Sonnabend Mittag, Frühstück, Kaffeesatzlesen - die eine Seite der Tasse zeigt Emotionen, Empörung und Gewalt, ich bin nicht direkt betroffen - die andere Seite, ein Känguru ...
[07.10.19 / 19:51] ✎ Sonnabend Mittag, Frühstück, Kaffeesatzlesen - die eine Seite der Tasse zeigt Emotionen, Empörung und Gewalt, ich bin nicht direkt betroffen - die andere Seite, ein Känguru ... und ein Wolf? Der Wolf ist nicht per se böse, er bewacht das Känguru, verteidigt es, es ist seine Beute. Bin ich das Känguru? Bin ich der Wolf? Es sind beides Aspekte meiner Persönlichkeit. (Kaffeesatzlesen ist psychologisch sehr interessant, so wie die Bilder vom Rorschachtest.)
Später den Abend, ich mache mich ausgehfertig, die Sachen vom Donnerstag liegen verstreut in meiner Wohnung, die Leggings mit dem Minirock hängt über dem Bistrostuhl neben dem Sofa, das Top hängt über einen Bügel am Kleiderschrank. Einziger Unterschied zu Donnerstag Abend - ich habe mehr Zeit für das Make-up und den Mascara vor dem Badezimmerspiegel. Ich kombiniere den Silberschmuck mit meinen Ohrhängern. Mit dem Auto danach in die Innenstadt, etwas Essen (das japanische Nudelrestaurant, und noch den einen Euro mehr an Trinkgeld zahlen, bei dem ich mich das letzte Mal verrechnet hatte.)
23 Uhr, ich parke mein Auto vor dem Club im Süden von Leipzig, die 80er-Jahre-Party für diese Nacht geht nahtlos von einer privaten Geburtstagsfeier in diese über ... ich habe es mehr auf den kleinen, zweiten Underground-Floor abgesehen. Meinen schwarzen Kapuzenpullover und meine Lederjacke an der Garderobe abgeben, an der Bar eine Flasche Cola zum Trinken bestellen und ich habe die große (kleine) Tanzfläche für mich alleine ... meine Bewegungen unter der Discokugel zu New Romantic.
Es wird voll, so zwischen 1 und 2 Uhr die Nacht gibt es kaum mehr Platz für mich zum Tanzen, ich pendele zwischen den beiden Kellerräumen hin und her. Auf der zweiten kleinen Tanzfläche werde ich von einem Gast angesprochen - bei der Lautstärke verstehe ich aber kaum ein Wort, wir ziehen uns auf die Nebenräume und in die Nähe der Bar zurück. Er bestellt mir was zum Trinken, ich erfahre, daß er aus Malta kommt ... gemischte Familiengeschichte, sein Vater stammt ursprünglich aus dem Senegal (Malta ist kulturell sehr interessant, halb sizilianisch, halb arabisch, und englisch). Ich erzähle ihm, was ich so mache, mein Webdesign-Projekt, meine Musik, Wave und Italo (für genau die ich diese Nacht in dem Club bin). Ich will tanzen ... Laß uns in Richtung der zweiten Tanzfläche gehen!
Die zweite kleine Tanzfläche ... ich weiß, daß der DJ immer gegen drei Uhr nachts ein kleines Italo-Set auflegt - auch diese Nacht. Die Tanzfläche ist voll, gefühlt 35 Grad, die Luft läßt sich in dem Nebel und Laserschein (nur ein normales, blaues Licht) zerschneiden. Ich traue mich nicht hinein und tanze meine Bewegungen im Vorraum - mit viel mehr Platz. Nach wenigen Titeln bin ich auch da schon kaputt und muß mich hinsetzen, ich erzähle meiner neuen Bekanntschaft von meiner alten DJ-Tätigkeit und erkläre ihm, wie die Dance-Tracks aufgebaut sind, die 12"-Vinyl-Singles: "Warte... Moment... Jetzt! Das ist die Bridge!" Der DJ fügt in den mir bestens bekannten Italo-Disco-Song nahtlos die nächste Single zum Tanzen ein.
