morgana81 - gothic transgender

Sternzeit irgendwas, Logbucheintragung des Captains:

[01.01.70 / 00:00] Sternzeit irgendwas, Logbucheintragung des Captains:

[04.10.24 / 23:04] Er parkt sein Auto weit abseits, wir streunen durch die Nacht durch den Innenstadtkern von Magdeburg. Den Club, den er sucht, so ab drei Uhr den Morgen sind da bestimmt keine Gäste mehr. Er findet sein Auto, ich steige auf der Beifahrerseite mit ein, er kurvt mit dem eingeschalteten Navi noch etwas rum, ich denke an mein Auto, das weit abseits beim Hauptbahnhof steht, von dem wir uns immer weiter entfernen. „Scheiße, die Bullen!“ Ich weiß, er hat etwas getrunken. Jetzt nur nicht auffallen. Die engste Seitenstraße, die er (oder das Navi) finden konnte … irgendwo hier sollte der Eingang des Clubs sein? Es wird immer mehr früher Morgen und eigentlich lohnt es sich nicht mehr, noch in einen Club zu gehen. Mit Rückwärtsgang aus der engen Gasse wieder hinaus, gefühlt an jeder Kreuzung kommt uns ein Polizei-Bulli entgegen. „Die suchen bestimmt nach Drogen-Junkies am Steuer.“„Ja, schlimm hier in der Gegend.“ Lass uns woanders hin fahren.
Er nimmt die Hauptstraße raus aus Magdeburg, ich kenne da einen Parkplatz, der ist wirklich schön, mit atemberaubenden Blick auf die Lichter der Großstadt von Magdeburg. Auf einer leichten Anhöhe, kurz hinter dem Ortsausgangsschild. Er scheint ganz angetan von meinem Vorschlag zu sein. Ich weiß, wo der Parkplatz ist – und er fährt bereits genau in die richtige Richtung.
Wenig später, das Ortsausgangsschild von Magdeburg liegt schon hinter uns. „Ist es die Einfahrt?“„Nein.“„Die da? – Scheiße, Rehe!“. Vorsichtig fahren. „Die da hinten, die ist das.“ Ich hatte in der Gegend hier mal eine Arbeitsstelle. Er biegt auf den Parkplatz ein. Von Magdeburg kommend, ist das die nördliche Seite, die hübsche Seite mit der schönen Aussicht liegt aber auf der anderen Seite der Fahrbahn, nur durch einen Streifen Bäume und die Straße selbst abgetrennt. Vor uns parkt den frühen Sonntagmorgen ein LKW und wird schnell zu unserem Gesprächsthema. Wir müssen den LKW-Fahrer aufgeweckt haben, er fühlt sich unwohl, von zwei dubiosen Gestalten in einem parkenden Auto hinter ihm beobachtet. Wir könnten auch Verbrecher sein, oder Polizisten in zivil. Der LKW-Fahrer lässt schon den Motor laufen, die Fahrerkabine ist beleuchtet. Wenig später steigt er nach einer kurzen Pinkelpause wieder ein und fährt mit seinem langen Sattelschlepper vom Parkplatz, die Kurve in Richtung Magdeburg wieder hinein. Wir haben den Parkplatz jetzt für uns allein … fast.
Lass uns kurz aussteigen und auf die Rücksitzbank wechseln, ich mag seinen Kombi, er ist so geräumig. Auf der gegenüberliegenden Parkplatzseite (die mit der schönen Aussicht auf die Stadt) scheint auch ein Auto angekommen zu sein, die Lichtkegel der Scheinwerfer verschwinden hinter dem dichten Streifen an Bäumen. Mein Freund fühlt sich unwohl, wenn er beobachtet wird. Das andere Auto ist weit, wenn dort kein Licht ist, sind wir allein. Ich beginne mich auf der Rücksitzbank auszuziehen und werfe meine Sachen nach vorne, auf den umgeklappten Beifahrersitz. Auch er zieht sich aus, seine Hände streifen meine Brüste. Ich küsse ihn, greife seinen Penis. Ich klettere zu ihm auf seinen Schoß, lege meine Beine um ihn, halte mich an den Kopfstützen der Rücksitzbank fest. Vor mir der dunkelblaue Himmel der Nacht durch das große Fenster der Heckklappe. Er hat ein Kondom, vorsichtig zieht er es über und ich lasse mich langsam auf ihn fallen. Ich weiß, dass ich verdammt eng bin und sein Schwanz unglaublich groß ist – Top drei der Männer, die ich bis jetzt getroffen habe (von gefühlt zwanzig). Es muss ihm weh tun. Ich agiere vorsichtig, möchte ihn nicht verletzen. Er dirigiert mich, nimmt meinen Körper und legt ihn so, wie es am angenehmsten für ihn ist. Ich spüre ihn nun in mir … aber er geht nicht tief.
Wo bin ich? Wieso habe ich wieder Sex? Wollte ich das? Es ist so, als würde ich mich auftrennen, in eine Seite, die sich nach Sex, Liebe und geliebt werden sehnt und eine Seite, für die das alles fremd ist, sich ihrer Asexualität hingibt und alles leugnet, was gerade passiert. Er zieht das Kondom ab, ich gehe mit meinen Lippen und meinen Mund und meiner lebendigen Zunge darüber und mache ihn wahnsinnig. Ich weiß, dass ich das kann.
Das blaue Leuchten im nordöstlichen Nachthimmel über dem Parkplatz kommt auf, der frühe Sonntagmorgen kündigt sich an. Mein Freund schläft sitzend neben mir auf der Rücksitzbank ein. Er legt seinen Kopf auf meinen Schoß und ich kann mit meinen Händen über seine kurzen Haare streifen. Verdammte Scheiße, es ist so kalt in diesem Auto, ich bin immer noch nackt und ich komme nicht an meine Sachen auf dem Beifahrersitz vor mir! Die Romantik dieser Szene entgeht mir. Vielleicht bin ich gar nicht asexuell, sondern eher aromantisch? Das könnte einiges erklären. Ich beobachte weiter die Gegend um mich herum, durch die Seitenscheibe links von mir sehe ich das andere Auto davon fahren … wer da wohl drin saß? Vielleicht ein anderes Pärchen? Spätestens jetzt sind wir wirklich allein. Durch meine Versuche, meine Sachen mit ausgestreckten Arm hinter der Lehne auf dem Beifahrersitz vor mir erreichen zu können, wird er wach. „Lass mich noch ein klein wenig schlafen …“ Ich werde erlöst und kann mich kurz darauf anziehen.
Der Morgen graut jetzt wirklich auf. Das Licht der Sonne erhebt sich noch unter dem Horizont und taucht die Stadt vor uns in ein atemberaubendes Gemälde: der graue Nebel, darin die Lichter der Häuser und der Straßenlaternen, darüber der dunkle, rosane Schleier, ein heller, sonnenfarbener Streifen und darüber der schon nicht mehr so dunkle Morgenhimmel in einem satten Azurblau. Die Sonne steigt auf, die Strahlen erheben sich. „Das ist so wunderschön.“ Er startet den Motor, wendet sein Auto und fährt mit mir wieder runter in die Stadt.
Mein Auto steht immer noch in der Seitenstraße beim Hauptbahnhof. Entgegen aller Befürchtungen, wurde das schwarze Verdeck meines Roadsters nicht von ein paar dahergelaufenen Drogen-Junkies aufgeschlitzt (ich hätte ein paar Stunden zuvor fast einen von denen auf der Straße überfahren). Wir verabschieden uns mit einer Umarmung, er steigt wieder in sein Auto, ich steige in meins. Eigentlich müssten wir in dieselbe Richtung fahren, aber ich nehme als Ortskundige eine andere Route aus der Stadt hinaus. Ich verliere ihn an der ersten Kreuzung. Weit draußen, hinter der Stadt, auf den Weg zurück, sehe ich die Sonne über den Äckern und Feldern aufgehen. Sieben Uhr morgens den Sonntagmorgen. Was ich in dem Moment noch nicht weiß, den Abend fahre ich hier wieder entlang und sehe auch noch den Sonnenuntergang … noch Freunde im Park treffen den Sonntagnachmittag (und von meiner letzten Eroberung erzählen). (Ende Teil 2/2)

[04.10.24 / 23:03] Bevor die Erinnerungen verblassen, ein beginnendes Wochenende vor zwei Wochen … mein Bikerfreund hat mich schon den Freitagabend kontaktiert, er würde gerne etwas Zeit mit mir verbringen? Zu müde (nach der Arbeitswoche), lass uns das auf den Sonnabend verschieben – und außerdem bin ich darauf gar nicht vorbereitet, meine Beine und mein gesamter Körper sind nicht rasiert und ich glaube, der Akku des Rasierapparates ist auch nicht aufgeladen. Über Nacht den Rasierapparat an die Steckdose im Bad … es könnte vielleicht etwas werden den nächsten Tag.
Sonnabend, er hat sich noch nicht gemeldet, der Rasierapparat lädt … hatte ihn doch erst den Morgen an die Steckdose gesteckt. Später Nachmittag eine Nachricht von ihm … er will mich den Abend abholen. Ich brauche noch einige Stunden an Vorbereitung, muss mich noch durch das Dickicht der Schamhaare kämpfen, meine Beine vorrasieren, fein nachrasieren, den Abend eine Dusche nehmen, Klamotten zurecht legen – nur T-Shirt, Lederjacke und Jeans, vielleicht noch etwas essen, Make-up auftragen, nur etwas schwarzer Kajal.
Kurz nach 21 Uhr, ich bin fertig und stehe schon angezogen in meinem Hausflur, jetzt schreibe ich ihm eine Nachricht, er kann mich abholen kommen. Das letzte Mal, noch weit vor meinem Ostseeurlaub, stand ich auch dann auf der Straße vor meinem Haus und er kam vorbei. Wird es dieses Mal wieder so laufen? Ich warte … eine Antwort von ihm: er rechnet damit, dass ich noch etwas länger brauche und schlägt als Zeit um 23 Uhr vor? Das sind ja noch weitere zwei Stunden. Die Bar, die ich für diesen Abend in Magdeburg ausgewählt habe, macht doch schon um ein Uhr nach Mitternacht wieder zu? Ich werde ungeduldig, ich bin schon längst in meinem Ablauf. Ich frage nach, ob er das mit „23 Uhr“ wirklich ernst meint. Keine Antwort auf meinem Smartphone, ich greife meine Jacke. Ich blicke weiter auf das Display, kommst du mich jetzt abholen, oder nicht? Ich ziehe schon meine schwarzen Stiefeletten an, greife meine Autoschlüssel, schließe die Wohnung ab und gehe hinunter zu der Garage. Blick auf das Smartphone, keine Nachricht.
Unten im Auto, ich warte weiter. Ich kann jederzeit noch aussteigen und mich von ihm abholen lassen. Jetzt kommt eine Nachricht von ihm, er hätte mich gerne abgeholt, aber es könnte noch dauern? Zu viel für mich, ich kann nicht mehr warten. Mein Auto, meine Musik, meine Freiheit – ich starte den Motor und fahre selber nach Magdeburg.
Durch den dunklen Abend, die Landstraße in Richtung der Lichter der Großstadt hinein. Ich weiß noch seine Fahrweise das letzte Mal, ich fühle mich in meinem Auto wesentlich sicherer. Ich parke mein Auto gegen 22 Uhr in der Seitenstraße beim Magdeburger Hauptbahnhof. Die Bar, zu der ich will, liegt nicht weit entfernt, hier gehe ich immer etwas trinken, wenn ich auf den Anschlusszug in mein Heimatkaff, zurück von Leipzig, warte. Die Bar ist nicht sehr voll, im Außenbereich auf der Terrasse sind noch ein oder zwei Tische frei. Es ist kühl geworden, meine schwarze Lederjacke lasse ich an. Der Barkeeper kommt vorbei, ich bestelle einen Ipanema – hat er meine Bestellung wirklich aufgenommen? Einer weiteren Tresenkraft erzähle ich noch einmal meinen Getränkewunsch, es dauert seine Zeit, bis mir mein alkoholfreier Cocktail draußen an den Tisch gebracht wird. Ich beobachte die vorbeifahrenden Autos auf der angrenzenden Hauptmagistrale vor meinem Blickfeld und stochere mit dem Strohhalm dabei in meinem Glas zwischen den ganzen Eiswürfeln, dem Rohrzuckersirup, dem Ginger Ale und Maracujasaft, den Minzblättern und der getrockneten Limettenscheibe. Meine Gedanken schweifen ab …
So lange war ich gar nicht länger aus, Ende August oder Anfang September, da war doch noch die eine Gothic-Party hier in Magdeburg, drüben in der alten Festungsanlage. Ich habe mein altes, schwarzes Kleid aus dem Schrank gekramt, das, das ich vor vielen, vielen Jahren in Los Angeles gekauft habe … es passt mir immer noch. Bevor ich meine Sachen in meinem Kleiderschrank aussortiere, ziehe ich einige liebgewordene Dinge wieder an, um sie die nächsten Jahre wieder zurückzuhängen, ich könnte sie ja mal wieder irgendwann anziehen … kommt ganz bestimmt vor. Die Tanzflächen in dem Club, sie sind aufgeteilt in eine Haupttanzfläche vor dem DJ und eine Nebentanzfläche, nur durch die großen Gewölbesäulen getrennt, aber mit einer eigenen Beschallungsanlage. Ich habe die kleine Nebentanzfläche die meiste Zeit ganz für mich allein, so viele schwarzgekleidete Gäste sind nicht gekommen. Songs werden gespielt, quer durch, ein paar EBM-Sachen, ein paar Ethereal-Sachen, viel Achtziger-Jahre-Kram. Bei dem angespielten Stück von Dead Can Dance improvisiere ich: etwas Barock, etwas Renaissance, ich bleibe stehen, hüpfe, drehe mich im Kreis, tanze, mein schwarzes Kleid wirbelt um mich herum. Ich bleibe für mich alleine, niemand auf Gothic-Parties spricht mich an. Ich habe das immer noch nicht verkraftet, die Abweisung von dem einen Typen, den ich in dem Hotelzimmer getroffen habe. Ich kann mir nicht vorstellen, noch mit Männern auszugehen.
Ein Auto fährt vorbei, wie das, das er fährt. Ich sitze in der äußersten Ecke auf der Terrasse der Bar mit Blick auf den Gehweg vor mir die Treppe runter. Ein Mann läuft da vorbei, könnte er es sein? Mein Telefon ist abgeschaltet. Wenig später, er überrascht mich von hinten. „Da sitzt du also!“ Puh … ich bin doch nicht allein. Er setzt sich zu mir an den Tisch, wir haben uns schon seit ein oder zwei Monaten nicht mehr gesehen, ich bin ihm immer ausgewichen, habe seine Nachrichten und Kontaktwünsche immer „boykottiert“. Er freut sich, mich wiederzusehen (und ich mich eigentlich auch). „Was trinkst du da?“„Ipanema. Aus der Auswahl alkoholfreier Cocktails in der Menükarte.“ Er bestellt sich einen mit Alkohol.
Wir unterhalten uns, die Bar, wie ich sie gefunden habe, wo ich parke, wo er sein Auto parkt, die anderen Gäste um uns herum … ausländische Sprachen, die ich nicht verstehe. Mein Strohhalm hat sich durch das ganze Herumstochern in dem Eiswasser schon längst aufgelöst, er bestellt einen weiteren Cocktail und eine Cola für mich mit.
Ein oder zwei Stunden vergehen – es müssen ein oder zwei Stunden sein, er war erst kurz vor Mitternacht angekommen. Die Bar scheint länger offen zu sein, als die von mir beabsichtigten ein Uhr. Wollte ich nicht schon längst wieder zu Hause sein? Wäre ich alleine hier, wäre ich schon längst wieder gegangen. Er schlägt vor, noch einen Club zu suchen und ausgehen und tanzen zu können. Klar, warum nicht? So wichtig ist mir das jetzt doch nicht mehr, früh wieder zurück zu sein und die Nacht ausschlafen zu können. Er sucht noch die Toiletten in der Bar, ich wenig später auch, um mich etwas „aufzubereiten“. Die Rechnung geht an die Bar im Inneren am Tresen … stimmt das überhaupt mit den Getränken? Hatten wir nicht mehr bestellt? „Komm jetzt, lass uns abhauen! Stell keine Fragen.“ Ich bin es nicht gewohnt, mit solchen Bad Boys auszugehen. (Ende Teil 1/2)

[03.09.24 / 21:50] Nur drei oder vier Tage später, ich date schon wieder den Nächsten. Dieselbe Eisdiele, ein Spaziergang durch die historische Altstadt von Magdeburg (was von ihr stehengeblieben ist, hinterm Dom) und ein Abendessen beim Spanier. Ich bin ihm zu alt … und zu studiert.

