Ich werde einfach ein Bitcoin-Punk und schnorre virtuell ein paar Münzen.
[04.05.21 / 01:07] ✎ Ich werde einfach ein Bitcoin-Punk und schnorre virtuell ein paar Münzen. Mir wird nie jemand eine reale Arbeit anbieten, ich bleibe für immer arbeitslos und es widerstrebt mir, meine "Programmierkünste" für Geld anzubieten. Alle Menschen mit Bitcoin sind unermeßlich reich und alle Menschen, die echtes Geld in diese virtuelle Währung tauschen, sind entweder verrückt, unwissend oder voller Hoffnung und Glücksgefühl und danach arm und bankrott. Also warum noch den Gedanken verfolgen, Teile meiner (seit Jahren) in Entwicklung befindlichen Mail-Software (mit Verschlüsselung und allem Drum und Dran) für eventuelles Kryptogeld anzubieten. Meine Software war immer frei und kostenlos und wird immer frei und kostenlos bleiben ... siehe die entsprechenden, im Internet kursierenden Softwarelizenzen / Philosophien mit anarchistischen Zügen.
Vorbereitung ... was ist eine Wallet? Wie funktioniert das mit der Blockchain? Wo kommt das Geld her? (Und wo geht es wieder hin?) Die Szene hat den Ruf einer "Wild-Western-Stadt". So ganz naiv kann ich da nicht herangehen, ich muß mir erst einmal die ganzen Dokumentationen durchlesen ... "Read the fucking manual." Wieviel bin ich bereit in Technik (und Zeit) zu investieren? Reicht die Hardware, die ich schon habe - der Zug mit dem Mining ist schon seit Jahren abgefahren, die Kurse sind geradezu inflationär - lohnt sich das überhaupt noch? Kurz vor dem Krachen. Sofern die ganzen Irren da noch auf den Zug springen, wird schon was gehen. Ich entscheide für mich, die beiden Welten, die mit echter und harter Währung und die mit der virtuellen und spekulativen Währung, niemals zu mischen ... wenn ich jetzt die Euros vom Girokonto in ein paar Goldklumpen tausche, was mache ich dann mit dem Säckchen voller Nuggets an der Drogeriekasse? In dem Moment ist es wertlos.
Das mit der Verschlüsselung ist manchmal schwierig zu durchschauen, ich bin damit vertraut und mache schon seit Wochen in meinem anderen Projekt am Computer nächtelang nichts anderes. Das mit dem Seed finde ich aufregend und chiffriere das Stück Papier auf eine ganz klassische, "oldschool" Variante (so etwas wollte ich schon immer mal tun) ... "Security by obscurity." Die Anleitungen der verschiedenen Wallets sind da ganz hilfreich - sofern die neue Benutzerin sich die Zeit nimmt, das ganze auch vorher (!) wirklich durchzulesen und halbwegs zu verstehen, was da jetzt passiert und wo die ganzen Risiken liegen. Selbst ich habe Nächte und viele Internetseiten später immer noch nicht die richtige Ahnung davon.
Es dauert, Ungeduld und Gier auf das schnelle Geld wäre hier fatal. Es ist eine globale und im Schatten liegende IT-Industrie. Viele enttäuschte Nutzerkommentare schrecken ab. Es gehört schon viel Mut und Dreistigkeit dazu, mitzuspielen ... allein die wahnsinnigen Transaktionsgebühren - wer profitiert da wirklich von? Schattenmenschen.
Nachdem ich mit meiner Hardware soweit bin und alles an Software eingerichtet habe, sitze ich die Nacht vor dem Computermonitor und bastele an meinem Werbebild, es soll etwas Sympathisches werden mit: "Hey, gib mir Geld!" So wie alle Punks am Bahnhof, die mich anquatschen und die ich so gerne mit ein paar Cent unterstütze, obwohl ich selbst manchmal kaum etwas mehr in meiner Tasche habe ... einfach, weil ich diesen unkonventionellen Lebensstil so idealisierend finde. Frei von bürgerlichen Zwängen.
Es muß etwas werden mit einem Bild von einem Bahnhof und einem Bild von mir, in Punkerkutte! Ich verkaufe Emotionen, das ist nicht einfach betteln. Ich wähle das Foto von meiner Sizilienreise 2012, mit dem Bahnsteig: "On the railroad", und das Selfie von mir von meiner Ibizareise 2019 auf dem Felsen am Meer: "Rough globetrotter". Letzteres Bild ist authentisch, naturnah, ohne Make-up, nicht gekünstelt - es ist echt ... und in HD (wie beschrieben, ich muß den potentiellen Spendern etwas bieten für ihr Kryptogeld).
