Bereich vor der Bühne und singen ziemlich textsicher mit. Ich finde das ein wenig befremdlich, meine Songs sind das nicht, alle deutschen Songs kann ich gar nicht, ich bin mehr so bei den Songs der Ami-Punks („Ramones“, wen es interessiert).

Ich muss mich auch mal hinsetzen, der dritte oder vierte Becher Wasser. Ein anderer Motorradrocker in seiner MC-Kutte setzt sich zu uns an den Tisch der letzten, die hier noch sind, nach Mitternacht. Die Band räumt bereits ihre Instrumente von der Bühne. „Los komm, lass uns tanzen!“ Noch ein paar Rock-Songs aus der Konserve. Im Gegensatz zu dem anderen Typen, ist dieser Motorradrocker mindestens einen halben Kopf größer als ich (mit meinen Absätzen). Er kann bereits sofort eng umschlungen mit mir tanzen … unter den Augen des anderen Typen, den ich danach nicht mehr sehe. So bin ich. Der andere, der vorher mit mir getanzt hat, er hat mir schon sein Bett angeboten, wenn ich ihn mal besuchen komme. Das war zu viel für mich. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob ich das auch wirklich verstanden habe. Ich brauchte dann meine Zeit, um auf der Sitzbank alleine vor mich hin zu grübeln. Wenn einer so nah kommt, flüchte ich weg, hin in die Arme des nächsten.

Der zweite, er sagt so etwas nicht zu mir. Hat er auch ein Interesse? Vielleicht ist er schüchtern. Zwei Uhr, die Musik geht aus. Ungewohnt, Biker feiern doch immer bis Sonnenaufgang und weiter. Die kleine Gruppe des MCs zeltet hier irgendwo auf dem Gelände. Den Weg zur Ausfahrt in Richtung meines Autos laufen wir noch zusammen. Einer aus der Gruppe leuchtet mit seinem Smartphone den stockfinsteren Weg. „Da drüben, da schlafen wir. Vielleicht sehen wir uns irgendwann mal wieder.“ Bestimmt, die MCs besuchen sich hier gegenseitig auf allen ihren Bikertreffen, zwei weitere sind noch in meinem Kalender. Zurück zu meinem Auto. Alleine die Nacht durch die dunklen Landstraßen und Waldwege zu meinem Zuhause.

Dieses Mal nicht bis frühmorgens, dieses Mal nicht in einem fremden Auto irgendwo den Morgen verbracht. Es ist kurz nach zwei Uhr und ich kann mich in mein eigenes Bett legen. Meine Motorradkombi und mein Helm liegen weiterhin noch auf meiner Couch, die räume ich morgen weg. Übliche Routine, Schlafzimmerfenster öffnen, ins Bad verschwinden. Etwas ist anders, dieses Mal wurde ich von mehreren angesprochen, ich habe sie nur nicht an mich herangelassen … ich habe zu viel Angst davor, dass sie mitkriegen, dass ich keine Frau bin.

Die hellen Lichter in den beiden Augen, die mich anstarren, ein Marder kreuzt meinen Weg, bleibt kurz stehen, sieht mich an, ich verlangsame das Tempo, und springt dann weiter von der Straße.

[19.05.25 / 23:28] Die Wochenenden unterwegs, nach Erfurt (das zweite Wochenende im Mai). Schon ein paar Wochen zuvor beschlossen, die Familie trifft sich da. Sonnabend Mittag mit dem Regionalexpress am Hauptbahnhof angekommen, wieder dasselbe Hotel gleich um die Ecke, wie im Dezember zuvor. Das Zimmer wird erst in zwei oder drei Stunden bezugsbereit. Erstes Kaufhaus am Anger – die Shoppingtour den Sonnabend.

Ich bin nicht alleine unterwegs, meine Begleitung sucht für sich etwas, ich bin nur beratend dabei. Eigentlich habe ich die letzten Wochen schon ein Kleid gekauft, eigentlich habe ich das letzte Wochenende schon einen BH gekauft … ich sollte auf mein Budget achten, ich kann es nicht lassen, auch hier verschwinde ich in der Anprobe-Kabine: „Probier das doch mal an!“

Sie sucht für sich eine Jeansjacke, ich habe da noch das schwarze Polokleid im Sinn. Viele Runden in dem Kaufhaus und dem Einkaufszentrum, Taschen und Schuhläden, Drogerie und Unterwäscheboutiquen. Es wird für mich ein überlanges, olivgrünes Leinen-Hemd – das kann ich auch am Strand anziehen, speziell für tropisches und heißes oder mediterranes Klima. Die Urlaubsfrage für dieses Jahr ist auch Thema des Familientreffens später.

Weiter durch die Erfurter Altstadt, zurück zum Hotel und Einkaufstaschen ablegen? Nein, wir ziehen das durch, Hotelzimmer ist reserviert, das können wir auch später den Abend beziehen. Zu Kaffee und Kuchen zu einem besonderen Café im Jugendstilambiente, nur etwa einen halben Kilometer entfernt, noch innerhalb des Innenstadtrings, aber weit abseits der Touristenwege.

Das Café gab es schon zu DDR-Zeiten und wahrscheinlich schon viel länger. Das Interieur ist renoviert aber noch im alten Stil belassen. „Früher war das hier mal viel dunkler.“ Mir gefällt es, ich betrachte die vielen Fotos an den Wänden, Portraits der Zwanziger-, Dreißiger- und Vierziger-Jahre (vielleicht auch moderner). Die Lichtführung mit dem Scheinwerferlicht von oben und dem Haarglanz und das besondere Verschwimmen der hellen Konturen in dem Schwarz-Weiß-Foto, das hätte ich auch gerne so hinbekommen (Anregung für eine nächste Foto-Serie). Ein Stück Rhabarber-Streuselkuchen und einen Cappuccino. Die Tassen schmecken nach Spülwasser, aber der Kellner hat vielleicht ein Auge auf mich geworfen.