[28.08.24 / 00:26] Auf der zweispurigen Schnellstraße das Ortsausgangsschild von Magdeburg passierend, nur wenige Minuten später den Blinker setzend auf die nächste Ausfahrt Richtung Gewerbegebiet und dem ersten Ort außerhalb. Vom Kreisverkehr nach der Ausfahrt ist das Hotelgebäude schon schnell zu erkennen. Wenige Augenblicke später biege ich auf den Parkplatz ein. Mein Liebhaber und ich, wir nehmen unser Zeugs aus dem Auto und gehen zum Hoteleingang und der Lobby. Der ältere Mann hat noch ein Zimmer frei, die Frau neben ihm tippt am Computer und zeigt auf den Zimmerpreis: 115 Euro. Für zwei Personen. Ich frage nach, wie lange die zweite Person da sein müsste, damit es nur für eine Person gilt und es für ihn etwas günstiger sein könnte – die zweite Person, also ich, müsste sofort wieder verschwinden. Er stimmt dem Preis zu, wir nehmen das Zimmer für zwei, das letzte freie Zimmer. Ohne Frühstück, nur eine Nacht, für ihn. Er bezahlt mit seiner Kreditkarte, ich führe die Gesprächsverhandlungen und den Schriftkram mit der Anmeldung. Wir bekommen die Schlüssel für das Zimmer über den Fahrstuhl in der obersten Etage.
Den langen Gang ablaufen, die Zimmernummer finden. Das Zimmer ist wirklich am hintersten Ende. Ich schließe auf, die dunklen Gardinen nur einen Spalt geöffnet, ein großes, weißes Bett, ein Badezimmer! Er macht es sich bequem und öffnet die Gardinen etwas, ich schließe die Tür und freue mich schon auf eine Dusche.
Meine Sachen packe ich auf den kleinen Drehsessel vor dem Schreibtisch, er entdeckt den Fernseher darüber. Ich verschwinde in der Dusche, komme eingehüllt in einem weißen Handtuch und durchgekämmten Haaren wieder raus. Er liegt auf dem Bett und winkt mich zu sich herüber. Noch nicht, ich muss noch wieder zurück ins Bad, Zähne putzen.
Wieder auf dem Bett, das weiße Handtuch rutscht runter und gibt den Blick auf meine kleinen Brüste frei. Er liegt auf seinen Rücken, angelehnt auf das Kopfkissen, ich spiele mit meinen Händen in seinem Brusthaar. Er drückt mit seinen Fingern in meine Nippel, ich muss kichern. Innerer Reflex.
Das Badhandtuch rutscht weiter runter, ich bin nackt und werfe es beiseite, er ist weiterhin in Unterwäsche bekleidet und spielt mit seinen Fingern in meiner Vulva, meine Schamlippen spreizen sich, ich bin ihm nah und beobachte sein Gesicht. Seine Augen, er verdreht sie … ertastet er etwas in mir, dass ihn stutzig macht? Ich weiß, ich habe keine richtige Vagina, bei mir ist da nach ein paar wenigen Zentimetern Schluss. Er bricht es ab. Irgendetwas stimmt da nicht für ihn. Was bist du? Das ist der kritische Moment, vor dem ich mich immer fürchte.
Ich rutsche von ihm weg, er richtet sich auf. Erklär mir das! Seine Blicke brauchen kein Übersetzungsprogramm. „Ich bin eine trans Frau. Ich bin operiert.“ Was dann davon in arabischen Schriftzeichen für ihn ankommt, ich weiß es nicht. Für ihn ist das neu, er kennt das nicht. Ach du Scheiße! Ich hätte mit dir fast Sex gehabt! Zumindest in seiner Phantasie. Du bist nicht der Erste, ich weiß, das Analsex haram ist. „Du bist ein Mann?“ Der Text auf dem Smartphone, das er vor mir hält, prangert mich an. Ach, komm schon! Du hast mich auf dem CSD in Leipzig kennengelernt, in einer Gay-Bar. Du bist mit mir auf dem CSD in Magdeburg gewesen. Ich habe mehr, als eine Andeutung in diese Richtung gegeben. Du kannst mir jetzt nicht erklären, dass du das nicht gesehen hast! Er wirft mir die weiße Bettdecke zu, ich rutsche bis zum Rande der Bettkante und hülle mich, von Kopf bis Fuß, in das weiße Laken ein. Ich will nicht mehr, dass er mich nackt sieht.
Er schaltet im Fernsehprogramm umher, ich liege am Rand des Bettes, schaue ihn nicht mehr an, schaue zum Fernseher. Er dreht mir den Rücken zu, um ins Bad zu gehen, ich lasse mich mit meinem Bein weiter rücklings von der Bettkante fallen, bis ich nach unten hin komplett aus seinem Sichtbereich verschwunden bin. Er steht auf, ich nutze die Gelegenheit und springe zu dem kleinen Drehsessel, meine schwarze Unterhose greifen. Mit jedem Kleidungsstück, das ich mir anziehe, kommt auch mein Selbstbewusstsein zurück. „Ich bleibe hier nicht über Nacht.“ Ich will gehen, ich kenne diese Situation – so viele Männer – das wird nichts mehr. Das macht keinen Sinn, hier noch weiter zu bleiben.
Auch für ihn ergibt das jetzt keinen Sinn mehr, das Zimmer weiter zu benutzen. Er will wieder mit dem nächsten Zug zurück nach Leipzig fahren. Erzähle mir wenigstens noch, aus welchem Teil der arabischen Welt du kommst? „Kairo, Ägypten.“ Ägypten … das wäre es gewesen! Genau dieses Land fehlt mir noch auf meiner imaginären Weltkarte mit den verflossenen Liebhabern. Ich führe eine Schneise der Verwüstung, vom Senegal, über Marokko, Algerien, (Libyen noch nicht) Tunesien, Ägypten, Israel, dem Libanon, über Syrien und Kurdisch-Irak bis nach Pakistan, Afghanistan und Indien. Der Iran fehlt noch. Und die Türkei.
Ich hätte auch anders reagieren können, hätte ihm sagen können: Verpiss dich und sieh zu, wie du wieder nach Hause, oder zum Bahnhof kommst, wäre einfach abgehauen. Ich bin so nett und fahre ihn auch wieder die paar Kilometer nach Magdeburg rein, zum Hauptbahnhof. In meinem roten Roadster, mit offenen Verdeck, es ist Abend geworden. Den Zimmerschlüssel geben wir wieder unten an der Rezeption ab. „Er hat es sich anders überlegt, er wollte doch nicht hier übernachten.“ Ein teures Zimmer für vielleicht nur zwei Stunden. Am Bahnhof lasse ich ihn raus, kein Abschiedskuss mehr für mich. Ihm tut es leid.
Ich drehe mich weg. Mit meinem Auto wieder zurück in mein Zuhause. Wenn ich um 21 Uhr da bin, habe ich immer noch eine Stunde bis 22 Uhr, eine Stunde, um mich noch ein weiteres Mal zu duschen – jetzt mit meinem Spezial-Parfüm-Duschbad – mich umzuziehen, von meiner Tunika in das kurze, schwarz-weiße Sommerkleidchen, Make-up vor dem Spiegel und dicker Kajal und danach dieselbe Strecke wieder zurück zu fahren, nach Magdeburg rein zu dem Club hinter dem Hauptbahnhof für die offizielle After-Show-Party für den CSD. Meine schwarze Bikerjacke nehme ich noch mit. Meine Flip-Flops für später, sind immer noch im Auto. Die Sneaker wechsele ich zum Fahren in die Keilsandaletten.
Den Club in der alten Festungsanlage erreiche ich gegen halb elf Uhr den Sonnabend Abend. Ich hatte den Einlass für später erwartet, es ist bereits offen und es ist noch eine kleine Lücke auf dem kleinen Parkplatz davor frei. Ich steige aus, wechsele in meine Flip-Flops aus dem Kofferraum und stakse über das Geröllfeld zum Eingang und der Abendkasse. Es ist noch nicht voll, die weiteren Gäste kommen erst später.
Die zwei Tanzflächen im Innenraum sind noch nicht geöffnet, ich bestelle eine Mate-Brause an der Bar an der Tanzfläche draußen. Ich muss immer noch das Geschehene ein paar Stunden zuvor verarbeiten. Werde ich das verkraften? Ich habe das Gefühl, die letzten fünf Jahre, seit 2019, waren nur Nieten dabei. Frauen spreche ich nicht an, da gab es nur die Eine – und die hat so schon für sich alleine in mir ein schweres Trauma hinterlassen. Ich war von 2004 bis 2014 strikt asexuell … zu meinem eigenen Schutz. Wird sich das jetzt wiederholen? Werde ich mich immer weiter davon entfernen, dürfen mich Männer jetzt auch nicht mehr anfassen? Das dort unten ist tabu! Hier war ich schon, als ich noch nicht operiert war. Sollte wenigstens ich mir selbst die Möglichkeit geben, mich dort unten anzufassen? Ich bin mir da auch nicht mehr so sicher … Ich fummele mein silbernes Fußkettchen um den Knöchel.
Der Club rund um die Außentanzfläche, läuft etwas aus den Achtzigern, bin ich auf dem Holzparkett und tanze etwas. Rundherum, auf der Empore, sind ein paar Liegestühle aufgestellt. Interessant, die beiden Liegestühle rechts und links neben mir, bleiben immer frei – oder werden es.
Später die Nacht, eine zweite, dritte Mate-Brause. Mehr Gäste. Die beiden inneren Tanzflächen in dem Gewölbe – während draußen ABBA und Schlager gespielt wird, läuft drinnen dieselbe Musik, nur schneller abgespielt auf Speed? Letztes Jahr gab es hier wenigstens bessere Musik, so eine DJane mit Techno und Break-Beats, in denen ich mich hypnotisch versinken lassen konnte. Dieses Jahr beobachte ich nur die Gäste draußen, Drag-Queens, ein paar offensichtlich Schwule, ein paar Lesben bis zum Butch-Stadium – und sogar ein paar wenige, schamlose Cis-Hetero-Pärchen. Ich wüsste nicht, wo ich noch hin sollte, das ist hier noch mit die beste Option.
Es beginnt, leicht zu regnen, in meiner Wohnung sind die ganzen Fenster offen, damit es kühl durchlüftet. Der DJ auf der Außentanzfläche kündigt seine letzten drei oder vier Titel an bis drei Uhr und dann ist hier Schluss! Ich mache mich bereit, dann zu gehen. Der letzte Titel wird gespielt, der Regen lässt leicht nach, ich sprinte von unter dem Dach der Außenbar zum Ausgang zu meinem Auto auf dem Parkplatz, die Funkfernbedienung griffbereit in meiner Hand. Schuhe wechseln, Flip-Flops wieder in den Kofferraum. Drei Uhr, und ich muss noch warten, ein Minibus blockiert die Ausfahrt, ein paar Drag-Queens müssen noch hinein tippeln. Ich hab' Zeit.
Präzise um 3:22 Uhr öffne ich das Garagentor und fahre mein Auto in das Trockene. Der leichte Regen hat keine Spuren oben in der Wohnung unter den offenen Fenstern hinterlassen. Im Rotlicht meine Handtasche auf der Couch auskippen, über den langen Flur in das Badezimmer verschwinden. Kajal wegwischen, Hände und Gesicht waschen, Mückenschutz auftragen. Das notorische Summen erinnert mich an die Situation in dem Hotel an der Ostsee ein paar Wochen zuvor, auch dort habe ich den Kampf gegen die Mücken und das offene Fenster aufgegeben.
Vier Uhr den Sonntag Morgen, mich in mein Bett fallen lassen. Gedanken den Morgen danach zum Aufwachen: Mich wird nie wieder irgendjemand dort unten anfassen, das lasse ich nicht mehr zu … Auf keinen Fall! (Ende Teil 2/2)

[28.08.24 / 00:25] Der CSD in Magdeburg, mal wieder. Nach dem CSD in Leipzig letztes Wochenende, ist hier auch in Magdeburg eine Gegendemo von Rechts angekündigt – ich erwarte genauso viele, mutige Menschen hier, die für die queere Bewegung einstehen und den Faschos zahlenmäßig weit überlegen sind. Es werden bestimmt Tausende kommen.
Die Nacht davor wird schlaflos. Liegt es an dem Essen, den Abend zuvor, oder an den schwül-warmen Temperaturen (offenes Fenster, Oropax und Mückenschutz), oder an der Ankündigung meiner neuen Eroberung (oder ich die seine), mich in Magdeburg begleiten zu wollen. Die Tage zuvor – er bombardiert mich mit Nachrichten und Liebesschwüren. Das vergangene Wochenende bin ich den Morgen vor ihm geflüchtet, mir wurde das zu viel … und ich bin mir immer noch nicht sicher, ob er weiß, was ich bin … Gegen fünf Uhr morgens den Sonnabend schaffe ich es doch, noch drei Stunden bis zum Frühstück – und Beine rasieren und Körper vorbereiten, etwas zu schlafen.
Ich nehme das Auto, das mit der Kundgebung und den Regionalzug nach Magdeburg um elf Uhr, schaffe ich so nicht mehr. Meine neue Regenbogenfahne lasse ich zu Hause, sie hängt groß an der Küchentür. Outfit für die Demo an diesem heißen Tag: meine indisch-orientalische, dunkle Tunika. Mit anthrazit-grauer Skinny-Jeans … sah zu komisch aus, nur mit nackten Beinen. Schuhe: die bequemen Hi-Top-Sneakers. Meine Flip-Flops nehme ich mit, die möchte ich unbedingt später tragen, zusammen mit dem neuen, silbernen Fußkettchen. Schmuck für den Tag: Ringe, Armreif, Silberkette mit Ganesha und meinen schweren, antik-silbernen, marokkanischen Armreif.
Das Auto parke ich in dem Parkhaus unter der Shopping-Mall im Herzen von Magdeburg. Meinen Strohhut und meine große, schwarze Sonnenbrille habe ich noch dabei, als ich das Einkaufszentrum nach oben hin, in Richtung des alten Marktes von Magdeburg verlasse. Vollkommen anderes Bild, wo sind die Zwanzig- bis Dreißig- und Vierzigjährigen? Schon wieder nur Jugendliche … und davon noch nicht mal viele? Von den achttausend erwarteten Teilnehmern ist die Zahl weit entfernt. Polizeikolonnen rauschen vorbei … einige, nicht wenige, haben sich einschüchtern lassen? Wahrscheinlich ist es den Tag einfach nur viel zu heiß.
Eine große Flasche Wasser mit dabei, im Schatten des Rathauses creme ich mich mit dem Sonnenschutz ein. Das Smartphone aus meiner Tasche ziehen, vielleicht hat sich jemand von meinen Kontakten angekündigt. Er ist es, mein neuer Liebhaber vom letzten Wochenende. Ich hatte ihm um 4:30 Uhr morgens geschrieben, dass ich nicht einschlafen konnte und sehr wahrscheinlich nicht nach Magdeburg fahre. Es hat ihn nicht abgeschreckt, er ist trotzdem aus Leipzig gekommen und sucht mich jetzt hier.
Ich gebe jedem eine Chance? Ich freue mich, dieses Mal nicht den CSD alleine abzulatschen. Wenig später treffen wir uns auf dem alten Marktplatz, inmitten der vielen bunten Menschen mit den bunten Fahnen. Er freut sich auch, dass ich es geschafft habe. Lass uns einen schattigen Platz suchen, bevor die Demo losgeht.
Die Trucks setzen sich in Bewegung. Laute Musik. Wir lassen ein paar von denen vorbeiziehen, hören uns die Musik an, was gefällt, was von den DJs auf den Trucks gespielt wird. So viele Demo-Fahrzeuge sind es nicht, die knapp dreitausend, vorwiegend jungen Menschen, reihen sich ein. Wir sind irgendwo im hinteren Feld und ziehen mit.
Der CSD führt in Richtung Domplatz und Landtagsgebäude. Er ist vorbereitet, Schirmmütze, Wasserflaschen, Essensproviant und bietet mir immer wieder etwas an. Nach wie vor kommunizieren wir immer noch nur über Handgesten und dem Übersetzungsprogramm auf seinem Smartphone. Am Domplatz mit dem Zwischenstopp der Demo, suchen wir uns ein Café – die dritte Tasse Kaffee für mich diesen Morgen, ich muss mich wachhalten.
Er ist weiterhin an mir interessiert, nimmt meine Hand und küsst sie. Ich muss mich damenhaft immer verlegen wegdrehen. Die Demo geht weiter, er zahlt die zwei Tassen Cappuccino und wir reihen uns wieder ein.
Der CSD führt jetzt nah an der Elbe vorbei, Sightseeing-Tour. Wieder oben in der Stadt kürzen wir – wie viele andere Teilnehmer – über eine Seitenstraße ab und befinden uns jetzt im vorderen Teil der Demo mit dem lauten CSD-Truck der Veranstalter. Die Demo stoppt, es geht nicht weiter, von irgendwo erschallen Rufe: Nazis raus! Die Polizeieskorte dicht neben uns bezieht Stellung und reiht sich auf. Kommando Handschuhe. Der Helm wird übergezogen, die Handschuhe übergestreift. Ich mache meiner Begleitung mit einer Geste, meine beiden Fäuste prallen aufeinander, darauf aufmerksam und gebe ihm zu verstehen, dass es hier gleich Action geben wird. Ein paar besonders mutige Demoteilnehmer strömen in die Seitengasse, die Polizisten voreilend hinterher, um die beiden Lager zu trennen. Die Faschos sehe ich nicht. Verunsicherte, zurückbleibende CSD-Demoteilnehmer? Das Bild, wie ich ihm zugewandt, als verängstigte Frau in seinen Armen liege, ist ein ikonisches Filmmotiv. Der vordere Demo-Truck fährt die Musikanlage wieder hoch und der CSD startet wieder, die letzten paar hundert Meter wieder zurück von der Gegend rund um den Magdeburger Hauptbahnhof hin zu dem alten Markt und Stadtkern.
Das Ende der Demo erreichen wir nicht, wir gehen beide ein Eis essen. Zielgerichtet leite ich ihn zu dem italienischen Eiscafé, in dem ich nach meinen Shopping-Touren immer ein Eis esse. Stracciatella in der Waffel für mich, eine Kugel Vanille für ihn. Während wir im Schatten eines Schirms das Eis schlecken, laufen ein paar Polizisten in Krawall-Montur an uns vorbei … die Rechten, die sie verfolgen, oder absichernd begleiten, entpuppen sich als … marodierende Jugendbanden. Ein Haufen halbstarker, pubertärer Jungs auf einem Event-Trip, mal was erleben, mal rebellisch sein, mal den anderen, nicht weniger jüngeren „Schwuchteln“ Angst machen. Wo sind die militanten Neo-Nazis von früher abgeblieben?
Die Demo ist für uns beide beendet, er möchte gerne ein Hotelzimmer für uns buchen … lasse ich mich darauf ein? Er hat mich bereits so weit. Nur glaube ich nicht, dass es hier in Magdeburg genug Hotels gibt und dass diese überhaupt ein Zimmer frei haben. Seine Vorschläge auf der Suche auf seinem Smartphone, sind entweder weit außerhalb oder richtige, „spartanisch“ eingerichtete Monteursbuden. Ich kenne hier im Zentrum zwei Hotels, aber die sind bestimmt weit über seiner Preisklasse. Lass uns zu dem Hotel gehen, das hier gleich um die Ecke ist … wir können ja mal fragen.
Das stadtbekannte, Vier-Sterne-Hotel – ich betrete zum ersten Mal die Lobby und mein Blick schweift nach oben in diesem bestimmt zehnstöckigen Glaspalast. Die Damen an der Rezeption tippen ein paar Daten in ihren Computer ein. „Tut mir leid, wir sind ausgebucht.“ Die zwei Gestalten vor ihr, die eine, offensichtlich transsexuelle Prostituierte und ihr arabischer Klient, wirken auch nicht so, wie das betuchte Klientel, das hier sonst verkehrt. Beim zweiten Versuch, in einem anderen Hotel gleich um die Ecke am Hauptbahnhof, stecke ich wenigstens noch das Regenbogenbändchen von meiner Lederhandtasche weg und drehe meinen schwarzen Tragebeutel mit dem Punkermotiv um. Auch hier ist kein Zimmer mehr frei. Was nun? Er sucht auf seinem Smartphone ein Hotel außerhalb von Magdeburg, ich habe noch mein Auto in dem Parkhaus stehen. Das eine Hotel, das er findet – das kenne ich. Nicht von innen, aber ich weiß, wo das ist. Das eine Hotel in dem nächsten Ort, nicht unweit des Gewerbegebietes mit den Firmen und Fabrikanlagen – da arbeite ich (und fahre immer an dem Hotel vorbei). Er hat immer noch keine Ahnung, was ich bin, was ich beruflich mache, wie ich meinen Lebensunterhalt verdiene. Für ihn bin ich nach wie vor … eine Prostituierte? Zumindest ein leichtes Mädchen.
Wir essen noch etwas in dem arabischen Bistro in der Fußgängerzone, er hat mich gefragt, ob ich ein arabisches Restaurant kenne, ich weiß, wo eines ist, ich habe hier in der Gegend um die Universität mal drei Monate gewohnt. Das Bistro gibt es immer noch, aber es hat sich ganz schön verkleinert. Er füttert mich den späten Nachmittag an dem einen Tisch im Außenbereich, was arabische Männer so machen mit ihren Frauen. Irgendwann muss ich das ablehnen, ich habe noch meinen eigenen Teller mit Manakish und Falafel. Der Mann am Verkaufstresen / Dönerstand kennt auch ein Hotel, aber das ist dasselbe, in dem wir schon zuerst waren. Wieder zurück zu dem Einkaufscenter und dem Parkhaus darunter. In dem Einkaufscenter kaufe ich in einer Drogerie noch schnell eine Zahnbürste und eine kleine Reisepackung Zahnpasta für mich. Es könnte sein, dass ich die Nacht noch in einem Hotel verbringe. Ich hoffe auf eine Dusche – der Sommertag ist einfach zu heiß. (Ende Teil 1/2)

