Nach und nach ergibt sich aus den mir zugetragenen Puzzleteilen ein Bild und ich kann nachvollziehen, wie es wirklich abgelaufen ist.
[02.04.22 / 17:37] ✎ Nach und nach ergibt sich aus den mir zugetragenen Puzzleteilen ein Bild und ich kann nachvollziehen, wie es wirklich abgelaufen ist. Der große Konzern wirft alle externen Kräfte raus, die Projektierungsfirma, an die ich ausgeliehen wurde, hat keine Verwendung mehr für mich und muss – wegen der wegbrechenden Auftragslage – selber ihre eigenen Mitarbeiter verteilen. Der Ingenieurdienstleister als drittes Glied in der Kette (von dem ich mein Gehalt bekam), kündigt mich daraufhin, mit größtem Bedauern, noch vor Ablauf der sechsmonatigen Probezeit. Hire and Fire.
Da bin ich nun, Arbeitslosmeldung bei der Arbeitsagentur, vorher ewig arbeitslos gewesen, kein Anspruch auf Geld. Ein mir von der Sachbearbeiterin in die Hand gedrückter Laufzettel und der Verweis auf die in Krisenzeiten schnell zusammengezimmerte Holzbaracke nebenan, in der der Drachen vom Jobcenter sitzt. „Wollen Sie den Antrag gleich ausfüllen?“ (Nein, danke.) Ohne Tschüss zu sagen, drehe ich mich schnell um und verlasse fluchtartig auf kürzestem Wege diese grausige Behörde. Ich bin komplett aus dem System gefallen, nirgendswo registriert, nirgendswo Ansprüche. Arbeitslos ohne Leistungsbezug.
Die ersten beiden Nächte nach meinem letzten Arbeitstag: Die erste Nacht verbringe ich bis drei Uhr in einem Erotik-Video-Chat, ich hätte Geld dafür nehmen sollen, dass ich ihm anderthalb Stunden fast alles gezeigt habe. Die zweite Nacht sitze ich erneut bis drei Uhr vor dem Computer, eingeloggt auf meinem angemieteten Server mit dem Hidden Service und rüste kräftig meine Linux-Distribution auf. Alles, was ich in letzter Zeit an Sicherheitstipps und Empfehlungen im Internet aufgesogen habe. Intrusion Detection, abgesicherte Zugänge, extra goodies – „How to hack my own server!“ … Vielleicht ein Hinweis, in welche Richtung ich mich jetzt weiterentwickle.
„Taube im Schrank.“
Meine kleine und doch viel zu große Zweitwohnung in Salzgitter am Rande von Braunschweig. Für die Arbeit angemietet, lebt dort jetzt ein Taubenpärchen neben dem Küchenfenster der Dachgeschosswohnung, ich kann das Gurren jeden Morgen hören, wenn ich an meinen Kaffeevollautomaten gehe und die Dose mit dem neapolitanischen Bohnenkaffee aus dem Küchenschrank nehme. Die fast leerstehende Wohnung wird jetzt für die nächsten drei Monate, bis zum Ablauf der Kündigungsfrist, meine Wochenendwohnung (wie in Leipzig). Noch drei Monate die volle Miete zahlen – das geht hart an die Grenze von meinem Kontostand, sollte ich auch weiterhin nicht die nächsten sechs Monate von meinem aggressiven Sparplan absehen.
Die Zeit wäre da, jetzt herumzureisen …?