Wieder zurück in das historische Zentrum von Erfurt, würden wir hier noch wohnen, wir hätten vielleicht nie wegziehen sollen. Die Touristendichte nimmt spürbar zu, meine Begleitung kennt ihre alten Pfade. Weiter in das nächste Kaufhaus. Nichts für mich, ich habe zwar meine Kundenkarte dabei (dieselbe Kette wie in Leipzig), aber die heruntergesetzten Artikel sind spärlich verteilt. Auch hier: ich verstehe den aktuellen Trend nicht, Bomberjacken im klassischen Skinhead-Stil zu vollkommen überteuerten Preisen zu verkaufen – das steht nur mutigen PoC – ist aber hier in Ostdeutschland total unverkäuflich (die Skins haben ihre traditionelle Marke).

Weiter zurück in die andere Shopping-Mall, wieder zurück Richtung Bahnhof und Hotel. Drogerie und Unterwäscheladen … kaufe ich mir zu meinem BH noch die passende Dessous-Unterhose? Leider gibt es die nur als Tanga oder als Hochbund-Panty. Jetzt wirklich zurück zum Hotel am Bahnhof.

Check-in irgendwann nach 18 oder 19 Uhr, ein ähnliches Zimmer, wie letztes Mal, derselbe Ausblick auf den Platz vor dem Bahnhof, nur eine Etage tiefer. Kurz Entspannen. 20 Uhr … wir sollten noch etwas Essen gehen, nur viel Laufen will ich nicht mehr. Da ist noch eine Pizzeria gleich gegenüber. Die nehmen wir. Wenige Schritte später, ich bestelle mir meine vegetarische Pizza, die auf der Tagesmenükarte, mit Auberginenscheiben.

Gedanken, lustige Kommentare … so wie wir das aus dem Fernsehen aus den Krimis kennen – die müssen bestimmt den gepanschten Wein überteuert abkaufen und zu Geld machen, damit die … die in Süditalien „sauberes“ Geld bekommen. Was die hier nicht wissen, dass ich ein paar Brocken Italienisch kann. Der ältere Typ da in der Küche beschwert sich, dass irgendjemand krank ist und er den ganzen Laden hier alleine schmeißen muss. Außer uns ist nur noch ein anderes ausländisches Pärchen da.

Weiter den Abend – nicht viel laufen – gleich daneben ist auf dem Bahnhofsplatz die Bar, wo der Willy Brandt schon mal war (muss ich mir jedes Mal anhören, da oben hat er mal aus dem Fenster geguckt). Die haben auch alkoholfreie Cocktails auf der Karte, nur der Ipanema heißt hier nicht „Ipanema“, sondern irgendetwas mit „alkoholfreier Caipirinha“, mit Apfelsaft anstatt Maracuja. Den nehme ich, hier auf unseren zwei Stühlen und dem Tisch im Außenbereich. Es ist kühl geworden, ich habe für die Tour meine schwarze und dicke Baumwoll-Reißverschluss-Jacke mit Kapuze übergezogen. Der Cocktail besteht mehr aus zerkleinerten Eis als aus Zuckersirup und Apfelsaft. Das zu viele Eis verschwindet in den Pflanzenkübel gleich neben mir. Rechnung übernehmen, ganz viel Trinkgeld, 22 Uhr nochwas, zurück ins Hotel.

Frühstück gegen neun Uhr, wir kennen das Hotel, wir kennen die Betten, wir wissen den Weg zum Frühstücksraum. Für uns die paar freien Tische in der VIP-Ecke … ob auf den Tisch, den sie gerade frei gewischt hat, auch ein „Reserviert“ Schild hätte hin gemusst? Ich sehe mit meiner orientalischen Tunika auch gar nicht so aus, wie all die anderen Hotelgäste. Vor mir die Fotos und Autogrammkarten der ganzen Prominenten an den Wänden, die hier mal für ihre Tour übernachtet haben. Üppiges Frühstück, von allem etwas. Fruchtsalat ist aus – die letzte Portion für Zwei ertrinkt gerade in einer riesigen Schicht aus Joghurt in meiner Schale vor mir auf dem Tisch. Teller und Löffel stapeln sich daneben. Der Kaffee ist besser als der letzten Nachmittag. Noch besser ist der zweite Kaffee wenige Minuten später, als wir wieder raus aus dem Hotel sind und die Kette: Pizzeria – Bar – Bäcker auf dem Bahnhofsvorplatz ablaufen. Warten auf den Familienanhang, er kommt später, aber vor zwölf Uhr müssen wir wieder zurück und wieder raus aus dem Hotel sein.

Check-out, keine freien Schließfächer am Bahnhof. Erwartet. Wir reisen mit extrem leichten Gepäck: nur das, was ich anhabe und die ganz kleine Kosmetik- und Waschtasche in meiner Handtasche. Das bewährte Übernachtungskit, Probedosen Duschbad und Shampoo, Zahnpasta und Zahnbürste, Abschminktücher und leichter Reisekamm, Ohrstöpsel und die üblichen Schmink-Utensilien. Rasierapparat und Estradiolgel-Packungen – mitsamt meinem schwarzen Baumwoll-Zipper kommt das „schwere Gepäck“ in einen extra mit eingepackten, schwarzen Stoffbeutel. Der Familienanhang ist da, weiter mit der Straßenbahn zum egapark in Erfurt. Zum „Japanischen Gartenfest“, das eigentliche Ausflugsziel für dieses Wochenende zum Muttertag.

Auch wie erwartet, es wird voll. Gegen späten Mittag angekommen, das japanische Event zieht Gäste aus dem Umkreis von 150 Kilometer (also wir). Es verteilt sich, der Park ist größer. Die Einlasstore sind belegt mit Menschenschlangen, irgendwo ist noch ein Schlupfloch, ich bin mir nicht sicher, ob ich überhaupt ein Drehkreuz benutze. Irgendwie haben wir Tickets aus dem Vorverkauf für die Ega selbst und noch einmal das Japanische Gartenfest – aber das wird nirgendwo mehr kontrolliert weiter auf dem Gelände. Weiter zu dem kleinen Bereich mit dem Japanischen Garten.