[20.08.24 / 21:47] Ich bin ihm aufgefallen? Er spricht nur Arabisch, steht vor dem Außenbereich … weiß er, was für eine Bar das hier ist? Er lädt mich zu einer weiteren Cola ein, ein Tisch ist gerade erst frei geworden (mein Tisch), wir setzen uns. Er erzählt etwas von sich, was er macht, „Import-Export“, ich versuche an seinem Akzent zu erkennen, aus welchem Bereich in der arabischen Welt er kommt, ich schätze auf Irak – aber ich könnte mich auch vollkommen irren. Die Unterhaltung erfolgt über sein Smartphone: ich spreche etwas hinein, es übersetzt ins Arabische, er spricht etwas hinein, ich lese den deutschen Text. Ab und zu kann ich selber meinen Text lesen und winke furchtbar mit den Händen, das habe ich so nicht gesagt! Es geht trotzdem irgendwie, ich gefalle ihm … und ich erhoffe mir schon wieder eine Übernachtungsmöglichkeit. Ich erzähle ihm, dass ich ab Mitternacht noch in einen anderen Club will.
Gegen ein Uhr, wir holen mein Auto in dem Parkhaus ab, es hat ewig gedauert, den Nachteingang zu finden – der ist neben den Gleisen, angrenzend auf dem obersten Deck, wo die Autos schon unter der Bahnhofskuppel stehen. Mit dem Fahrstuhl ein Stück tiefer, mein Parkticket einlösen. Wenig später im Auto, die Schranke öffnet sich und wir sind raus. Durch die Nacht durch Leipzig, ich wähle im Radio von meinem USB-Stick die orientalische Musik, ihm gefällt es.
Mit dem Navi zum Club in Plagwitz, ich kenne den Club, ich war hier schon so oft … Unmengen Menschen stehen vor dem Einlass? Mindestens hundert? Ich parke mein Auto, wir laufen zu Fuß an das Ende der Schlange. Ich weiß, dass der Club (mit der FLINTA-Party heute) zwei Tanzflächen hat, eine im Keller und eine in dem anderen Gebäude quer über den Innenhof … und wenn die Menschenschlange schon länger als das Haus ist? Ihr passt hier alle gar nicht rein! Vielleicht ist schon Einlassstopp, vielleicht ist die junge Frau vorne am Einlass auch schon vollkommen überlastet – es tut sich in der Schlange nichts, kein Stück, keinen Meter, ich bin nicht die Einzige, die sich schon einen Plan B zurecht legt, und sich ein Zeitlimit setzt, wie lange sie hier noch warten will. Meine Deadline ist zwei Uhr – spätestens da wollte ich, nach einer durchtanzten Nacht, schon wieder im Auto sitzen und zurückfahren. Meine neue Bekanntschaft und ich, wir schauen uns schon ratlos an, was jetzt, wohin noch? Der andere Club unweit, ist zwar viel größer, hat aber wahrscheinlich keine Abendkasse, nur Tickets im Vorverkauf – was auch der Grund sein könnte, warum hier so eine große Schlange ist. Abbruch. Wir verlassen die Schlange und gehen wieder zurück zu meinem Auto. Zurück zum Bahnhof, zurück in die Leipziger Innenstadt, er kennt da noch ein paar Clubs.
Mein Navi lotst mich wieder in das Zentrum, mein Geheimtipp, mit den kostenlosen Parkplätzen in einer Seitenstraße neben der Polizeiwache, ist gar nicht so geheim, alles belegt. Ich parke mein Auto in dem einzig nachts offenen Parkhaus unter dem Augustusplatz. Ohne die CSD-Demo und dem Fest, ist der Zugang wieder offen. Ein teures Ticket, die Treppe wieder hoch nach oben, mein Auto wartet die nächsten Stunden unten.
Er führt mich zu dem Club am anderen Ende der Fußgängerzone, quer über die Straße. Eine große Disko, eher Mainstream – ich war hier schon einmal, auch mein syrischer Langzeit-Liebhaber hat mich hierhin bei unserer ersten Begegnung entführt. Meine neue Bekanntschaft bittet mich, mit den Türstehern am Eingang zu reden. Für mich ist das kein Problem, ich bin eine weiße, blonde, Deutsch sprechende Frau, ich komme überall rein (außer ich habe Stahlkappenstiefel an) – er dagegen … sie wollen neben seinem Aufenthaltstitel auch seinen Reisepass sehen. Den hat er nicht dabei. Diskutieren? Der Gedanke existiert nicht einmal eine Sekunde, sie werden ihre Gründe haben, warum sie so eine Einlasspolitik haben. Weiter auf der Suche nach dem nächsten Club.
Die Bar nicht weit entfernt, meine Lieblingsbar, hat auch eine Tanzfläche unten – die ist aber, anders als die Bar oben, richtig furchtbar. Er lehnt sie ab. Weiter ein paar Schritte zur nächsten Disko … er kennt da noch einen Club, da hinten.
Wir laufen weiter ein paar Schritte durch die Leipziger Innenstadt, da hinten soll irgendwo noch ein Club sein? Ich wüsste, dass da einer ist – aber den wird er doch nicht meinen? Er führt mich zu dem einzigen, bekannten Gothic-Club hier in der Straße, das … „Dunkelblume“. Hätte ich das gewusst, dann hätte ich mir doch etwas Schwarzes angezogen! Mein kurzes Gespräch mit dem Türsteher, heute kein Dresscode, Ärger mit meinem ausländischen Freund gibt es auch keinen, kommt einfach herein, heute „Piraten-Party“.
War ich in dem Club schon einmal? Vor ganz langer Zeit? War das wirklich dieser, oder war der da noch in einer Nachbarstraße? Und hatte dieser Kellerclub nicht irgendwie mal zwei Tanzflächen? Die steile Treppe nach unten, ein Haufen Piraten-Gothics tanzt zu lustiger Popeye-Musik, auch ein sehr interessantes Bild. Wir nehmen auf der Empore, auf den dunklen Sofas Platz, er hat mir an der Bar schon ein Wasser bestellt … ich sehe ihn nicht trinken. Er trinkt keinen Alkohol, er raucht keine Zigaretten.
Er ist an mir interessiert, im Laufe der nächsten ein oder zwei Stunden tastet er sich immer näher heran. Meine Hände hatte er schon Stunden zuvor in der Bar, jetzt sind es Küsse, und meine Brüste unter meinem Kleid – ich trage das BH-Top nicht mehr. Ich kann seine Finger an meinen Nippeln ganz deutlich spüren. Meine Beine überkreuze ich, verschränke sie sogar doppelt, weiß er, was ich bin? Erwartet er, dass ich nicht operiert bin? Ich spiele zuerst mit ihm, bin die Unnahbare … fast schon eine Piratenbraut. Mein Körper reagiert auf seine Berührungen, nichts, was ich bewusst kontrollieren kann, es passiert einfach. Irgendwann hat er seinen Moment, an dem ich auch nicht mehr meine Beine zusammenpresse, ich öffne mich ihm ein Stück … er kann jetzt durch das Kleid ertasten, dass ich keinen Penis habe. Es scheint ihn nicht abzuschrecken, er wirkt sogar erleichtert, mir macht es die Situation schwieriger …
Alles, was ich mir für die Nacht vorgenommen habe: in den Club in Plagwitz ausgehen, die Nacht tanzen, meinen Ex-Freund / Langzeit-Liebhaber wieder zu treffen, mit ihm Sex zu haben – ich sehne mich so sehr nach ihm – das ist alles nicht eingetroffen. Stattdessen bin ich hier mit einem Kerl, den ich erst vor wenigen Stunden kennengelernt habe, der zwar sich für mich interessiert (passiert nicht oft), der aber optisch gar nicht so mein Typ ist? Ihm fehlt das Bad-Boy-Image, das Verwegene, der Charme. Er kann meinen Körper berühren und mein Körper reagiert, aber das Seelische? Wenn es das Biologische gibt, durch seine Berührungen und seine Nähe nehme ich auch seinen Körpergeruch auf – und es bewirkt bei mir nichts. Bei meinem Freund (der vom Anfang des Absatzes, der auf meinem Smartphone nur noch kurze Nachrichten hinterlässt) ist das anders, ich vergrabe mich in seiner Schulter und er kann alles mit mir machen. Ihm hier fehlt das.
Wir wollen irgendwann gehen, der Club leert sich, der DJ spielt das letzte Stück, die Lichter gehen an. Er schlägt vor und fragt, über das Textfeld seines Smartphones, ob ich zu ihm mit nach Hause kommen will, ich könnte dort für ein paar Stunden schlafen. Vorher fahren wir noch bei einem Bäcker einkaufen, etwas für das Frühstück. Es ist halb fünf den Sonntag Morgen, die große Uhr des Rathauses vor uns vor dem Marktplatz schlägt zweimal. Ich stimme seinem Angebot zu … bin mir aber schon nicht mehr so sicher.
Zurück zu dem großen Parkhaus unter dem Augustusplatz an der Oper, weiter mit dem Auto zu dem kleinen Parkplatz vor dem Bahnhof. Was jetzt? Der Bäcker unten in der Passage hat noch nicht auf, noch eine halbe Stunde warten? Ich treffe meine schwere Entscheidung, ich möchte doch lieber alleine wieder zurückfahren in mein zu Hause, in mein Bett. Klar, er ist jetzt irgendwie enttäuscht und ich muss ihn aus meinem Auto rauswerfen. Er ist so nett und macht auch keine Szene. Für mich ist es eine Erleichterung – hätte ich etwas verpasst, wäre ich mit ihm mitgegangen? Was wäre, wenn wir bei ihm wirklich Sex gehabt hätten? Und das nur, weil ich irgendwo übernachten wollte? Egal bei wem, wer mir gerade über den Weg läuft? Hätte ich dafür einfach meinen Körper hingegeben? Meine Seele schreit, hör auf mit dem Scheiß! Ich will mich nicht mehr wegwerfen. Ich springe nicht (mehr) mit jedem ins Bett. Er winkt noch paar mal draußen vor dem Fenster, ich brauche noch eine Weile, bis ich den Startknopf des Motors drücke. Der Motor brummt auf, ich lege den Rückwärtsgang ein und verlasse den kleinen Parkplatz. Draußen vor der Ampel steht er noch ein letztes Mal mit Hundeblick an meiner Scheibe. Mache es mir nicht so schwer.
Ich fahre endlich weg, auch er hat meine Nummer bekommen. Weit draußen, auf der Bundesstraße am Ortsausgang von Leipzig, setze ich noch einmal den Blinker und fahre auf die Tankstelle. Bei laufenden Motor krame ich mein Smartphone aus der Handtasche den Sitz neben mir, ich will wissen, ob mein Langzeit-Liebhaber mir eine Nachricht geschrieben hat … verrät er mir endlich die Adresse, wo er auf mich wartet und ich könnte wieder umdrehen und schnurstracks zu ihm fahren? Keine weiteren Nachrichten von ihm seit ein paar Stunden. Weiter auf der Autobahn die hundertfünfzig Kilometer nach Hause zu meinem Bett.
Magdeburg passiere ich gegen sechs Uhr morgens – ich sollte um diese Zeit wirklich nicht mehr fahren – der Morgen hat angefangen und hüllt alles in ein bläulich nebeliges Licht. Ich kämpfe mit der Müdigkeit, bin vielleicht schon für Sekundenbruchteile weg. Seit ich losgefahren bin, muss ich eigentlich schon auf Toilette – und jetzt noch viel dringender … mein „Trick“, wach zu bleiben? Ich sollte wirklich nicht mehr so übermüdet fahren.
Meine Garage, mein zu Hause und mein Bett erreiche ich um halb sieben Uhr den Sonntag Morgen. Jetzt nur noch alles auf die Couch werfen, den schwarzen Kajal im Spiegel im Bad wegwischen, das Schlafzimmer unter Vogelgezwitscher für einige Minuten kühl durchlüften und danach ins Bett fallen. Ich schlafe sofort ein. Ich wache erst acht Stunden später, um 15 Uhr, wieder auf. (Ende Teil 2/2)

[20.08.24 / 21:46] Der CSD in Leipzig mal wieder … wegen der Fußball-EM um einen Monat in den August verschoben. Ich habe im Internet etwas recherchiert, ein letzter CSD in der sächsischen Provinz, nur kurz zuvor, wurde massiv von den Faschos angegriffen, fast in gleicher Mann-Stärke (das Provinz-Städtchen hatte nicht so viele, mutige LGBTQIA). Auch für den CSD in Leipzig wurde im Vorfeld wieder ein militanter Gegenprotest von den Rechten angekündigt. Fahre ich da noch hin? Tue ich mir das an? Muss das sein? Ja!
Mein Outfit für den Sonnabend das dritte August-Wochenende: die kurze Hose in Tarnfarben und das schwarze „Trans Lives Matter“ T-Shirt, Flagge zeigen. Die Beine und den Oberkörper rasiere ich mir den Sonnabend Morgen, ich weiß noch nicht den Freitag, wann ich aufwache und ob ich das alles schaffe – die Kundgebung ist schon um 11:30 Uhr – ich nehme das Auto, fahre spontan wie ich aufwache.
Es wird spät, ich vertrödel den ganzen Sonnabend Vormittag, ich muss nicht da sein, viel Zeit zum Frühstücken. Es ist elf Uhr, als ich mich ins Auto setze und die Autobahn Richtung Leipzig fahre … die Kundgebung habe ich für mich schon gestrichen, das ganze Politische interessiert mich nicht, ich will da nur tanzen und Männer kennenlernen. Meinem Langzeit-Liebhaber habe ich eine Nachricht geschrieben, ich hoffe auf eine Möglichkeit, da die Nacht und den Sonntag Morgen irgendwie noch zu übernachten – ich will nach Mitternacht noch in einen Club ausgehen (so FLINTA-Zeug) und mich nach der Demo noch etwas in einem Bad mit Duschmöglichkeit frischmachen. Und meine durchgeschwitzten Sachen wechseln: mein neuer „Kaftan“, gekauft vor ein paar Tagen in einem Outlet … eigentlich wollte ich nur in die Drogerie daneben, neues Oropax kaufen (schlaflose Nächte bei offenen Fenster).
Gegen Mittag in Leipzig angekommen … totales Chaos. Ich kreise mehrmals um den Hauptbahnhof – die Faschos sind wahrscheinlich da noch dort. Alles ist von der Polizei abgesperrt, auch die Straßen in Richtung des Zugangs zu dem Parkhaus. Zeit vergeht, viele Polizeifahrzeuge stehen überall rum, ich nehme eine andere Straße, eine andere Richtung und komme auch so in das Parkhaus unterhalb des Hauptbahnhofs. Alle Parkplätze belegt, ich muss vor der Schranke warten. Als sie öffnet, fahre ich gezielt in die obere Etage, wo ich immer parke und finde auch gleich einen freien Parkplatz … wahrscheinlich der einzige, als die anderen Autos nur herumkreiseln und entnervt unten über die Schranke das Parkhaus schon wieder verlassen.
Mein Zeug umpacken: ein schwarzer Beutel mit dem Übernachtungszeugs, ein schwarzer Beutel mit den Sachen zum Wechseln, später den Abend, und dem Make-up-Kram, meine schwarze Handtasche für den Kram, den ich jetzt brauche – und den Rest in den Kofferraum. Als Schuhe wähle ich die Sneakers, elegante Flip-Flops für die Nacht lasse ich noch im Auto. Mein Strohhut kommt in die schwarze Umhängetasche. Zu Fuß aus dem Hauptbahnhof hinaus, Richtung Opernplatz. Viele Polizisten.
Die Demo geht 13 Uhr los, die Trucks stehen schon bereit – so viele Menschen waren hier noch nie. Es ist wirklich voll, an der Ecke der Fußgängerzone reibe ich mich noch mit der Sonnencreme ein. Bis die Trucks sich in Bewegung setzen und die ganzen Menschen hinterherziehen, vergeht bestimmt noch gefühlt eine halbe Stunde. Meine Fußgruppe ist die ganz hinten, traditionell der antifaschistische Block (mit viel Polizeibegleitung rechts und links).
Zum Tanzen komme ich dieses Jahr nicht? Der schwarz-bunte Block hält die Seitentransparente hoch, driftet immer etwas ab, von den Party-Blöcken und den Demo-Trucks mit der Techno-, Schlager- oder ähnlicher Musik, die irgendwie als „schwul“ gilt. In diesem Block gibt es keine Musik, nur Sprechchöre. Einer ist mir sogar neu, die anderen … ich bin vereinzelt schon nicht mehr textsicher: „Siamo tutti antifascisti!“ (Der Rhythmus war es.)
Weiter den heißen Nachmittag durch die Straßen von Leipzig, ein aufgedrehter Wasserhydrant plätschert auf die Straße – die Möglichkeit, die schon leergetrunkenen Wasserflaschen aufzufüllen. Von den Faschos und Gegenprotesten ist nichts zu sehen. Schon am Bahnhof habe ich nur Polizisten gesehen, nicht aber diese.
Durch die Innenstadt von Leipzig wieder zurück auf den Opernplatz, erst jetzt fällt die Menge erst richtig auf. Der schwarz-bunte Block demonstriert einfach noch weiter mittendurch, stoppt erst in der Nähe des Springbrunnens vor dem Gewandhaus. Erst jetzt ist die Demo für mich beendet. Bestimmt schon 17 Uhr nachmittags … Zeit für einen Imbiss, Süßkartoffel-Pommes und veganer Burger (oder doch vegetarisch). Ich hätte jetzt gerne eine Dusche gehabt … oder ein Hotelzimmer, wird er sich melden? Sieht sehr vage aus, ich plane mein weiteres Vorgehen wieder für die Bahnhofstoilette. In einer Drogerie kaufe ich mir im Anschluss noch ein paar Feuchttücher zum Wegwischen der ganzen Sonnencreme.
Ich bleibe noch etwas auf dem Anschlussfest, die große Bühne ist wieder aufgebaut, der italienische Eisstand nicht weit entfernt. Teure Getränkestände, und die Stände der verschiedenen Organisationen. Ich kaufe mir endlich eine Pride-Flagge für zu Hause – die „progressive“. Auf der Bühne bekomme ich noch die beiden letzten Bands, und bei der Ankunft noch eine Drag-Performance, mit. Speziell der/die/das letzte Künstler-Wesen gefällt mir besonders, ich mag die Musik und lasse mich mitreißen … stehe immer weiter ganz vorne.
Auch diese Bühnenshow ist irgendwann beendet, die Stage-Crew räumt die Bühne ab, da kommt nichts mehr. Die Drag-Queen(s) für die Moderation haben sich schon längst verabschiedet – ich gehe so langsam zum Bahnhof. Nicht alleine gehen. Bleibt in Gruppen, es ist gefährlich geworden. Es sind so viele Menschen hier, ich erkenne die Bedrohungslage nicht. Vor vielen Jahren hätte das keinen interessiert, die CSDs waren einfach nur ein nettes Extra.
Im Bahnhof angekommen, die Drogerie unten, die Tiefgarage daneben. Alles umpacken, ich nehme für meinen Weg in das Bahnhofsklo den Umhängebeutel mit dem weiß-dunkelbraungrün gemusterten, langen Kaftan für die Nacht in dem Club und der kleinen Waschtasche mit dem Duschbad mit dem Parfüm, sowie meine Handtasche mit der Rolle für Make-up, Deo und weiteres. Meinen Körper habe ich in dem Parkhaus neben meiner offenen Autotür schon überall mit den gekauften, feuchten Tüchern abgerieben. Auf der Toilette, vor den Spiegeln, vor den Waschbecken setze ich mein Waschgang weiter fort. Ich muss zwischendurch etwas warten, bis die Kinder neben mir weg sind und ich mein T-Shirt und meinen BH ausziehen kann. Es geht irgendwie, ich wasche meinen Oberkörper mit meinem Duschbad. Eine Frau (PoC) kommt hinzu und fragt schon, mit einem bemitleidenswerten Blick, ob ich „obdachlos“ bin. Nein, ich wohne nur hundertfünfzig Kilometer entfernt und habe gerade kein Badezimmer für mich zur Verfügung. Weiter wieder zurück in eine der Toilettenkabinen, meine Sachen wechseln, das lange und langärmelige Kleid im Kastenschnitt überwerfen und mein durchgeschwitztes T-Shirt, die kurze Hose und das BH-Top in den Wäschebeutel wieder mit in die Umhängetasche geben, die kommt später zurück in den Kofferraum.
Der Make-up-Spiegel auf der geräumigen Bahnhofstoilette im Leipziger Hautbahnhof, ich habe die Zeit vergessen, gefühlt bin ich hier schon seit einer Stunde drin. So viel Zeit brauche ich auch zu Hause (oder in einem Hotel), wenn ich mich für die Nacht ausgehbereit mache. Die Schuhe konnte ich doch nicht wechseln, ich behalte in meinem neuen Dress die Sneaker weiter an. Vor dem Spiegel breite ich meine beiden Taschen aus, der Make-up-Kram aus der Rolle aus der Handtasche, die anderen Sachen im Umhängebeutel. Meine Haare habe ich mir vorher schon nass durchgekämmt, den Sprühstoß des Parfüms auf der Toilette gesetzt. Jetzt folgt der schwarze Kajal rund um das Auge, fein säuberlich verblendet mit meinem kleinen Pinsel … routinierter, als das letzte Mal. Ich stütze den Ellenbogen vor dem Spiegel ab, kann sogar in aller Ruhe mit offenen Augen den Lidstrich ziehen. Es ist draußen schon dunkel geworden, als ich dann nach meiner Vorbereitung für die Nacht, den Hauptbahnhof und die Toiletten wieder verlasse.
Draußen ist es weiter warm, mein langärmeliges Kleid habe ich bis zu den Ellenbogen hochgekremmpelt. Bevor der Club, weit abseits in Plagwitz, erst gegen Mitternacht aufmacht, möchte ich in der Gay-Bar in der Leipziger Innenstadt noch eine Cola trinken.
Die Bar hat offen, laute Musik, ein DJ, viele Gäste … sogar ein freier Platz für mich? Getränke gibt es draußen am Stand zum Abholen, einen Tisch im Außenbereich okkupiere ich gleich für mich. Ich trinke meine Cola langsam, spiele mit meinem Smartphone und der Kamera. Er hat mir eine Nachricht geschrieben, fragt immer wieder nach, wann ich fertig bin mit Ausgehen und Tanzen. Ich antworte ihm, ich weiß es nicht – der Club macht erst Mitternacht auf. Er deutet an, eine Möglichkeit für mich, den Morgen zu schlafen, organisieren zu können, ich müsste ihn dann kontaktieren? Ich weiß, das funktioniert doch nicht, ab einem gewissen Zeitpunkt wird er mir nicht mehr antworten können – und dann stehe ich da, den Sonntag Morgen. Ich vertraue ihm nicht mehr so viel. Als ich kurz vor Mitternacht meinen leeren Becher für den Pfand zurückgeben will und kurz davor bin, zu gehen, werde ich von einem anderen Mann angesprochen … (Ende Teil 1/2)