Fehlt nur noch ein fescher Text und der QR-Code mit dem Link zum Bezahlen. Was vielleicht nur mir auffällt ... die QR-Code-Generator-Software, die ich verwende, liefert ein leicht anderes Ergebnis, als die Software zum Generieren des QR-Codes der Bitcoin-Wallet. Nur minimal ... ein paar schwarze "Rechteck-Bits" sind abweichend angesteuert, das Muster ist nicht zu hundert Prozent identisch bzw. deckungsgleich, der Algorithmus der beiden Open-Source-Softwareprojekte wurde (höchstwahrscheinlich) unterschiedlich implementiert. Der QR-Code mit seiner eingebauten Fehlerkorrektur liefert in beiden Fällen aber dasselbe, unverdächtige Ergebnis ... "Ein bißchen Paranoia schadet nie." (Altbekannte IT-Weisheit.)
Ich hänge fest, die Computeruhr in der Taskbar tickt, 1 Uhr, 2 Uhr ... 4:30 Uhr, die ersten Vögel fangen da draußen vor dem Dachgeschoßfenster schon wieder an, der Straßenlärm mit den Berufspendlern geht los. (Wer steht so früh auf?) Ich kriege seit Stunden nichts mehr hin und schiebe nur noch in der Grafik-Software die Ebenen übereinander, ohne wirklich zu einem Ergebnis zu kommen und verwerfe alles wieder nach gefühlt jeder Viertelstunde. Der Hintergrund mit den beiden Fotos ist ganz klar nach dem Goldenen Schnitt aufgeteilt, das habe ich den Nachmittag schon gemacht, das Arrangieren der anderen Bildelemente in der Collage gelingt mir nicht. Mir reißt der Geduldsfaden, kurz vor 5 Uhr den Montag Morgen gebe ich frustriert auf. Das kann ich nicht mit meinem Hang zur Perfektion verantworten (ich hätte schon viel früher so übermüdet ins Bett gehen sollen). Dann eben morgen!
Fünf Stunden später ... ich spüre meine körperliche Verfassung nach dem Aufstehen, zitternd, verkatert, die Nacht am Computer durchgearbeitet (am Stück seit Sonntag Nachmittag so dreizehn Stunden). Frühstück und zwischen 11 und 12 Uhr wieder dransitzen, ich muß es fertig bekommen! Den Text für die Werbegrafik setze ich neu auf, schreibe ihn um, verändere ein Wort für die psychologische Wirkung (das ist nicht einfach nur ein Bild, das ist harte, gestalterische Arbeit) und arrangiere die Bildkomposition neu nach architektonischen Prinzipien (jede Pixelposition ist genaustens berechnet). Auf ein paar gestalterische Spielereien muß ich verzichten, das Gesamtbild wirkt sonst überladen, die Auflösung des ineinanderfließenden Werbefotos bleibt in HD, das macht es für den Betrachter besonders und wertvoll. Ich habe keine Ahnung, ob es wirklich jemand anspricht - aber die Arbeitsstunden, die ich da hinein investiert habe? Allein dieser Wert übersteigt den zu erwartenden Gewinn um ein vielfaches (der auch bei Null liegen könnte). Ich bin eine langzeitarbeitslose Webdesignerin...?
Den frühen Montag Nachmittag ist das "Kunstwerk" fertig und wird von mir auf meinen Internetseiten hochgeladen. Die Angel auswerfen und abwarten... Was erwarte ich mir von meiner Aktionskunst? Das es viral geht? Das wirklich irgend jemand so verrückt ist, mir virtuelle Bitcoins zu spenden? (Und ist dieser Begriff auch nicht markenrechtlich geschützt?) Irgendein technikaffiner und kunstliebender, bourgeoiser, alter Knacker wird schon drauf klicken. (Ich bin so punk...)
Das Ganze ist in etwa so etwas wie, als würde ich mich hübsch zurecht machen, ohne das geringste Kleingeld in ein Spielcasino gehen, dort ältere Herren bezirzen, um mir ein paar Jetons ausgeben zu lassen und anschließend am Roulette-Tisch, vollkommen ohne eigenes finanzielles Risiko, alles wieder verjubeln ... Yeah.
Hat in meiner Vergangenheit schon funktioniert. Ich erinnere mich an die Nächte in den Clubs, Bars und Diskotheken, in denen ich nur das erste Getränk selbst bezahlen mußte - alle anderen danach wurden mir von jemand anders ausgegeben ... meist verfolgen diese Männer aber auch ganz eigene Absichten. Nichts ist umsonst.
Ich probiere es aus...