Sonnabend Mittag, eigentlich wollte ich ja nach Connewitz, die letzten Tage wurde viel für eine Gegendemo geworben (ich muß doch meine linke Szene unterstützen) - aber vor meinen Fenstern in meiner kleinen Wohnung im Dachgeschoß gießt es in Strömen und es weht immer wieder ein starker Wind ...
[19.03.17 / 23:40] ✎ Sonnabend Mittag, eigentlich wollte ich ja nach Connewitz, die letzten Tage wurde viel für eine Gegendemo geworben (ich muß doch meine linke Szene unterstützen) - aber vor meinen Fenstern in meiner kleinen Wohnung im Dachgeschoß gießt es in Strömen und es weht immer wieder ein starker Wind ... das muß ich mir jetzt nicht wirklich antun, ich werde einfach den Nachmittag mal in dem alternativen Viertel vorbeischauen. Ich muß den Nachmittag in der Leipziger Innenstadt noch ein paar Besorgungen für meine anstehende Reise machen (Duschbad, Haarwäsche und Sonnencreme in kleinen Größen für das Handgepäck im Flugzeug). Zuerst fahre ich aber den frühen Nachmittag in den nächsten Baumarkt (der Regen läßt nach), einen kleinen Blumentopf kaufen - ich will versuchen, die neu gekaufte Sukkulente zu teilen und einen neuen Trieb anzupflanzen (die Kakteenerde dafür habe ich schon den Freitag Nachmittag angemischt und in einem kleinen Beutel mitgebracht). Nach dem Baumarkt weiter zu dem Parkhaus unterhalb des Hauptbahnhofs und zu Fuß in die Innenstadt. Erster Anlaufpunkt, der wahnsinnig teure Laden für Parfüm und Naturkosmetik einer nicht näher genannten, französischen Kette (ich brauche das eben für meinen Körper und meine langen Haare) und weiter in den komplett gegensätzlichen und billigen Drogeriemarkt (die Sonnencreme für ein paar Cent).
Schon seitdem ich durch die Einkaufspassagen des Bahnhofs gelaufen bin und all diese Menschen sehe, überkommt mich wieder so ein Gefühl ... bin ich jetzt wieder allein? Habe ich mich von meinem Freund getrennt? Bin ich gerade mitten in der Trennungsphase? Ich muß laufen, automatisch immer weiter gehen, ohne anzuhalten (ohne Ziel) - von der Einkaufsstraße in der Leipziger Innenstadt laufe ich immer weiter durch die Südvorstadt bis zum Connewitzer Kreuz ... vorbei an unzähligen Polizeieinsatzfahrzeugen - und ziemlich entspannten Polizisten in "Krawallmonitur". Abgesehen von dem ewig dröhnenden Polizeihubschraubern über dem Viertel ist von Krawall und Ausschreitungen überhaupt nichts zu sehen. Wo sind die Wasserwerfer? Bin ich Stunden zu spät? (Sind die paar wenigen Faschos den Mittag echt im strömenden Regen gelaufen?) Ich weiß, die Route für die Demo und Gegendemo liegt in einer anderen Straße - wo ich bin, ist alles ruhig. Gegen 17 Uhr erreiche ich die Kaufhalle am Connewitzer Kreuz, kaufe mir etwas zu trinken und verweile noch etwas in der Gegend vor dem Werk 2. Ich bin nicht alleine, viele junge Menschen (die ich irgendwie optisch dem Viertel und der linken Szene zuordnen kann) stehen da entspannt in der Gegend rum und warten vielleicht darauf, daß noch "irgend etwas geht", Hauptsache Präsenz zeigen (auch mein Gedanke, machen die Polizisten auch so).
Ich habe Hunger, der vegane Laden ein paar 100 Meter entfernt ist mal wieder übervoll und ich ziehe mir stattdessen lieber ein Straßenbahnticket und fahre zurück zum Hauptbahnhof. Das kleine indische Bistro in der Straße mit den vielen Restaurants zwischen dem Hauptbahnhof und der Innenstadt war sowieso meine erste Wahl für diesen Tag und ich bestelle mir dort mein veganes Abendessen (Reis + Curry + Tofu mit Brot). Zurück zum Parkhaus, zurück in meine Wohnung.
20 Uhr, noch 4 Stunden bis Mitternacht ... gehe ich den Abend doch noch aus? Soll ich meinem Freund vielleicht irgendwie ein Lebenszeichen von mir senden? Ich bin den ganzen Tag schon in ziemlich düsterer Stimmung. Einerseits möchte ich nicht, daß er mich so sieht ... andererseits möchte ich ihn auch nicht so zurückstoßen und abweisen, das hat er nicht verdient. Ich sende ihm eine Nachricht (erst jetzt erfährt er davon, daß ich in Leipzig bin). Ich fahre gegen 22 Uhr den Sonnabend Abend zurück in die Südvorstadt, dort wo ich den Nachmittag schon war, dort wo die Bars sind. Wie ein Tiger in dem Käfig laufe ich wieder das Viertel ab, erst die eine Straßenseite, dann die andere ... ohne ein klares Ziel in der Dunkelheit der Nacht, einfach laufen. Vielleicht hätte ich ihm doch nicht eine Nachricht schreiben sollen, was wenn er jetzt wieder aufmerksam auf mich wird und mich wieder treffen will? Ich habe immer noch keine Ahnung, was er eigentlich den Freitag vor einer Woche mit mir besprechen wollte. In dem Automatismus einer Trennung in dieser Beziehung, nehme ich wieder in der beliebten mexikanischen Bar an einem kleinen Tisch für zwei Personen Platz und bestelle mir das Süßeste, was die auf der Speisekarte haben - wahrscheinlich in Zuckersoße gebackene Ananas mit drei Kugeln Eis und Sahne ... und einen alkoholfreien Mojito mit viel Minze. Ich muß das jetzt essen ... aus Frust (oder Trennungsschmerz). Warum machen Frauen das so? Das kann wirklich nur an den Hormonen liegen, die ich mir jeden Abend auf meine Arme verteile (und ich war noch glücklich, daß ich ein halbes Kilo abgenommen habe).
Kurz vor Mitternacht, zurück in meine Wohnung ... meine Stimmung verfinstert sich immer mehr, ich gehe die Nacht doch nicht mehr aus. Erst jetzt beginnt der Nachrichtenaustausch mit meinem Freund, wir schreiben uns einige SMS. Er will wissen, wo das Problem liegt, will mich in ein oder zwei Stunden treffen, will vielleicht Sex (ich lehne ab, ich bin wirklich nicht in der Stimmung). Er will mit mir ausgehen (ich liege bereits in meinem Bett), fragt noch einmal nach meinem Problem und warum ich so düster drauf bin. Kurz vor 1 Uhr sendet er mir seine letzte Nachricht - er kommt zu mir in meine Wohnung ... ich würde ihm jetzt am liebsten schreiben, daß er sich von mir fernhalten soll, bitte laß mich einfach alleine. Ich tue es nicht und schlafe etwas ein. (Ende Teil 2/3)