[15.08.24 / 21:49] Nur eine Nacht Schlaf, nur eine Nacht Pause – den nächsten Vormittag sitze ich den Sonnabend schon im Zug Richtung Berlin. Der Trans Pride (oder auch TIN Pride) steht schon seit einigen Wochen in meinem Kalender. Ich ziehe die Cargohose und das Bauchnabelfreie, schwarze Top vom Tag zuvor an. Es wird wieder heiß, mit in meiner Handtasche habe ich die neue Packung Sonnencreme (gekauft in einem Touri-Laden auf der Insel Poel), im Umhängebeutel meinen Strohhut und meine schwarze Bikerjacke, für alle Fälle, könnte ja den Abend noch kalt werden.
Wen werde ich in Berlin treffen … ein paar bekannte Gesichter vom letzten Pride vor zwei Jahren? Dieses Jahr ist der Demo-Umzug wohl eher klein gehalten und weit abseits irgendwo in Treptow. Wird überhaupt irgendjemand kommen? Ich bin da, ich fahre dahin.
Gegen Mittag komme ich mit dem Regionalexpress am Ostkreuz an, bis zu der „Bucht“, See und Kanal, ist es nur noch eine Station mit der S-Bahn. Angekommen sehe ich schon das kleine Demo-Fahrzeug, ein VW-Transporter mit einer Anlage. Ich bin nicht die erste, es sind schon ein paar Leute da. Bis es losgeht, vergeht bestimmt noch eine oder anderthalb Stunden. Die Polizeikräfte sind auch sehr entspannt und sonnen sich an dem Geländer zu dem großen See.
Auf was für Leute werde ich hier treffen? Letztes Mal war ich nicht die einzige trans Frau, auch dieses Jahr erkennt mein Radar so einiges. Die schlaksigen trans Frauen, so wie ich, mit hübschen Rock oder Kleid, die super aufgepumpten transsexuellen Frauen – in ihren Gesprächen sich über den Preis ihres Körpers und der ganzen Operationen unterhaltend – ich stehe zwar daneben, aber ich kann gar nicht mithalten, als Mauerblümchen (höchstens meine Operation, die passt locker mit 32.000 Euro). Dann die anderen, es kommen immer mehr dazu, die Nonbinären, die Drag Queens, die … ganz klassischen Transvestiten? Warum nicht … Berlin war einmal so weit, vor fast hundert oder neunzig Jahren – und dann hat sich das Machtgefüge verändert und es wurde alles nur noch furchtbar düster. Dafür sind wir hier, um dagegen zu demonstrieren, wir sind die Ersten, die dann draufgehen.
Ich habe auch überlegt, ob ich wirklich heute hierher fahre, oder ob ich nicht lieber sicherheitshalber zu Hause bleibe. Mich verstecke. In meiner Eigenansicht: ich lebe stealth. Ich bin ungeoutet auf Arbeit, niemand weiß von meiner Vergangenheit. Einigen Männern erzähle ich es, andere werden es nie erfahren. Meine Legende ist zurecht gelegt: „Ich hatte wirklich mal eine Operation, da wurde mir ein Teil meiner Schamlippe entfernt und nach innen eingenäht, das war 2019. Aber ich war ganz bestimmt niemals ein Mann. Ich bin eine Frau … so richtig bio-cis-hetero.“
Früher Nachmittag, die Sonne brennt heiß auf meine eingecremte Haut, es geht los. Der kleine Demo-Transporter mit der Techno-Musik und bestimmt fünfhundert, oder sogar mehr, Leuten dahinter. Ein paar Straßen werden abgesperrt, eine Brücke wird überquert – hübsches Berliner Fotomotiv im „vorbeiraven“, ich stehe, bzw. laufe in erster Linie und tanze das ganze Stück. Vor mir sind nur noch die Leute mit dem Transparent und natürlich das Demo-Fahrzeug.
Die Demo selbst endet irgendwo im Treptower-Park. Ein, zwei Zelte, jetzt beginnt das Programm. Die vielen Teilnehmer der Demo verteilen sich auf der Wiese. Ich war schon gleich mit den ersten da und sichere mir ein schattiges Plätzchen unter den Bäumen. Redebeiträge und Drag-Performances. Erst als ein paar trans Frauen ihre mühsam trainierte, echte Gesangsstimme präsentieren, bin ich ergriffen. Das ist wirklich harte Arbeit, die Stimme so zu trainieren, dass sie auch im kräftigen Gesang weiblich klingt. Meine Stimme trainiere ich jeden Morgen im Auto auf den tiefen Klang.
Die Sonne bewegt sich um die Bäume, der Schatten wandert, es wird später Nachmittag. Ich muss auf die Uhr schauen, will ich mit dem vorletzten Zug spätestens Mitternacht wieder zu Hause sein. Irgendwo gibt es bestimmt noch eine Party, es ist Sonnabend und überall in Berlin haben die Techno-Clubs gefühlt schon seit gestern durchgehend offen. Mein Körper macht nicht mehr so richtig mit, die anstrengende Fahrt den Tag zuvor, ohne Pause, die vielen hundert Kilometer auf Tour, die Wärme, ich spüre meine Grenzen. Gleichgewichtsattacken, Doppelbilder, wandernde, taube Stellen auf meinem Körper? So ziemlich alles, was die MS die letzten dreiundzwanzig Jahre hervorgebracht hat. Die politische Veranstaltung endet den frühen Abend in diesem Park. Bis zur nächsten S-Bahn-Station sind es nur ein paar Meter.
Den Regionalexpress am Ostbahnhof sehe ich noch auf dem Gleis stehen, Treppe runter, Treppe wieder hoch – der ist weg. Eine Stunde mehr Aufenthalt auf diesem Ostbahnhof. Viel hat sich verändert, einiges nicht, wann war ich das letzte Mal hier? 2010, 2011, 2012 oder so, ein kleines Underground-Festival – und natürlich 2018. Da irgendwo habe ich dann gegessen, bevor ich mit dem nächsten Zug nach Potsdam gefahren bin … ja, ich war wirklich vor meiner großen Operation die Nacht noch in der Disko. Auch jetzt die eine Stunde Wartezeit esse ich hier irgendwo in einer Imbissbude, eine Portion Pommes.
Weiter den Abend zurück im Regionalexpress Richtung Magdeburg, die Frau, die sich in die Reihe vor mir setzt, ist mir schon durch das Fenster aufgefallen, ganz in Schwarz, ein kurzer Ledermantel, Gothic oder Metal, dezentes, schwarzes Augen-Make-up, lange, blonde Haare, leicht gräulich eingefärbt. Sie ist mindestens zwanzig Jahre jünger als ich und alleine unterwegs. Ihre Art, ihr Verhalten, umsichtig schauend, nicht zu viel Kontakt mit den Menschen um sich herum, erinnert mich stark an meine Touren damals mit dem Zug zu den unterschiedlichsten Konzerten und Festivals. Ich habe mich wahrscheinlich auf ihren favorisierten Platz gesetzt – die Sitzreihe ganz hinten im Wagon, am Fenster, wo bestimmt niemals jemand dahinter sitzt, wegen der Wand, optimal, um von allen Menschen den größtmöglichen Abstand zu halten. Und jetzt sitze ich dahinter. Spreche ich sie an? Auf keinen Fall. Meine Blicke treffen ihre Blicke, als sie sich umschaut, sie will das hier nur irgendwie durchstehen, so bald wie möglich ankommen und den Zug verlassen. Ich rolle mich auf meiner Sitzbank ein und versuche, etwas zu schlafen. Es ist kalt geworden, meine Bikerjacke ist viel zu kurz, genauso kurz wie mein Bauchnabelfreies, schwarzes Girlie-Top.
Sie steigt in Magdeburg aus, ich steige hier nur um. Haufenweise Party-People auf den Gleisen, es ist noch nicht mal Mitternacht und die wollen alle noch irgendwo hin. Mein Provinzkaff, gegen Mitternacht angekommen, ist totenstill, selbst die nervige Fabrikanlage und die stark von LKWs frequentierte Bundesstraße direkt vor meinem Haus, liegt friedlich da. Schlüssel umdrehen, Haus und meine Wohnung oben betreten. Wie immer, meinen ganzen Kram auf der Couch ablegen und ins Badezimmer verschwinden. Make-up hatte ich zwar dabei, aber ich habe es nicht verwendet … wollte nur ganz normal als unscheinbare Frau auftreten. Wenig später, Fenster zum kühlen Durchlüften wieder verschließen und ins Bett fallen. Ob sie sich vor mir gegruselt hat? Ich wirke sonst immer merkwürdig auf andere Menschen?

[15.08.24 / 21:48] Freitag, das üppige Frühstück unten im Salon und dann Hotel-Check-out. Draußen nieselt es. Dunkle Wolken. Und genau deshalb hast du nicht das Motorrad genommen. Wenn das den ganzen Tag so trüb und nass bleibt und ich noch fünf Stunden zurück fahren muss …
Nach dem Check-out fahre ich den späten Vormittag nach Wismar, diese Hansestadt habe ich vor fünfzehn Jahren (bei einem Bewerbungsgespräch) nur einmal kurz im Dunkeln den Abend gesehen. Jetzt will ich die historische Altstadt mal komplett ablaufen. Mein Auto parke ich in einem (neuen) Parkhaus, den Fischkutter mit den Fischbrötchenverkaufsstand am alten Hafen finde ich auch gleich. „Ich kaufe hier meinen Backfisch seit 2009.“
Zu Fuß in die Altstadt, an der Touristeninformation eine Faltkarte mit einstecken. Die Sehenswürdigkeiten sind nummeriert, so weitläufig ist diese Stadt nicht. Viele Touristen. Einen Cappuccino am Marktplatz und später dann den Nachmittag ein erneuter Versuch, nach meiner Stadtbesichtigung, hier ein Stück Kuchen zu finden. Keine Chance. Die Rentner haben das alles schon aufgegessen. Ein Stück Kuchen finde ich erst später wieder, als ich mich zurück zum Parkhaus mache, ein wirklich nettes, kleines Café abseits der Touristenströme.
Einen Laden mit Kunsthandwerk aus Indien und Marokko habe ich gefunden, ich könnte hier drinnen Stunden verbringen und noch viel mehr einkaufen. Der Duft der Räucherstäbchen hat mich hineingelockt, zusätzlich zu einem Kaffee aus einem anderen Laden, kaufe ich hier ein kleines Fußkettchen aus Sterlingsilber als Reisemitbringsel. Später dann den Nachmittag, durch den Nieselregen, jetzt wirklich zurück zu meinem Auto in dem Parkhaus.
Vor mir liegen noch ungefähr zweihundert Kilometer und ein Teil davon mit der ätzenden Bundesstraße mit den vielen LKWs – und jetzt den Urlauberstrom aus der anderen Richtung im Gegenverkehr. Es wird noch zweieinhalb bis drei Stunden dauern, bis ich durch den tiefsten Regen endlich zu Hause ankomme und mit meinem Auto in die Garage fahre, in der friedlich die ganze Zeit meiner Abwesenheit mein Motorrad stand. (Ende Teil 4/4)

[15.08.24 / 21:47] Donnerstag, schönstes Wetter? Frühstück gibt es in dem alten Gutshaus unten in dem großen Zimmer, gleich neben dem Jagdzimmer. Das Hotel ist wirklich hübsch und stilvoll eingerichtet, alte Antiquitäten, Teppiche, Möbel, die Zimmer nicht zu ultra modern. Diesen Tag fahre ich nach dem Frühstück nach Heiligendamm, ein weiterer Strand und Kurort an der Ostsee. Die Strecke führt an Kühlungsborn vorbei, aber da war ich schon, das muss ich nicht unbedingt noch einmal sehen.
In Heiligendamm lotst mich mein Navi auch wieder zu einem Parkplatz gleich hinter der Düne mit direktem Zugang zum Strand. Nur das mit dem Kaffee zum Frühstück … ich habe da so ein Problem. Erst als es beim Aussteigen langsam das Bein heruntertröpfelt … Verdammte Scheiße! Pisse! Ich verzweifle an meiner schwelenden Inkontinenz. Ich versuche noch, mich neben meinem Auto zu hocken und mein Unterhöschen runterzuziehen – zwei derbe, gelb-bräunliche Flecken zieren den unteren Saum meines olivgrünen Strandkleides. „So kannst du doch nicht herumlaufen?“ Was nun? Mein schwarzer Bade-Zweiteiler – den ich dieses Mal ganz bewusst mit eingepackt habe – ist auch ein Strandkleid. Das sollte ich mir für später aufheben, wenn ich in diesem mondänen Küstenort mir den Nachmittag ein Restaurant suche. Für den Weg über die Düne runter zum Strand reicht erst mal meine weiße Tunika. Erst ein paar Meter weiter von meinem Auto um die Ecke sehe ich ein paar Dixi-Klos, du hättest dich nicht unbedingt da hinhocken müssen.
Auch dieser Strandabschnitt an der Ostsee grenzt sofort an einen FKK-Strand. Es sind noch viele Wolken am Himmel, ich nutze das Entledigen all meiner Kleidung auch gleich zum Ganzkörper-Auftragen meiner Sonnencreme. Es ist zu windig, ein Strandtuch kann ich nicht auslegen. Ich laufe einfach etwas nackt den Strand entlang. Für den Gang ins Wasser sind mir noch zu viele Wellen. Warum FKK? Nach meiner Operation kann ich mich endlich zeigen, wie ich wirklich bin. Einfach eine Frau. Meine Brüste sind nicht sehr groß – sie sind eigentlich winzig – aber das interessiert hier niemanden und für den Moment sind sie genauso schön, wie sie sind. Ich bin schön. Das ist FKK (und das Eins sein mit der Natur).
Später Vormittag, ich wechsele in mein schwarzes Strandkleid, das andere habe ich im Kofferraum gelassen. Zur Seebrücke und das Luxusressort ablaufen. Auf das Hotelgelände komme ich natürlich nicht. Ein paar Hubschrauber fliegen vorbei, die Superreichen? Oder doch nur eine Touristenaktion, die sogar ich mir leisten könnte. Weiter den Nachmittag, nach einem Kaffee und einem Eis, rüber zur Steilküste.
Ein steiniger Strand, ein steiniger Weg, eine Brücke über das Geröllfeld. Dahinter dann das markante Bild: Bäume hoch oben auf den abgetragenen Uferwänden. Eine Treppe führt nach oben und gibt den Blick frei in einen dichten Küstenwald. So wunderschön … wären hier nicht haufenweise parkende Autos und mit zunehmenden Nachmittag auch eine zunehmende Menge an Urlauber. Meine Wandertour führt die Straße oben wieder zurück zum Hotelressort, der Klinik und dem Strand.
Die Sonne ist rausgekommen, der Wind ist etwas weniger geworden, gleich hinter dem FKK-Schild suche ich einen schattigen Platz unter einer Treppe, die über die Dünen zur Strandstraße führt. Meine Tragetasche setze ich auf ein paar Steinen ab, meine Strand- und Badetücher als Sitzkissen. Dieser Strandabschnitt ist nicht so stark besucht, wie die anderen Strandabschnitte – eigentlich nur ein paar ältere, ruhige Menschen, die hier schon seit DDR-Zeiten jeden Sommer zum Nacktbaden kommen. Auch ich lege meinen Badeanzug beiseite und gehe wieder nackt ins Wasser. Die Wellen peitschen meinen Körper, ich spüre das Salz auf meiner Haut. Ein paar Schwimmzüge zwischen den hölzernen Wellenbrechern hin und zurück.
Wieder draußen, ich trockne mich nicht ab, ich laufe mich trocken. Entspannt laufe ich das Ufer ab … vielleicht finde ich Bernstein? Viele Strandbesucher laufen hier mit gesenkten Kopf, auf diesem Strandabschnitt bin ich die Einzige. Ein grauer Stein gefällt mir, ich hebe ihn auf und wische ihn etwas trocken, behutsam lege ich ihn danach wieder auf genau die Stelle, an der er vorher lag. Ich bin eins mit der Natur. Hinterlasse sie so, wie du sie vorgefunden hast.
Später den Nachmittag, ich ziehe mich wieder an und packe alles in meine Tasche. Ein Strandrestaurant am Nobelhotel habe ich gesehen, aber das ist unbezahlbar für mich. Auf meiner Wandertour habe ich den Bahnhof von Heiligendamm entdeckt – und da ist ein Restaurant drin. Wahrscheinlich das einzig andere hier in diesem Ort. Da will ich hin.
Die Preise sind ganz moderat, ich nehme auf der Seite an den Gleisen Platz und bestelle das Tagesgericht, mit Tagessuppe und Tagesdessert. Die Frau, die mich bedient, ist so nett – ich gebe nur ein mickriges Trinkgeld von zehn Prozent. „Ein Zug fährt durch. Auf schmaler Spur.“ Sogar eine Dampflokomotive für das Bahnambiente. Ich hätte mehr geben sollen. Den Abend wieder zurück zu meinem Hotel. Das Parkticket war dieses Mal ein Tagesticket.
Den Sonnenuntergang als Fotomotiv über dem Salzhaff verpasse ich. Blätter rauschen durch den Wald. Es wird kühl. Wird es die nächsten Stunden regnen, wie angekündigt? (Ende Teil 3/4)