Zu viele Menschen, zu enge Wege, uns ist bereits klar, dass wir wesentlich länger bleiben werden, wenn wir später dann den Nachmittag den Garten noch einmal in aller Ruhe genießen wollen. Das große, rote Eingangstor vorne … mir gelingt ein „menschenfreies“ Foto, ich musste nur fünf bis zehn Minuten warten.

Die Anlage ablaufen, immer wieder vergleichen mit dem Garten, den ich mal in Japan in Kamakura gesehen habe. „Da habe ich ein Foto von!“ Mir springt der Flyer ins Auge, die Deutsch-Japanische Gesellschaft hat einen Stand hier, ein Flyer mit Ausflugstipps rund um Tokio. „Habt ihr diese Kuchen mit dieser Füllung, mit schwarzer Bohnenpaste?“ Die Frau am Stand weiß, wovon ich rede, aber genau das ist schwer zu importieren. „Matcha-Schokolade?“ Nein, auch nicht … leider. Mein Blick wandert zu dem Tetra-Pack Grüner Tee. Der genauso japankundige Familienanhang freut sich über die zuckersüßen Getränkeflaschen, die sie schon damals, irgendwo in Tokio oder Osaka oder Kyoto aus dem Automaten in irgendeiner U-Bahn-Station gezogen haben. Weiter zu der Showbühne und den ausgestellten Bonsai-Pflanzen.

Ich bestaune die kleinen Gewächse in ihren filigranen Schalen, sie sind aufgereiht wie auf einer Preisveranstaltung, mit Jahreszahl, wie viele Jahrzehnte der kleine Baum darin schon wächst. „Kletter-Hortensie geht auch?“ Der eine, knorrige Wurzelableger vor der heimischen Garage, von der Pflanze die da schon seit Neunzehnhundertnochwas wuchert, wird demnächst „umgetopft“.

Die Show auf der großen Parkbühne, ein geschwungenes Dach spendet Schatten – es ist den Sonntag sonnig und blauer Himmel (ich habe mir mein Gesicht mit extra viel Sonnencreme abgedichtet), alle Sitzbänke sind belegt. Eine Trommelshow von den Bäumen oben am Hang schon gesehen, eine Tanzvorführung von wahrscheinlich echten Japanerinnen in echten Kimonos. Es muss echt sein, die traditionelle, japanische Begleitmusik ist noch sehr schön, die moderne japanische Musik ist … „besonders“. Nicht, dass ich das nicht schon aus Japan kenne, aber das geht vielleicht nur für die wenigen ultra Fans hier, die extra ihr Cosplay-Outfit aus dem Schrank geholt haben.

Weiter die Ega entlang, den Nachmittag auf der Suche nach Kaffee und Kuchen, etwas zu essen, ein Imbiss. Viele Pflanzen bewundern, eine Sitzbank im Schatten einer japanischen Zaubernuss (eigentlich sind es die Bäume rundherum, die Schatten werfen). Ein Imbisswagen, der letzte Veggie-Burger für mich, ich bleibe auf der Bank und bewache den Sitzplatz. Später dann zum Kaffee-Mobil, drei Cappuccino holen, dieses Mal bin ich die paar Schritte unterwegs. Die Schlange dauert ewig.

Später Nachmittag, zurück zum Japanischen Garten. Wie erwartet, viel weniger Menschen. Jetzt endlich bessere Fotomotive. Es gibt hier ein Teehäuschen, da war den frühen Nachmittag sogar eine Teezeremonie, die wir nicht sehen konnten, vor all den Menschen davor. Jetzt ist der Blick frei auf das Innere des Teepavillons. Ausgelegt mit Reismatten, die Veranstalter und Helfer und Freunde des Japanischen Gartenfestes trinken ihren Sake und sind offen für Fragen von interessierten Besuchern. „Müssen die Reismatten irgendwann mal gewechselt werden?“ Nicht, wenn sie trocken gelagert sind. Ich schlafe darauf. Der Zentimeter Lattenrost darunter sorgt vielleicht für ein paar Luftkammern. Was ich wechseln sollte, ist der Futon – meiner ist wendbar, mit zwei Seiten – und mit der Korkschicht dazwischen, ist der so sperrig und dick wie eine herkömmliche Matratze. Sollte ich einen neuen Futon für mein traditionelles, japanisches Bett zu Hause kaufen, dann den dünnen, einfachen, nur etwa vier bis acht Schichten Baumwolle, der ist dann zusammenrollbar, den kann ich dann auch wirklich mal nach draußen hängen und auslüften.

17 oder 18 Uhr nochwas, der Familienanhang muss den Zug nach Hause erreichen, wir auch, aber eine Stunde später. Im schönsten, sonnigen Wetter zum Seitenausgang der Ega, zur nächsten Straßenbahnhaltestelle. Und weiter, Abschied nehmen am Hauptbahnhof. Über das Thema Urlaubsplanung haben wir gar nicht so genau geredet. Griechische Inseln? Mykonos? Oder doch lieber Japan? Oder Indien? Süditalien? Für die beiden letzteren Ziele kann ich nicht begeistern, Japan wäre nett, aber da haben wir vielleicht unterschiedliche Ziele. Kyoto haben sie schon gesehen, wir nicht, Tokio habe ich schon gesehen und Hokaido, ganz im Norden? Mein Budget sagt: fünf Nächte Mykonos Last-Minute, mein Favorit momentan.

Wir sind alleine in Erfurt, die dreiviertel Stunde bis zu unserem Zug den Abend, bekommen wir auch noch herum. Brötchen und Wasser. Mir fallen die ganzen Soldatinnen und Soldaten in Uniform auf. Ja, das waren auch meine Wochenenden vor fünfundzwanzig Jahren. Nur diese schicken, braunen Kampfstiefel hatte ich nicht von der „StOV“, nur die schwarzen, mit dem planmäßigen Verfallsdatum nach zwanzig Jahren (Sohle ab, beide Paare, zeitgleich).

