Zurück in Leipzig ...
[02.09.18 / 23:29] ✎ Zurück in Leipzig ... die große Yucca-Pflanze sieht noch ganz gut aus und bekommt einen neuen Übertopf, den ich unterwegs gekauft habe. Der kleine Ficus dagegen, ist wahrscheinlich bis hinunter auf den Wurzelstamm hin. Zurück zu meinem geparkten Auto unten in der Straße, ich sammle alle leeren Wasserflaschen auf der Beifahrerseite ein und tausche sie in der Kaufhalle um die Ecke gegen den Pfand, ein paar Brötchen, einen Couscoussalat und eine kleine Packung Hummus zum Abendessen. Diesen Sonnabend Abend ist in Connewitz das Soli-Konzert für die Seenotrettungsschiffe im Mittelmeer.
Nachdem ich eins meiner mitgebrachten Brötchen und den Salat aufgegessen habe, mache ich mich ausgehfertig ... Kajal, Lippenstift, die schwarze Jeans, das neue schwarze Spaghettiträgertop - und den Silberschmuck. Gefühlt eine halbe Ewigkeit bin ich so nicht mehr nachts ausgegangen (das letzte Mal im Juni in Berlin). Es könnte kalt werden, ich ziehe auch meine schwarze Baumwolljacke im Bikerstil an und gehe anschließend zu meinem Auto ... keine Ahnung, wann die Konzerte anfangen oder wann sie aufhören - eine Straßenbahn fährt dann bestimmt nicht mehr. Ich fahre einfach so in den Südteil von Leipzig und lasse mich überraschen (ich habe nicht mal einen Papierflyer für die Veranstaltung).
21:30 Uhr, Sackgasse, eine Baustelle auf der Straße versperrt mir den Weg zu der Konzertlocation und ich muß ein paar 100 Meter entfernt parken. Als ich das große Gebäude in dem Hinterhof erreiche (das mit dem Charme eines linksalternativen, besetzten Hauses - ich war hier schon ein paarmal), sind noch kaum Menschen da und die Kasse scheint auch nicht besetzt zu sein - ich bin zu früh. Wahrscheinlich ist der Einlaß erst gegen 22 Uhr. Egal ... gleich daneben gibt es ja dieses kleine, exklusive vegane Restaurant, das noch bis spät geöffnet hat.
In dem Restaurant - vielleicht ist es auch nur ein Bistro - studiere ich die Getränkekarte und die Menükarte ganz genau, nach meinem veganen Nudelauflauf den Mittag fehlt mir noch ein nettes, kleines Dessert ... Schoko-Brownies, das hört sich lecker an, das bestelle ich. Ich setzte mich an einen Tisch in der Ecke des Ladens und die freundliche Bedienung bringt mir nur wenig später den süßen Nachtisch und eine Limonade - mit Anisgeschmack, Eis und ein paar orangefarbenen Früchten.
Meine schwarze Handtasche liegt neben mir auf der Ecksitzbank, immer wieder schweift mein Blick darauf ... nehme ich das Telefon aus der Tasche? Warte ich auf eine Nachricht von meinem Freund? Ich kann mich nicht zurückhalten, ich muß nach dem Telefon greifen - und suche es in meiner Handtasche ... es ist nicht da! Ich habe es tatsächlich in meiner Wohnung auf der Minibar liegenlassen! Ich muß schmunzeln ... endlich bin ich mal befreit von dem Zwang, ständig auf mein Telefon schauen zu müssen - auf dem ja doch nie eine Nachricht angezeigt wird. Ich fische mit einem kleinen Holzstäbchen die Früchte (Kumquats?) zwischen den Eiswürfeln aus meinem leeren Glas, bezahle die Rechnung und laufe dann wieder zurück zu dem Club um die Ecke in dem Hinterhof - jetzt sind da schon ein paar mehr Leute und die Kasse am Eingang ist auch besetzt.