[15.08.24 / 21:45] Mittwoch, die Nacht in dem großen Doppelbett, eingehüllt in einer Melange aus Ganzkörper-Mückenschutz und Aloe-Vera-Creme. Es sind zu viele Mücken in den beiden Zimmern, um sie einzeln platt zu drücken. Ich will diesen Tag nach Rerik zum richtigen Ostseestrand. Outfit meiner Wahl: ich wechsele von der Cargohose und dem schwarzen Top vom Tag zuvor auf mein olivgrünes Strandkleid mit Spaghettiträgern – kombiniert mit der weißen Stricktunika. Mein Strohhut, meine übergroße, schwarze Sonnenbrille. Meine Strandtasche hatte ich in meiner schwarzen Reisetasche verstaut. Ein neues Strandtuch als Unterlage und mein Badetuch in Regenbogenfarben. Alles in den Kofferraum und mit offenen Verdeck das kleine Stück durch die wunderschönen Baumalleen zur Küste.
Einen Parkplatz am Strand mit dem Navi finden, die Dünen überqueren – ich bin am Meer. Ich krame in meiner Umhängetasche … wo ist mein neuer, schwarzer und sündhaft teurer Bade-Zweiteiler? Mist. Im Hotel liegengelassen. Ja … ich habe mich schon vorher informiert, wo ich die ganzen FKK-Strände finde, den Parkplatz habe ich nicht ganz umsonst hier gewählt. Ich hatte es vor, hier nackt zu baden. Jetzt erst recht.
Ich suche den Strandabschnitt und mit genau der Grenze ab dem Schild entledige ich mich aller meiner Sachen und stapfe in meiner natürlichen Schönheit durch den Sand. Viele Menschen sind hier nicht den späten Vormittag. Mein Strandtuch und mein Badetuch auf dem Sand nahe der Dünen ausbreiten. Alles mit Sonnencreme einreiben. Bis dreihundert zählen … umdrehen, weiterzählen … wieder umdrehen. Ob ich noch braun werde?
Nicht wenig später gehe ich runter zum Wasser, kein Wind, das Wasser ist sehr ruhig. Ein unbeschreibliches Gefühl, nackt zu baden. Ich bin eins mit der Natur, eins mit dem Wasser. Niemand würde auf die Idee kommen, zu Hause in der Badewanne einen Bikini zu tragen, warum auch nicht im Ozean? Befreit schwimme ich ein paar Züge, bevor ich mich dann wieder draußen abtrockne.
Mein Parkticket läuft aus, ich will mir noch das Hinterland und die Promenade zum Salzhaff in Rerik ansehen. Ein kleiner Touristenort, ein paar Gaststätten, ein Eiscafé, ein paar Läden, ein paar Bars, das obligatorische Fischbrötchen. Den frühen Nachmittag bin ich hier schon wieder weg und fahre in Richtung Insel Poel.
Wo ist das angekündigte Gewitter? Als ich die kleine Insel erreiche, sind nur ein paar wenige Wolken zu erkennen. Es ist immer noch schwül-heiß. Der Strand ist hier voll. Der Touristenort hinten am Leuchtturm ist auch größer und stärker besucht. Ein paar Fotos vom Hafen, ich war hier schon einmal (vor fünfzehn Jahren) – aber da waren auf dem Parkplatz höchstens fünf Autos. Jetzt ist der viel größer und proppevoll.
Es zieht sich zu – eigentlich nur für eine Stunde Parken gebucht, entschließe ich mich, etwas länger zu bleiben und hoffe auf ein Seegewitter. So eines, wie ich es auch auf Ibiza erlebt habe – mit Blitze und dunklen Wolken über dem Meer. Ich finde ein italienisches Restaurant mit überdachter Außenterrasse und schönem Blick hinaus. 16 Uhr, einmal Pasta mit Krustentieren.
Der Regen naht, 17 Uhr, Zeit für einen Tee, ich bin gespannt. Wie lange dauert es noch? Noch eine weitere Stunde … Meinen Tee habe ich schon längst ausgetrunken, als der Regen einsetzt. Aus der Ferne Gewittergrollen, es zieht vom Land auf das Meer hinaus. Die Wolken werden dunkler, es regnet so stark, einige der Gäste verlegen ihr Abendbrot schon in das Innere des Restaurants. Da! Ein Blitz! Es knallt sofort. Die elektrische Entladung war nur ein paar hundert Meter entfernt. Ich habe ihn genau gesehen, hinter den Steinen, an der Mole, auf das Meer. Es donnert und gewittert noch mehr, der Regen drückt das Stoffdach ein, periodisch ergießt sich das ganze Wasser auf die Terrasse des Restaurants. Auch ich wechsele jetzt in das Innere.
Mein Essen und mein Teegetränk bezahlen, aber gehen kann ich nicht, mein Auto steht bei dem strömenden Regen unendlich weit entfernt am Rande der Ortschaft auf dem großen Parkplatz. 19 Uhr und es hört nicht auf, mein Parkticket ist schon seit Stunden abgelaufen. „Zeit für Abendessen.“ Ich bestelle einfach wieder neu und setze mich an einen Tisch, Bruschetta und ein Glas Wasser.
20 Uhr nochwas, so langsam lässt der Regen nach und leichte, helle Wolken kommen zum Vorschein. Ich habe in diesem Restaurant bestimmt vier Stunden verbracht. Als es dann aufklart, bezahle ich auch meine zweite Rechnung und mache mich auf den Weg zu meinem Auto. Es ist kühl geworden. Mein Auto steht auf dem Parkplatz auf der Wiese inmitten einer matschigen Pfütze. Hierhin kommt ganz bestimmt niemand, um das Parkticket zu kontrollieren. Den Abend wieder zurück zu meinem Hotel.
Die Fenster der Zimmer habe ich alle einen Spalt offen gelassen, zum Abkühlen. Dreißig, vierzig Mücken, ich weiß nicht wie viele – der beste Rat: Wenn du an die Ostsee fährst, nimm Mückenschutz mit! Das laute Summen kann ich mit Oropax abblocken, den Körper creme ich wieder komplett mit Mückenschutz ein, das tropische, aus der Drogerie. (Ende Teil 2/4)

[15.08.24 / 21:44] Tagelang verfolge ich schon den Wetterbericht, es wird nicht besser – Mittwoch Gewitter und Freitag, wenn ich wieder zurück fahren will, strömender Regen, den ganzen Tag? Dienstag Morgen meine endgültige Entscheidung: ich nehme das Auto. Mein Motorrad muss für meine kleine Reise an die Ostsee die zweite Augustwoche in der Garage bleiben. Ich konnte auch nur zwei von vier Zündkerzen wechseln (für die anderen beiden fehlte mir das tiefergehende Werkzeug). Mein Auto, mein roter Roadster, mit dem notorisch brummenden Radlagerschaden.
Leichtes Gepäck, die neue Motorradtasche, ein Strandkleid, eine Tunika, mein neuer Bade-Zweiteiler, die Keilsandaletten und die Waschtasche … es hätte bequem hinten auf das Motorrad gepasst. Alles in den Kofferraum. Ich starte den Motor und rolle aus der Garage, Dienstag. Noch zweihundert oder dreihundert Kilometer bis zum Strand.
Schönster Sonnenschein, die Autobahn geht nur kurz, ich verfahre mich irgendwo in Brandenburg und finde eine Tankstelle. Immerhin ein Grund für eine Pause. Das Stück zwischen den beiden Autobahnabschnitten, das noch gebaut werden muss, ist ätzend. Nur langsame LKWs und nie eine Chance zum Überholen. Ständiger Gegenverkehr auf der Bundesstraße. Alles Ostseeurlauber auf der Rücktour? Ab Schwerin geht es wieder schneller – auf der Autobahn Richtung Wismar.
Die letzten paar Kilometer, von der Autobahn runter, fahre ich den frühen Nachmittag mit offenen Verdeck, die küstennahe Strecke durch Mecklenburg-Vorpommern ist einfach nur zu hübsch! Wunderschöne Baumalleen, engste Straßen, und irgendwo dazwischen blitzt das Meer hervor. Beziehungsweise das Salzhaff. Mein gebuchtes Hotel liegt da, ein altes Gutshaus mit ein paar geräumigen Zimmern. An meinem Ziel angekommen, parke ich mein Auto auf der grünen Wiese vor dem Anwesen.
„Kaffee und Kuchen.“ Ich checke ein und bestelle schon einmal vor. Frühstück ist mit gebucht. Eine kleine, angenehme Überraschung: eine alte Lady wollte ihr Zimmer tauschen, ich bekomme ein Upgrade auf die Super Deluxe Junior Suite mit den großen, zwei Zimmern. Selbe Lage, Gartenblick hinten raus (vom Fenster im Flur vor der Tür, in der zweiten Etage, kann ich sogar das Meer sehen).
Den Abend (nach bestelltem Dinner) gehe ich noch runter zu dem großen Campingplatz an das Ufer am Salzhaff, so ein ultra flacher, abgetrennter Bereich zur Ostsee. Eine Surfer-Bar finde ich – Ibiza-Feeling – mit langsamen Beats, ein DJ und einen alkoholfreien Caipirinha. Wären nicht die Mücken, könnte ich den Sonnenuntergang noch genießen. (Ende Teil 1/4)

[05.08.24 / 15:38] Fünf Stunden später, lange habe ich nicht geschlafen, es ist Sonnabend später Vormittag und ich bleibe noch ewig liegen, so wie ich das jeden Sonnabend mache. Dusche gegen elf Uhr, Frühstück gegen Mittag. Diesen Abend könnte ich mal wieder ausgehen, das von letzter Nacht war ja nur eine Ausnahme, ich gehe immer nur Sonnabends aus. In Magdeburg ist da so ein Stadtfestival: entlang der Elbe werden viele Bars und Gaststätten ein paar Bühnen und Tanzgelegenheiten aufbauen. Parallel dazu soll ein Schiff auf der Elbe pendeln und die Partygäste überall hinbringen. Klingt schon einmal nicht schlecht und ich wollte schon immer mal wieder auf einem Partyboot herumschippern.
Den Tag kriege ich so rum … nach dem Mittagessen auf der Couch weiterschlafen. Mit Anbruch des Abends bin ich wach. Punkt 18 Uhr beginne ich wieder meine Beine zu rasieren – derselbe Dress der letzten Nacht, das schwarz-weiße Blümchenkleid und das schwarze Top mit der Knopfleiste. Die Bikerjacke und dieses Mal die Keilsandaletten, es wird warm die Nacht. Einen Regenschirm habe ich auch mit dabei. 19 Uhr die Dusche und das Parfüm, 20 Uhr das Make-up … dezenter Kajalstrich, kein Mascara. Er hat mir letzte Nacht von dem einen Club erzählt: „Da sind nur Tussen mit gemachten Titten!“ Und ultra viel Make-up. Ergänze ich in Gedanken. Da will ich hin. Ein DJ des Clubs spielt auf der Insel in der Elbe in dem Park in einem dort ansässigen Open-Air Club.
Ich nehme mein eigenes Auto, ich habe ihm eine Nachricht geschrieben, ihn gefragt, ob er mitkommt. Keine Antwort. Schreibe ich dem anderen Kerl? Ich date zwei? Ich vermeide es, mit zwei an einem Abend zu verabreden. Mein Auto fährt den Abend gegen 21 Uhr nach Magdeburg rein, in Richtung der Elbanlegerstelle für die Schiffe. Gleich neben der Strandbar.
Ich kurve mehrmals über den Parkplatz. Keine Chance, es ist richtig voll. Ich denke, einen geheimen Plan zu haben und fahre (nach einer Schleife) ein Stück südwärts zu der anderen Brücke über die Elbe in Richtung der Insel (für Auswärtige: Die Elbe hat hier noch ein oder zwei Seitenarme … so etwas wie in Paris und der Seine). Auch hier in dem Park sind erschreckend viele Menschen und Autos – das „Event“ ist gnadenlos überfüllt! Die Organisatoren hatten niemals an so viele Parkplätze gedacht. Ich muss gefühlt einen Kilometer weiter fahren, bis ich endlich eine Stelle mit Parkmöglichkeiten finde. Sachen greifen, Tasche, Jacke, Auto abschließen und zu Fuß zurück.
Mehrere Bühnen und Musik und DJs. Der MDR hat etwas, die Bühne daneben, alle paar Meter ein Getränkeausschank, der Beach-Club, wo ich hin will, und das Restaurant daneben. Auf der anderen Uferseite der Elbe konnte ich auf dem Weg hierher schon die anderen Lichter der anderen Clubs, Biergärten und Restaurants sehen, da will ich später auch noch hin. Doch wo ist die Anlegestelle für das Schiff? Der zweite Halt ist so weit abseits, dass die Idee mit dem „Pendelverkehr“ auf dem Wasser gar nicht richtig umsetzbar ist (jedenfalls nicht für mich). Schade, darauf muss ich verzichten.
In dem Beach-Club angekommen, ich zahle fünf Euro für die erste Cola im Plastebecher. Die Tanzfläche zu den Beats ist tatsächlich in dem feinen Sand. Der Sand ist hier überall. Ich tanze etwas, meine Sandaletten mit dem Klettverschluss konnte ich leicht abziehen … aber viele tragen hier Schuhe? Die Leute sind jung, Party-People. Nicht unbedingt mein Klientel, so in etwa stelle ich mir Mallorca vor. Und die weiblichen Gäste? Tussies. Er hat nicht übertrieben (nur das mit den Titten, da starre ich nicht drauf, das kann ich nicht verifizieren). Ein anderer Stand, eine andere Cola für weniger Geld (ich wurde bei der ersten beschissen), ich suche mir ein Platz zum Sitzen. Wo ist mein Ipanema? Es gibt hier eine Bar, aber die ist auch maßlos überlaufen. Hier sind mir viel zu viele Frauen, hier finde ich ja nie einen Mann. Mein zweiter Kontakt auf meiner WhatsApp-Liste bekommt eine Nachricht von mir …
Abmarsch, ich muss hier weg. Ich greife meine Sandaletten und latsche durch den Sand zum Ausgang, wieder die Schuhe angezogen, den Weg hinein in den Park zu dem anderen Restaurant. Es muss so gegen 23 Uhr sein. Hier spielt eine Band ihre Coversongs – ein vollkommen anderes Publikumsbild, die Älteren, die man/frau so auch auf jedem Stadtfest trifft. Das Restaurant an diesem eigentlich schönem Wandelgang aus der Jahrhundertwende gelegen und den modernen Bauten aus der Art déco Zeit daneben (der markante Messeturm), bietet auch einen Barstand an, sogar mit „Ipanema“ – viel zu viel Eis, total verwässert. Wenigstens wird mir ein Strohhalm zum Mitnehmen mit angeboten und ich kann, nachdem ich einen Sitzplatz auf einer Bank mit Tisch gefunden habe, in den Eisbröckchen hin und her stochern. Niemand spricht mich hier an. Doch … einmal, aber da fing es gerade an zu regnen und mein Platz ist an einer Bank unter einem großen Schirm. Der Lichtkegel beleuchtet einen Baum auf einer Insel in dem Parksee, erst jetzt erkenne ich, dass es leicht nieselt.
Ich warte den Regen ab und laufe dann gegen Mitternacht wieder zurück zur Straße, zu der Brücke über die Elbe, von der ich hierher gekommen bin. Viele Menschen, vieles Partyvolk. Auf der Brücke ist nichts von den Schiffen zu sehen (wenig später zieht dann doch eines vorbei, völlig leer).
Auf der anderen Seite der Elbe, durch einen dunklen Radweg, auf dem ich nicht wirklich einsam bin, erreiche ich nach ein paar Schritten wieder die Gegend um den Domfelsen. Tagsüber war ich hier schon, die Restaurants, der kleine Parkplatz, die italienische Eisdiele, irgendwo dort hinten die Treppen zum Elbufer und der Domfelsen. So weit laufe ich nicht, ich will über die Fußgängerbrücke über die Uferstraße und dort oben, in den alten Festungsmauern die hell erleuchteten Lichter sehen und die Partymusik suchen, die ich hinwärts von der anderen Uferseite erkennen konnte.
Hier war ich noch nie. Es gibt einen Biergarten und ein Café mit hübschen Nischen in diesen alten Mauern? Das könnte sogar locker mithalten mit Dresden. Oben auf dem Plateau angekommen, ein freier Platz, stimmig in Szene gesetzt, mit Lichterketten und Glitzerkugel. Ein weiteres, vollkommen anderes Publikumsbild … die Alt-Studenten, die Bohème, szenetypisches. Hier gefällt es mir, hier passe ich hinein. Die DJs legen ein paar alte Disco-Kracher auf, ich gehe zu der Bar und bestelle mir eine echte Flasche Limonade. Kein Plastebecher mehr. Und die Toiletten unten … es gibt wenigstens echte Toiletten.
Wieder oben, ich tanze ein paar Titel zu der aufgelegten Musik unter freien Himmel. Könnte es noch regnen? Manchmal wirkt es so, aber es bleibt stabil. Die Stile wechseln sich, wenn Techno läuft, kann ich mich in Trance fallen lassen (würden nicht andere Gäste reinquatschen). Wie lange legen die DJs noch auf? Jedes Mal, wenn ich denke, die machen jetzt Schluss, ist es nur ein Aussetzer auf der Anlage.
Halb zwei Uhr nachts, nach dem letzten Aussetzer kommt wirklich keine Musik mehr. Zeit zu gehen. Ich schaue auf mein Smartphone und sehe, dass „Nummer Zwei“ mir geantwortet hat. Auch er hatte keine Zeit für mich. Die Treppe wieder runter zur Brücke, die Brücke über die Straße zur Uferpromenade, die Promenade entlang zu der kleinen Fußgängerbrücke über die Elbe, eine ehemalige Güterzugbrücke. Immer noch viele Menschen in unterschiedlichen Stadien ihres Alkoholkonsums.
Wieder auf der anderen Uferseite zurück zu meinem Auto, welches ich erst gegen zwei Uhr den Sonntag Morgen erreiche. Ich habe wieder ein präzises Zeitgefühl. Erst jetzt, den Weg hinaus aus der Stadt, setzt ein leichter Regen ein. Vorsichtig fahren über die Brücken, zu viele Betrunkene.
Zu Hause bin ich dann erst halb drei Uhr, vorsichtig am Hund vorbei schleichen. „Weiterschlafen …“ Alle Fenster in meiner Wohnung öffnen, ins Bad verschwinden, auf der Couch die Nachrichten auf meinem Smartphone prüfen. Nichts. Jedes Mal, wenn so etwas passiert, zieht es mich runter. Bin ich zu hässlich, zu merkwürdig, habe ich die beiden Männer verschreckt? Oben auf der Brücke, hat einer Cat Calling mit mir versucht, ich bin ignorierend weiter gegangen. Ins Bett fallen und in Gedanken diese beiden letzten Tage Revue passieren lassen.