Weiter mit dem Regionalexpress nach Hause, den Sonnenuntergang und den parallelen Mondaufgang vor den großen Panoramafenstern bestaunen. Meine Begleitung habe ich schon vorgewarnt, wie ich das schon von meinen vielen Zugfahrten zu Festivals und Konzerten nach Leipzig kenne: zurück in das Provinzkaff fährt Sonntag Abend von Magdeburg aus – die paar Kilometer – nur alle zwei Stunden ein Zug. Wir werden vom weiteren Familienanhang mit dem Auto abgeholt. Familie, stark ausgedünnt die letzten Jahre.

[04.05.25 / 02:19] Vor einigen Wochen habe ich im Internet entdeckt, dass die Achtziger-Jahre Punkband, die ich schon seit mindestens neunzehn Jahren mal live sehen will, in Leipzig ein Konzert geben wird, der Ticketshop, bei dem ich mir sonst auch die ganzen Tickets bestelle, hat die Band im Programm … Anfang Mai, in Connewitz.

Endlich wieder nach Leipzig fahren, vielleicht dort übernachten? Bei ihm? Das letzte Konzert, das letzte Ticket, ich konnte nicht hin, bin krank geworden, musste ihm absagen, mein Ticket wieder verkaufen. Dieses Mal muss es doch funktionieren! Ich warte die Wochen … fünf Tage vorher, ich schreibe ihm eine Nachricht, ich komme. Ich beantworte endlich eine seiner vielen Nachrichten, wann ich denn mal wieder in Leipzig bin. Montag … Scheiße, ich werde krank.

Es fängt an, wie eine Erkältung, mehr noch, Grippe? Corona? Halsschmerzen, Kopf- und Gliederschmerzen. Wo habe ich mir das eingefangen? Die Woche zurück beim Rezept holen bei meiner Frauenärztin? Das Einkaufszentrum ist gleich daneben, dasselbe Gebäude – ich musste mir unbedingt noch dieses neue Kleid kaufen, Schwarz und Bohème-chic. Oder war es doch auf Arbeit? Das Großraumbüro und die ganzen Kolleginnen und Kollegen mit ihren Kindern im Kindergartenalter. Alles was die anschleppen, dagegen bin ich nicht immun mit meinem ramponierten Immunsystem. Ich schleppe mich auch auf Arbeit.

Zwei Tage Halsschmerzen, anschließend zwei Tage Fließschnupfen. Endlos lange Meetings, wenigstens ist das nur eine halbe Arbeitswoche kurz vor dem ersten Mai Feiertag. Genau diesen einen freien Tag, den Donnerstag vor dem Freitag, krame ich einen alten Covid-19-Test aus dem Badschrank … negativ. Glück gehabt. Kann ich doch nach Leipzig fahren, zu dem Konzert – und dort alle mit meinem was-auch-immer-das-ist anstecken. Vielleicht ist es das Cortison-Spray, das ich nehme, gegen meine Allergien, und es ist nur eine heftige Nebenwirkung? Zu viele Fragezeichen … aber ich habe für mich schon entschieden, nach Leipzig zu fahren … wenn ich die Nacht überstehe (schlaflose Nächte bei laufender / verstopfter Nase).

Freitag, der Vormittag vor dem Konzert den Abend. Ein Urlaubstag, ich muss nicht arbeiten. Der Schnupfen ändert sich in den festen, klebrigen Zustand. Wenn das eine Erkältung ist, geht die ziemlich schnell durch. Ich gehe ins Bad und rasiere meinen gesamten Körper, Beine, Schamhaare, Achseln und Augenbrauen, dort, wo Haare stehen sollen, werden die natürlich nur getrimmt. Aber dieser klebrige Schleim in Nase und Rachen – so kann ich ihn doch nicht treffen! So würde das mit Sex mir doch nicht gefallen. Gegen Mittag packe ich meinen ganzen Kram zusammen. Brauche ich mein Übernachtungskit? Im letzten Moment räume ich doch noch meinen Badschrank leer und packe alles in einen extra Beutel, Zahnbürste, Zahnpasta, Kamm, Duschbad, den Rasierer und noch ein kleines Handtuch. Ich hatte ihm schon eine Nachricht geschrieben und schon angekündigt – mich entschuldigt, „Sorry …“ – das wir uns wohl nicht treffen werden. Ich schreibe ihm meinen detaillierten Plan, was ich alles in Leipzig ohne ihn machen werde.

Freitag, früher Nachmittag, mit meinem Auto die Autobahn nach Leipzig. Erst mal ankommen, erst einmal ein Kaffee irgendwo trinken, vielleicht in der Innenstadt einkaufen, dann zu dem Konzert nach Connewitz fahren. Ich habe mein Kaftan-Kleid an, es ist nicht schwarz, aber es passt super zu der schwarzen Lederjacke. Es wird ein Punk-Konzert, die Pikes-Stiefeletten in der schwarzen Leggings mussten unbedingt auch noch zu dem Outfit kombiniert werden.

Mein Auto parke ich in dem großen Parkhaus an der Oper, Kaffee trinke ich gleich schräg gegenüber bei dem Bäcker dieser Kette in ganz Leipzig. Der Himmel hat sich verdunkelt, ein kurzer (Gewitter-)Schauer. Es sind ungewöhnlich über dreißig Grad diesen späten Frühlingstag. Weiter durch die Läden, er hat mir eine Nachricht geschrieben, er wirkt so enttäuscht mit diesen zwei, drei Wörtern. Egal, was er schreibt, ich kann ganze Dramen darin hineininterpretieren. Ich muss etwas kaufen, wird es mich aufheitern?

