Freitag Abend - endlich wieder in Leipzig (meine Yucca-Pflanze sieht schon ganz mitgenommen aus).
[11.02.19 / 21:29] ✎ Freitag Abend - endlich wieder in Leipzig (meine Yucca-Pflanze sieht schon ganz mitgenommen aus). Nachdem ich mich das Wochenende vor drei Wochen in eine Discoveranstaltung für Lesben verirrt hatte, gehe ich dieses Wochenende wieder in meiner Szene aus. Ein Konzertabend mit zwei Bands aus dem Wave- und Minimalumfeld. Mein Badezimmer-Spiegel-Ritual: schwarzer Kajal, leicht abdunkelnder Lippenstift in Naturfarbe, die langen, blonden Haare durchkämmen, Chanel - und weiter zum Kleiderschrank. Schwarzes Top, schwarze Jeans, Nietengürtel, schwarzer Kapuzenpullover ... Silberschmuck, der Ring, die Kette, der Anhänger. Jetzt fehlt nur noch der schwarze Wollmantel, der schwarze Kaschmirschal, meine schwarze Lederhandtasche und die Wave-szenetypischen Pikes (ich trage die mit den kubanischen Absätzen und ohne Schnallen). Ausgehfertig und bereit für die Nacht laufe ich danach, gegen 21 Uhr nochwas, zu meinem Auto.
Die Navigationsstimme auf meinem Smartphone lotst mich durch die Straßen von Leipzig: "In 100 m keep right, now turn right. Follow the course of the road for 1 km." Die Baustelle auf der Brücke nach Plagwitz kennt das System nicht, ich muß es ignorieren, auf voller Lautstärke läuft parallel die Discomusik aus Tel Aviv in meinem Auto, die Bässe dröhnen an jeder Ampel. Kurz vor 22 Uhr erreiche ich mein Ziel, ein altes Fabrikgebäude am Ufer eines Seitenkanals irgendwo im Westen von Leipzig, die letzten Meter in der Sackgasse muß ich zu Fuß laufen und lasse mein Auto stehen.
Der Club, tagsüber wohl ein kleines Restaurant, jetzt gut gefüllt mit schwarzem Publikum ... breites Grinsen in meinem Gesicht, meine Szene! Ich gebe meinen Mantel am Garderobenstand ab, sammle ein paar umherliegende Flyer ein und gehe erst mal an die Bar (auch so eine Art immer wiederkehrendes Ritual). Nicht allzuviel später fängt die erste Band an, zu spielen ... zwei Musiker, einer an den Synthesizern, der zweite mit E-Gitarre am Mikro. Ich stehe ziemlich weit vorne vor der kleinen Bühne, auf den Auftritt der beiden freue ich mich schon seit Wochen (seit ich den kleinen Flyer bei der letzten szeneinternen Veranstaltung mit eingepackt hatte). Die zweite Band - eigentlich ist es nur ein Musiker/Punk am Synth und Mikro - ich habe schon ein paar seiner Auftritte miterlebt (er tourt ziemlich oft), ich stehe wieder hinten (in der Nähe der Bar) und lasse seinen Fans, oder Groupies, oder Entourage den Platz vor der Bühne. Ein dichter Nebel hüllt alles ein, ich sehe ihn kaum.
Die Discoveranstaltung nach den beiden Konzertauftritten ... da ich den Freitag schon um 6 Uhr früh aufstehen mußte - um zur Tagesklinik zu fahren - bin ich nicht so energiegeladen, daß ich die ganze Nacht durchtanzen könnte. Ich bin eigentlich ziemlich müde und k.o. ... schade, ab und zu wird doch etwas nettes, Punk-lastiges aufgelegt. Ich schaue mir das schwarze Publikum um mich herum an ... so viele interessante Menschen. Aber nachdem ich nur wenige Tage zuvor aus der geschlossenen Station entlassen wurde - und die Umstände erfahren habe, wie ich dort hineingeraten bin (menschliche Mißverständnisse) - möchte ich lieber für die nächste Zeit keinen Kontakt zu anderen Menschen. Zwischen 2 und 3 Uhr nachts verlasse ich wieder das alte Fabrikgebäude und die schwarze Veranstaltung. Zurück zu meinem Auto, zurück in meine Wohnung.