[05.08.24 / 15:36] Freitag nach der Arbeit, ich saß noch bis kurz vor 19 Uhr vor dem Bildschirm im Büro, um meine drei Tage Überstunden zu komplettieren (den Japanern imponieren, dass wir hier in Deutschland auch so brutale Arbeitszeiten haben), als ich mich gerade, wieder angekommen zu Hause, umgezogen habe. Das Telefon klingelt, eine Nachricht taucht auf, er ist es – meine Bekanntschaft vom letzten Bikertreffen – er ist gerade in der Stadt, beim Schnellimbiss die Straße runter und fragt an, ob ich den Abend spontan Zeit hätte. Klar, wieso nicht? Ich springe vom Sofa auf zum Bad, schnell noch etwas frisch machen, Zähne putzen, das schwarz-weiße Blümchenkleid und mein schwarzes Polohemd vom Bügel rupfen (mein Arbeits-Dress des Tages) und schlüpfe hinein. Make-up lasse ich weg. „Ich brauche noch zehn, fünfzehn Minuten, dann kannst du mich draußen auf der Straße einsammeln.“
Freitag kurz vor 22 Uhr, ich stehe draußen auf der Straße vor meinem Haus, Autos und LKWs rauschen vorbei. Die Sonne ist untergegangen, nur der Schein der Straßenlaterne und die dunkel bläulichen Wolken mit den letzten, goldenen Lichtstrahlen. Ein Auto kommt vorbei, hält. Ich wechsele die Straßenseite. „Hallo.“ – „Schön, dass du Zeit hast.“ Das leichte Mädchen mit dem Rock steigt schon wieder unbekümmert in ein Auto. Als Schuhe habe ich die Sneakers gewählt, meine Jacke für die kühle Nacht – ich weiß noch nicht wohin – ist die schwarze Baumwoll-Bikerjacke mit dem Reißverschluss.
„Hattest du etwas vor? Weißt du, wo wir hin könnten?“ Er hat nicht wirklich ein Ziel, kurvt die Straßen dieser Kleinstadt entlang. Bier holen (Mix-Getränk) an der Tankstelle, Zigarettenschachtel. Laute Musik dröhnt aus den Boxen … typischer Freitagabend in der Provinz. Er lässt den Motor aufheulen und startet Richtung nächster Großstadt, Magdeburg. „Das ist aber doch ganz schön schnell … kannst du langsamer fahren? Die Musik ist aber doch ganz schön laut … kannst du die vielleicht etwas runterregeln? Eigentlich wollte ich doch heute Abend nicht mehr so viel unternehmen, wir bleiben doch nicht länger weg, oder?“ Ich habe meinen Quengelmoment. Er lässt sich davon nicht beeindrucken: „Weiber …“
Die Nacht wird dunkel, ich weiß, wo er langfährt, ich weiß, wo wir sind. „Vertrau mir, ich habe einen Plan. Es wird dir gefallen.“ Die Lichter der Schleuse zwischen Elbe und Mittellandkanal, das Wasserstraßenkreuz, tauchen vor uns auf, ich kenne die Gegend aber auch nur vom Hellen. Er sucht die Einfahrt zu einem Parkplatz, menschenleer ist es nicht, einige Wohnmobile, einige Trucker, die hier übernachten. Wir sind am Barleber See II. „Das ist bestimmt so ein Parkplatz für Sex-Treffen“, ich scherze noch. Wir steigen aus und gehen erst mal eine Runde spazieren, entlang dem Wasserkanal, dem Zubringer für die Schleuse. Es ist alles hell erleuchtet. Ich weiß (von der Trogbrücke ein Stück weiter), dass hier überall Kameras sind.
Wir erzählen ein bisschen, dass er mit mir die nächsten Tage nicht mit zur Ostsee kommt, ist klar. Dafür war meine Hotelbuchung viel zu kurzfristig für ihn. Wen nehme ich sonst mit, mit wem habe ich die letzten Wochenenden verbracht? Ich erzähle meinen Liebhabern immer von den anderen: „Mach dir keine Gedanken, da lief nichts.“ Er scheint beruhigt.
Wieder zurück auf dem dunklen Parkplatz, umrandet von hohen Gebüschen, er holt eine Decke aus seinem Auto und eine zusammengerollte Unterlage. Ich bin beeindruckt. „Wir müssen noch ein Stück laufen, bis wir an den See kommen. Du wirst es lieben.“ Er war hier schon einmal. Wir verlassen den Parkplatz durch eine schmale Lücke in dem Gebüsch. Hinter uns war noch ein parkendes Auto mit einem anderen Pärchen?
Der Trampelpfad führt auf einen geteerten Weg. Er leuchtet mit seinem Smartphone. Wir laufen minutenlang, ich folge ihm. Der Weg wird enger, er sucht eine Abzweigung. Ein weiterer Trampelpfad führt durch das Dickicht. Sträucher, Gräser, Halme streifen meine Beine unter dem knielangen Rock. Wir laufen weiter, Minuten vergehen. Die Autobahn ist in der Nähe, ich kann die vorbeirauschenden LKWs hören. Der Schein der Laternen von dort beleuchtet den Nachthimmel über den hohen Gehölzern.
Eine Lücke, der See glitzert. Von irgendwo am anderen Ufer eine Gewerbeanlage. Er hat die Stelle gefunden, ein weiterer Abzweig vom Trampelpfad führt an eine kleine Stelle am Ufer. Das Wasser ist warm und glasklar, ich lasse meine Hand drin gleiten. Er breitet die Decke und die Unterlage ein Stück weit oberhalb aus. Nicht wenig später sitze ich neben ihm und ziehe mein Oberteil aus.
„Du bist so schön …“ Meine Sachen stapeln sich auf einem kleinen Haufen, meine Schuhe, mein Rock, meine Tasche. Er zieht meinen BH aus und wirft seine Sachen auch mit daneben. Meine schwarze Unterhose bleibt als letztes und verschwindet dann auch.
Küssen. Er sitzt vor mir, ich blicke auf den glitzernden See. Er greift und beißt in meine Brüste, ich lasse mich nach hinten fallen. Ich nehme ihn in meine Hand, er baut sich auf, ich mache ihn wahnsinnig – und er nimmt mich. Meine Beine rechts und links an ihm vorbei. Ich spüre sein Glied, ich spüre sein Gewicht (er stützt sich ab). Ich umarme ihn, lasse meine Finger auf seinen Rücken spielen … er drückt sich gegen mich. Ich blicke nach oben … und sehe den Nachthimmel voller Sterne. Das ist so ein unbeschreiblich, schönes, kosmisches Erlebnis! Ich wünschte, er würde mich in diesen Moment wirklich richtig tief nehmen. Ich würde ihn so gerne in mir spüren. Er hat an alles gedacht … aber nicht an die Kondome.
Wir machen weiter. Wir gehen durch diverse Stellungen. Manchmal ist er oben, manchmal bin ich oben. Er spielt mit seinen Fingern in mir, er spielt mit seinen Penis in mir. Vaginal kann er mich nur „anstupsen“. Ich gehe mit. Für einen Moment hätte er es fast geschafft … eine bestimmte Stellung, ein bestimmter Winkel, er ist so groß, er bringt mich zu diesem Verlangen: „Sind wir bald mit dem Vorspiel fertig? Können wir jetzt anfangen?“ Meine Schuld – ich hätte auch ein Kondom mitnehmen sollen.
Ich bringe ihn so weit, dass er fast kommt. Ich habe meine Hand, ich habe meine Lippen. Er wird müde und möchte mich in der Löffelchenstellung umarmen. Wir legen uns in diese Position, ich greife seine Hand von hinten und führe sie an meine Brust. Wir sind immer noch nackt an diesem See und ich spüre so langsam die Kälte auf allen Bereichen, die nicht von seinem Körper gewärmt werden. Weit über uns rauschen in der Ferne weiterhin die ganzen LKWs die Autobahn entlang.
Ich friere, ich möchte mich anziehen. Meine Bewegungen, meine Sachen suchend, wecken ihn auf. „Du hast recht, jetzt wird es doch ganz schön frisch“, er steht auch auf und sucht seine Sachen, „Was ist das?“ Ein Schwarm Nacktschnecken gleitet über unsere Decke. Wir hatten das Pech, uns gerade in ihre allabendliche Fährte runter zum Seeufer zu legen. Angezogen muss er erst mal seine Decke aus- und abschütteln. Die Viecher sind überall, sogar in seinen Schuhen. Wenig später streifen wir den Trampelpfad wieder zurück in Richtung Parkplatz.
Die Momente zuvor auf der Decke hat er sich schon mit mir unterhalten und einige Fragen gestellt – es fällt ihm auf, dass ich da unten anders bin. Keine Gebärmutter, keine Vagina, es geht nicht tief, meine Klitoris ist so groß? So etwas hat er noch nie ertastet. Ich weiche mit meinen Antworten aus. Er stellt die Frage, ob ich nicht doch operiert bin. „Tatsächlich habe ich mich 2019 operieren lassen, bei Licht würdest du es erkennen: mir fehlt ein Stück der hinteren, linken Schamlippe, die ist nach innen gewandert. Leider hat das nicht viel gebracht, ich müsste mich eigentlich nochmal operieren lassen, in Thailand, die bieten da eine Methode an, aber das ist teuer.“ Meine Legende, ich bin so geboren ohne Vagina. „Aber du warst nicht früher mal ein Kerl?“ Nein, niemals.
Er stellt solche Fragen und ich weiß nicht, wie lange ich meine Maskerade noch aufrecht erhalten kann.
Der Weg führt wieder an den Sträuchern und Büschen vorbei. Dieses Mal laufe ich voraus und leuchte den Weg. Eine Einmündung auf den Asphalt, wenig später das Licht des Parkplatzes … irgendwo muss doch eine Laterne sein. Wir gehen wieder an den einem Auto vorbei, die beiden sind immer noch hier, was die da machen möchte ich nicht in Erfahrung bringen … oder stören. Die Lampe des Smartphones nach unten auf den Asphalt gerichtet. Vorbei an den LKWs, die Trucker nicht stören, die schlafen hier. Wir gehen zu seinem Auto und setzen uns hinein.
Er kann trotz alledem nicht von mir lassen und ich greife sein Stück aus der Hose. Schnelle Handbewegungen, „Jetzt“, mein Kopf geht nach unten, meine Lippen darüber. Er kommt. Ich versuche den Winkel zu halten, nichts aus meinem Mund herauslaufen zu lassen. Ich habe Erfolg, ich spüre sein Sperma auf meiner Zunge. Schmunzelnd schaue ich ihn an, als ich mein Körper wieder aufrichte. Er sagt etwas, ich deute auf meine Wangen, ich kann nicht sprechen. Ich öffne meine Tür auf der Beifahrerseite etwas und spucke es nach unten hinaus. „Ich schlucke nicht.“ Er hat es verstanden. Ich frage nach einem Taschentuch für den letzten Tropfen und wische ihn weg von meinem Kinn. Er startet den Motor und sucht nach dieser Tankstelle, die er den Weg hierher vor ein paar Stunden gesehen hatte.
An der Tankstelle kauft er an dem Nachtschalter eine Flasche Wasser für mich. Ich sitze im Auto und kann die Dame über den Lautsprecher hören. Sie wirkt sehr überrascht … niemand bestellt sich hier am Wochenende mitten in der Nacht nur eine Flasche Wasser. Sie weiß nicht, sie vermutet es vielleicht nur, da ist noch eine junge Frau mit im Auto.
Meine Bekanntschaft, mein neuer Liebhaber – ich weiß noch nicht, wie ich ihn nennen soll – fährt mich wieder den Sonnabend Morgen zurück in mein Heimatort, das Provinzkaff am Rande von Magdeburg. Wie wird er es aufnehmen, dass ich solchen, „speziellen“ Fragen ausweiche? Er hat einen starken Verdacht … vielleicht ist es ihm aber auch nur egal? Jetzt in diesen Moment ist er nur ziemlich müde und schafft es gerade noch so, sich wach zu halten und mich wieder vor meinem Haus abzusetzen. Wieder in meiner Wohnung kommt mir der Gedanke: Ich hätte doch eine Ausnahme machen können und ihn bei mir übernachten lassen. Ich schreibe ihm eine Nachricht und frage nach, ob er gut zu Hause angekommen ist. Wenig später, nach meiner Runde im Bad, erreicht mich seine Antwort, er hat es geschafft. Beruhigt kann ich mich dann, gegen drei oder vier Uhr, in mein Bett fallen lassen.

[29.07.24 / 00:55] Das „Ding“ in Berlin ist leider ins Wasser gefallen, das Bikertreffen (mit Zelt) im Harz ebenso. Das Konzert in Magdeburg … ich weiß nicht, ob das das Richtige für mich ist – ich sitze das letzte Juliwochenende zu Hause … nicht wirklich was zu tun. Ich könnte mal wieder online gehen …
Meine WhatsApp-Kontakte, die beiden schreiben mir nicht wirklich mehr, der eine andere Kontakt – ich habe ihm eine Performance per Video gegeben, er ist nicht sehr erfreut, dass ich das auch gegen Bezahlung öffentlich im Internet mache. Das ist mein Leben und meine Entscheidung. Ich bin immer noch ein ganzes Stück entfernt, um bei der Porno-Plattform endlich die Auszahlungsgrenze zu erreichen. Meine Bilder kosten nur ein paar Cent, die Videos selbst lädt sich fast niemand herunter. Den Preis für Chats habe ich auch mit einem mickrigen Cent-Betrag angesetzt, so oft schreibt mir da niemand. Zeit für ein neues Video.
Sonnabend Abend kurz vor 23 Uhr, wenn ich jetzt mit dem Aufbau und den Vorbereitungen starte, das Video innerhalb von einer Stunde abdrehe, könnte ich vielleicht danach noch online gehen – das ist die einzige Gelegenheit auf der Plattform ein paar Euro zu verdienen. Leider dauert der Aufbau für das ganze Set und die Beleuchtung in meinem Wohnzimmer mehr als zwei Stunden.
Meine Webcam-Performance, ich will den Moment einfangen, den magischen Moment, wenn ich einen Orgasmus erreiche – meine neue Fähigkeit seit letzten Winter. Wie das so ist, wenn du etwas unbedingt erreichen willst – dann klappt es nicht. Zwanzig, dreißig Minuten, ich werde da unten schon wund – so funktioniert das nicht! Ob meine Verzweiflung auf dem Video zu erkennen ist? Stopp-Button drücken, Entspannen. Wieder zu mir selbst finden, die Kamera vergessen – das kann ich alles hinterher schneiden. Ein zweiter und ein dritter Anlauf … habe ich es drauf? Ich lächele erschöpft in die Kamera, als ich den Höhepunkt in der Hitze der Nacht erklommen habe. Meine Finger gleiten nach unten, es glitzert alles in dem LED-Schein.
Ich kann die Aufnahme wieder beenden, das Ganze hat jetzt über eine Stunde gedauert, online gehe ich wohl nicht mehr. Kurz nach zwei Uhr, ich beginne das Set wieder abzubauen (meine Wohnung umzudekorieren) und prüfe die Aufnahmen … „Ach Sch…!“ Ich hätte vorher prüfen sollen, nicht dass die Webcam-Software auch die Aufnahme speichert, sondern auch in welchem Format! Die Frame-Rate ist so niedrig, die Aufnahmen kann ich gar nicht semi-professionell verwenden. Die Beleuchtung war auch nicht so optimal. Alles stilecht im düsteren Dunkeln (tatsächlich wollte ich noch ein expressionistisches Gegenlicht setzen), aber für den Porno-Markt ist das nichts. Die wollen hellbeleuchtete Hotelzimmer mit billigen Nutten und bärtigen, bierbäuchigen Kerlen. Ich bin da völlig falsch. „Ein Hauch von schemenhaften Nichts, in völliger Dunkelheit gleitet eine Hand und zwei, drei Finger den nackten Körper tief hinab und taucht ein, in die dunkle Grotte zwischen den Schenkeln, ein Finger kommt heraus, zwei Finger kommen heraus, es glitzert so wunderbar.“
Ich werde das Video zusammenschneiden und sehen, ob ich noch etwas retten kann. Wenn es was wird – und es taugt nicht zum Verkauf, schiebe ich es eben irgendwo hoch auf meine Seite, der eine Server im Darknet.

Ich wollte mich da längst wieder abmelden …

Nachtrag Oktober 2024: Ich habe mich doch dazu entschlossen, das ganze Videomaterial zu verwerfen. Die eine Kameraeinstellung mit der niedrigen Bildrate ist unbrauchbar, die andere Kameraeinstellung mit der geführten Wackelkamera (das Smartphone in der Hand) – die Sequenzen sind zu dunkel, zu kurz und zu ruckhaft, der Ton ist ebenso unbrauchbar. Einzig allein das allererste Frame der ersten Kameraeinstellung verwende ich weiter, vielleicht als Profilbild, vielleicht auch nicht … vielleicht lösche ich demnächst alle meine Videos auf der Porno-Plattform.

[22.07.24 / 23:41] „Da das letztes Wochenende nichts geworden ist (war nur Konzert für mich), will ich diesen Abend und diese Nacht irgendwo in Magdeburg tanzen gehen. Das schwarze Abendkleid vom letzten Wochenende kommt erst morgen mit in die Wäsche, das geht nochmal.“ Notiz an ihn, den Sonnabend eine Woche später.
Wird er mitkommen? Ich glaube nicht, wir kommunizieren mit unseren Textnachrichten aneinander vorbei. Das wird mein Abend und meine Nacht. Ich muss mich mit niemanden treffen, ich muss niemanden kennenlernen. Ich gehe aus, einfach nur so für mich. Das schwarze One-Shoulder-Kleid hänge ich raus in den Garten, zum Lüften … mehr wegen des penetranten „Ersatz-Waschmittel-Geruchs“, die Packung für Schwarzes – und nur für äußerste Notfälle – ganz hinten im Kellerregal der Waschküche. Die anderen beiden Packungen waren vor sieben Tagen leider leer. Die Netzstrumpfhose lasse ich weg. Als Höschen untendrunter, wähle ich das feine in Spitze … das wollte ich schon letztes Wochenende tragen.
Für diese Nacht, ich fahre nicht weit, habe ich mir einen Club in Magdeburg ausgesucht, Independent- und Achtziger-Jahre-Party. Vielleicht treffe ich dort auf andere Gothics? Sonst gibt es ja nichts hier in dieser Gegend. Den Tag verbringe ich so, viel zu heiß … Wohnung ganz leicht Ecken- oder Häufchenweise aufräumen. Später den Abend, gehe ich in mein Badezimmer.
Beine vorrasiert habe ich schon den frühen Mittag, bevor ich die Dusche nehme, wird noch einmal mit einem anderen Apparat fein nachrasiert, alles maschinell und trocken. Die Dusche mit dem schweren Parfüm, Haare trocknen, Kleid überziehen, mehr Parfüm (vorher). Am großen Spiegel hänge ich die LED-Lichtleisten auf, zur optimalen und schattenlosen Ausleuchtung – die hatte ich schon in Leipzig in meiner Wohnung.
Make-up-Utensilien auf dem Waschtisch vorbereitet: Kajal, Mascara, kleine Bürste und kleiner Pinsel. Den schwarzen Kajal-Stift kurz angespitzt – am Ende des Augenlids ein kurzer Strich mit Schwung nach oben, ein zweiter darunter, spitz zulaufend und verbunden mit dem oberen. Das gleiche wiederholt mit dem anderen Auge, der jetzt nicht mehr so angespitzte Kajal tupft die kleine, im Idealfall dreieckige Fläche schwarz. Am oberen Augenlid selber ziehe ich damit eine gestrichelte Linie – so wie ich das schon die letzten zwanzig Jahre mache. Schwarzer Mascara, die Wimpern aufgebürstet, die unteren etwas benetzt. Anschließend mit dem kleinen, schmalen Pinsel die schwarze Farbe zu einem rauchigen Finish verblendet, die seitlichen Enden links und rechts am Augenlid fein auslaufend … danebengegangene Mascara-Klümpchen irgendwie verschwinden lassen, ohne dass sie große, schwarze Schatten bilden, die alles wieder ruinieren. Und jetzt setze ich meine Brille auf, um das Ergebnis im Schein der LED-Lichter zu begutachten … früher hatte ich wenigstens noch Kontaktlinsen.
Meine Bikerjacke greifen, die beiden Paar Schuhe – die Keilsandaletten zum Fahren und die schwarzen Plateausandaletten für den dramatischen Auftritt – ich fahre mit meinem Roadster nach Magdeburg. Eine große Handtasche habe ich dieses Mal nicht dabei, es muss alles irgendwie in die Clutch passen. Mit dem Sonnenuntergang hinter mir, zur Elbe, zur Strandbar in dieser Stadt, mein Lieblingsort, da kann ich nichts falsch machen.
Ich kenne mich aus, ich kenne den Weg, ich parke mein Auto auf dem großen Parkplatz oberhalb der Flussuferpromenade … sofern ich einen Parkplatz finde. Die Temperaturen sind so heiß und so sommerlich, das Strandlokal, bzw. die Bar, ist voll. Viele Menschen, einige der Damen wirklich schick angezogen, elegant für die Nacht. Andere Gäste (insbesondere Männer) in ihrem schlichten Freizeit-Look. Ich habe nicht das Gefühl, dass ich in meinem kurzen, schwarzen Abendkleid und der kleinen Clutch irgendwie overdressed bin, ich passe hier ganz gut rein.
Ein Ipanema an der Bar, ein gerade frei gewordener Sitzplatz oben auf dem Holzdeck mit Blick runter zum Wasser. Ich schlürfe mein alkoholfreies Getränk, stochere mit dem Strohhalm zwischen den Limetten, den Eiswürfeln und dem Rohrzuckersirup. Eine kleine Spinne neben mir erregt meine Aufmerksamkeit, sie baut in dem Holzgeländer flink ein Netz … sie hat sogar eine kleine Babyspinne dabei, huckepack springt es ab und baut auch mit am Netz. Kleine Fliegen (und vielleicht sogar Mücken) verfangen sich.
Es ist dunkel geworden, es werden noch mehr Plätze frei. Ich zücke mein Smartphone und suche auf dem Navi nach dem besten Weg zu dem Club. Die empfohlene Route fahre ich nicht, ich kenne einen besseren Weg auf der kleinen Karte. Gegen 23 Uhr, mein Tisch abräumen lassen und wieder zurück zum Auto. Es ist immer noch heiß diesen Sommerabend
Am Club angekommen, mache ich einen ganz großen Bogen um diesen fiesen Bordstein. Letztes Jahr zu der Abschlussparty vom Magdeburger CSD habe ich mir hier fast mein Auto ruiniert – der Seitenschweller hat einen Lackschaden beim Einbiegen in die Kurve zu den Parkplätzen abbekommen, ist aber noch dran geblieben. Die laute Metal- und Hardrockmusik im Radio etwas leiser drehen, das Verdeck zuklappen, die Musik ganz ausmachen und aussteigen. Schuhe wechseln, Keilsandaletten zu Plateausandaletten. Meine Jacke bleibt im Auto. In den Seitentaschen mit Reißverschluss kann ich noch etwas aus meiner Handtasche auslagern.
Die Abendkasse des Clubs passiere ich wieder mit einer obligatorischen Ausweiskontrolle. Ob ihnen mein Geburtsjahr auffällt? Ü40. In dem Club sind schon einige, ziemlich junge Gäste. Getränk an der Bar draußen. Mate. Was sonst. Leider ist die Außentanzfläche diese Nacht nicht in Betrieb … das wäre es gewesen.
Drinnen, die eine Tanzfläche, gemischtes zwischen Indie-Rock, Crossover und Metal-lastiges. Die andere Tanzfläche, von der ich mir so viel für diese Nacht erhofft habe, spielt ein paar Achtziger-Jahre-Hits. Ich kenne die Setlist. Ein paar New Wave und Romantic Titel, ein wenig tanzen. Bei NDW-Fetenhits verschwinde ich an der Bar, neues Getränk in der Flasche holen. Zwischendurch die Toiletten. Erst war ich da noch ziemlich alleine, im Laufe der Nacht werden sie natürlicherweise voller. Ich muss ganz dringend mal, nervös kreuze ich meine Beine. Eine Schlange vor der Frauentoilette – keine Schlange vor der Männertoilette? Um das zu erfahren, muss ich in die Männertoilette gehen. Mit meinem kurzen, schwarzen Kleid und den langen, blonden Haaren falle ich da sicher nicht auf. Ich schlängel mich so an den Herren an den Pissoirs vorbei. Mist. Auch hier sind die Toilettenkabinen besetzt. Ich kann die hinteren Enden der Schuhe der Männer darin sehen, wie sie in ihrer Privatatmosphäre in die Becken zielen. Ich werde angesprochen, ich falle doch auf, das ist die Männertoilette. „Ich bin variabel. Ich kann hier und da.“ In meiner tiefsten Stimme. Warum sage ich das? Erhoffe ich mir einen Vorteil und Akzeptanz unter den Männern? Ich sollte hier nicht sein, niemand sieht mehr, dass ich früher etwas anderes war. Mit viel Mitleid stehe ich danach wartend in der Schlange der Frauen vor der Damentoilette. „Drüben die Kabinen sind alle auch besetzt.“
Draußen, mein Sitzplatz auf einer Bank, ich beobachte die Gäste … viel Schwarzes, viele Band-T-Shirts, einige mit Sandaletten, andere junge Damen in Chucks und Vans. Nicht alles, was Schwarz und Nietengürtel trägt, muss Gothic sein – es gibt da noch mehr in Richtung Hardcore, Punk und Crust. Ein Plakat an der Eingangstür ist mir aufgefallen, nächste Woche könnte hier was mit Wave sein. Ich stelle mein Getränk neben mir auf der Bank ab. Wie lang bleibe ich noch, wie spät ist es, drei Uhr? Ein anderer Mann setzt sich zu mir … Schon wieder ein Betrunkener. Er beginnt ein Gespräch mit mir, warum nicht? Entspannt antworte ich auf seine Fragen. Ein Gespräch entwickelt sich – es stellt sich heraus, dass wir dieselben Freunde haben (zumindest die eine Person, über die wir uns danach unterhalten).
Er scheint ganz lustig und interessant zu sein, sieht auch nicht so „nicht ansprechend“ aus, könnte vielleicht sogar mein Typ sein? Immerhin die Zigarettenmarke, die er raucht, gehört zu den besseren, die ich passiv inhaliere. Die Sonne geht auf, die Stunde vorher weicht das Blau der Nacht dem Schein des Morgens. Mir wird es doch etwas kühl in meinem Kleid. Ihm ist aufgefallen, dass mein Sex-positives Outfit so gar nicht zu meiner zurückhaltenden Natur passt. Das habe ich für mich angezogen, weil ich mich darin einfach wohl fühle.
Bevor der Club um sechs Uhr den Sonntag Morgen schließt und die letzten Gäste das Areal verlassen, sitzen wir zusammen in meinem Auto und unterhalten uns noch weiter. Ab und zu streift er mir durchs Haar, ich blicke ihn nicht an. Verlegene Körperberührungen, traut er sich nicht? Alles könnte passieren, ein Moment und ich öffne mich ihm total. Ich spüre, dass ich mehr zulassen könnte. Er ist sich nicht sicher. Er bietet mir an, mir seine Telefonnummer zu geben. Ich ziehe mein Telefon aus der Tasche und tippe sie ein. Die Sonne ist am Horizont aufgegangen, wir können sie durch die Windschutzscheibe dort hinten zwischen den Bäumen sehen. Er ist mit dem Fahrrad hier, es steht da angekettet an einem Zaun über der Straße.
Ein Abschiedsmoment, er steigt aus und ich möchte auch aussteigen, ihn wenigstens umarmen. Vor meiner Tür am Auto drücken wir uns. „Mach's gut. Du hast meine Nummer.“ – „Nein, ich habe dir meine gegeben.“ – „Oh, ach so …“ Ich bin leicht verliebt. Ich kann ihn unten „spüren“ … bei der Umarmung. Er geht zu seinem Fahrrad, ich starte meinen Motor. Zurück nach Hause, zurück zu meinem Bett. Wie gewohnt, alles wieder auf die Couch werfen, im Bad verschwinden, Mascara und Kajal aus den Augen wischen. 6:45 Uhr, ich kann schlafen.