Der erste Schuhladen, nichts, was ich brauche, nichts, was mir gefällt. Das nächste Luxus-Kaufhaus – ich mit meiner Stammkunden-Mitgliedskarte – die Regale mit den Frühlingsangeboten sind mager ausgedünnt. Ich suche nur dieses schwarze Kleid, welches ich mir von einer Designer-Marke Mitte der Zweitausender gekauft habe. Wann wird dieser Schnitt endlich wieder modern sein? Der Schnitt der knappen Polizeiuniformen der späten Achtziger und Neunziger Jahre im amerikanischen Fernsehen für hübsche und toughe Polizistinnen. Auch das nächste Kaufhaus im höheren Preissegment hat so etwas nicht, die Zeit ist noch nicht wieder reif.

Der nächste Laden gleich daneben, italienische Unterwäsche, irgendwo anders günstig fabriziert. Der schwarze Sport-BH, den ich zum Motorradfahren trage, ist eine ganze Nummer kleiner eingelaufen. Ich erkläre der Verkäuferin meine ganzen Anforderungen: ohne Bügel, ich will den BH unter der schweren Motorradjacke tragen, breite Träger, Vollschale, gut gepolstert, abfedernd gegen Stöße vom Asphalt, fester Halt und leicht und angenehm und flache Textur – und in Schwarz. Mikrofaser, Funktionsunterwäsche für Motorradfahrerinnen. Die Verkäuferin zaubert einen BH hervor, der all meinen Anforderungen entspricht. Zwei Größen, in M und in S. Ich verschwinde in der Anprobe, gefühlt ewig lange, fast ist es schon 19 Uhr und die machen gleich den Laden zu. Ich entscheide mich für die S, wird sie passen? Die Hautwulst links und rechts unter meinen Achselhöhlen sagt eigentlich nein … aber der in einer Nummer größer saß so bequem locker. Zurück zur Kasse, EC-Karte durchchecken, PIN eingeben, alles in die kleine Papiertüte und viel Spaß noch damit.

Zurück nach draußen, die Uhr am alten Rathaus mitten in Leipzig zeigt 18:45 Uhr. In fünfzehn Minuten ist Einlass auf dem Konzertgelände. Ich habe das geplant, die Band fängt 20 Uhr an, und es spielt nur diese eine Band und das sind ältere, grauhaarige Herren, die machen nicht so lange – spätestens um Mitternacht bin ich schon wieder zu Hause und kann in mein Bett, meine Atemwegsinfektion auskurieren. Quer durch Leipzig, in den Süden.

Meinen Parkplatz, da, wo ich immer parke, wenn ich hier zu einem Konzert bin, alles ist besetzt. So viele Autos, ich muss die Straße noch weiter hinein bis ganz nach hinten fahren. So weit war ich noch nie. Schnelles Make-up, Kajal und Pinsel, im kleinen Spiegel in der Sonnenblende im dunklen Auto. Zu Fuß wieder runter zu dem Clubgelände gleich über die Brücke. So viele Menschen! Ich dachte, die Band will doch keiner mehr sehen, die sind doch uralt, aus den Achtzigern. Selbst ich, als ich die Band 2006 aus den Internet-Sharehostern gekramt habe – wahre Schätze an Kassettenaufnahmen – war damals auch wesentlich jünger, als jetzt. Das Publikum, überwiegend schwarz, Alt-Punks, Alt-Grufts, gelegentlich doch etwas bunt. Mein braun-grüner Kaftan in Zebra- oder Tigermuster passt ganz gut. Hunderte sind da, das Gelände dieses linksalternativen Zentrums ist voll. 20 Uhr soll Einlass sein, eine Flasche Wasser am Stand, ein Brötchen mit Vegan-Falafel. Ticket gegen den Stempel auf der Hand tauschen. Nach und nach gehen alle, und auch ich, in die Konzerthalle.

Vor der Bühne ist ein zweites Schlagzeug aufgebaut – es wird doch eine Vorband geben? Meine Punkerkutte gebe ich an der Garderobe ab, die Bedienung, die eine der beiden jungen Frauen, sie wirkt so wunderschön hübsch, ich bin so irritiert, ich vergesse schon fast meine Kleidermarke mitzunehmen. Verträumt weggucken, Blickkontakt vermeiden, alles andere wäre auch total sexistisch.

Es dauert bestimmt noch eine Stunde, bis alles losgeht. Mein Platz oben auf der Empore, die Treppen hoch, alles ist schon besetzt. Irgendwo hier habe ich 2015 mal einen Joint geraucht. Die Notausgangstür hinter mir zu der Raucherinsel draußen ist offen. Es ist noch taghell.

Die Vorband fängt an, zu spielen, von meiner Position an den Sitztreppen, etwa einen halben Meter über den normalen Boden, gleich neben der Garderobe, habe ich einen guten Blick auf die Vorband inmitten des Publikums in dem großen Raum vor der Bühne. Was ist das? Fusion-Punk? Math-Core? Das Schlagzeug verbringt wahre Wunder an Tempowechseln und unterschiedlichsten Zähl-Stilen. Ich gebe es auf, mitzuzählen. Die haben das drauf, leider kann ich nicht genau erkennen, wer das ist.

Die Pause dazwischen, einmal auf die Toilette, die ohne Pinkelbecken, einmal nach draußen, neues Wasser kaufen, es ist dunkel geworden. Wieder drin, ich beobachte von meiner erhöhten Position, was auf der Bühne passiert. Als es dann wirkt, als könnte es gleich losgehen, klettere ich von der Empore runter. Ich will mitten hinein in das Publikum, ich will die ganze Band spüren, all die Energie, all den Punk! Die Band fängt an, es sind die alten Herren. Sie spielen ihre Stücke, so viele Stücke, die ich gar nicht kenne. Einige langsame Lieder, sie lassen mich versinken, ich wiege mich in den Rhythmus. Dann wieder die schnellen Stücke, irgendwann bildet sich in den vorderen Reihen vor der Bühne dann doch eine Pogo tanzende Masse … zu interessant, die grauhaarigen Alt-Punks. Ich mehrere Reihen davon entfernt, meine Stücke sind das nicht, ich bin nur hier für die ganz langsamen, schwermütigen Stücke. Aus meinem Gesicht verschwindet jede Falte an Emotion, ich will das so, ich schließe meine Augen, ich bin wieder das Suicide T-Girl von 2006, das mit dem ultra viel Make-up, den halben Zentimeter an schwärzestem Kajal rund um die Augen und den ganzen obskuren Kram in der Bude in dem Studentenwohnheim, die Kerzen, die Miniaturschädel, die ganzen Gothic und Düster-Punk-CDs!

