Donnerstag, schönstes Wetter?
[15.08.24 / 21:47] ✎ Donnerstag, schönstes Wetter? Frühstück gibt es in dem alten Gutshaus unten in dem großen Zimmer, gleich neben dem Jagdzimmer. Das Hotel ist wirklich hübsch und stilvoll eingerichtet, alte Antiquitäten, Teppiche, Möbel, die Zimmer nicht zu ultra modern. Diesen Tag fahre ich nach dem Frühstück nach Heiligendamm, ein weiterer Strand und Kurort an der Ostsee. Die Strecke führt an Kühlungsborn vorbei, aber da war ich schon, das muss ich nicht unbedingt noch einmal sehen.
In Heiligendamm lotst mich mein Navi auch wieder zu einem Parkplatz gleich hinter der Düne mit direktem Zugang zum Strand. Nur das mit dem Kaffee zum Frühstück … ich habe da so ein Problem. Erst als es beim Aussteigen langsam das Bein heruntertröpfelt … Verdammte Scheiße! Pisse! Ich verzweifle an meiner schwelenden Inkontinenz. Ich versuche noch, mich neben meinem Auto zu hocken und mein Unterhöschen runterzuziehen – zwei derbe, gelb-bräunliche Flecken zieren den unteren Saum meines olivgrünen Strandkleides. „So kannst du doch nicht herumlaufen?“ Was nun? Mein schwarzer Bade-Zweiteiler – den ich dieses Mal ganz bewusst mit eingepackt habe – ist auch ein Strandkleid. Das sollte ich mir für später aufheben, wenn ich in diesem mondänen Küstenort mir den Nachmittag ein Restaurant suche. Für den Weg über die Düne runter zum Strand reicht erst mal meine weiße Tunika. Erst ein paar Meter weiter von meinem Auto um die Ecke sehe ich ein paar Dixi-Klos, du hättest dich nicht unbedingt da hinhocken müssen.
Auch dieser Strandabschnitt an der Ostsee grenzt sofort an einen FKK-Strand. Es sind noch viele Wolken am Himmel, ich nutze das Entledigen all meiner Kleidung auch gleich zum Ganzkörper-Auftragen meiner Sonnencreme. Es ist zu windig, ein Strandtuch kann ich nicht auslegen. Ich laufe einfach etwas nackt den Strand entlang. Für den Gang ins Wasser sind mir noch zu viele Wellen. Warum FKK? Nach meiner Operation kann ich mich endlich zeigen, wie ich wirklich bin. Einfach eine Frau. Meine Brüste sind nicht sehr groß – sie sind eigentlich winzig – aber das interessiert hier niemanden und für den Moment sind sie genauso schön, wie sie sind. Ich bin schön. Das ist FKK (und das Eins sein mit der Natur).
Später Vormittag, ich wechsele in mein schwarzes Strandkleid, das andere habe ich im Kofferraum gelassen. Zur Seebrücke und das Luxusressort ablaufen. Auf das Hotelgelände komme ich natürlich nicht. Ein paar Hubschrauber fliegen vorbei, die Superreichen? Oder doch nur eine Touristenaktion, die sogar ich mir leisten könnte. Weiter den Nachmittag, nach einem Kaffee und einem Eis, rüber zur Steilküste.
Ein steiniger Strand, ein steiniger Weg, eine Brücke über das Geröllfeld. Dahinter dann das markante Bild: Bäume hoch oben auf den abgetragenen Uferwänden. Eine Treppe führt nach oben und gibt den Blick frei in einen dichten Küstenwald. So wunderschön … wären hier nicht haufenweise parkende Autos und mit zunehmenden Nachmittag auch eine zunehmende Menge an Urlauber. Meine Wandertour führt die Straße oben wieder zurück zum Hotelressort, der Klinik und dem Strand.
Die Sonne ist rausgekommen, der Wind ist etwas weniger geworden, gleich hinter dem FKK-Schild suche ich einen schattigen Platz unter einer Treppe, die über die Dünen zur Strandstraße führt. Meine Tragetasche setze ich auf ein paar Steinen ab, meine Strand- und Badetücher als Sitzkissen. Dieser Strandabschnitt ist nicht so stark besucht, wie die anderen Strandabschnitte – eigentlich nur ein paar ältere, ruhige Menschen, die hier schon seit DDR-Zeiten jeden Sommer zum Nacktbaden kommen. Auch ich lege meinen Badeanzug beiseite und gehe wieder nackt ins Wasser. Die Wellen peitschen meinen Körper, ich spüre das Salz auf meiner Haut. Ein paar Schwimmzüge zwischen den hölzernen Wellenbrechern hin und zurück.
Wieder draußen, ich trockne mich nicht ab, ich laufe mich trocken. Entspannt laufe ich das Ufer ab … vielleicht finde ich Bernstein? Viele Strandbesucher laufen hier mit gesenkten Kopf, auf diesem Strandabschnitt bin ich die Einzige. Ein grauer Stein gefällt mir, ich hebe ihn auf und wische ihn etwas trocken, behutsam lege ich ihn danach wieder auf genau die Stelle, an der er vorher lag. Ich bin eins mit der Natur. Hinterlasse sie so, wie du sie vorgefunden hast.
Später den Nachmittag, ich ziehe mich wieder an und packe alles in meine Tasche. Ein Strandrestaurant am Nobelhotel habe ich gesehen, aber das ist unbezahlbar für mich. Auf meiner Wandertour habe ich den Bahnhof von Heiligendamm entdeckt – und da ist ein Restaurant drin. Wahrscheinlich das einzig andere hier in diesem Ort. Da will ich hin.
Die Preise sind ganz moderat, ich nehme auf der Seite an den Gleisen Platz und bestelle das Tagesgericht, mit Tagessuppe und Tagesdessert. Die Frau, die mich bedient, ist so nett – ich gebe nur ein mickriges Trinkgeld von zehn Prozent. „Ein Zug fährt durch. Auf schmaler Spur.“ Sogar eine Dampflokomotive für das Bahnambiente. Ich hätte mehr geben sollen. Den Abend wieder zurück zu meinem Hotel. Das Parkticket war dieses Mal ein Tagesticket.
Den Sonnenuntergang als Fotomotiv über dem Salzhaff verpasse ich. Blätter rauschen durch den Wald. Es wird kühl. Wird es die nächsten Stunden regnen, wie angekündigt? (Ende Teil 3/4)