[15.07.24 / 00:04] Ich parke da, wo ich immer parke, die kleine Seitenstraße, in der niemand wohnt. Alles umpacken, nur das Nötigste – Smartphone, Bargeld, Haarkamm, Deo und schwarzes Augen-Make-up kommt mit in meine Leder-Clutch. Die Handtasche selbst landet mit der Tragetasche im Kofferraum – neben meinem Schlafsack. Der Parfümstoß kopfüber auf den Nacken und meine blonden Haare, ich greife meine Bikerjacke, verriegel das Auto und gehe zu dem Club. Niemand ist hier? Keine Schlange? Auf dem Plakat an der Hauswand des alten Industriegebäudes steht es: Einlass für das Festival heute Abend, 20 Uhr. Verdammt. So viel Stress für nichts. Es ist 19:15 Uhr und ich habe noch eine ganze dreiviertel Stunde zum Vertrödeln übrig. Zurück zum Auto, meine große Sonnenbrille holen, etwas Wasser trinken, danach wieder zu dem Club und die ganzen Graffiti an den gemauerten Häuserwänden bewundern.
Nach und nach kommen tatsächlich noch ein paar mehr Leute, meine Befürchtung, die Schlange an der Abendkasse sprengt den ganzen Block, war mehr als übertrieben. In einer entspannten Atmosphäre öffnet sich die Tür und die ersten Handvoll Gäste können ihren Eintrittsstempel abholen. Ich bewundere weiterhin die vielen Veranstaltungsplakate in dem Eingangsbereich zur Kasse.
Den Club ablaufen, du kennst die Gegend, warst hier schon so viele Male. Unten die Bar, die Bühne, der Merchandise. Oben die Toiletten und die andere Tanzfläche. Beide Tanzflächen sind für diesen Abend und diese Nacht geöffnet – ich wünschte, er würde mir eine Nachricht schreiben, mir die Sicherheit geben, die ganze Nacht bis in den Morgen durchtanzen zu können, mit der Möglichkeit, nur wenig später in ein Bett zu fallen. Er wird mir nicht schreiben.
Ein Mate-Getränk an der Bar, wieder draußen stehen … Was ist das? Ein stacheliges Gewächs an der Holztreppe piekst mich in meine blanken Beine in die Maschen meiner Netzstrumpfhose. „Au.“ Den Jungs vor mir weise ich auf die Gefährlichkeit dieser Pflanze hin. Diese Jungs werde ich wenig später auf der Bühne wiedersehen.

Goth Girl geht aus
Der Vorhang wird aufgezogen und die erste Band des Abends beginnt zu spielen. Ein brachiales Post-Punk-Gewitter voller Energie! Die Jungs, von denen ich vorhin dachte, denen willst du lieber nicht im Dunkeln auf der Eisenbahnstraße begegnen, sind eine Band. Bias. Vorurteile täuschen. Die kleine Halle, der Raum vor der Bühne füllt sich und es wird eine Wahnsinns Show. Die muss ich mir unbedingt merken. Ich habe einen Flyer mit eingesteckt, ich sammle hier alle Flyer, die so herumliegen.
Keine Zugabe, entweder der Zeitplan ist zu eng, oder sie haben noch nicht so viele Titel. Die Wartezeit zur nächsten Band verbringe ich mit dem Besuch der oberen Etage neben den Toiletten. Mein Plakat hängt da immer noch an der Wand, das eine Post-Punk-Konzert wo ich mal war, Mitte der Zweitausender. Für diese „linksalternative Begegnungsstätte“ und ihr fünfundzwanzigjähriges Jubiläum hängen ein paar liebevoll dekorierte Schautafeln in der Etage auf dem Flur. Interessiert betrachte ich sie, die amüsanten Rivalitäten zwischen Plagwitz und Connewitz, der ganze Trouble mit den Grünen in Uniform und der ganzen Staatsmacht. Das Haus war nie besetzt? Aber es hat den Charme.
Wieder unten, die nächste Band, draußen wird es allmählich dunkel. Drinnen ist es tropisch heiß. Sie singen ihre Texte in Russisch, ich verstehe nur drei Wörter. Irgendetwas mit Arbeit und Danke für nichts? Rabota, Spasiba, nitschewo … Der Sprache nicht mächtig, nur zur Musik applaudierend, noch mehr Post-Punk-Kram. Interessanterweise wird das Wort „Goth“ auf dem Flyer in keinster Weise erwähnt.
Als ich von der Toilette wieder runterkomme, läuft schon bedrohlich düstere Musik zu der nächsten Performance. Shibari. Ich muss sie hier schon einmal gesehen haben, vielleicht erinnere ich mich nur nicht, weil alles im dunklen Bühnennebel untergegangen ist. Ich finde einen Platz in dritter Reihe, vorne die Gäste setzen sich schon hin. Ich verfolge aufmerksam die Darbietung, mindestens genauso gefesselt, wie die Frau auf der Bühne in dem knappen, schwarzen Outfit und ihr Begleiter im vollkommenen Latex (nehme ich an). Es ist faszinierend, ihn dabei zuzusehen, wie er aus ihr ein Mobilee strickt und mit ihr spielt. Die beiden müssen sich wahnsinnig viel vertrauen, sie hängt in anderthalb Meter Höhe gefesselt in der Luft. Könnte ich das auch? Sie braucht eine gewisse, athletische Körperspannung und leidenschaftliche Hingabe für diese formvollendete Ästhetik. Fein abgestimmt und verknotet durch ihren erfahrenen Begleiter. Tief durchatmen für das Publikum, als sie wieder ganz langsam den Boden berührt. Ich hätte niemanden, den ich so vertrauen könnte.
Ein weiteres Mate-Getränk, die paar Minuten vor der Tür. Meine Bikerjacke kommt hier zum Einsatz, die ich sonst in dem Club zusammen mit meiner Clutch über den Arm halte. Der Headliner steht noch an. Der Typ aus Glasgow, der gar nicht aus Schottland kommt, aber richtig gut Synthesizer spielen kann. Ich habe ihn schon mehrmals live gesehen, bewundere seine Fertigkeiten auf der Bühne, natürlich stehe ich wieder weit vorn. Vier, fünf Synthesizer, hier ein paar Regler, dort ein paar Drehknöpfe. Benutzt er einen Synthesizer wirklich nur für einen einzigen Effekt? Ein paar Titel die er spielt, gehören auch mit zu meinen Lieblingstiteln von ihm. Ein neuer Titel, den ich aber schon auf seiner Internetpräsenz gehört habe, gefällt mir auch noch viel mehr. Ich wünschte, ich könnte dann später an dem Merchandise-Stand ein weiteres Album von ihm kaufen, weiß aber nicht, auf welcher Platte dieser Titel ist. Und ich habe auch gar keinen Platz, die ganzen CDs und Vinylschallplatten zum Auto zu transportieren, nur in meiner kleinen Clutch unter dem Arm. Er spielt ein paar Zugaben, ich tanze schon seit dem ersten Titel. Es muss zwei Uhr nachts sein, als er sich von dem Publikum wieder verabschiedet und der große, schwarze Vorhang vor der Bühne ein letztes Mal zugezogen wird.
Was nun? Mein Freund hat sich nicht gemeldet (für den Leser, bzw. die Leserin, gemeint ist mein Langzeit-Liebhaber, ich verliere selbst den Überblick, da sind noch ein paar Männer mehr in meiner Kontaktliste), ich werde wohl mit dem Auto einsam auf der Autobahn wieder zurückfahren. Schön für mich, ich schlafe in meinem eigenen Bett, Pech für mich, damit ich das schaffe, muss ich auf das Tanzen verzichten und hier schon in wenigen Minuten abhauen. Ich tanze wenigstens noch drei Titel auf der beginnenden Disco-Nacht. Italo-Disco. Mein Favorit. Ich weiß, dass in einem Club ganz in der Nähe schon seit Mitternacht und bis in den frühen Morgen diese Spielart der elektronischen Musik aufgelegt wird. Das wäre mein Plan B gewesen, hätte ich es hier nicht bis rein geschafft. Etwaiger Einlassstopp wegen Überfüllung.
2:30 Uhr, zum Auto. „Abmarsch.“ Mit demselben Tempo, wie ich den Nachmittag hierher gekommen bin, rase ich die Nacht auf der Autobahn auch wieder zurück. Die Musikanlage weit aufgedreht, die Synth-Wave-Klänge und die Beats hämmern mich wach. Jedes Auto wird gnadenlos überholt und vorbeigerauscht, noch schnellere Autos rauschen an mir vorbei. „German Autobahn!“ 3:55 Uhr und ich betrete die Räume meiner Wohnung, irgendwo weit abseits in der tiefsten Sachsen-Anhaltinischen Provinz.
Meine beiden Taschen werfe ich einfach so auf die Couch. Die Netzstrumpfhose abstreifen, das Kleid und die Jacke auf einen Bügel hängen. Im Bad den schwarzen Kajal und das Mascara in einem Abschminktuch fangen … mich im Spiegel betrachten. Du kennst das, du machst das schon dein ganzes Leben. „Und, hast du mal mit jemanden gesprochen, hast du mal jemanden kennen gelernt? Nein.“ Wieder nicht. Ich schau mir ins Gesicht und ich weiß, es gibt nur einen möglichen Grund dafür: Du musst potthässlich sein. Ganz bestimmt.
Ich werde, wenn überhaupt, auf Discos und in Clubs nur von sturzbetrunkenen Männern angequatscht. Könnte es sein, dass ich vielleicht zu hübsch bin und die sich nicht an mich herantrauen? Jedes Mal, wenn diese Argumente aufkommen, betrachte ich mich mehr im Spiegel. Mein Standardspruch jeden Morgen und jeden Abend: „Hast du dich schon mal im Spiegel gesehen? Du bist hässlich.“ Was das mit sich bringt, ich habe nichts zu verlieren, ich kann mir als Ausgestoßene aus der Gesellschaft alle Freiheiten nehmen, ich muss niemanden gefallen. Ich mache das Beste aus dieser Situation … glaube ich zumindest. Ich bin das ganze Thema schon so oft durch, so viele Jahre. Vielleicht erreiche ich mal einen Punkt, an dem mir das ganze beziehungslose Dasein wirklich egal sein kann, aber dann kommt immer mein romantisches, naives Ich durch: „Wenn du achtzig bist, dann wirst du dich zum ersten Mal richtig verlieben, ganz bestimmt!“ Ins Bett fallen, dunkle Vorhänge zu, den fröhlich-doofen, sonnigen Sonntag Morgen aussperren und draußen lassen. Bitteren Sarkasmus wieder aktivieren. (Ende Teil 2/2)