Die Band geht nahtlos in die Zugabe über, ein paar alte Titel wurden gespielt. Ich will schon meine Lederjacke von der Garderobe holen, als sie doch wieder die Bühne betreten und doch noch zwei, drei Titel mehr spielen. Erst jetzt bin ich dicht dran an der Pogo-Masse, geschützt auf meiner Empore wieder einen halben Meter darüber. Weiter nach der Zugabe zum Merchandise. Ich drehe jede CD und jede Platte um, doch mein Lieblingstitel ist nirgendwo drauf. Die alten Stücke, sie wurden auch gespielt, ich habe sie erkannt, aber die Tonträger – die Band verkauft nur im Eigenvertrieb – sie sind bestimmt schon ewig ausverkauft. Vielleicht nutzen sie die Konzerteinnahmen, um mal wieder ein Re-Re-Release herauszubringen.

Wieder draußen, alles setzt sich in Bewegung, zu gehen. Draußen, die Bar ist geschlossen, drinnen, ich kann nur noch den Pfand für meine Flasche zurückbekommen – kaufe ich mir die nächste Flasche Wasser eben, wenn ich ortsausgangswärts noch tanken muss. Es ist wenige Minuten vor Mitternacht – es hat doch etwas länger gedauert – demonstrativ ziehe ich meine Punkerkutte inmitten des aufbrechenden Publikums über, zurück nach draußen, das Tor des Geländes, die Straße, die Brücke, die andere Straße, noch ewig weit latschen bis zu meinem Auto. Übliches Leipziger Kopfsteinpflaster, die Absätze meiner Stiefeletten knallen auf den Boden, es muss geregnet haben, es ist überall nass.

Mein Auto erreiche ich. Die Jacke auf den Beifahrersitz, eine zweite Flasche Wasser habe ich hier irgendwo noch. Ich suche das Smartphone in meiner Handtasche … wird er mir eine Nachricht geschrieben haben? Er hat … schon zwei Stunden zurück. „Och Mann!“ Ich gerate in einen Konflikt, antworte ich ihm? Vielleicht ist er schon längst eingeschlafen. Ich kann ihn doch nicht treffen, ich bin doch erkältet. Zu egoistisch, um all die Konzertbesucher vor mir anzustecken, zu vorgeschoben fürsorglich, um nicht ihn anzustecken. Vielleicht renne ich einfach nur vor ihm weg, vielleicht reagiert mein Körper so, vielleicht werde ich immer krank, wenn ich ihn sehen könnte, um ein Treffen zu vermeiden, antwortet mein Körper, um meine Seele zu beruhigen … aus Angst, ich könnte ihm begegnen und mich in einer tiefen und bedingungslosen Liebe zu ihm zu verlieren. Ich starte den Motor, fahre die nächtlichen Straßen quer durch Leipzig, der Schein der Laternen in dieser schwül warmen und erkalteten Nacht. Zu viele Umleitungen, ich verfahre mich, ich muss am Straßenrand halten und mein Navi am Smartphone einschalten, da bin ich schon weit draußen, irgendwo in Gohlis.

Ich will auf die B2, irgendwo bei Eutritzsch. Einige Stellen und Kreuzzungen erkenne ich wieder, ich war hier schon einmal. Dann der Baumarkt, die eine Straße am Ortsrand von Leipzig. Irgendwo hier hat er mal gewohnt, irgendwo hier wird er vielleicht wieder wohnen? Ich schaffe es auf die B2 nach Leipzig raus, die Tankstelle ist nur ein paar hundert Meter hinter dem Ortsausgangsschild. „Keine Toilette“, die Frau am Nachtschalter, bei der ich meine Tankfüllung bezahle, verneint meine Frage. Dann irgendwo dahinten in das Gebüsch. Ich muss dringend. Das ist die Tankstelle, bei der er immer seine Zigaretten geholt halt … seine Wohnung ist da gleich. Ich könnte ihn auch anrufen. Ich entferne mich von meinem Auto und laufe das Tankstellengelände ab. Einige Trucker parken ihre schweren Laster hier. Zu interessant, der kleine Trampelpfad, die kleine, lichte Stelle im hohen Gebüsch, es wirkt wie eine Cruising Area. Das feuchte Gras, der Schein der Laternen von der Straße gleich nebenan, nicht unweit von dem Hotel, wo ich sonst immer übernachtet habe. Wir haben so viele Stunden in diesem Hotel verbracht.

Wieder zurück am Auto im Schein neben der Zapfsäule, noch einmal um das Auto herumspringen, ich habe den Eimer mit dem Scheibenwischwasser entdeckt. Zu merkwürdige Gestalten geistern hier durch die Nacht. Weiter auf die zweispurige Schnellstraße. Weiter auf die dreispurige Autobahn. Gewitter am Horizont, zuckende Blitze in den Wolken weit entfernt. Meine Fahrt bleibt trocken, nur die Gischt der nassen Straße auf meiner Scheibe, wenn ich mich an die vereinzelt und langsam fahrenden Autos heranpirsche, Verkehr ist nur auf der Gegenfahrbahn, die endlose Kette an LKWs.