Wir unterhalten uns noch weiter über Musik (meine Lieblingsband ist auch seine Lieblingsband), ich bestelle mir noch ein Glas Wasser an der Bar ... kippe es runter und verschwinde kurz auf die Damentoilette, mich frisch machen - 4 Uhr. Wollen wir nicht gehen? "Wie lange möchtest du noch bleiben?" Ich hole meine Lederjacke und meinen schwarzen Kapuzenpullover an der Garderobe ab.
Auf dem Weg nach draußen verliere ich ihn kurz aus den Augen, suche noch einmal im Inneren des Clubs nach ihm, stehe wieder wartend draußen in der frischen Kälte (es ist sternenklar) als ich ihn wieder treffe ... nochmal Glück gehabt. Vielleicht geht ja noch etwas diese Nacht ... ich habe extra das Gleitgel in meiner Handtasche mit eingepackt. Wir gehen zu meinem geparkten Auto.
"Hast du vielleicht Lust, die Nacht noch etwas zu machen?" Normalerweise werde ich das immer gefragt, diesmal ergreife ich die Initiative.
Er ist sich nicht ganz sicher.
"Ich muß nur noch mein Auto aus dieser winzigen Parklücke bekommen", die Entscheidung Zu mir oder zu dir? fällt auf meine Wohnung, "Steig ruhig ein."
Ich stehe an meiner halbgeöffneten Autotür, er daneben auf der Straße.
"Bist du trans?"
Ich fühle mich für einen kurzen Moment so merkwürdig zurückgesetzt.
"Ja, ich bin trans."
Ein schwieriger Moment, erzähle ich es vorher, oder hinterher, oder lieber gar nicht? Ich war fest entschlossen, es dieses Mal für mich zu behalten. Für ihn ist es jetzt zu spät die Nacht, er ist zu müde, möchte lieber (alleine) nach Hause gehen ... läßt aber die Option offen, auf ein weiteres Treffen mit mir. Nicht jeder Mensch ist so promiskuitiv wie ich und springt gleich beim ersten Treffen mit ins Bett. Wir verabschieden uns, er hat meine Nummer, ich fahre alleine mit meinem Auto zurück zu meiner Wohnung.
Kurz vor 5 Uhr den Sonntag Morgen bin ich da, die Heizung runterdrehen, die Wohnung kühl durchlüften, ins Badezimmer verschwinden, das Make-up entfernen, die Haare durchkämmen, zurück am Bett mich ausziehen und nackt in meinem Kleiderspiegel betrachten: "Aber, aber ich bin doch eine hübsche Frau." Was hat mich verraten? Meine grazilen Bewegungen sind es nicht, die sind durch und durch weiblich, mein femininer Körperbau auch nicht ... die Stimme ist eher wahrscheinlich. Es dauert noch eine ganze Weile (und eine Tablette, wieder nichts mit Absetzen) bis ich nach 6 Uhr den Morgen einschlafe. Erst den frühen Sonntag Nachmittag werde ich wieder aufwachen.
Sonntag Abend in einer Bar irgendwo am Marktplatz in der Leipziger Innenstadt - trinke ich meinen Ipanema (den es dort auch gibt) eben alleine. Mein Telefon liegt ständig bewacht neben mir auf dem Bartisch ... keine konkreten Anfragen oder Treffen mit ihm (vielleicht hat er es sich einfach nochmal anders überlegt, steht ja nicht jeder auf mich). Nummer Fünf für dieses Jahr? (Sollte ich in einem Jahr wirklich mehr Sexpartner haben, als andere in ihrem ganzen Leben? Aber er kommt aus Malta! Irgendwann muß ich doch endlich mal jemanden finden, zu dem ich ins Ausland - speziell ans Mittelmeer - wegziehen kann.) (Ende Teil 2/2)