Eine Soli-Party ... den Eintrittspreis kann ich selbst wählen (aus einer festgelegten Spanne unterhalb von 10 Euro), an dem Stand für Papierflyer daneben bleibe ich länger stehen und bewundere all die vergangenen Termine und Veranstaltungen, die ich verpaßt habe - ein paar dieser kleinen Zettel sammle ich trotzdem ein. Ich bewundere weiter die ganzen Plakate an der Wand, bevor ich den kleinen Saal mit der Bühne und der Bar betrete. Neu ist der Informationsstand für den Verein der zivilen Seenotrettung und die "Benefiz-Cocktailbar" gleich daneben, die paar Tische (und die Spendendosen) wurden extra aufgestellt. Ich lasse mir an der Cocktailbar eine nichtalkoholische Alternative aus Cola und Tonic mixen - und der erste Euro für den Becherpfand geht wenig später in die Spendenbox.
Drei Konzerte, drei Bands aus dem *core-Umfeld. Ich hatte den ganzen Tag schon Zweifel, ob das nicht ein bißchen "zu hart" für mich ist, so als Waver - aber das Publikum ist gut. Meine spitzen, absatzlosen Pikes fallen unter den ganzen Turnschuhen gar nicht auf (ich glaube, das sind diese speziellen, szenetypischen, bequemen Basketballschuhe) - und endlich sehe ich mal wieder Menschen mit Nietengürteln (so wie ich). Von der tanzenden Pogo-Gruppe (oder hier wohl "Moshpit" genannt) vor der kleinen Bühne halte ich mich trotzdem fern. Getränkenachschub gibt es an der Bar hinter mir, die Mitarbeiter sind so freundlich, und schenken mir klares Leitungswasser in meinen Becher ein. Ich danke es und hinterlasse ein paar Münzen in der Spendenkiste für die "Refugees" (und ein weiterer Euro geht später noch in die Spendendose für die Seenotrettung ... im Austausch gegen ein veganes Wrap).
Als die Auftritte der Bands durch sind - ich habe keine Ahnung, wie spät es ist - fängt die Tanzveranstaltung für danach an. Ein DJ, ein Tisch, ein "Lichteffekt-Glitzer-Ding" (und die Discokugel über der Bar). Ich stehe so etwas abseits ... warte auf Musik zum Tanzen, eigentlich wollte ich nach den Auftritten der Bands wieder abhauen, als ich von jemanden angesprochen werde. Ich kann ihn mit der lauten Musik im Hintergrund kaum verstehen, aber er scheint mit einer kleinen Gruppe von Menschen nach den Konzerten hier angekommen zu sein - anders als seine Begleiter (eine Frau, noch eine Frau, ein paar per Handschlag grüßende Männer) sieht er nicht so einheimisch deutsch aus (ich Rassist!) - er könnte nordafrikanisch sein.
Er lädt mich immer wieder ein zum Tanzen (ich tanze doch schon, mit meinen Minimalbewegungen), will mir etwas zu trinken von der Bar holen (ich hole mir mein Glas Leitungswasser selbst) und versucht ein Gespräch mit mir anzufangen und möchte mich näher kennenlernen (wirkt dabei aber nicht aufdringlich). Erst als er mich auf eine Zigarette zum Rauchen nach draußen einlädt, willige ich ein (vielleicht hätte ich auf der Tanzfläche nicht meine Jacke ausziehen sollen, das Spaghettiträgertop ist doch zu tief ausgeschnitten).
Endlich draußen, auf dem Hinterhof mit dem schummrigen Licht können wir uns besser unterhalten. Er ist Marokkaner - aber in Frankreich geboren - lebt schon etliche Jahre in Deutschland bzw. Leipzig und ist für diesen Abend das erste Mal in dem Club, seine Begleitung hat ihn hierher geschleift. Ich dagegen, bin erst seit zwei Jahren in Leipzig - aber den Club kenne ich schon mindestens 10 Jahre. Es stellt sich heraus, daß er ursprünglich studiert hat und Ingenieur ist (ich auch) und wir denselben Arbeitgeber (ein namenloser Konzern) haben bzw. hatten ... er wurde wegen persönlicher "Differenzen" entlassen und macht jetzt eine Umschulung (wahrscheinlich ist er deswegen in Leipzig gelandet). Es fängt an, zu nieseln, ich schließe den Reißverschluß meiner Jacke. (Ende Teil 1/2)