Ich fahre meine hundertdreißig mit Tempomat. Im Autoradio auf dezenter Lautstärke eine andere deutsche Goth- und Punkband, schon in zweiter Wiederholung. Gedanken … warum renne ich vor ihm weg? Warum renne ich vor jedem weg! Ich muss hässlich sein, meine Theorie, wie und warum ich auf Festivals, Konzerten und Diskos niemals angesprochen werde – und all die Männer, die es doch tun, so viele waren es gar nicht in meinem Leben, sie müssen sich geirrt haben, das hätte gar nicht passieren dürfen. Niemand interessiert sich für mich, ich gehöre zu den „hässlichen“ Menschen. Ich baue mir mein Vermeidungs-Konstrukt zusammen. Das, was ich im Spiegel sehe und das, was andere sehen, sind zwei vollkommen unterschiedliche Bilder! OK … das, was ich von mir im Spiegel sehe, das ist mein inneres Ich, eigentlich … ganz hübsch, so wie ich innen bin, meine Seele und wie ich zu den zehn Prozent auf dieser Erde lebenden, niemals böswilligen und naiven Menschen gehöre, aber mein äußeres Ich, mein Erscheinungsbild? Nur einmal habe ich mich in einer dunklen Disko in einem großen Spiegel nicht selbst erkannt.

Die Viertelstunde vor der vollen Stunde, ich schalte den Tempomat aus, ich verlasse die Autobahn, sie hört einfach auf. Kurz vor zwei Uhr, ich biege ein in die Einfahrt kurz vor meiner Garage irgendwo in einem Provinzkaff in Sachsen-Anhalt. Aussteigen, meine Jacke schnappen, meinen Einkauf und meinen „Übernachtungsbeutel“ aus dem Kofferraum holen. Garagentor über die Funkfernbedienung am Autoschlüsselbund schließen. Das Hoftor aufschließen, die Haustür öffnen, „Schleich, schleich, schleich“, leise säuselnd, der Hund bellt nicht, Eltern weiter schlafen lassen. Hoch zu meiner Wohnung. Wieder alles auf meine Couch im Wohnzimmer werfen. Kurz ins Bad, die Abschminktücher … ich sehe furchtbar aus. Das aufgepinselte Make-up, viele Stunden zurück in dem dunklen Auto, ist katastrophal ausgefallen. Merken, niemals im dunklen Auto im winzigen Kosmetikspiegel der Blende überhastet ein Make-up dahinpfuschen. Abgeschminkt mit dem Rest Hauch Kajal in den Wimpern sieht immer besser aus. Alle Fenster öffnen, kurz runterkühlen, mit Ohropax dann kurz nach 2:30 Uhr schlafen legen. Ich schlafe mit angekippten Fenster, das macht sich besser mit der verstopften Nase. Straßenlärm rechts (vorbeiziehende LKWs), Fabriklärm links (Agrar-Futterfabrik auf Turbo-Lärmstufe).

Den Sonnabendmorgen, mein erster Griff geht zu meinem Smartphone neben meinem Bett, er hat mir keine weitere Nachricht geschrieben. Aber meine Arbeitskollegin, wir haben uns mal über unsere Beziehungsprobleme unterhalten und wie wir das so definieren. Für meinen besonderen Fall gibt es ein paar englische Begriffe: Casual Arrangement und Emotional Ghost … letzteres trifft es eigentlich genau. Aber ich bin mir nicht so sicher, wer von uns beiden, er oder ich, der Geist ist. Wir fliehen beide voneinander und kommen trotzdem mehr als zehn Jahre später nicht voneinander los.

Ich stehe auf, eigentlich ist es schon Mittag. Meinen Kram zusammenräumen, meinen neu gekauften BH anprobieren und mit meinen anderen BHs vergleichen … eigentlich ist er zu eng, ich hätte doch den in einer Nummer größer kaufen sollen, er ist kleiner, als alle meine anderen BHs und genauso eng, wie der eingelaufene BH, den dieser ersetzen soll. In Leipzig gekauft in einer Kette an Unterwäscheläden, wie sie in ganz Deutschland in den unterschiedlichsten Großstädten existieren. Auch in Magdeburg. Kurz entschlossen fahre ich den Nachmittag in diese Filiale in dem örtlichen Einkaufszentrum (ja, das mit der Arztpraxis) und tausche ihn dort anstandslos um. Es ist kein Problem, die resolute Verkäufern scannt den Barcode auf der Quittung ein, greift in eine Schublade, zaubert den exakt selben BH in einer Nummer größer heraus und ich kann glücklich und zufrieden wieder gehen. Noch ein Eis und einen Kaffee draußen in der Eisdiele mit dem Springbrunnen und der im Kreis schwimmenden Ente und dann wieder zurück nach Hause, meinen Einkaufsbeutel mit dem BH auf meiner Couch ablegen und mich darüber freuen, als hätte ich nie einen Fehlkauf getätigt, als hätte ich die ganze Zeit schon den BH in der passenden Größe gehabt. Alle Chatnachrichten mit meinem Freund sind auf sieben Tage eingestellt, dann verschwinden sie wieder … als hätten sie nie existiert, als wären sie nie geschrieben worden.

[01.05.25 / 01:02] Nach zwei Monaten Arbeit, die ganzen Nächte durchprogrammiert und das Cascading-Stylesheet hin und her geschubst: das neue Design ist online. Die Release-Version meines Content-Managing-Systems springt von "2018" auf "2025" … so viele Jahre habe ich da nicht mehr so umfangreich herumgebastelt (nur Bugfixes). Hoffentlich existiert mein Konto und Repository bei GitHub noch … ?

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Kommentar:

[05.12.22 / 17:34] Daniele1992: Hallo Morgana

Mail ist heute rausgegangen

LG Daniele

[13.11.22 / 09:33] Daniele1992: Hallo Morgana

aktuell keine schöne Situation. Ich schreibe Dir noch eine Mail dazu.

LG Daniele

Morgana LaGoth: Einige Kommentare müssen auch nicht allzu öffentlich sein …

[13.05.22 / 09:15] Daniele1992: Hallo Morgana,

Tolle Reisebericht von Deiner neusten Reise nach Paris. Macht grosse Lust auch wieder dort hinzufahren um sich von der Stadt inspirieren zu lassen.

Tolle Neuigkeiten.NeuerJob. Klasse! Freue mich für Dich.