[15.07.24 / 00:03] Pfingsten habe ich ein Plakat gesehen, ein Festival der befreundeten, anderen Veranstaltung im Umfeld des kleinen Gothic-Festivals, es ist wieder in der einen Location irgendwo in Plagwitz, die mit dem linksautonomen Charme. Datum in meinem Kalender notiert, wer auftritt, wer der Headliner ist – der Kanadier aus Schottland oder der schottische Kanadier – alles klar. Nur wann das dann den Sonnabend im Juli losgeht, wann der Einlass ist – das steht da nicht? Gefühlssache, könnte schon nachmittags sein, könnte aber auch erst abends sein … die eine Bondage-Performance, mit aufgelistet auf dem Plakat, bringt mich etwas ins Grübeln, ich glaube, die habe ich da schon einmal gesehen – und das war abends.
Die Tage vor dem Wochenende, meine Liste der Outfits für Pfingsten, mein ganzer Bestand im Kleiderschrank – ich will unbedingt das schwarze One-Shoulder-Kleid wieder tragen, es muss da schon ewig an der Seite hängen. Wann hatte ich das das letzte Mal an? Bestimmt pre-OP. Schnellwäsche in der Waschmaschine, zusammen mit meiner schwarzen Baumwolljacke im Bikerstil – die hatte ich auch schon lange nicht mehr an. Zurückgesetzt in meine frühen Dreißiger, kombiniere ich mein Outfit weiter. Schuhe – die Pumps, die Plateaus, die anderen schwarzen Schnürschuhe mit moderaten Absatz? Mein Favorit sind die Sneaker – bestimmt trägt den Abend jeder so ein paar Turnschuhe in dem Club. Es ist heiß und offene Sandaletten will ich zwischen den Punks vor der Bühne nicht tragen. Draußen vor dem Wäscheständer mit den frischgewaschenen Sachen kommen mir beim Kombinieren noch mehr Gedanken … zwischen den Hi-Top-Turnschuhen und dem schwarzen Kleidchen passt bestimmt super die Netzstrumpfhose dazu, die schwarze mit dem groben Fischnetzmuster … und dann noch die Bikerjacke. Outfit steht.
Ich will tanzen, ich will auf ein Konzert, ich will Männer treffen, die Nacht irgendwo verbringen, den Morgen in einem fremden Bett aufwachen, wen rufe ich da an, wem schicke ich eine Nachricht, wen kenne ich in Leipzig? Da bist nur du, mein Langzeit-Liebhaber. Er reagiert auf meine Anfrage, natürlich kann er ein Zimmer organisieren, kein Problem. Ich muss nur dann, wenn ich den Sonnabend in Leipzig angekommen bin, ihm eine weitere Nachricht schicken. Vertraue ich ihm? Nicht wirklich. Ich schätze meine Unabhängigkeit, ich nehme das Auto, ich packe alles in den Kofferraum, das Kleid, meine Waschtasche, die Kosmetikutensilien, ein Schlafsack und ein großes Handtuch für alle Fälle. Zur Not mache ich mein gesamtes Make-up auf der Bahnhofstoilette. Alles minutengenau geplant, wo ich wann wie sein will und was ich da mache, jeder Schritt auf meiner Tour – und doch bin ich den Sonnabend wieder viel zu spät. Mit Tempo hundertvierzig nach Leipzig auf der Autobahn. Wenigstens habe ich es vorher geschafft, noch meinen ganzen Körper zu rasieren.
Präzise 16:30 Uhr am Leipziger Hauptbahnhof angekommen, ich parke mein Auto in dem öffentlichen Parkhaus, ich muss noch zum Geldautomaten und möchte noch einen Kaffee trinken. Dort kann ich ihm auch eine Nachricht schicken, dass ich angekommen bin. Ich bewundere wieder die große Jugendstil-Halle dieses imposanten Bahnhofsgebäudes, die Kaffeehauskette muss wahnsinnig viel an Miete zahlen. Vor mir an der Theke steht eine junge Frau und bestellt sich einen Kaffee und etwas Kleines zum Essen. Sie fällt mir auf – sie sieht wunderschön aus. Sie ist mindestens einen halben Kopf größer als ich – und das mit Keilsandaletten – ihr Outfit komplett in Pink, zusammen mit ihren langen, blonden Haaren. Ihre Stimme, als sie die Bestellung aufgibt, ist fast gar nicht zu hören, so leise, sie muss in ihrem Leben richtig fiese Dinge erlebt haben. Ich dagegen, ganz in Schwarz, Nietengürtel, Jeans und Top, gebe meine Bestellorder ganz anders ab: „Ey, Alter. Lass den Pott Kaffee rüberwachsen.“
Weiter oben auf der Empore, am Tisch, schlürfe ich meinen Cappuccino und drücke mir meinen Blaubeermuffin rein. In Gedanken spiele ich jede Situation durch, wie ich sie wohl am besten hätte ansprechen sollen, mit ganz viel Respekt, ohne merkwürdig zu sein. Wie hätte ich mich ansprechen lassen können, wenn ein Mann hinter mir in der Warteschlange gewesen wäre? „Ich übernehme das für die bezaubernde, junge Dame.“ Weg mit dem Gedankenspiel, mein Freund aka Langzeit-Liebhaber bekommt eine Nachricht. Wenn er jetzt nicht innerhalb von einer dreiviertel Stunde antwortet, muss ich umplanen, dann kann ich nicht irgendwo – wahrscheinlich in Connewitz – für meine Vorbereitungen ein Bad benutzen … und ihn wiedersehen.
Blicke auf das Telefon, ich schalte es an, ich schalte es aus. Minuten vergehen, die Wartezeit in der oberen Ecke des Cafés in dem großen Bahnhof. Ich werde zum Auto gehen, meinen ganzen Kram umpacken, was ich nicht brauche, landet im Kofferraum, was ich brauche, das Kleid zum Umziehen, die Rolltasche mit dem Make-up, kommt mit in die Handtasche und die große Umhängetasche. Geschirrrückgabe und ich mache mich auf den Weg durch das Bahnhofsgebäude.
An dem Automaten am Bahnhof-WC werfe ich den einen Euro ein und gehe durch die Drehtür nach innen zu den Kabinen auf der Seite für die Damen. Es ist laut, es kommen ständig Leute, kleine Kinder, der Boden der Kabinen ist bedeckt mit Klopapier. In der Enge manövriere ich mich aus der Jeans raus und in die Netzstrumpfhose hinein, barfuß balancierend auf ein paar Blätter frisches Klopapier. Die Sneaker wieder zugebunden, das schwarze One-Shoulder-Kleid übergezogen, zurecht gezupft, Top und Jeans verschwinden in der Tragetasche. Die Kabine verlassend, raus zu den Schminkspiegeln. In dem Dämmerlicht mit den ganzen kommenden und gehenden Frauen um mich herum, ziehe ich einen wackeligen Strich am Augenlid. Es sieht bestimmt ganz furchtbar aus. Der schwarze Kajal und die paar Brocken danebengegangener Wimperntusche werden großflächig verblendet mit dem kleinen Pinsel … so genau sieht das dann später im Dunkeln des Clubs keiner mehr. Zurück zum Auto, ich bin spät dran, wenn ich es noch pünktlich zum Einlass um 19 Uhr an der Abendkasse schaffen will.
Bis zum Bezahlautomaten geht alles gut, die eine Karte wieder in meine Geldbörse, die andere zum Rausfahren, behalte ich mit dem Autoschlüssel in meiner Hand. Kofferraum zu, alles drin, Motor starten, zur Schranke eine Etage tiefer zum Ausgang. „Wo ist meine Karte!“
Scheiße verdammt, ich hatte sie doch eben gerade noch! Dramatische Szenen spielen sich da jetzt die nächsten Minuten ab. Ich werde nervös, panisch. Verliere meine Fassung, schreie hysterisch, stehe an dieser scheiß Schranke am Automaten und blockiere die ganze Ausfahrt. Zum Glück sind es zwei. Ich steige mehrmals aus, krame in meiner Handtasche, werfe alles auf das Verdeck oben, suche den ganzen Innenraum meines Autos nach dieser verdammten Karte ab. Wo ist sie? Habe ich sie verloren? Kann ich mich nicht mehr erinnern? Bin ich am Rande des Nervenzusammenbruchs? „Beruhige dich wieder, denk nach. Du weißt, wo sie ist, du hast sie auf deinen Schoß gelegt.“ Meine Erinnerung kommt zurück. Ich vergesse viel, wo ich was wo hingelegt habe. Wieder im Auto sitzend, gehen meine Hände rechts und links neben den Fahrersitz … ich kann sie ertasten! Sie muss von meinem Polyesterkleid beim Fahren runtergerutscht sein. Sie liegt in einer ganz ungünstigen Position, eingeklemmt unter der Schiene zum Bewegen des Sitzes.
Ein Schluck aus der Wasserflasche, so langsam komme ich wieder in ein planendes Verhalten. Das Verdeck muss runter, ich lege den Rückwärtsgang ein, die Autos hinter mir dirigiere ich mit einen Wink zu der anderen Ausfahrt. Ich fahre ein paar Meter vorsichtig zurück, daher ohne Verdeck, wo ich Platz habe zum Aussteigen und den Sitz nach ganz vorne zu schieben. Da ist sie, die scheiß Karte. Hoffentlich haben das nicht so viele mitbekommen, wie ich hier laut fluchend in meinem schwarzen Diva-Dress die Beherrschung verloren habe. Vielleicht hatte jemand an der Überwachungskamera Mitleid mit mir. Als ich wieder zur Schranke rolle und die Karte in den Schlitz schiebe, öffnet sie sich und lässt mich frei in das sonnige Tageslicht. Ich hätte eigentlich bestimmt nachzahlen müssen, die ganze dramatische Situation hat unendlich lange gedauert. Durch den Fahrtwind und meinen offenen Haaren in meinem roten Roadster den warmen Sommerabend zu dem Club nach Plagwitz. Mein Navi dirigiert mich, ich kann wieder runterkommen. (Ende Teil 1/2)

[08.07.24 / 00:36] Drei Wochen musste ich warten, drei Wochenenden ohne mein Motorrad – jetzt ist es endlich fertig! Der Mechaniker in der Werkstatt war so nett, das noch den Sonnabend Vormittag zusammenzuschrauben … genau richtig für das nächste Bikertreffen denselben Tag am Abend. Ein lokaler MC, ich warte noch das Gewitter ab, bevor ich mich auf mein Motorrad schwinge und dahin düse.
Wo ist er? Mein neuer Freund lässt sich nicht mehr blicken. Mehr als zwei Treffen hat doch noch nie ein Mann mit mir durchgehalten (außer vielleicht mein „Langzeit-Liebhaber“ in Leipzig). Verliert er das Interesse an mir? Spürt er etwas, dass mit mir nicht alles in Ordnung ist? Ich brauche ihn nicht. Meinen Urlaub, meinen langersehnten Traum, endlich mit dem Motorrad an die Ostsee fahren, kann ich auch ohne ihn machen. Das Zimmer in ein paar Wochen ist gebucht, nur ein Preis, mit oder ohne ihn.
Die Leute auf dem Bikertreffen sind interessant – die Motorräder noch viel mehr. Skurrile Umbauten, echte Chopper. Eiserne Kreuze, Stahlhelme, riesige Lenker. Bin ich hier in dieser Gesellschaft noch richtig? Als trans Frau? Weiß ja keiner. Nett, dass ich hier weiblich gegendert werde.
Die Band in der Halle den Abend auf dem Gelände interessiert mich nicht so (schon wieder eine Onkelz-Coverband, Dorf eben), ich bin draußen, schaue mir die Motorräder an, spreche mit den Leuten, mache Fotos vom Sonnenuntergang, Fotos von meinem Motorrad. „Für die WhatsApp-Gruppe.“ Die Kolleginnen auf Arbeit.
Lange bleibe ich nicht, ich muss mit meinem dunklen Helmvisier noch im allerletzten Dämmerlicht den Nachhauseweg finden. Schnell noch mir einen Flyer für das nächste Treffen geben lassen und wieder zurück. Den Sonntag starte ich noch eine weitere Tour, meine Hausstrecke, bis an die Grenze des nördlichen Harzvorlands, meine Lieblingsstelle, der kleine Parkplatz an der fast leeren Bundesstraße mit Blick auf den Brocken ganz fern am Horizont. Die Wolkenformationen für das Fotomotiv waren aber auch zu bezaubernd. Hätte ich ein Instagram-Profil …

[24.06.24 / 21:40] Ein zweites Bikertreffen, eine zweite Nacht mit ihm. Das Bikertreffen selbst besuche ich schon seit vielen Jahren, so viele Erinnerungen: Dort den Feldweg habe ich mir mal mein Motorrad anschieben lassen, und da am Lagerfeuer habe ich so viele Nächte verbracht und mir die Sonnenwende am Horizont bis in den frühen Morgen angesehen. Sobald mein Motorrad aus der Werkstatt ist, schnalle ich mein Zelt hinten drauf und bin weg! Zu ärgerlich, ich hätte hier so gerne mitgezeltet. Mit den beiden Männern, die noch den ganzen Abend um mich herumkreisen, habe ich richtig viel Spaß – inklusive Headbanging vor der Bühne weit nach Mitternacht.
Zu mir oder zu dir? Theoretisch hätte ich sogar mein neues Zelt (gekauft letzte Woche) und meinen Schlafsack hinten im Kofferraum in meinem Auto, das in einem Gebüsch um die Ecke parkt, aber sein Kombi ist sehr viel geräumiger. Kurz nach drei Uhr nachts, er parkt sein Auto um, stellt es neben meinem ab, vom Festivalgelände dröhnt immer noch die Metalmusik. Ab und zu ein paar Leute, nicht wenige schlafen in ihren Autos hier. Er startet sein Auto und sucht wieder eine einsame Ecke für uns.
Ein oder zwei Dörfer weiter, ein Waldstück, ein Weg hinein, nur ein paar Meter hinter der offenen Schranke. „Waldbrandgefahr!“ Er raucht noch eine Zigarette und schmeißt die Kippe aus dem Fenster (es hat die Tage vorher geregnet). Er bereitet alles vor, klappt die Rücksitzbank um und funktioniert die Ladefläche zu einer gemütliche Sitz- und Liegeecke … nicht mein erster Kombi, in dem ich eine Nacht und einen Sommermorgen verbringe. Er zieht sich aus, ich zieh mich aus, wir werden intim. „Hast du ein Kondom dabei?“ – „Nein.“ Ich vertrau ihm bereits so viel, er kann ungeschützt Sex mit mir haben. Aber es wäre besser gewesen, er hätte eines dabei gehabt, dann hätte ich mich ihm viel mehr hingeben können. Es schmerzt, es wird bluten. Er ist riesig. Anal, vaginal, wieder anal. Meine Lippen berühren ihn ab einen gewissen Punkt nicht mehr. Ich mag die vaginale Variante, wenn ich auf ihm reite, ich mit den Händen die Decke des Autos abstreife, meine Beine eng um ihn herumlege und er zwischen meinen Schamlippen gleitet, es fühlt sich fast an, als würde er in mir sein. Wir drehen, ich liege, ich kreuze meine Beine hinter ihm, er dringt in mich, eng umschlossen ein, es ist mir egal, ob du ein Kondom benutzt, nimm mich einfach! Die dunkle, braune Linie auf meinem Bauch ist wieder da, ich bin schwanger? Sie reicht mal mehr, mal weniger bis zum Bauchnabel, je nachdem, wie mein Hormonstatus ist, wie mein Monatszyklus ist (den ich gar nicht haben dürfte).
Die Sonne geht hinter den Ästen, den Waldweg hinein auf. Klare Sonnenstrahlen durch den Morgendunst. Es sieht so friedlich aus. Nach dem Sex versuchen wir beide den frühen Morgen etwas zu schlafen, er legt sich von hinten um mich und wärmt mich. Die Minuten zuvor habe ich schon angefangen, ihn zu streicheln, leicht meine Hand über seinen Bauch und seine Oberschenkel tanzen zu lassen. Verliebst du dich gerade in ihn? Wo sind meine Ideale, lass einen Mann niemals neben dir einschlafen, hau ab im frühsten Morgengrauen und lass ihn alleine aufwachen.
So kurz ist die Nacht und der Morgen, vielleicht bin ich nur wenige Minuten eingeschlafen. Ich muss aus dem Auto, eine Waldtoilette einen Meter neben der Tür suchen, mich frauentypisch hinhocken, wie Frauen das so machen. Meine Klamotten und meine Schuhe sind alle noch im Auto. Danach ziehen wir uns an, meine Sneaker, meine Jeans, mein olivgrünes T-Shirt (das aus Paris) und mein schwarzer Strickcardigan. Mein BH liegt noch irgendwo beim Schalthebel, er verschwindet wieder in meiner schwarzen Stoffhandtasche. „Frauen lassen immer danach ihren BH irgendwo rumliegen.“ So als Reviermarkierung.
Er fährt mit mir wieder zurück zu dem abgemähten Parkplatz vor dem Bikertreffen, irgendwo in einem Dorf fernab, neben einem Sportplatz. Es ist weit nach sechs Uhr morgens und von dem Gelände dröhnt immer noch laute Metalmusik und laute Männerstimmen, das sind Biker, die stehen noch bis Sonnenaufgang. Ich wechsele zu meinem Auto, ein Abschiedskuss, eine Umarmung. Werde ich ihn wiedersehen? Dadurch, dass er schon ein zweites Mal mit mir Sex hat, gehört er einem ganz kleinen, elitären Kreis innerhalb meiner Männerbekanntschaften an. Sieben Uhr den Sonntag Morgen bin ich wieder bei mir zu Hause und kann in mein Bett fallen. Ich habe sogar den Sonnabend Nachmittag zuvor meine ganzen Kaffeetassen in der Spüle abgewaschen, für alle Fälle, falls er mich doch begleitet und ich ihm dann einen Kaffee nach dem gemeinsamen Aufwachen anbieten kann.

Verletz mich bloß nicht! Wie der andere Biker, das andere Bikertreffen, fünf Jahre zurück.

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Kommentar:

[05.12.22 / 17:34] Daniele1992: Hallo Morgana

Mail ist heute rausgegangen

LG Daniele

[13.11.22 / 09:33] Daniele1992: Hallo Morgana

aktuell keine schöne Situation. Ich schreibe Dir noch eine Mail dazu.

LG Daniele

Morgana LaGoth: Einige Kommentare müssen auch nicht allzu öffentlich sein …

[13.05.22 / 09:15] Daniele1992: Hallo Morgana,

Tolle Reisebericht von Deiner neusten Reise nach Paris. Macht grosse Lust auch wieder dort hinzufahren um sich von der Stadt inspirieren zu lassen.

Tolle Neuigkeiten.NeuerJob. Klasse! Freue mich für Dich.

Liebe Grüße
Daniele

Morgana LaGoth: Danke. Endlich wieder verreisen … lange darauf gewartet. Lebendig bleiben, solange es noch geht.

[24.12.21 / 20:55] Daniele1992: Hallo Morgana,

Ich denke an Dich und wünsche Dir frohe Weihnachten und ein schönes neues Jahr 2022.

Liebe Grüße
Daniele

Morgana LaGoth: Vielen Dank, ich wünsche dir ebenfalls ein schönes, neues Jahr.

[25.09.21 / 14:59] Daniele1992: Hallo,

eine Chance etwas Neues zu machen. Neue Perspektiven. Urlaubsträume, die bald real werden können. Nicht so schlecht. Freue mich für Dich. LG Daniele.

Morgana LaGoth: Danke dir.

[11.11.20 / 09:12] Daniele1992: Hallo Morgana

Ich habe Dir eine Mail geschickt.

Lg
Daniele

Morgana LaGoth: Hey ... vom Lenkrad aus mit der Hand winken, von einem MX-5 zum anderen. *freu*

[30.07.20 / 22:03] Daniele1992: Guten Abend

das habe ich sehr gerne gemacht. Zum Einen interessiert mich das Thema und zum Anderen hast Du wirklich sehr lebendig und spannend geschrieben. Da wollte ich Alles lesen und wollte Dir schreiben, das mir Dein Blog besonders gut gefallen hat (Die eigentliche Arbeit hattest Du ja mit dem Verfassen des Blogs). Wenn Du magst können wir den Kontakt gerne per Mail halten. Viele Grüße Daniele

Morgana LaGoth: Mail-Adresse steht oben bei "kontakt" - bei weiteren Fragen, gerne.

[30.07.20 / 12:44] Daniele1992: Guten Morgen,
vielen Dank für Deinen tollen Blog. Ich habe ihn in den letzten Wochen komplett gelesen. Meistens konnte ich gar nicht aufhören zu lesen. Fast wie bei einem sehr spannenden Roman. Ich habe dabei Deine genauen Beobachtungen und Beschreibungen sehr genossen. Deine vielen Ausflüge in die Clubs und zu den Festivals oder Deine Streifzüge d durch die Geschäfte beschreibst Du immer aus Deiner Sicht sehr anschaulich und spannend. Ich kann das sehr gut nachvollziehen, das alleine zu erleben, häufig auch mit einer gewissen Distanz. Ich kenne ich von mir sehr gut. Highlights sind Deine Reiseberichte. Deine Erlebnisse an den unterschiedlichsten Orten auf der Welt. Vielen Dank dafür. Vielen Dank auch das Du Deinen Weg zu Deinem waren Geschlecht mit uns Lesern teilst. Deinen Weg Deine Gefühle Deine zeitweisen Zweifel. Das ist sehr wertvoll auch für uns Andere, denn es ist authentisch und sehr selten. Du bist einem dadurch sehr vertraut geworden. Für mich ist eine gefühlte grosse Nähe dadurch entstanden. Umso mehr schmerzt es mich von Deinen Rückschlägen zu lesen. Von Deinem Kampf zu Deinem wahren Ich. Von Deinem Kampf umd Liebe, Zährlichkeit und Akzepzanz und Anerkenung. Von Deiem mitunter verzweifeltem Kampf nach Liebe und Anerkennung durch Deinen Exfreund. Leider vergeblich. Dein Kampf um wirtschaftliche Unabhängigkeit und Deine aktuell missliche Lage. Ich glaube dass Du nicht gescheitert bist. Du hast viel Mumm und Hardnäckigkeit bewiesen Deinen Gang zu Dir selbst zu gehen. Du hast auch einen guten Beruf der immer noch sehr gefragt ist. Vielleicht kann ja nach dieser Auszeit und etwas Abstand ein Neuanfang in einer anderen Firma, wo Du keine Vergangenheit als Mann hattest gelingen. Ich wünsche das Dir ein Neuanfang gelingt und drücke Dir ganz fest die Daumen. Daniele

Morgana LaGoth: Da liest sich tatsächlich jemand alles durch? Das ist mittlerweile schon ein kompletter Roman mit mehreren hundert Seiten! Danke dir, für deinen Kommentar (und die aufgebrachte Zeit).

[05.10.19 / 17:11] Drea Doria: Meine liebe Morgana,
bin 5 T post all-in-one-FzF-OP. Deine guten Wünsche haben geholfen. Der Koch ist immernoch noch super. Alle hier sind herzlich und nehmen sich Zeit.
Herzlich
Drea

Morgana LaGoth: Dann wünsch ich dir jetzt noch viel mehr Glück bei deiner Genesung!

[14.06.19 / 12:57] Drea Doria: Meine liebe Morgana,

vielen Dank für Deine offenen und kritischen Erlebnisberichte. Ich bin in 3 Monaten in Sanssouci zur FzF-OP. Ich denke auch, was kann schon schief gehen, status quo geht nicht und irgendwas besseres wird wohl resultieren. Wenn es Dich interessiert, halte ich Dich informiert. Drücke mir die Daumen.
Herzlich
Drea

Morgana LaGoth: Ich wünsche dir für deine Operation viel Glück. (Sollte der Koch nicht gewechselt haben, das Essen da in der Klinik ist richtig gut!)

[14.11.17 / 20:13] Morgana LaGoth: Nutzungsbedingungen für die Kommentarfunktion: Die Seitenbetreiberin behält sich das Recht vor, jeden Kommentar, dessen Inhalt rassistisch, sexistisch, homophob, transphob, ausländerfeindlich oder sonstwie gegen eine Minderheit beleidigend und diskriminierend ist, zu zensieren, zu kürzen, zu löschen oder gar nicht erst freizuschalten. Werbung und Spam (sofern die Seitenbetreiberin dafür nicht empfänglich ist) wird nicht toleriert. Personenbezogene Daten (Anschrift, Telefonnummer) werden vor der Veröffentlichung unkenntlich gemacht.

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