Der Sonnabend in Leipzig, kurz nach 12 Uhr mittags stehe ich auf, ein paar Brötchen aus der Tankstelle den Abend zuvor als Frühstück. Diesen Nachmittag will ich in einem Möbelhaus nach einem kleinen Fernsehtisch für meine Wohnung suchen - und einen Fernseher kaufen! Nach zweieinhalb Jahren endlich mal nicht mehr für umsonst die Gebühren (pro Wohnung) für die öffentlich-rechtlichen Sender zahlen. Ich fahre zu dem großen Einkaufscenter an der Autobahn, das "schwedische" Möbelhaus lasse ich links liegen und parke mein Auto vor dem anderen großen Möbelhaus. Ich laufe gefühlt kilometerweit durch die ganzen Wohnzimmergarnituren, riesige Sofalandschaften, Designermöbelstücke der höheren Preisklasse ... wer stellt sich denn diese riesigen Dinger in die Wohnung? Ich suche doch nur etwas ganz kleines (kann auch exquisit teuer sein) für meine winzige 28m²-Dachgeschoßwohnung. Als ich das Möbelhaus nach stundenlangem, erfolglosen Suchen wieder verlasse, bricht bereits die Abenddämmerung an. Wenigstens in dem Elektronikmarkt gegenüber werde ich fündig und investiere etwas Geld in einen kleinen (und schwarzen) 24-Zoll-Flachbildfernseher ... der letzte, der noch auf Lager war. Mit dem verpackten Fernseher im Kofferraum meines Roadsters (hat gerade so noch hinein gepaßt) wieder zurück zu meiner Wohnung.
Lange bleibe ich nicht da, den Karton mit dem Fernseher stelle ich unausgepackt beiseite - keine Zeit, ich muß mich für den Sonnabend Abend wieder ausgehfertig machen. Den Lippenstift lasse ich weg, ich will in ein Restaurant, etwas essen - und danach in eine Bar irgendwo im Stadtzentrum von Leipzig ... soweit der Plan. Mit der Straßenbahn kurz nach 19 Uhr in die Innenstadt und die Station am Hauptbahnhof.
Ich laufe zu Fuß die Straße vom Hauptbahnhof in Richtung der Einkaufsstraße entlang (die mit den vielen Restaurants) ... genau hier hatte ich noch vor ein paar Wochen jemanden kennengelernt - hey, ich bin nur zwei Monate zu spät am vereinbarten Treffpunkt! Natürlich steht er nicht mehr hier und wartet auf mich. Weiter in eines der indischen Restaurants ... ein Fisch auf der Menükarte (aus dem Amritsar-See?) und ein Teller gegrillte Okraschoten als Hauptspeise. Ein üppiges Trinkgeld und weiter, kurz vor 22 Uhr, auf der Suche nach einer Bar in der Nähe der Oper und des ägyptischen Museums ... vielleicht eine kubanische Bar? Stand so im Internet, dort müßte ich ein Mojito trinken können.
Die Bar entpuppt sich als eine Art Kneipe - mit urtypischem, Leipziger Stammpublikum ... aber eine sehr entspannte Atmosphäre. Cocktails gibt es dort nicht, oder erst sehr viel später, ich bestelle meinen einfachen "Cola-Tonic-Mix" und bleibe nicht sehr lange - da es ziemlich voll in der kleinen Bar ist und ich nur gedrängt in einer Ecke stehen kann. Kurz nach 23 Uhr mit der nächsten Straßenbahn wieder zurück in meine Wohnung (und erst jetzt erfahre ich, daß die vier oder fünf Stationen dorthin nur "Kurzstrecke" sind und ich immer viel zuviel für ein "normales" Ticket bezahlt habe).
Mitternacht, meinen Fernseher aufbauen, anschalten und bis 2 Uhr nachts einrichten und fernsehen ... "Taxi Driver".
Sonntag später Vormittag, kurz nach 11 Uhr aufstehen und meinen neuen, in der Ergotherapie selbstgebastelten Räucherstäbchenhalter aus Ton einweihen, das morgendliche Ritual auf dem Altar. Während das Räucherstäbchen neben mir auf der Minibar runterglimmt, bereite ich das Frühstück vor - Brötchen vom Bahnhofsbäcker letzten Abend und ein Kännchen Damaskus-Kaffee. Das Pulver mit heißem Wasser aufgießen, ankochen lassen und dann das fertige, aromatische Gebräu mitsamt dem Kaffeesatz in mein neues Mokkatäßchen (mit "Gustav-Klimt-Motiv") gießen und austrinken. Danach mit der Untertasse abdecken, alles umdrehen und bis 10 zählen, nochmal mit Schwung umdrehen und ein weiteres Mal bis 10 zählen ... der Kaffeesatz läuft das Mokkatäßchen innen wieder runter und hinterlaßt phantasievolle Spuren - Untertasse wieder abnehmen. Ich hatte schon ein Kamel, ein Pferd, ein Wanderer in der Wüste ... und jetzt eine Tempeltänzerin. Was mag sie wohl bedeuten? Die Haare und die Arme in Bewegung, ein Rock um den Bauch geknotet. Sie steht für Lebensfreude, aber auch Sklaverei ... ich werde aus meinem alten Leben ausbrechen.