Liebe Grüße

Daniele

Morgana LaGoth: Danke. Endlich wieder verreisen … lange darauf gewartet. Lebendig bleiben, solange es noch geht.

[24.12.21 / 20:55] Daniele1992: Hallo Morgana,

Ich denke an Dich und wünsche Dir frohe Weihnachten und ein schönes neues Jahr 2022.

Liebe Grüße

Daniele

Morgana LaGoth: Vielen Dank, ich wünsche dir ebenfalls ein schönes, neues Jahr.

[25.09.21 / 14:59] Daniele1992: Hallo,

eine Chance etwas Neues zu machen. Neue Perspektiven. Urlaubsträume, die bald real werden können. Nicht so schlecht. Freue mich für Dich. LG Daniele.

Morgana LaGoth: Danke dir.

[11.11.20 / 09:12] Daniele1992: Hallo Morgana

Ich habe Dir eine Mail geschickt.

Lg

Daniele

Morgana LaGoth: Hey ... vom Lenkrad aus mit der Hand winken, von einem MX-5 zum anderen. *freu*

[30.07.20 / 22:03] Daniele1992: Guten Abend

das habe ich sehr gerne gemacht. Zum Einen interessiert mich das Thema und zum Anderen hast Du wirklich sehr lebendig und spannend geschrieben. Da wollte ich Alles lesen und wollte Dir schreiben, das mir Dein Blog besonders gut gefallen hat (Die eigentliche Arbeit hattest Du ja mit dem Verfassen des Blogs). Wenn Du magst können wir den Kontakt gerne per Mail halten. Viele Grüße Daniele

Morgana LaGoth: Mail-Adresse steht oben bei "kontakt" - bei weiteren Fragen, gerne.

[30.07.20 / 12:44] Daniele1992: Guten Morgen,

vielen Dank für Deinen tollen Blog. Ich habe ihn in den letzten Wochen komplett gelesen. Meistens konnte ich gar nicht aufhören zu lesen. Fast wie bei einem sehr spannenden Roman. Ich habe dabei Deine genauen Beobachtungen und Beschreibungen sehr genossen. Deine vielen Ausflüge in die Clubs und zu den Festivals oder Deine Streifzüge d durch die Geschäfte beschreibst Du immer aus Deiner Sicht sehr anschaulich und spannend. Ich kann das sehr gut nachvollziehen, das alleine zu erleben, häufig auch mit einer gewissen Distanz. Ich kenne ich von mir sehr gut. Highlights sind Deine Reiseberichte. Deine Erlebnisse an den unterschiedlichsten Orten auf der Welt. Vielen Dank dafür. Vielen Dank auch das Du Deinen Weg zu Deinem waren Geschlecht mit uns Lesern teilst. Deinen Weg Deine Gefühle Deine zeitweisen Zweifel. Das ist sehr wertvoll auch für uns Andere, denn es ist authentisch und sehr selten. Du bist einem dadurch sehr vertraut geworden. Für mich ist eine gefühlte grosse Nähe dadurch entstanden. Umso mehr schmerzt es mich von Deinen Rückschlägen zu lesen. Von Deinem Kampf zu Deinem wahren Ich. Von Deinem Kampf umd Liebe, Zährlichkeit und Akzepzanz und Anerkenung. Von Deiem mitunter verzweifeltem Kampf nach Liebe und Anerkennung durch Deinen Exfreund. Leider vergeblich. Dein Kampf um wirtschaftliche Unabhängigkeit und Deine aktuell missliche Lage. Ich glaube dass Du nicht gescheitert bist. Du hast viel Mumm und Hardnäckigkeit bewiesen Deinen Gang zu Dir selbst zu gehen. Du hast auch einen guten Beruf der immer noch sehr gefragt ist. Vielleicht kann ja nach dieser Auszeit und etwas Abstand ein Neuanfang in einer anderen Firma, wo Du keine Vergangenheit als Mann hattest gelingen. Ich wünsche das Dir ein Neuanfang gelingt und drücke Dir ganz fest die Daumen. Daniele

Morgana LaGoth: Da liest sich tatsächlich jemand alles durch? Das ist mittlerweile schon ein kompletter Roman mit mehreren hundert Seiten! Danke dir, für deinen Kommentar (und die aufgebrachte Zeit).

[05.10.19 / 17:11] Drea Doria: Meine liebe Morgana,

bin 5 T post all-in-one-FzF-OP. Deine guten Wünsche haben geholfen. Der Koch ist immernoch noch super. Alle hier sind herzlich und nehmen sich Zeit.

Herzlich

Drea

Morgana LaGoth: Dann wünsch ich dir jetzt noch viel mehr Glück bei deiner Genesung!

[14.06.19 / 12:57] Drea Doria: Meine liebe Morgana,

vielen Dank für Deine offenen und kritischen Erlebnisberichte. Ich bin in 3 Monaten in Sanssouci zur FzF-OP. Ich denke auch, was kann schon schief gehen, status quo geht nicht und irgendwas besseres wird wohl resultieren. Wenn es Dich interessiert, halte ich Dich informiert. Drücke mir die Daumen.

Herzlich

Drea

Morgana LaGoth: Ich wünsche dir für deine Operation viel Glück. (Sollte der Koch nicht gewechselt haben, das Essen da in der Klinik ist richtig gut!)

[14.11.17 / 20:13] Morgana LaGoth: Nutzungsbedingungen für die Kommentarfunktion: Die Seitenbetreiberin behält sich das Recht vor, jeden Kommentar, dessen Inhalt rassistisch, sexistisch, homophob, transphob, ausländerfeindlich oder sonstwie gegen eine Minderheit beleidigend und diskriminierend ist, zu zensieren, zu kürzen, zu löschen oder gar nicht erst freizuschalten. Werbung und Spam (sofern die Seitenbetreiberin dafür nicht empfänglich ist) wird nicht toleriert. Personenbezogene Daten (Anschrift, Telefonnummer) werden vor der Veröffentlichung unkenntlich gemacht.

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