Das Gespräch schwenkt um, auf das Thema Beziehungen ...
[02.09.18 / 23:30] ✎ Das Gespräch schwenkt um, auf das Thema Beziehungen ... seine und meine "Sex-Beziehungen" und die emotionalen Probleme, die das so mit sich bringt. Er spricht mich auf meine "kräftige" Stimme an - hat er einen Verdacht? Ich antworte ihm, daß ich Sängerin bin ... nicht professionell, aber der eine Sänger der letzten Band, mit dem szenetypischen, kaum verständlichen, tiefen Gesang aus der Kehle, hat sein Mikro weit nach oben gehalten - genau so habe ich auch meinen letzten Titel eingesungen und bewundere deswegen die Sänger (und Sängerinnen), die die Stimmlage einen ganzen Auftritt halten können. Er fragt weiter ... ob ich einen BH trage - natürlich nicht - ich bin flach. Ich muß mich da nicht einzwängen oder ein Riesengewicht mit mir rumschleppen. Wenig später die Nacht wird mir bewußt, daß er wahrscheinlich meinte, ob ich da etwas "aufpolstere".
Die nächsten Minuten draußen vor dem Club in der Kälte der Nacht, geschützt vor dem Nieselregen durch ein kleines Vordach und einer Laterne vor dem Eingang, gesellen sich immer mal wieder weitere zwei Gäste, mehr oder weniger stark betrunken oder bekifft, zu der kleinen Runde dazu. Letztendlich stehen wir dann aber doch wieder alleine ... mir ist kalt - und ich muß nach den ganzen Gläsern Wasser dringend eine Toilette aufsuchen. Wir beschließen, kurz wieder reinzugehen, den Becher- (bzw. Bierflaschen-) Pfand einzulösen - und ich suche die Toilette auf einer der Etagen des alten Lager- oder Fabrikgebäudes, die ich bei meinen letzten Konzertbesuchen nie gefunden habe ... schon wieder neue Räumlichkeiten entdeckt.
Er wartet auf mich auf einer Bank vor der Damentoilette (Frauen brauchen da etwas länger), danach verlassen wir den Club. Ich habe keine Ahnung, was die Nacht noch so passieren könnte, lasse mich einfach treiben ... alles ist möglich. Er begleitet mich durch die dunklen Straßen die paar 100m zu meinem Auto. Er ist an Sex interessiert ... ist sich aber nicht sicher, wo er bei mir gelandet ist. Das Gespräch kommt noch einmal auf meine kleinen Brüste zurück ... ich lasse mich abtasten - "Ich mag meine kleinen Brüste, ich habe damit kein Problem." Wir laufen weiter, bleiben stehen, er faßt mir in den Schritt, läßt seine Finger in meine Jeanshose und meine Unterwäsche gleiten - das hat bis jetzt noch nie jemand bei mir versucht. Ich bleibe entspannt, er scheint erleichtert zu sein, als er das obere Ende meiner Schamlippen ertastet ... hat er etwas anderes erwartet?
Zurück an meinem Auto, ich setze mich auf einen Fahrradständer daneben, er lehnt sich gegen meinen Kofferraum. "Eigentlich mache ich das nicht, jemanden mit in meine Wohnung zu nehmen ... das heißt ... naja, eigentlich doch", ich bin vorsichtig. Er spricht mich auf sein Genital an, es ist etwas größer und könnte bei mir wehtun. Er fragt, ob ich Gleitcreme bei mir zu Hause habe. Ich antworte: "Du bist nicht mein erster Marokkaner ... aber", er mag das Wort aber nicht, "ich habe da vorne nur eine ganz kleine Öffnung." Verlegen spreize ich die eine Hand aus und zeige mit den zwei Fingern der anderen Hand, wieviel von dem Zeigefinger der einen Hand wohl in meine Vagina hinein passen könnte. "Aber ich habe ja noch mein bestes Stück!" entgegne ich und fasse mir dabei flirtend an mein Hinterteil.
"Bist du operiert?"
Auf seine Frage hin, verändern sich meine Gesichtszüge, "Wenn du das so genau fragst ... ja."
Und plötzlich bin ich für ihn nicht mehr als ein schwuler Mann - zwar operiert, aber immer noch ein schwuler Mann.
"Ich bin nicht schwul, ich stehe nicht auf Männer, ich ficke keine Ärsche - das ist haram!"
Gefaßt höre ich mir seine Begründung an. "Haram" - das kenne ich schon von dem Tunesier. Ich respektiere seine Religion, seine Werte, die Bierflasche in seiner Hand. Einerseits bin ich betrübt, daß er mich doch wegen meiner Trans-Vergangenheit ablehnt, andererseits habe ich doch etwas Angst, daß er jetzt wütend werden könnte, weil er zuviel Zeit und Energie mit mir verschwendet hat. Er kennt da noch eine Bekannte, zu der er jetzt gehen könnte, um seinen "Druck abzulassen", seinen "Samenstau". Ich bin es leider nicht.
Wir trennen uns, im freundlichen Auseinandergehen ... vielleicht hätte ich lieber mein Papierschild mit der Aufschrift "Trans Pride" vom vorletzten CSD aus meinem Kofferraum nehmen sollen und hätte es den ganzen Abend schön sichtbar vor mir her tragen sollen - damit alle Männer sofort wissen, was ich bin. Ich dachte bei ihm schon, er wäre enttäuscht, er wäre einer dieser Männer, die auf das "besondere Extra" unten herum bei Transfrauen stehen - das ich jetzt nicht mehr habe. Aber er hat mich aus dem anderen Grund abgelehnt. Ich war so in meiner Erwartung drin, daß ich niemals mehr meine männliche Vergangenheit erwähnen muß, daß ich mich einfach so bei einem One-Night-Stand nackt ausziehen kann, ohne daß irgend etwas auffällt. Meine Stimme hat mich letztendlich verraten.
Zurück in meine Wohnung. An einer dieser Säulen mit der großer Analoguhr, überall in Leipzig verteilt, sehe ich die Zeit - 5:30 Uhr den Sonntag Morgen. Als ich mein Auto in der Straße vor dem Wohnhaus parke, kündigt sich schon im leichten dunkelblauen Ton die Morgendämmerung an. Zurück ans Waschbecken, vor dem Spiegel den schwarzen Kajal aus den Augen waschen. Zurück in mein Bett, mein Telefon liegt tatsächlich noch auf dem Bartisch in der Küchenecke ... ich schalte es ein - keine Nachricht von meinem Freund. Und es bleibt auch den Sonntag Nachmittag stumm. Dabei habe ich extra für ihn und mich Brötchen und einen Mango-Lassi gekauft, zum Frühstück, und "Halawa", das süße Zucker-Sesam-Gemisch - falls er nach der Frühschicht bei mir vorbeikommt ... ich muß es den Sonntag Mittag alleine essen. (Ende Teil 2/2)